Titel: Erfahrungen über die Concurrenz der Eisenbahnen mit der Canal-, Fluß- und See-Schifffahrt in Beziehung auf schwere Frachtgüter.
Fundstelle: Band 114, Jahrgang 1849, Nr. XXIX., S. 162
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XXIX. Erfahrungen über die Concurrenz der Eisenbahnen mit der Canal-, Fluß- und See-Schifffahrt in Beziehung auf schwere Frachtgüter. Nach Teißerence's Werk bearbeitet. Ueber die Concurrenz der Eisenbahnen mit der Canal-, Fluß- und See-Schifffahrt. (Schluß von Seite 102 des vorigen Heftes.) III. Die Seeschifffahrt und die Eisenbahnen in Frankreich. Die Seeschifffahrt zwischen den französischen Häfen am Mittelmeer und am großen Ocean wurde 1844 in 1530 Fahrten mit Schiffen von einem mittlern Gehalte von 132 Ton., jedes mit 9 Mann besetzt, betrieben, und ergab eine Bewegung von 216,987 Tonnen. Von Cette oder Marseille nach Paris braucht man auf dem Seewege um Spanien herum, welcher eine Länge von 2800 Kilom. hat, 10 Wochen, während man später die 870 Kilom. Eisenbahn mit Waarenzügen leicht in drei Tagen zurücklegen wird. Während der langen Seereise steigert sich natürlich der Verlust an der Waare; Sachverständige schätzen diesen Verlust zu 3 Proc. des Waarenwerthes, so daß er für die Tonne Seife à 900 Fr. 27 Fr., für ordinäre Weine 6 Fr. etc. beträgt. Die Fracht von Marseille oder Cette nach Rouen kostet im Mittel 44 Fr. per Tonne, Zölle, Ein- und Ausladen inbegriffen; rechnet man hiezu die Fracht bis Paris, Assecuranzen etc., so summirt sich selbe mindestens auf 57 Fr. Waaren von geringem specifischem Gewichte werden höher berechnet. Die kaufmännischen Transportpreise der vorzüglichsten Frachtartikel enthält nachstehende Zusammenstellung; beigefügt ist eine Repartition dieser Seefracht auf den Kilometer der projectirten 850 Kilom. langen Eisenbahn von Marseille nach Paris; die durch die Concurrenz wahrscheinliche Herabsetzung der Seefracht, nämlich 15 Proc. für Oele, Seife und Potasche, 25 Proc. für die andern Frachtartikel, wurde in dieser Tabelle schon berücksichtigt. Seefracht von Marseillebis Paris. Auf den Kilometer Eisenbahnreducirte Seefracht. Oele 108 Fr.    10,5 Cent. Seifen 100 10 Masche   88      8,8 gewöhnliche Weine   80      6,4 Salze   57      5,0 Aus der letzten Verticalcolumne geht klar hervor, daß die Eisenbahn – deren eigene Fahrtkosten für Gütertrains wir bei 100 Ton. Ladung zu 3,5, bei 250 zu 2,25 Cent. berechnet haben – die Waaren wohlfeiler transportiren kann. Diese Thatsache ist von größter Wichtigkeit für die französische Rhederei und Seemacht. Auch die Fracht von Bordeaux bis Paris wird die Eisenbahn an sich reißen. Die Kosten der Wasserfracht einer Tonne Wein von Bordeaux nach Paris specialisiren folgendermaßen: Fracht von Bordeaux nach Rouen 18,0 Fr. Assecuranz 1 Proc.Abgang 1,5 Proc.Interessen 0,5 Proc. 3 Proc. von 160 Fr.   4,8 Kosten zu Rouen   3,0 Kosten von Rouen nach Paris 10,0 –––––––– Summe 35,8 Fr. Diese Summe auf einen Kilom. der 610 Kilom. langen projectirten Eisenbahn von Paris nach Bordeaux repartirt, gibt 6 Cent. Die Eisenbahn kann also noch mit bedeutendem Gewinne diese Fracht an sich ziehen, während sie die Rhederei zwischen Havre und Bordeaux nicht zu beeinträchtigen vermag. (Es ist übrigens klar, daß nur die um so viel bedeutendere Länge des Wasserweges der viel kürzeren Eisenbahn die Concurrenz erlaubt, und daß hiezu der theure Weg von Rouen die Seine hinauf noch viel beiträgt; denn die reine Fracht à 44 Fr. von Marseille bis Rouen, 2800 Kilom. Entfernung, beträgt per Kilom. 1,543 Cent. St.) IV. Ueber die relativen Waarenmassen, welche Canäle und Eisenbahnen zu transportiren vermögen. Man machte den Eisenbahnen den Vorwurf, daß sie nicht im Stande wären so bedeutende Waarenmassen zu transportiren wie die Canäle. Dieser Vorwurf läßt sich durch folgende Thatsachen widerlegen. Vor Entstehung der Liverpool-Manchester-Bahn existirten zwischen beiden Städten drei Canäle, welche sich in eine Fracht theilten, die jährlich nicht über 400,000 Tonnen stieg. Doch verlangte der Handels- und Fabrikenstand beider Städte noch eine vierte künstliche Transportlinie, die Eisenbahn, „weil eine lange Erfahrung bewiesen hatte, daß die drei Canäle den Bedürfnissen des Handels nicht genügten, und daß sie, stets überfüllt, unerträgliche Zeitverluste veranlaßten“. Die nämlichen Erklärungen finden sich in den Motiven für den Bau der London-Bristol-Bahn. Gleiches beobachten wir in Belgien; der Canal von Charleroi, dessen Frequenz 550,000 Ton., auf seine ganze Länge reducirt, erreicht, ist häufig so überfüllt, daß die von ihm bedienten Werkstätten, trotz der großen Frachtdifferenz, zum Landtransporte ihre Zuflucht nehmen müssen, und jährlich viele Steinkohlen auf der Achse von Charleroi nach Brüssel kommen. Auch in Nordamerika mußten die Schleußen des Erie-Canals mit größeren Dimensionen umgebaut werden. Gleichen Klagen begegnet man in Frankreich; Störungen bald durch Eis oder Hochwasser, bald durch Mangel an Speisewasser, bald durch Anhäufung der Boote um verschüttete und versperrte Schleußen. Im Jahre 1845 war der Canal von Nivernais im Sommer 2 1/2 Monate, die Canäle des Centrums, von Briare, Orleans, Loing, Berry, Bretagne 2 Monate, der Seitencanal der Loire 40 Tage unfahrbar; im Winter traf dieß nach einem zehnjährigen Durchschnitte den Rhone-Rhein-Canal 62 Tage. Um den erwähnten Uebelständen und der Unzulänglichkeit der stärksten und bestunterhaltenen Canäle, welche Frankreich besitzt, mehr zu entgehen, beschloß die Regierung im Einverständniß mit den Kammern die Canalisation der Seine durch Paris. In den frequentesten Jahren passirten den Canal St. Denis nicht ganz 9000 Boote, also jeden Tag der Schifffahrt 27. Eine solche Schifffahrtsbewegung genügte also nach dem Zeugnisse der Administration, um den Canal zu überfüllen. Nun sind 100–150 Ton. die regelmäßige Tragfähigkeit der Boote, welche auf den französischen Canälen von großem Querschnitte gehen; die normale Dauer der Schifffahrt beträgt jährlich 300 (?) Tage; die Hälfte, ja häufig drei Fünftel der Boote fahren leer; man kann also annehmen, daß die Tragfähigkeit stets gut gespeister Canäle jährlich 7–800,000 Ton. Nutzladung beträgt, welche eine Schleuße passiren, denn die Ueberfüllung Einer Schleuße macht die ganze Canalschifffahrt stocken. Während nun der an Ueberfüllung leidende Canal von Charleroi, welcher gewöhnlich als Beispiel großer Frequenz angeführt wird, nur eine Frequenz von 550,000 Ton. hat, beträgt die auf die ganze Länge reducirte Frequenz der Stockton-Darlington-Bahn 988,700 Ton., jene der Newcastle-Darlington 866,000 Ton., ohne daß auf ihnen ein Unfall zu beklagen oder eine Störung vorgekommen ist. Der Ingenieur der Eisenbahn von St. Etienne gibt die Gränze der Transportfähigkeit seiner Bahn zu 6 Millionen Tonnen an. (Die Transportfähigkeit läßt sich auch leicht berechnen, wozu wir als Beispiel die London-Blackwall- oder die London-Greenwich-Bahn nehmen wollen, weil auf ihnen wohl die meisten Trains gehen, täglich 54 in jeder Richtung. Nehmen wir an, es wären Gütertrains zu 150 Ton. Nutzladung, welche retour nur 50 Ton. bringen, so betrüge dieß täglich 10,800 Ton., jährlich 3,942,000 Ton. 54 Züge sind aber noch kein Maximum, sondern es könnte jede Viertelstunde einer, also täglich 64 abgehen, und jeder Train auch zwei Maschinen haben. Nun beträgt aber die ganze Circulation um Paris, in welche sich die Seine und sechs Eisenbahnen theilen, nur 2 Mill. Ton. St.) V. Schlüsse, welche Teißerence aus seinen gesammelten Erfahrungen und Betrachtungen zieht. Teißerence findet die großen Unterstützungen, welche die französische Staatscasse den Canälen angedeihen läßt, ungerecht, weil auch ohne sie das Publicum durch die Eisenbahnen niedere Frachtpreise erhält. Ueberhaupt stimmt er, obschon ein Verfechter der Staats-Eisenbahnen, dafür, daß jeder der neuern Communicationswege sich bezahlt; er zeigt, wie sehr mancher Landbesitzer oder Fabrikant durch eine Eisenbahn in seiner Nähe gegen den andern begünstigt wird, und findet es sehr ungerecht, daß der im Nachtheil stehende als Steuerpflichtiger auch noch das als Interesse der Staatsschuld unter den Staatsausgaben vorkommende Deficit der großen Communicationen tragen soll. Ueberhaupt macht er darauf aufmerksam, daß es finanziell unmöglich sey, das Netz der Staats-Eisenbahnen so zu verdichten, daß sich sein Einfluß auf den größern Theil des Landes erstrecke. Dieß geht daraus hervor, daß die Bewegung auf allen französischen Wasserstraßen nur 400 Mill. Ton. einen Kilometer weit beträgt, während die Circulation auf den Landstraßen Frankreichs 2 Milliarden Tonnen als Fracht 1 Kilom. weit, 200 Millionen Passagiere, mehrere Millionen Postpakete und Stücke Vieh, dann 121 Mill. Briefe übersteigt. Besonders aber warnt Teißerence noch vor der Rebeneinanderstellung concurrirender großer Communicationsmittel, weil das in ihnen fixirte Capital keine volle Rente geben kann. VI. Ueber die Rolle, welche die Wasserstraßen in Zukunft neben den Eisenbahnen spielen werden. Als am Ende des vorigen Jahrhunderts der Erfolg des Canals von Bridgewater die öffentliche Meinung günstig für die Canäle gestimmt hatte, sagte der Ingenieur Brindley vor dem Comité des Unterhauses: „die Flüsse sind geschaffen, um die Canäle zu speisen.“ Fünfzig Jahre später, 1846, erklärte ebenfalls vor einem Comité des Unterhauses Francis Head, Präsident des Verwaltungsrathes des Grand-Junction-Canals von London nach Birmingham, folgendes: „wenn in Folge des Kampfes mit den Eisenbahnen die Canäle einmal vollkommen unproductiv geworden sind, so soll nach meiner Meinung die Regierung erlauben, daß das ganze große Canalnetz in ein Eisenbahnnetz umgewandelt werde, das mit dem jetzigen in Concurrenz tritt. Um die Canäle in Eisenbahnen umzuwandeln, braucht man nur ihr Wasser abzuleiten und die Eisenbahn auf die Sohle ihres Bettes zu legen. Eine solche Umwandlung wurde selbst für den Grand-Junction-Canal, der doch sehr viele Schleußen hat, durch den Ingenieur Cubitt als leicht ausführbar erklärt. Es ist unmöglich, die Vortheile zu läugnen, welche die Concurrenz eines mit so geringen Kosten neugeschaffenen Eisenbahnnetzes mit dem alten, dessen Erbauung so bedeutende Summen verschlungen hat, dem Publicum verschaffen würde.“ Hr. Skey, Director des Canals von Birmingham nach Liverpool, von Chester nach Ellesmere und jenes von Montgomeryshire, erklärte: „für eine so lange Frachtlinie sind die Eisenbahnen das beste, den Bedürfnissen des Landes angemessenste Communicationsmittel, jenes, welches am Ende alle übrigen besiegt; deßwegen müssen auch die Compagnien der vereinigten Canäle das Parlament bitten, ihr Eigenthum in Eisenbahnen umwandeln zu dürfen.“ Das Parlament gestattete dieß und die zu 133 eingezahlten Actien dieser Canäle, welche die Interessen ihrer Schulden und die Kosten ihrer Unterhaltung und Verwaltung nicht mehr aufzubringen vermochten, und welche keinen Heller Dividende zahlten, stiegen hierauf von 58, wie sie im April 1845 standen, über Pari, und seitdem hat die Actiengesellschaft der Eisenbahn von London nach Birmingham den Eisenbahn-Canal um jährlich 6 Proc. gepachtet. Der allgemeinern Umwandlung der Canäle in Eisenbahnen stehen aber in England große Schwierigkeiten entgegen. Die englischen Canäle bilden nämlich große Netze; wird ein einziger Faden aus demselben gerissen, so verliert das Netz seine ganze Verbindung, und selbst durch Schließung unbedeutender Seitenarme muß die Frequenz der übrigen abnehmen. Ferner ist das Schicksal vieler Werkstätten und Fabriken, welche an den Canälen oder ihren Seitenarmen liegen, mit jenem der Canäle innigst verbunden; die aus den Canälen hervorgegangenen Eisenbahnen entschädigen sich durch den Personentransport, wer bezahlt aber den anliegenden Fabriken die Umwandlung ihrer Zweigcanäle und ihrer Bassins in Zweigbahnen und Stationsgebäude? Ferner folgen sich oft die Zweigcanäle, z.B. an dem Canale von Birmingham, auf einige hundert Meter und belaufen sich auf Tausende von Metern; wie wäre es nun möglich, den Dienst auf ihnen mit einem schnellen Passagierdienste zu vereinigen? Die Besitzer von 750 Kilom. englischer Canäle waren schon entschlossen, solche ganz in Eisenbahnen umzuwandeln; diese Hindernisse und die Klagen der mit Beschädigung Bedrohten vor dem Parlamente, veranlaßten aber die Besitzer vieler Canäle, nur das eine Ufer zur Eisenbahn einzurichten und es mit einer Mauer zu versehen, den Wasserweg aber bestehen zu lassen. Der Ingenieur M. Walker schätzte diese Umänderung für den Kennet- und Avon-Canal zu 260,000 Fr. per Kilometer (900,000 fl. per d. M.). Beim Canal zwischen Themse und Medway kostete diese Umgestaltung nur 130,000 Fr. per Kilom., mit Betriebsmaterial 150,000; aber die Bahn hat nur Ein Geleise und die Herstellung des zweiten erfordert, da auch ein Tunnel von 4 Kilom. Länge erweitert werden muß, 140,000 Fr. Zusammen beträgt dieß 290,000 Fr., was bei der Nähe von London und dem schwierigen Terrain nicht viel ist. Der im Jahre 1804 gebaute Canal hat 452,000 Fr. gekostet, also die jetzige Eisenbahn im Ganzen 742,000 Fr. Eigens neu gebaut hätte sie 800,000 Fr. gekostet und ihr Bau hätte 4 Jahre gedauert, während die Umwandlung des Canals in eine Eisenbahn unter Rastrick's Leitung in 11 Monaten vollendet wurde. Die Kosten, um auf das Bett des Kennet- und Avon-Canals ein doppeltes Geleise zu legen, einschließlich der Abänderung zu scharfer Curven, welche 14,7 Proc. der ganzen Länge bildeten, schlagen die Ingenieure Walker, Blackwell und Maclean zu 125,000 Fr. per Kilometer an. Die London-Croydon-Bahn, welche ganz in das Bett eines 1801 gebauten Canales gelegt wurde, kostete nur 340,000 Fr. per Kilometer, mit Einschluß der Canalkosten aber 1,100,000 Fr. Diese Summen sind mit Rücksicht auf die Nähe von London nicht bedeutend, denn von den London zunächst liegenden 14 Kilometern der Bahn von London nach Birmingham kostet der Kilometer 3,700,000 Fr.; ein solcher der Bahn von London nach Bristol kostet 3,400,000; von London nach Cholchester 2,100,000 Fr.; von London nach Blackwall, freilich unter sehr ausnahmsweisen Verhältnissen, 5,000,000 Fr. Für die Verhältnisse Frankreichs ist es, wie Teißerence und gewiß mit Recht behauptet, zwar nützlich, die noch nicht vollendeten Canäle in Eisenbahnen umzuwandeln, auch jene Canäle, welche, wie diejenigen der Bretagne, keinen Verkehr haben; aber diese Maßregel soll nicht auf alle Canäle ausgedehnt werden. Um eine solche Maaßregel zu rechtfertigen, muß man, wie in England, ein Eisenbahnnetz haben, hinreichend ausgedehnt, um während des zeitweiligen Stillstandes des mit der Industrie, den Gewohnheiten und Bedürfnissen des Landes innigst verbundenen Canalnetzes die Dienste desselben zu verrichten; die öffentliche Meinung müßte ferner von der Productivität der großen Eisenbahnlinien so durchdrungen seyn, daß man ohne Gefahr für den Unternehmungsgeist die concurrirenden Kunststraßen vervielfältigen kann; dahin gelangt aber Frankreich in 10 Jahren noch nicht. Auch spielen die Netze der Wasserwege unter den großen Communicationen Frankreichs eine viel zu wichtige Rolle. Ueberdieß ist die Bevölkerung Frankreichs nicht so dicht, der Handel und Verkehr nicht so bedeutend, um zwei benachbarten miteinander concurrirenden großen Communicationen hinreichende Frequenz zu liefern. Doch können die französischen Canäle, welche größtentheils concurrirende Eisenbahnen neben sich haben, auf die Dauer den bisherigen Zustand nicht ertragen. Ihr Concurrenzkrieg mit den Eisenbahnen muß aufhören, und die Canäle müssen durch Unterstützung mächtiger Capitale wieder in blühenden Stand gesetzt werden. Beiden Anforderungen kann nur entsprochen werden, wenn man das finanzielle Interesse der Eisenbahnbesitzer mit der Erhaltung der Canäle verbindet. Die Eisenbahngesellschaften müssen sich hiezu die Bedingung gefallen lassen, daß sie ihre Frachtsätze für schwere Waaren nicht unter die gegenwärtig bei der Schifffahrt bestehenden herabsetzen. Wenn die Eisenbahnen und Canäle ihre Magazine und Ladeplätze mit einander vielfach verbinden, sowie mit den Zweigcanälen, welche in das Innere der Städte und an die Fabriken führen, so können sie gemeinschaftliche Arbeiter für das Ladegeschäft, gemeinschaftliche Spediteure, gemeinschaftliche Verwaltung und Bureaux haben. Man benützt dann für die Umladung die in England gebräuchlichen sinnreichen Maschinen, man setzt die Boote aus mehreren trennbaren Blechkästen zusammen, von denen jeder die Dimensionen der Plattform eines Eisenbahnwagens hat, also auf diese gesetzt werden kann.Baut man die aus Blechkästen zusammengesetzten Boote nicht nach gleichen Dimensionen, sondern so, daß die Blechkästen der schmälern und dafür etwa längern Boote in jene der breitern gesetzt werden können, oder richtet man Alles so ein, daß Bleckkästen des Vorder- oder Hintertheiles in solche der Mitte gesetzt werden können, so dürfte dieß große ökonomische Vortheile gewähren, wenn der Tonnengehalt der in beiden Richtungen gehenden Fracht sehr verschieden ist, oder wenn die Mittelstationen der Wasserstraße viele Fracht liefern, oder wenn man mit dem Speisewasser sehr ökonomisiren muß, es also wünschenswerth ist, zwei leere Boote als ein volles Boot geformt, mit Einer Schleußung zu befördern: drei Fälle, welche meistens eintreten. Daß aber solche Zusammensetzungen von Blechkästen zu Einem Boote der Schifffahrt nicht schaden, beweisen die Erfolge der eben so eingerichteten Kriegspontons Birago's. St. Macht nun Frost oder Dürre die Wasserstraßen unbenützbar, und strömt also der ganze Güterzug der Eisenbahn zu, so kann man das Personal der Canäle hiebei verwenden. Dieses Personal kann nun, statt wie bei der Canalschifffahrt nur 200 Tage, fast das ganze Jahr hindurch bezahlt werden, also für jeden Arbeitstag sich mit einem geringeren Lohn begnügen. Die Eisenbahnverwaltung gewinnt dadurch, daß sie kein der Springfluth des Transportes gewachsenes Personal halten muß, sondern stets nur ein der mittlern Frequenz angepaßtes. Ebenso verhält es sich mit dem Transportmaterial der Eisenbahn; sie kann sich in den meisten Fällen auf die Unterstützung der Canalboote verlassen. (?) Auch braucht man, wenn man eine Eisenbahn in Reserve hat, mit dem Speisewasser des Canals nicht so zu ökonomisiren und kann solches theilweise für landwirthschaftliche und industrielle Zwecke abgeben. Das einzige Mittel, um die Canalfracht wohlfeiler zu machen, besteht in der Organisation des Frachtdienstes, in der Concentrirung desselben in der Hand Einer Administration, wie dieß bei den englischen Canälen und bei der Schifffahrt auf der untern Seine der Fall ist, wodurch letztere hauptsächlich den Kampf mit der Paris-Rouen-Eisenbahn aushielt. Wir finden die Transportkosten für die Tonne Steinkohlen auf den französischen Eisenbahnen zu 35 bis 40 Cent., während sie auf den Canälen 3 Fr. betragen. Woher kommt dieß? Weil die Administration des Eisenbahntransportes in Einer Hand ist, Ein intelligenter Wille beherrscht Alles und combinirt Alles so, daß Zeit und Kräfte nicht unnöthig verloren gehen. Beim Wassertransport hingegen ist Alles dem Zufalle überlassen; jeder sorgt nur für sich. Die Verwaltung erhebt ihre Gebühren und Wasserzölle nach dem bestehenden Tarife, ohne sich um seine Verbesserung zu bekümmern; die Central-Administration der öffentlichen Arbeiten gewährt nicht die für den sorgfältigen Unterhalt nöthigen Mittel; der Ingenieur bestimmt den Schluß und die Oeffnung der Wasserstraße nach seinem Belieben, ohne sich um das Interesse der übrigen Betheiligten zu kümmern. Die Schiffleute gehen dorthin wo sie gerade Fracht zu finden hoffen, sind bald hier ihrer zu viele, bald dort zu wenige; sie gehen und kommen, ohne die Spediteure oder sich selbst untereinander zu verständigen; sie streiten und zanken sich um die Fracht, und so kommt es, daß ein Frachtquantum, welches Eine volle Schiffsladung gäbe, sich in 4 bis 6 Boote vertheilt. Mit diesen schwachen Ladungen bleiben dann die Schiffer oft Wochen lang liegen, bis ihre Ladung voll wird; diese Verluste an Zeit und Geld müssen sie dann auf die Fracht schlagen. Den ganzen Frachtdienst der Canäle wird die französische Regierung, welche schon die Administration der Eisenbahnen von sich wies, nie übernehmen. Es bleibt also nichts übrig, als die Canäle zu verpachten, und um Alles in Einer Hand zu centralisiren, sollten diejenigen, welche die Erhebung der Wasserzölle pachten, auch verpflichtet seyn, den ganzen Transportdienst zu besorgen. Zolleinnehmer und Wassertransporteur vereinigen sich dann in Einer Person, wie dieß bei den englischen Canälen und jenem von Languedoc der Fall ist. Auf diese Art wird der Organisation des Frachtdienstes noch ein neues Beförderungsmittel der Schifffahrt hinzugefügt – das Capital.