Titel: Ueber Melsens' Verfahren zur Fabrication des Runkelrübenzuckers; von Professor Payen.
Fundstelle: Band 115, Jahrgang 1850, Nr. XLIII., S. 212
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XLIII. Ueber Melsens' Verfahren zur Fabrication des Runkelrübenzuckers; von Professor Payen. Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr. 1415. Payen, über Melsens' Verfahren zur Fabrication des Runkelrübenzuckers. Hr. Melsens Man vergleiche die Abhandlung desselben über sein Verfahren im polytechn. Journal Bd. CXIV S. 375 und 411. erhielt einen sehr wenig gefärbten Syrup, ohne Knochenkohle anzuwenden; dessenungeachtet ist es noch nicht gewiß, daß es vortheilhaft wäre, die Anwendung der Knochenkohle in den Rübenzuckerfabriken aufzugeben, welche bei den jetzt gebräuchlichen Verfahrungsarten ein wohlfeiles Mittel darbietet, um die Farbstoffe, den Kalk, die Kalksalze und mehrere andere fremdartige Substanzen abzuscheiden, so daß der Zucker, nach einer ersten Krystallisation, sehr leicht durch bloßes Decken mit Zuckersyrup und ein wenig kostspieliges Raffiniren zu reinigen ist. Die krystallisirten Producte und sogar die Melasse, welche man nach dem Verfahren von Melsens erhält, sind beinahe farblos; sie sind aber doch nicht so rein und so leicht zu raffiniren wie der gewöhnliche Zucker. Hr. Melsens wendet nach seiner PatentbeschreibungHr. Payen trug diese Bemerkungen in der Société centrale d'agriculture im August v. J. vor, also bevor die erwähnte Abhandlung von Melsens veröffentlicht war. zweifachschwefligsauren Kalk als eine Auflösung von 10° Baumé an, womit er den Rübenbrei sogleich nach dessen Entstehung begießt. 2 1/2 Kilogr. von jenem Salz reichen für 100 Kil. Runkelrüben hin. Der vom Brei abgepreßte Saft, welcher 7 bis 8° am Aräometer zeigt, färbt sich an der Luft nur wenig und gährt nicht. Man erhitzt ihn ohne einen Zusatz bis auf 80° R., und sobald das Sieden eintritt, filtrirt man durch ein plüschartiges Baumwollgewebe; der klare Saft wird dann bis auf 30° Baumé abgedampft. Man filtrirt zum zweitenmal und dampft hierauf bis zum Verkochungsgrad ab, worauf man krystallisiren läßt. Indem ich auf diese Art in meinem Laboratorium verfuhr, erhielt ich sehr schöne Resultate; der Zucker krystallisirte ohne deutliche Färbung, obgleich für eine solche in diesen Producten allerdings ein Grund vorhanden wäre. Bei meinen analytischen Untersuchungen der krystallisirten Masse entdeckte ich nämlich darin eine Substanz, die sich färben kann; wenn sie nämlich unter dem Einfluß von Spuren Ammoniaks der Luft ausgesetzt ist, wird sie zuerst rosenroth und dann immer dunkler weinroth. Der Körper, welcher sich auf diese Art in einen Farbstoff verwandeln kann, befindet sich in dem zwischen den Krystallen eingeschlossenen Syrup, größtentheils zugleich mit einer stickstoffhaltigen klebrigen Substanz; letztere enthält mehrere nähere Bestandtheile, wird durch Weingeist von 85 Proc. niedergeschlagen und ist so hygroskopisch, daß man sie in einem Raum von 80° R. Temperatur nur dadurch austrocknen kann, daß man sie mehrmals mit wasserfreiem Alkohol knetet, welcher sie zusammenzieht und in festen Zustand überführt. Ich habe gefunden, daß man nach der beschriebenen Methode von Melsens auf 1000 Gewichtstheile des Safts nur fünf Theile (dem Zucker) fremdartiger Substanzen durch das Filter absondern kann, welche höchstens 33 Procent des in diesem Saft enthaltenen Stickstoffs repräsentiren. Da die fremdartigen Substanzen zusammengenommen 50 Th. in 1000 Th. Saft betragen, so bleiben davon nach der Behandlung mit doppelt-schwefligsaurem Kalk 45 zurück, während man bei Anwendung von Kalk und Knochenkohle wenigstens drei Fünftel dieser Substanzen beseitigt, so daß nach dem Filtriren über gekörnte Knochenkohle von denselben nur 20 Th. statt 45 auf 1000 angewandten Safts zurückbleiben. Es scheint daher, daß es vortheilhaft ist die Anwendung der Knochenkohle beizubehalten, selbst wenn die Flüssigkeit nicht gefärbt wäre. Vielleicht wird man es nützlich finden, auch auf die Anwendung des Kalkhydrats (vor der Knochenkohle) zurückzukommen, um der ersten Reinigung ganz sicher zu seyn. Als ein Mittel um jede Gährung des Safts und des Breies zu verhindern, kann die Anwendung des zweifach-schwefligsauren Kalks auf der Reibmaschine, oder besser noch auf den Runkelrüben in einer zweiten Waschmaschine nützlich seyn, besonders in den letzten Monaten der Fabrication. Bei der Einführung der Melsens'schen Methode in den Rübenzuckerfabriken kann man also die Wasch- und Reibmaschinen nebst den hydraulischen Pressen nicht entbehren, ebensowenig die Abdampfkessel und Filter, daher sich die jetzt gebräuchlichen Fabrikutensilien wenig oder gar nicht ändern werden. Die Krystallisation der zweiten Producte scheint langsamer vor sich gehen zu müssen, und wenn man es nicht dahin bringt sie zu beschleunigen, so ist eine größere Anzahl von Krystallisirschüsseln erforderlich; nachdem die Krystallisation einmal statt gefunden hat, wird es in jedem Falle zweckmäßig seyn, den Syrup schnell vom Zucker zu trennen. Die neuen Centrifugal-Apparate werden sich nicht nur zu diesem Zweck sehr nützlich erweisen, sondern auch um ein zwei- oder dreimaliges Decken mit Zuckersyrup vorzunehmen, wozu sonst acht Tage Zeit erforderlich gewesen wären, während es mit jenen Apparaten in fünf bis sechs Minuten bewerkstelligt werden kann. Wenn die trockene Substanz von 100 Th. Runkelrüben wirklich – wie behauptet wurde – durchschnittlich aus 10 Zucker, 2 1/2 Holzstoff und 1 1/2 Albumin bestünde, so müßte natürlich das Verfahren von Melsens allen anderen vorzuziehen seyn; bei der viel complicirteren Zusammensetzung dieser Wurzel müssen aber nach der Läuterung mit schwefligsaurem Kalk sehr unreine Mutterlaugen oder Melassen zurückbleiben, und dieß ist auch wirklich der Fall. Ein Verfahren zur Analyse der Melasse liefert folgende Beobachtung von Dubrunfaut: wenn man dieselbe mit Barythydrat versetzt, so bemächtigt sich dieses des Zuckers und trennt ihn von den meisten Salzen und übrigen fremdartigen Substanzen; den unauflöslichen zuckersauren Baryt kann man mit Schwefelsäure behandeln, wodurch man vollkommen reinen Zucker erhält.