Titel: | Ueber die Aufbewahrung des Getreides und die Vertilgung des Kornwurms; von Cartier und Ad. Bobierre. |
Fundstelle: | Band 118, Jahrgang 1850, Nr. XXXII., S. 142 |
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XXXII.
Ueber die Aufbewahrung des Getreides und die
Vertilgung des Kornwurms; von Cartier und Ad.
Bobierre.
Aus dem Moniteur industriel, 1850, Nr.
1470.
Cartier, über Aufbewahrung des Getreides und Vertilgung des
Kornwurms.
Die Aufbewahrung des Getreides und wohlfeile Vertilgung des Kornwurms hat von jeher
die Aufmerksamkeit der Gelehrten und der Landwirthe in hohem Grade auf sich gezogen.
In Folge unserer Versuche können wir hiezu ein eben so einfaches als sicheres
Verfahren mittheilen, zu dessen Bekanntmachung uns vorzüglich folgende Stelle aus
einer werthvollen statistischen Arbeit des Hrn. Moreau de
Jonnès über die landwirthschaftliche Production Frankreichs
veranlaßt:
„Es ist bemerkenswerth, daß sich unter tausend Vorschlägen zur
Aufbewahrung des Getreides kein einziges wohlfeiles und brauchbares Verfahren
findet, um in unserm Klima das Getreide vor Insecten und Feuchtigkeit geschützt
aufzubewahren, und daß von dem Getreide soviel zu Verlust geht, daß der Preis
des conservirten dadurch ungeheuer erhöht wird. Nebenbei will ich bemerken, daß
die gemachten Vorschläge eine Nachahmung der in Aegypten zur Zeit der Pharaonen
getroffenen Vorkehrungen sind. Nun läßt sich aber das Klima eines Landes, wo das
Getreide und die Leichen vierzig Jahrhunderte lang aufbewahrt werden können,
nicht mit demjenigen des westlichen Europa's vergleichen und offenbar hatte
Joseph dabei eine ganz andere Absicht, als ein ökonomisches Verfahren; er wollte
eine große Umwälzung im Grundbesitz hervorbringen, um ihn dem Volke zu entziehen
und seinem Herrn zu überliefern.“
Die Vortheile, welche mit der möglichen Aufbewahrung des Getreides verknüpft waren,
sind von den Landwirthen, Statistikern und Kaufleuten so anerkannt, und die vielen Bestrebungen für
diesen Zweck ein so genügender Beweis dafür, daß wir dieselben als eine
unbestrittene Sache übergehen können.
Werfen wir einen Blick auf die allgemeinen bekannten Verfahrungsweisen beim
Getreideaufspeichern, so müssen wir ihre augenscheinliche Unzulänglichkeit
eingestehen und den bedeutenden Einfluß der verschiedenen Klimate auf sämmtliche,
von der Wissenschaft uns dargebotenen Conservirungsmittel anerkennen.
Können wir wirklich, wie der Araber, unser Getreide in unterirdische Räume, Silos genannt, vergraben? – Gewiß nicht. –
Es verhält sich mit dem der Keimung fähigen Getreide, wie mit jeder organischen
Substanz, welche unter den atmosphärischen Einflüssen eine bedeutende
Molecular-Veränderung erleiden kann; wie z.B. jene Mumien, deren Aufbewahrung
bei der Abwesenheit aller Feuchtigkeit in den unterirdischen Gewölben Aegyptens ein
Leichtes ist, die aber, den Witterungs-Einflüssen unseres Klima's ausgesetzt,
bald in Staub zerfallen.
Wenn man aber auch Silos in der Erde aushöhlt oder ausmauert, und, wie es in einigen
Ländern gebräuchlich ist, das Getreide darin in Garben aufbewahrt oder in Strohkörbe
bringt, so wird man nach dieser Methode, sofern das Getreide seine Keimkraft
beibehalten soll, in Frankreich nur eine sehr beschränkte Conservirung erzielen; die
bekannten Verfahrungsweisen vermögen die Larven der Insecten nicht zu vertilgen,
welche im Getreide so große Verheerungen anrichten und gegen welche die
Agriculturchemie bisher umsonst ihren ganzen Vorrath von dem Landwirth zugänglichen
Giftstoffen aufgeboten hat.
Dieß erklärt sich durch den Organismus und die Entwickelung des Kornwurms (colandra granaria); dieses Insect paart sich im Frühjahr
auf dem Getreidehaufen, das Weibchen legt seine Eier in die Fuge jedes Korns,
wodurch Larven erzeugt werden, die in der Nähe des Keimes entstehend, bald alles
Mehl des Getreides verzehrt haben. Da die Nachkommenschaft eines einzigen Weibchens
den Verlust von 6045 Weizenkörnchen verursachen kann, so ist klar, daß eine
Schiffsladung vom Kornwurm heimgesuchten Getreides, wie dieß unlängst in Nantes sich
ereignete, vom Hafen auslaufen, und in Marseille ankommen kann, ohne daß ein Atom
brauchbares Getreide am Bord zurückbleibt.
Das aufzubewahrende Getreide muß nicht nur gegen Gährung, Erhitzung und Feuchtigkeit
geschützt werden, sondern auch eine solche Zubereitung erhalten, daß der Kornwurm
sich nicht darin entwickeln kann. Zu diesem Behufe muß man folgenden Bedingungen
Genüge leisten:
1) Beseitigung der Ursachen, welche die Erhitzung des Getreides veranlassen können,
ohne daß ein anderer Verlust eintritt, als die Entziehung der hygroskopischen
Feuchtigkeit nothwendig erheischt;
2) Verwerfung jedes Verfahrens, welches dem Korn einen, schlechten Geschmack
ertheilen und der Gesundheit der es behandelnden Arbeiter nachtheilig seyn kann;
3) Vertilgung der im Getreide befindlichen Insecten oder Larven und Verhinderung
ihrer Fortpflanzung;
4) endlich Erhaltung der Keimkraft des Getreides.
Man hat gegen den Kornwurm vor einiger Zeit die Anwendung des Kohlenoxydgases
vorgeschlagen. Allerdings kann der Kornwurm nicht in dieses Gas gebracht werden,
ohne daß sein Tod auf der Stelle erfolgt; andererseits ist aber einleuchtend:
a) daß ein bloß momentanes Eintauchen gar keine Gewähr
für die gänzliche Vertilgung des Kornwurms leistet;
b) daß das so von Insecten befreite Getreide in einem
Zustand auf den Speicher kommt, der es für eine wiederholte Verheerung durch den in
die Bretter und Mauern des Hauses verschlüpften Kornwurm ganz geeignet macht;
c) daß die Bereitung des Kohlenoxydgases aus
doppeltklee-saurem Kali und Schwefelsäure, wie sie vorgeschlagen wurde,
kostspielig und für den Landwirth zu umständlich ist;
d) daß endlich das Getreide sich stets, nach wie vor
dieser Behandlung, in einem so hygroskopischen Zustand befindet, daß es sich in der
Folge wieder erhitzen kann, welcher Zustand doch nothwendig vermieden werden
muß.
Aus diesen Gründen halte ich dieses Verfahren für ungenügend und schlage die unten
beschriebene, auf zahlreiche Versuche gegründete Methode vor.
Der Feuchtigkeitsgehalt des Getreides ist, es kann nicht oft genug wiederholt werden,
ein für seine Aufbewahrung höchst wichtiger Umstand.
Im mittäglichen Frankreich z.B. wiegt der Hektoliter Getreide 80 bis 84 Kilogr., im
nördlichen 71 bis 78 Kilogr., manchmal ausnahmsweise 80 Kilogr. Durch das Trocknen
steigt das 72 Kilogr. wiegende Getreide auf 78; auf Speichern aufbewahrt, nimmt es
aber wieder an Gewicht ab und erlangt allmählich wieder die oben aufgezählten
Eigenschaften welche sein Verderben veranlassen. Bei einer Dichtigkeit von 78 Kil.
in Silos gebracht, würde es sich folglich conserviren, nachdem durch die zum
Trocknen angewandte Temperatur von 40 bis 48° R. die Larven schon
einigermaaßen zerstört wurden.
Nachdem dieses Trocknen bewerkstelligt ist, handelt es sich darum, die Vortheile
desselben beizubehalten und doch die Larven, welche durch eine Wärme von 40 bis
48° R. nicht zerstört wurden, unschädlich zu machen.
Zu diesem Ende versuchte man metallene Silos, als besonders geeignet das Getreide
gegen Feuchtigkeit zu schützen; man bediente sich da aber gerade eines Metalls,
welches wegen seines geringen Widerstands und hohen Preises die Anwendbarkeit der
Silos in ökonomischer Hinsicht wieder zweifelhaft machen mußte. Man wählte nämlich
das Blei, und Hr. Dejean, der Erfinder dieses Verfahrens,
mußte wegen der bedeutenden Kosten einer solchen Vorrichtung auf die Einführung
seiner Methode bald verzichten.
Ich gebe dem Zink den Vorzug, aus Gründen die von selbst
einleuchten; um die Wände eines Speichers mit Zink zu bekleiden, hat man nur geringe
Auslagen für Arbeitslohn behufs der Verlöthung, und man kann dieses Metall in sehr
dünnen Blechen anwenden; es behält auch im Verhältniß zu seinem Ankaufspreis einen
ziemlich bedeutenden Werth. Man wähle z.B. einen Würfel von 10 Meter Seitenlänge, so
hat man für seine Umhüllung 600 Quadratmeter Zinkblech, welche bei 1 Millimeter
Dicke 600 × 7 Kilogr., also 4200 Kilogr. wiegen. Diese kosten (100 Kilogr. zu
50 Franken gerechnet) 2,100 Franken. Ein solcher Würfel würde aber 10000 Hektoliter
Getreide fassen.
Nach Verlauf von zehn Jahren würden von einem Jahr zum andern im Ganzen 100,000
Hektoliter Getreide aufbewahrt worden seyn; da aber der bleibende Werth des Zinks,
den Abgang abgerechnet, nur beiläufig 20 Franken per 100 Kilogr., oder im Ganzen 840
Franken, betragen würde, so stellen sich die Kosten für 100,000 Kil. Getreide am
Ende auf 1260 Franken, oder 1 26/100 Centimes per Hektoliter, oder mit den Kosten
des Zimmerwerks und der Verlöthung auf 2 Centimes. Würde dasselbe Getreide zehn
Jahre im Speicher verbleiben, so hätte seine Aufbewahrung 20 Centimes per Hektoliter
gekostet.
Man könnte diesen Vorrichtungen dadurch eine große Stärke verleihen, daß man ihnen
die Form dreiseitiger Prismen gäbe, die auf einer der rechteckigen Seiten aufliegen;
man würde so zwei Dritttheile des Zimmerwerks ersparen, welches zu einem
parallelepipedischen Speicher erforderlich wäre.
Mittelst dieser Silos oder Speicher von Zink könnte man die Larven des Kornwurms
völlig zerstören und die in den Fugen der Getreidekörner allenfalls niedergelegten
Eier unschädlich machen. Zu diesem Behufe brauchte man nur in die metallenen Magazine
mittelst einer unten angebrachten Tubulatur einen Strom trockner Kohlensäure
eintreten zu lassen, die man durch Zersetzung von Kalkstein mittelst Schwefelsäure
oder auch durch Verbrennung von KohleMittelst des Apparats welchen Rousseau zur
Zersetzung des Zuckerkalks benutzt, polytechn. Journal Bd. CXVI. S. 297. erzeugt. Eine zweite Tubulatur, oben angebracht, von welcher aus man von
Zeit zu Zeit den Gasstrom in Kalkwasser leitet, gestattet zu erkennen, wann die
Kohlensäure den ganzen Raum erfüllt hat. Man verschließt alsdann diese Oeffnungen
und das Getreide kann nun viele Jahre, gegen Selbsterhitzung und das Einlegen von
Insecteneiern geschützt, aufbewahrt werden, ohne daß man es umzuschaufeln braucht,
und ohne seine Eigenschaften zu verändern.
Wir haben diese Versuche seit mehreren Jahren wiederholt
und immer gleiche Resultate erhalten, nämlich augenblickliche Zerstörung der
Insecten und vollkommene Conservirung des Getreides. Wir glauben mithin folgende
Sätze aufstellen zu dürfen:
1) das Trocknen des Getreides bei einer Temperatur von 40 bis 48° R.
verursacht keinen Übeln Geschmack in dem daraus bereiteten Mehl;
2) die Silos oder Speicher von Zink, worin sich das vollkommen trockene Getreide in
Berührung mit Kohlensäure befindet, sind ein vortreffliches Mittel, um das Getreide
sehr lange Zeit aufzubewahren;
3) die Kohlensäure hat auf die Beschaffenheit des Getreides durchaus keinen
nachtheiligen Einfluß;
4) man kann mittelst einer Vorrichtung, die nicht viel kostet und deren Construction
sich nach der Oertlichkeit richtet, das Getreide aufbewahren ohne es umschaufeln zu
müssen und ohne alle Auslagen für Handarbeit.