Titel: Ueber die Zusammensetzung der Milch in gewissen Stadien des Melkens und die Vortheile des gebrochenen Melkens für die Butterbereitung; von Jules Reiset.
Fundstelle: Band 111, Jahrgang 1849, Nr. LXXIX., S. 390
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LXXIX. Ueber die Zusammensetzung der Milch in gewissen Stadien des Melkens und die Vortheile des gebrochenen Melkens für die Butterbereitung; von Jules Reiset. Aus den Comptes rendus, Oct. 1848, Nr. 18. Reiset, über die Zusammensetzung der Milch in verschiedenen Stadien des Melkens. Es ist eine bekannte Thatsache, daß die Milch große Verschiedenheiten in ihren Eigenschaften darbietet, je nachdem sie vom Anfang oder vom Ende des Melkens herrührt. Hr. Reiset stellte zahlreiche Analysen an, um von einer so seltsamen physiologischen Erscheinung genauere Kenntniß zu erhalten. Die Versuche wurden mit der Milch zweier Kühe angestellt, welche den Tag über auf der Weide gelassen und für die Nacht in den Stall zurückgebracht wurden, ohne hier Futter zu erhalten. Man ließ ungefähr 20 Gramme der zu analysirenden Milch aus dem Euter selbst gleich in die Schale fallen, in welcher die Abdampfung im Wasserbad vorgenommen werden sollte. Der Rückstand wurde nach scharfer Austrocknung bei 80° R. (in der Trockenkammer) gewogen. Die Resultate dieser Versuche wurden in mehreren Tabellen zusammengestellt (welche unser Original nicht mittheilt). Aus den in des Verf. Abhandlung niedergelegten Thatsachen geht hervor, daß die am Ende des Melkens erhaltene Milch gehaltreicher ist als die am Anfang aufgefangene; doch ist dieß nicht unbedingt der Fall, sondern nur, wenn die Milch über vier Stunden in ihrem natürlichen Behälter verweilt hatte. Läßt man das Melken schon von zwei zu zwei Stunden, oder noch schneller, aufeinander folgen, so bleibt die Zusammensetzung der Milch während der ganzen Entleerung ziemlich dieselbe; doch ist dieses oft wiederholte Melken nicht zweckmäßig und die Kuh gibt es nur sehr ungerne zu, ja setzt ihm zuweilen einen nicht zu besiegenden Widerstand entgegen. Es scheint daraus zu folgen, daß die Fettsubstanz – wie wir unten sehen werden, die Ursache aller dieser Verschiedenheiten – sich in den Eutern der Kuh wie in einem unthätigen Gefäß absetzt. Diese Ansicht wird dadurch bestätigt, daß die in der letzten Milchportion sich anhäufende Menge Butter um so größer ist, je länger sie darin verweilt. Sogar die in der Mitte des Melkens genommene Milchportion zeigt bei der Analyse mehr Aehnlichkeit mit der Milch vom Anfang des Melkens. Ein interessantes, aber nicht wohl anders zu erwartendes Verhalten zeigt die Milch der Kühe, je nachdem sich solche auf voller Weide, oder über Nacht daheim im Stalle und ohne Futter befanden. Im erstem Fall ist der Einfluß der Nahrung ein so unmittelbarer, daß man eine viel gehaltreichere Milch erhält, als im letztern Fall. Man verliert also, wenn man das Melken lange nach dem Futtern vornimmt. Die Behandlung des Rückstands mit Aether beweist, daß diese bedeutende Verschiedenheit ausschließlich der Fettsubstanz zuzuschreiben ist. Der in Aether unauflösliche Theil variirt kaum, und bei Bestimmung des Stickstoffs und der Salze in diesen Rückständen so verschiedenen Ursprungs ergeben sich beinahe constante Zahlen. Die Analyse bestätigt mithin die von Hrn. Donné (Cours de microscopie, 1844) gemachte Beobachtung: „Der in Gestalt von Kügelchen schwebende fette Bestandtheil allein bringt die Verschiedenheit im spec. Gewicht der Milch hervor, und nachdem er durch das Filter abgesondert wurde, findet man, daß die Dichtigkeit der filtrirten Milch, so verschieden auch die Milchsorten selbst sich vor dem Filtriren gezeigt haben mögen, nicht merklich variirt.“ Auch die Frauenmilch ist in ihrer Zusammensetzung sehr verschieden, je nachdem man sie auffängt bevor oder nachdem dem Kind die Brust gegeben wurde. Nach längerm Verweilen in den Secretionsorganen besitzt die Frauenmilch einen bedeutend geringern durchschnittlichen Gehalt. Auch die Abweichungen in der Zusammensetzung der Frauenmilch sind ausschließlich der Fettsubstanz zuzuschreiben, und, wie bei der Kuhmilch, behaupten auch hier der in Aether unauflösliche Theil, der Stickstoffgehalt und die Salze ziemlich dasselbe Verhältniß. Gestattet auch das Kuheuter anzunehmen, daß die Fettsubstanz sich allmählich in die Höhe begibt und daher zuletzt zum Austritt kömmt, so ist doch hinsichtlich des Weibes diese Erklärung nicht zulässig. Es war von Interesse, den Grad der Verlässigkeit, welcher dem Donné'schen Lactoskop (Milchgütemesser) zuzuschreiben ist, durch Vergleichung seiner Resultate mit jenen der Analyse zu ermitteln. Man fand, daß dieses Instrument in der Praxis nützliche Angaben liefern kann, die aber von der Genauigkeit der chemischen Verfahrungsweisen weit abstehen; das Instrument liefert die Resultate mit großer Schnelligkeit, dieselben können aber nur als annähernde betrachtet werden.