Titel: Ueber die in den Dampfkesseln sich bildende Kruste; von Dr. J. Davy.
Fundstelle: Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LXVIII., S. 356
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LXVIII. Ueber die in den Dampfkesseln sich bildende Kruste; von Dr. J. Davy. Aus der Chemical Gazette, 1850, Nr. 189. Davy, über die in den Dampfkesseln sich bildende Kruste. Als ich nach meiner Zurückkunft aus Westindien im December 1848 diese Untersuchung begann, suchte ich mir möglichst viele Proben der Kruste aus Schiffsdampfkesseln zu verschaffen. Ich wendete mich deßhalb an Compagnien und Freunde in den englischen Seehäfen, z. V. Dundee, Hull, Southampton, Hayle, Liverpool, Whitehaven, und erhielt von denselben Kesselkrusten, welche sich auf den Fahrten von einem Hafen zum andern bildeten, auf den brittischen und irischen Canälen und der Nordsee, zwischen Southampton und Gibraltar, im Mittelmeer und dem schwarzen Meer, und im atlantischen Ocean, zwischen Liverpool und Nordamerika, und zwischen Southampton und Westindien. Den Charakter und die Zusammensetzung der Krusten habe ich, sie mochten sich aus dem Wasser kleiner Seen oder des Oceans abgesetzt haben, sehr ähnlich befunden, nämlich mit wenig Ausnahmen von krystallinischem Gefüge und hauptsächlich aus schwefelsaurem Kalk bestehend, so daß die anderen Bestandtheile als sehr geringfügig betrachtet werden können, da sie selten fünf Procent des Ganzen betragen. In zwei Krustenproben aus Kesseln von Dampfschiffen, welche über das atlantische Meer gefahren waren, hat Dr. G. Wilson eine namhafte Menge Fluor entdeckt, was ich bestätigen kann; es war in Verbindung mit Kieselerde; auch erhielt ich dasselbe in der nämlichen Verbindung aus zwei Krusten von Dampfschiffen, die in unseren (englischen) Seen gefahren waren, eines zwischen Dundee und London, das andere zwischen Whitehaven und Liverpool. Ich überzeugte mich davon auf die Art, daß ich ein bleiernes Gefäß, in welchem sich 200 Gran der Kruste, mit Schwefelsäure vermengt, befanden, mit einem Stückchen Glas oder Platinfolie bedeckte, und das Glas durch Verdampfung von Wasser auf seiner Oberfläche kalt erhielt, wobei ich durch ein befeuchtetes um die Mündung des Gefäßes angebrachtes Band für Feuchtigkeit behufs der Verdichtung des kieselflußsauren Gases gesorgt hatte. Nach etwa 24stündiger Andauer dieses Processes hatte eine schwache aber deutliche Ablagerung stattgefunden, die dem Rande des Gefäßes entsprach und einer unter gleichen Umständen von kieselflußsaurem Gas erzeugten ähnlich war. So wurde sie weder durch Wärme verflüchtigt, noch von Wasser anfgelöst, und ließ sich durch Abschaben ganz oder größtentheils entfernen, ersteres bei der Platinfolie letzteres bei Glas. Außer den erwähnten Bestandtheilen fand ich auch oft Eisenoxyd, und zwar das schwarze magnetische, in den Krusten; einige Proben, namentlich von Dampfschiffen, welche in dem engern und mindest klaren Theil des brittischen Canals fuhren, zeigten eine bräunliche Färbung in Folge einer kleinen Beimischung von schlammigem Bodensatz. So gefärbte Krusten sollen, wie mir berichtet wurde, sehr schwer vom Kesselblech loszumachen seyn. Ich sagte, daß die Krusten mit wenig Ausnahmen in ihrem Gefüge gleich sind, und zwar ist dieses krystallinisch, nicht unähnlich der faserigen Varietät des natürlichen Gypses. Die Proben waren, wie zu erwarten, in ihrer Dicke sehr verschieden, nämlich von einer Linie und darunter bis zu einem halben Zoll. Ich suchte mir genaue Auskunft zu verschaffen über die Zeit, in welcher sie sich gebildet hatten, und unter welchen Umständen; jedoch nur theilweise mit Erfolg. Im Kessel des nordamerikanischen Postschiffs „Europa“, welches am 15. November 1849, 4 Uhr Nachmittags in Liverpool ankam, nachdem es am 7ten desselben Monats Vormittags Boston verlassen hatte, wurde eine 1/50 Zoll dicke Kruste gefunden; eine solche von gleicher Dicke soll sich auf der Hinfahrt gebildet haben. Aus diesem Beispiel ersieht man, wie schnell sich die Kruste bildet, wenigstens im atlantischen Meer, und bei der Vorsicht daß alle drei Stunden ausgeblasen wird und die Speisungspumpen beständig in Thätigkeit bleiben. In andern Seen, besonders in der Nähe der Küsten, namentlich der durch vulkanische Eruption gebildeten, wird, unter übrigens gleichen Umständen, die Ablagerung des schwefelsauren Kalks in den Kesseln wahrscheinlich noch schneller erfolgen; die Resultate einiger mit Seewasser, welches ich auf meiner Reise von Westindien nach England gefaßt habe, angestellten Versuche sprechen dafür. Um die Ablagerung der krustenbildenden Substanz zu verhüten, oder doch das Uebel zu mildern, wurden mehrere Methoden angewandt; unter diesen war das Zusetzen von Salmiak und schwefelsaurem Ammoniak zum Kesselwasser, wie vorauszusehen, ohne Erfolg; andere Methoden mechanischer Natur hatten theilweisen Erfolg, z. B. das Einbringen eines gewissen Quantums Sägespäne in den Kessel, oder das Ueberziehen seiner Innenseite mit Talg oder einer Mischung von Talg und Graphit, um starkes Anhaften der Kruste zu verhindern und sie dann, nachdem der Kessel ausgeleert und getrocknet worden ist, durch Abstoßen mittelst eines meißelartigen Hammers, oder durch Zusammenziehung und ungleiche Ausdehnung des Kesselblechs mittelst einer durch Anzünden von Werg erhaltenen Flamme, leichter ablösen zu können. Von allen bisherigen Methoden scheint das Ausblasen — nämlich die Entleerung einer gewissen Menge des concentrirten Kesselwassers durch einen unten angebrachten Hahn mittelst Dampfdrucks, nachdem oben eine gleiche Menge Seewassers von gewöhnlicher Dichtigkeit eingelassen wurde — den Berichten zufolge die verlässigste zu seyn. Aber auch diese kann, wie obiges Beispiel vom nordamerikanischen Dampfschiff zeigt, nur als unzureichendes Hülfsmittel betrachtet werden. Wenn man die Zusammensetzung der Krusten und die Eigenschaften ihres Hauptbestandtheils, des schwefelsauren Kalks, in Vetracht zieht, welcher im süßen und Seewasser auflöslich ist, und nur dann sich absetzt, wenn das ihn enthaltenbe Wasser bis auf einen gewissen Grad concentrirt wurde, so scheint es theoretisch nicht schwer, ein Vorbeugungsmittel anzugeben. Das sicherste wäre, destillirtes oder Regenwasser anstatt des Seewassers im Kessel zu verwenden. Davon haben wir den Beweis in der Wirksamkeit des Hall'schen Condensators, welcher das als Dampf benützte Wasser condensirt in den Kessel zurückführt; leider ist dieser Apparat zu complicirt und zu kostspielig, um allgemein eingeführt werden zu können. Einen weiteren Beweis dafür liefert die Thatsache, daß die Kessel jener Dampfschiffe, welche in Seen und Flüssen fahren, deren Wasser wenig oder gar keinen schwefelsauren Kalk enthält, nach Monate langem Gebrauche frei von Kruste bleiben. Man kann daraus den Schluß ziehen, daß bei seefahrenden Dampfschiffen, deren Kessel mit Seewasser oder sonst einem schwefelsauren Kalk enthaltenden Wasser gespeist wird, die Krustenbildung sich höchst wahrscheinlich dadurch verhüten ließe, daß man das Wasser auf demjenigen Grad der Verdünnung erhält, bei welchem der darin aufgelöste schwefelsaure Kalk sich nicht abscheidet. Nach einigen von mir angestellten Versuchen möchte anzuführen seyn, daß der schwefelsaure Kalk in einem mit Kochsalz gesättigten Wasser kaum weniger löslich ist als in ganz frischem Wasser. Dieß ist für Verhinderung der Krustenbildung ein glücklicher Umstand und dürfte das Problem vereinfachen. Das Hauptbestreben des Maschinenmeisters bei seefahrenden Dampfschiffen muß dahin gehen, möglichst wenig Wasser in Dampfform entweichen zu lassen, wodurch auch an Brennmaterial gespart würde; ferner wo frisches Wasser zu haben ist, es möglichst zu benützen, und dann das Einnehmen von Seewasser in der Nähe von Küsten und andern Stellen des Meers, wo es viel schwefelsauren Kalk enthält, möglichst zu vermeiden. Die Krusten, welche sich in den Kesseln der Locomotiven, der Dampfmaschinen in Bergwerken und Fabriken bilden, sind natürlich sehr verschieden in Menge und Beschaffenheit, je nach der Natur der in dem angewandten Wasser enthaltenen Bestandtheile. Bisher habe ich erst zwei Krustenproben aus Locomotivenkesseln, und eine einzige aus dem Kessel einer Dampfmaschine in einem Bergwerke im westlichen Cornwallis untersucht. Letztere war faserig, ½ Zoll dick und bestund hauptsächlich aus schwefelsaurem Kalk, mit etwas Kieselerde, Eisenoxyd und einer Spur Fluor. Erstere waren 1/10 bis 1 Zoll dick, blätterig, von grauer Farbe und im Ansehen dem vulkanischen Tuffstein sehr ähnlich; sie bestunden hauptsächlich aus kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk mit etwas Talkerde, Eisenoxydul, Kieselerde und kohlenstoffhaltiger Materie; die Kieselerde und kohlenstoffhaltige Substanz rührten wohl größtentheils von dem Rauch der Maschine und dem Staube der Luft her. Nach dem Berichte des Ingenieurs hat sich die dünnere, etwa 1/10 Zoll dicke Kruste des Locomotivenkessels innerhalb einer Woche gebildet, während welcher die Maschine 436 (engl.) Meilen Wegs gelaufen ist und 10,000 Gallons Wasser verbrauchte.