Titel: Beiträge zur Geschichte der Nielloarbeit; von J. F. L. Hausmann.
Fundstelle: Band 114, Jahrgang 1849, Nr. LIII., S. 293
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LIII. Beiträge zur Geschichte der Nielloarbeit; von J. F. L. Hausmann. Aus Karsten's und Dechen's Archiv, 1849 S. 432. Hausmann's Beiträge zur Geschichte der Nielloarbeit. Die in Italien mit dem Namen Niello (von Nigellum, Niellum) belegte Kunstarbeit ist eine Art von Emaillirung auf Gold und besonders auf Silber, unterscheidet sich aber von dem gewöhnlichen Email sowohl durch die Zusammensetzung, indem der Nielloschmelz aus Schwefelsilber, Schwefelkupfer und Schwefelblei zu bestehen pflegt, als auch dadurch, daß mit dieser Masse, welche eine schwärzliche Farbe und geringere Härte als anderer Schmelz besitzt, fein gravirte oder gepreßte Zeichnungen ausgefüllt werden. Nach der gewöhnlichen Verfertigungsart werden 1 Theil feines Silber mit 2–5 Theilen Kupfer und 3–7 Theilen Blei zusammengeschmolzen. Einen Theil dieser Legirung gießt man im geschmolzenen Zustande auf 2 Theile Schwefel, welcher sich in einem besondern Tiegel befindet, bedeckt letztern sogleich und erhitzt ihn so lange, bis der überschüssige Schwefel verflüchtigt ist. Die Schwefelverbindung wird nach dem Erkalten gepulvert, mit Salmiakauflösung angemacht und in die Gravirung eingerieben, worauf man die wieder rein abgewischten Stücke unter der Muffel bis zum Schmelzen der in den Vertiefungen des Metalles befindlichen Masse erhitzt. Nach dem Erkalten wird die Oberfläche abgeschliffen und polirt. Die hier beschriebene Kunst blühte in Italien besonders im 15ten und 16ten Jahrhundert; gegenwärtig hat sie unter dem Namen der schwarzen Kunst ihren Hauptsitz in einigen Städten im Innern Rußlands. Am bekanntesten sind in Deutschland die in Tula verfertigten silbernen, mit Nielloarbeit verzierten Tabaksdosen; vorzüglicher sind aber die zu Wologda und Ustjug Weliki aus den geschickten Händen russischer Bauern hervorgehenden Fabricate jener Art. Die Nielloarbeit ist hin und wieder mit einer eingelegten Metallarbeit verwechselt, mit welcher sie doch nur die Ausfüllung gravirter Zeichnungen gemein hat. Diese Verwechselung macht unter andern Reiske, wenn er die von Ciampini genau beschriebenen Verzierungen an den bronzenen Thüren der St. Pauls-Basilika von Rom, deren gravirte Figuren und Inschriften ursprünglich eingelegte Silberfäden enthielten, auf das Nigellum bezieht. Eine ähnliche, auch wohl als Niello bezeichnete Arbeit befindet sich an der berühmten Tabula Isiaca oder Bembina, welche in dem Antiquitätencabinet der Turiner Universität aufbewahrt wird, wo der Verfasser sie zu sehen Gelegenheit gehabt hat. Die Tafel besteht aus Kupfer, und die Umrisse der darauf befindlichen Figuren sind durch eingelegte Silberfäden gebildet. Die Nielloarbeit ist von einigen Schriftstellern für eine alte, von anderen für eine neuere Erfindung ausgegeben, wobei aber freilich hinreichende Gründe für die entgegengesetzte Meinung vermißt werden. Lessing hat es unentschieden gelassen, ob diese Kunst bereits den Alten bekannt gewesen sey. Fiorillo hat sich dagegen mit Entschiedenheit dafür erklärt, daß jene Kunst aus dem Alterthume stamme, jedoch ohne einen bestimmten Beweis dafür anzuführen. Diesen Beweis dürfte nun unwidersprechlich eine Stelle im Plinius darbieten, in der er die Darstellung eines in Aegypten zur Verzierung silberner Geräthe angewendeten schwarzen Schmelzes, welcher mit dem Niello übereinstimmt, genau beschreibt. Eine Abweichung besteht zwar darin, daß nach der Angabe des Plinius nur Silber, Kupfer und Schwefel zur Zusammensetzung des schwarzen Schmelzes gebraucht wurden. Der Bleizusatz, welcher in neueren Zeiten zur Bereitung des Niello angewendet worden, ist indessen ein weniger wesentlicher Bestandtheil desselben, der die Mischung etwas leichtflüssiger macht, und der Farbe eine stärkere Neigung in das Bleigraue ertheilt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß in Aegypten jener schwarze Schmelz wirklich nur aus Schwefelsilber und Schwefelkupfer zusammengesetzt, und daß erst später dabei ein Bleizusatz angewendet worden. Dieses möchte um so eher anzunehmen seyn, da die Nachrichten, welche aus dem Mittelalter über die Bereitung des Niello sich erhalten haben, zeigen, daß man in früherer Zeit einen weit geringern Bleizusatz angewendet hat, als in der Folge üblich geworden. Der geringere Preis des Bleies hat vermutlich den Zusatz dieses Metalles und die spätere Vergrößerung desselben hauptsächlich veranlaßt. In einem natürlichen Körper, dem Silberkupferglanz, dessen mit metallischem Glanze verbundene Farbe zwischen Eisenschwarz und Bleigrau die Mitte hält, findet sich eine qualitativ ähnliche Zusammensetzung, als die von Plinius angegebene. Was das quantitative Verhältniß der Bestandtheile betrifft, so war in der von Plinius mitgetheilten Zusammensetzung, in welcher der Kupfergehalt den 3ten Theil des Silbergehalts betrug, viel weniger Kupfer enthalten, als in dem natürlichen Silberkupferglanz, dessen Abänderungen vom Schlangenberge in Sibirien, und von Rudelstadt in Schlesien in 100 Theilen 53,11 Silber, 31,09 Kupfer und 15,80 Schwefel enthalten. Zur jetzt gebräuchlichen Zusammensetzung des Niello wird dagegen weit mehr Kupfer als Silber genommen, wiewohl nicht immer genau dieselbe Verbindung angewendet wird. Aus unten mitzutheilenden Nachrichten ergibt sich, daß der Nielloschmelz in verschiedenen Zeiten abweichend zusammengesetzt worden, und daß man den Silbergehalt desselben im Verhältniß zum Kupfergehalt allmählich immer mehr vermindert hat. Hinsichtlich der Quantität des Schwefels stimmt die Nachricht im Plinius insofern mit späteren Anweisungen zur Niellobereitung, sowie mit dem noch jetzt dabei üblichen Verfahren überein, daß weit mehr Schwefel gebraucht wurde, als in die Verbindung mit den angewendeten Metallen eingehen kann, indem man den überschüssigen Schwefel sich verflüchtigen ließ. Darin war aber der von Plinius beschriebene Proceß von den später üblich gewordenen verschieben, daß der Schwefel den Metallen gleich anfangs zugesetzt wurde. Dieser Unterschied ist indessen nicht wesentlich; denn indem die Schmelzung in einem verschlossenen, mit Thon verstrichenen Gefäße geschah, konnte die Vereinigung des Schwefels mit den Metallen ebenso gut erfolgen, als bei dem später angewendeten Verfahren. Wenn das Schmelzgefäß so lange im Feuer erhalten wurde, bis sein Verschluß nachgab und der Deckel sich öffnete, so mußte alsdann der überflüssige Schwefel entweichen. Der obigen Mittheilung des Plinius zufolge wurde also vermuthlich in Aegypten das Niello erfunden, wo ja auch andere verwandte Künste, namentlich die Fabrication von buntfarbigen Glaswaaren, die Verfertigung thönerner Bildwerke mit farbiger Glasur und andere schon früh blühten. Von Aegypten gelangte jene Kunstarbeit nach Rom, und diente hier zuerst zur Verzierung silberner Triumphstatuen. Daß sich, wie es scheint, von dieser Kunstarbeit aus dem Alterthume nichts erhalten hat, da doch manche griechische und römische Silberarbeiten bis auf unsere Zeit gekommen sind, mag zum Theil wohl darin seinen Grund haben, daß der Nielloschmelz zerstört wurde, während das Silber sich erhielt. Unter den antiken Silberarbeiten finden sich solche, welche eingegrabene Ornamente haben, die vielleicht zum Theil ursprünglich mit Nielloschmelz ausgefüllt waren. Die älteste genaue Nachricht über die Nielloarbeit aus dem Mittelalter dürfte diejenige seyn, welche Theophilus Presbyter (12ten Jahrhundert) hinterlassen hat. Derselbe gibt eine umständliche Anleitung zur Bereitung des Niello, welcher zufolge die Zusammensetzung aus 2/3 Silber, 1/3 Kupfer und 1/6 Blei bestand. Silber und Kupfer wurden nach seiner Angabe in einem besondern Gefäße zusammengeschmolzen, und ebenso das Blei und ein Theil des Schwefels; das Schwefelblei wurde alsdann auf das geschmolzene Silber und Kupfer gegossen, und darauf das ganze Metallgemisch auf den übrigen in einem besondern Gefäße befindlichen Schwefel. In diesem wurde die Masse abermals in Fluß gebracht, und darauf in einen eisernen Einguß gegossen. Man ersieht hieraus, daß zur Zeit des Theophilus die Zusammensetzung des Niello sich der von Plinius angegebenen noch sehr näherte, indem der Kupfergehalt nur die Hälfte und der Bleizusatz nur den vierten Theil des Silbergehaltes betrug. Das von Theophilus beschriebene Verfahren, das Niello in die gravirten Zeichnungen einzutragen und einzubrennen, weicht von der neuern Methode ab, und bestand darin, daß ein langes und dünnes Stück von dem Schmelz mit einer Zange gefaßt und in die Vertiefungen des rothglühend gemachten Silbers eingerieben wurde. Nach dem Erkalten wurde dann das Aufgeschmolzene mit der Feile und mit dem Schabeeisen geebnet. Sollte die Silberarbeit vergoldet werden, so geschah dieses, nachdem sie niellirt worden. Im 15ten und 16ten Jahrhundert wurde die Nielloarbeit in Italien und Spanien viel ausgeübt und sehr geschätzt. Als Künstler, die sich in jener Zeit im Nielliren besonders ausgezeichnet haben, sind für Italien Benvenuto Cellini und Blaise de Vigenére und für Spanien Perez de Vargas zu nennen. Aus den dießfallsigen Mittheilungen geht hervor, daß im 16ten Jahrhundert in Italien ein Verfahren der Niellodarstellung angewendet wurde, welches von den früheren Methoden in mehreren Stücken abwich. Das Wesentliche dieses Verfahrens bestand in Folgendem: man nahm zum Niello 1 Theil feines Silber, 2 Theile gutes Kupfer und 3 Theile reines Blei. Zuerst schmolz man Silber und Kupfer zusammen, und setzte darauf das Blei hinzu. Ein thönernes Gefäß mit langem geradem Halse wurde zur Hälfte mit gepulvertem Schwefel angefüllt, worauf das geschmolzene Metallgemisch hinzugegossen, die Oeffnung des Gefäßes mit Thon schnell verschlossen, und das Gefäß stark geschüttelt wurde. Nach dem Erkalten wurde dasselbe zerbrochen, die Masse herausgenommen, gereinigt, gewaschen und fein pulverisirt. Das Niellopulver vertheilte man mittelst eines kleinen Spatels auf die gravirte Arbeit, so daß die Vertiefungen einen Messerrücken stark damit bedeckt wurden, und streute etwas feinzerstoßenen Borax darauf. In einem durch flammendes Holz angezündeten und mit einem Blasebalge angefachten Kohlenfeuer wurde darauf das zu Niellirende so stark geglüht, daß das Pulver in vollkommenen Fluß kam. Nachdem das Einbrennen vollendet und die Abkühlung erfolgt war, wurde dem Schmelze das Ueberflüssige mittelst einer Feile genommen, worauf man ihn mit Bimsstein und Trippel abrieb und polirte. In der Beschreibung des Benvenuto Cellini findet sich eine genaue Angabe mancher kleiner Hand- und Kunstgriffe, welche besonders das Einbrennen und die letzte Vollendung der Nielloarbeit betreffen, die noch jetzt Beachtung verdienen dürfte; so wie seine ganze Schrift für Gold- und Silberarbeiter überaus viel Lehrreiches und zum Theil in Vergessenheit Gerathenes enthält. Nach Rußland scheint die Kunst des Niellirens schon sehr früh gekommen zu seyn. Das Verfahren, welches die Silberarbeiter in Wologda und Ustjug bei der sogenannten schwarzen Kunst anwenden, hat Georgi genau beschrieben. Sie nehmen 1 Loth Silber, 5 Loth Kupfer, 7 Loth Blei, 24 Loth Schwefel und 4 Loth Salmiak. Mit dem gepulverten und mit Wasser zum weichen Teige gemachten Schwefel wird ein Tiegel ausgefüttert. In einem andern werden die Metalle zusammengeschmolzen. Man gießt sie in den Schwefeltiegel und deckt solchen schnell zu, läßt aber die Masse so lange im Feuer, bis der überflüssige Schwefel sich verflüchtigt hat. Das Schmelzproduct wird gröblich gepulvert, und mit der Auflösung des Salmiaks zu einer Masse gemacht, die man in das sauber gravirte Silber einreibt. Unter einer Muffel bringt man das Eingeriebene in Fluß. Man befeuchtet dann die Arbeit noch einmal mit Salmiakauflösung, und setzt sie darauf unter der Muffel der Glühhitze aus. Nach dem Erkalten wird die Arbeit durch Glätten und Poliren vollendet. Im Jahr 1826 hat sich in England Thomas John Knowlys auf eine angeblich neue Fabrication patentiren lassen, welche nichts anders als Nielloarbeit ist. (Repertory of Patent-Inventions, S. 305.) Der Patentinhaber hat die von ihm beschriebene metallische Composition Tulametall genannt. Im Wesentlichen ist sie dieselbe, welche in Rußland zur schwarzen Kunst, oder auch sonst sogenannten Tulaarbeit gebraucht wird. Man muß sich darüber wundern, wie jene Fabrication in England für eine Erfindung gelten konnte, und daß dem Herausgeber des Repertory of Patent-Inventions der Grund jener Benennung unbekannt war, wie aus einer Anmerkung desselben sich ergibt. Die patentirte Composition besteht als einer halben Unze Silber, 3 Unzen Kupfer und 5 Unzen Blei, welche man in einem besondern Gefäß zusammenschmilzt. Es werden darauf 1 1/2 Pfd. Schwefel und 1/2 Unze Salmiak zugesetzt, womit die Masse so lange im Feuer bleibt, bis sich der überflüssige Schwefel verflüchtigt hat. Das Geschmolzene wird in ein Gefäß ausgegossen, auf dessen Boden eine Lage von Schwefelblumen sich befindet, welches man dann verschließt und so erkalten läßt. Die Masse wird noch einmal umgeschmolzen und für den Gebrauch in Eingüsse gegossen. Das Verfahren, diese Composition zur Verzierung von Silber- und Goldarbeiten zu verwenden, stimmt, der gegebenen Beschreibung zufolge, mit dem in Rußland üblichen vollkommen überein. Eine besondere Anwendung hat das Niello zur schwarzen Ausfüllung der Ziffern und der Theilstriche des Minutenkreises auf goldenen, silbernen, vergoldeten, oder versilberten Uhrzifferblattern, so wie zur Emaillirung goldener Uhrgehäuse gefunden. Außerdem scheint die Kunst des Niellirens in Deutschland im Ganzen wenig Eingang gefunden zu haben. In neuerer Zeit hat Karl Wagner zu Berlin Nielloarbeiten verfertigt. Er ist von dort nach Paris gezogen, wo er diese Fabrication im Großen fortgesetzt hat. Die Geschichte des Niello liefert ein merkwürdiges Beispiel, wie eine Kunstarbeit, die in Ansehung ihres Zweckes von keiner großen Bedeutung ist, indem sie beinahe nur dem Luxus, und auch diesem nur in geringem Maaße dient, sich aus dem Alterthume bis zu den neuesten Zeiten erhalten hat, wobei aber der innere Werth derselben, durch Verminderung der Quantität des zu ihren Materialien gehörenden edeln Metalles, allmählich immer geringer geworden ist. Folgende Zusammenstellung gibt hiervon, so wie überhaupt von den Abänderungen des Verhältnisses der metallischen Bestandtheile des Nielloschmelzes in verschiedenen Zeiten, eine Uebersicht. Metallische Zusammensetzung des Niello in 100 Th.: Silber Kupfer Blei nach Plinius 75,0 25,0 Theophilus Presbyter 66,7 22,2 11,1 Benvenuto CelliniBlaise de VigenérePerez de Vargas 16,7 33,3 50,0 Georgi   7,7 38,5 53,8 dem Repertory of Patent-Inventions          von 1827   5,9 35,3 58,8