Titel: Ueber die Anwendung von gebranntem Kalk anstatt Kalksteins in den Hohöfen.
Fundstelle: Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LXVII., S. 353
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LXVII. Ueber die Anwendung von gebranntem Kalk anstatt Kalksteins in den Hohöfen. Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Febr. 1851, S. 84. Ueber die Anwendung von gebranntem Kalk in den Hohöfen. Montefiore Levi, Ingenieur an den Ougrée Hohöfen (Belgien) stellte mit Dr. E. Schmidt im J. 1849 Untersuchungen über die Zusammensetzung der Gase der großen mit Kohks betriebenen Hohöfen zu Ougrée an, welche einige sehr interessante Resultate lieferten. Die genannten Ingenieure faßten eine Portion Gas in Entfernungen von je einem Fuß von der Form bis zur Gicht des 54 Fuß hohen Ofens auf und bestimmten jedesmal das Verhältniß der Kohlensäure: diese Untersuchung erwies, daß fast alle aus dem Kalkstein entbundene Kohlensäure auf ihrem Wege durch die glühenden Kohks in Kohlenoxyd verwandelt wird. Es ergab sich ferner, daß die Zersetzung des Kalksteins viel tiefer im Hohofen stattfindet, als man gewöhnlich annimmt, und daß an der Stelle wo diese Zersetzung erfolgt, die Temperatur des Ofens hoch genug ist, daß die aus dem Kalkstein frei gewordene Kohlensäure sich mit dem Kohlenstoff der Kohks verbinden kann. Die Menge der Kohks, welche in Folge hiervon nutzlos verzehrt wird, ist sehr beträchtlich, wie folgende Berechnung zeigt. Ein Hohofen, welcher in je 24 Stunden 53 Tonnen Erz von 38 Proc. Gehalt ausschmilzt, wird beiläufig 20 Tonnen Roheisen liefern, wenn man, wie zu Ougrée, 40 Proc. Kalkstein anwendet, dessen Gesammtmenge nahezu 21 Tonnen beträgt, welche ungefähr 9½ Tonnen Kohlensäure enthalten; die verzehrten Kohks betrugen bei Anwendung von Kalkstein beiläufig 150 auf 100 Roheisen, oder ungefähr 30 Tonnen per Tag. Nun absorbiren 9½ Tonnen Kohlensäure bei ihrer Umwandlung in Kohlenoxyd, 2 Tonnen 12 Cntr. Kohlenstoff, oder 2 Tonnen 18 Cntr. Kohks von 11 Proc. Aschengehalt. Von der Gesammtmenge Kohks, womit man den Hohofen beschickt, werden also 9,74 Procent nutzlos absorbirt. Dieses Resultat überzeugte die genannten Ingenieure, daß ungeachtet des Aufwands für Brennmaterial und Arbeit, welche die Bereitung des Kalks in besonderen Oefen erheischt, dennoch ein beträchtlicher Vortheil mit seiner Anwendung anstatt Kalksteins verbunden seyn muß. Zum Kalkbrennen benutzt man eine geringe Sorte Brennmaterial, dessen Verbrennung so geleitet wird, daß es sich nur in Kohlensäure verwandelt, daher die Wärme, welche es erzeugen kann, so viel als möglich nutzbar gemacht wird. Da bei der Anwendung von gebranntem Kalk im Hohofen auch die bedeutende Wärmemenge nicht mehr verloren geht, welche sonst die Kohlensäure bei ihrem Uebergang vom festen in den gasförmigen Zustand absorbirt, so erschien es unzweifelhaft, daß man bei der neuen Methode nicht nur die Erzgichten für ein gegebenes Verhältniß von Kohks vergrößern, sondern auch, weil die Reduction des Erzes an einer höheren Stelle des Ofens stattfinden muß, den Niedergang der Gichten beschleunigen und die Production des Ofens erhöhen kann. Es wurde daher gebrannter Kalk anstatt Kalkstein im Hohofen Nr. 3 von Ougrée angewandt. Im Verlauf der ersten Tage entsprach das Resultat den Erwartungen nicht, wovon die Ursache aber bald entdeckt wurde. Es war nämlich bloß das theoretische Verhältniß von Kalk angewandt worden — 56 für 100 kohlensauren Kalk; da aber der gebrannte Kalk bei weitem nicht chemisch rein war, so war dessen Menge unzureichend, was dunkle Schlacken und den Rohgang des Ofens zur Folge hatte. Diesem Fehler wurde schnell abgeholfen, indem man für 100 Kalkstein 63 gebrannten Kalk anwandte. Von diesem Augenblick an war der Gang des Hohofens sehr regelmäßig und vortrefflich; man erhöhte das Verhältniß des Erzes und vergrößerte die Anzahl der Gichten. Seitdem wurde beständig gebrannter Kalk in diesem Ofen angewandt und fortwährend mit den günstigsten Resultaten. Nachdem nun seit achtzehn Monaten in diesem Ofen, und seit sechs Monaten in einem andern (Hohofen Nr. 4 von Ougrée) ohne Unterbrechung gebrannter Kalk angewandt worden ist, und damit etwa 15,000 Tonnen Roheisen erzeugt wurden, hat man die Gewißheit erlangt, daß bei dem neuen Verfahren nicht nur mit einem geringeren Aufwand von Kohks mehr Roheisen producirt, sondern auch der Gang des Ofens überhaupt verbessert wird. Folgende Verhältnisse von Kohks wurden zur Erzeugung von 100 Tonnen Roheisen angewandt: mit Kalkstein. mit gebranntem Kalk. März 150 Juli 142 April 154½ August 138 Mai 156½ September 132 Juni 151½ October 139 November 142 ––––––– ––––––– Mittel 153,2 Mittel 138,6 Also durchschnittlich mit Kalkstein 100 deßgl. mit gebranntem Kalk  90,4 ––––––– Differenz 9,6 Man ersieht hieraus, daß die Ersparniß 9,6 Procent der angewandten Kohks beträgt. Im J. 1850 wurden weitere Versuche mit zwei neuen Oefen angestellt und ähnliche Resultate erhalten.