Titel: Ueber Verwendung gemahlener Farbhölzer; von Sgd. Schlesinger, Fabrikdirector in Klingenthal bei Straßburg (Frankreich).
Autor: Schlesinger
Fundstelle: Band 119, Jahrgang 1851, Nr. LXXXII., S. 410
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LXXXII. Ueber Verwendung gemahlener Farbhölzer; von Sgd. Schlesinger, Fabrikdirector in Klingenthal bei Straßburg (Frankreich). Schlesinger, über Anwendung gemahlener Farbhölzer. Ein kurzer Aufsatz im polytechn. Journal Bd. CXVIII S. 79 von Prof. Schumann „über Mahlen der Farbhölzer und Netzen derselben, mit Wasser, um ihnen die vom Consumenten gewünschte Farbe zu geben,“ veranlaßt mich folgende Bemerkungen zu veröffentlichen, welche sich auf Theorie und praktische Erfahrung gründen. Ganz richtig sind die Behauptungen des Professor Schumann: 1) daß durch Wasserzusatz (strenge genommen) die Quantität des Farbstoffs in irgend einem Farbholze nicht vermehrt werde; 2) daß, wenn in zerkleinertem Farbholze Wasser zurückbleibt, der Käufer nie wissen könne, wieviel Holz und Wasser er gekauft, und 3) daß feuchte Farbhölzer und der in denselben enthaltene Farbstoff verderben können. Da diesen Behauptungen aber jede Erklärung als Stütze fehlt, so sind dieselben mehr Ansicht als Erfahrungssache, und für manche Praktiker von um so geringerem Werthe, weil durch das Netzen der Farbhölzer mit Wasser unter gewissen Umständen dennoch so auffallende Veränderungen hervorgerufen werden, daß nothwendig die Frage entsteht, warum einerseits die Farbe und andererseits die Ergiebigkeit an Extract oder Pigment zwischen einem nicht appretirten und einem appretirt gewesenen Farbholz so verschieden sind, obschon nach obiger Behauptung keine Vermehrung des Farbstoffgehalts nach erfolgtem Wasserzusatze stattfinden kann, im Gegentheil bei einem feuchten und appretirten Holze der Ertrag an Farbstoff geringer seyn sollte, was doch der Praktiker selten bestätigt findet. Diese Frage zu beantworten und insbesondere dem nicht wissenschaftlich gebildeten Consumenten die Gründe auseinander zu setzen, warum ein und dasselbe Farbholz durch verschiedene Behandlung ein verschiedenes Aussehen erhält und scheinbar ungleichen Farbenreichthum besitzt, je nachdem dasselbe in einem oder dem andern Apparate erschöpft wird, soll Gegenstand dieses Aufsatzes seyn. Spaltet man ein Scheit irgend eines Farbholzes, z. B. Campeche- oder Blauholz (von Haematoxylum Campechianum), verkleinert es auf irgend eine Art, entweder durch eine Schneidemaschine, oder indem man es durch einen Mahlgang gehen läßt, theilt das daraus genommene Pulver in zwei Hälften, wovon die eine mit Wasser genetzt einige Zeit der Luft ausgesetzt bleibt, während die andere Hälfte trocken aufbewahrt wird, so wird man nach Verlauf von einigen Tagen an diesen beiden Pulvern eine sehr auffallende Veränderung und zwar zu Gunsten des genetzt gewesenen Holzpulvers finden, so daß jedermann nach dem Augenschein das letztere für farbreicher halten und sich zum Ankauf desselben bestimmen lassen wird. Der Empiriker bedient sich beim Einkaufe seiner Farbhölzer nicht selten ganz eigenthümlicher Probirmethoden. Hat nämlich der Käufer mehrere Farbhölzer zur Auswahl, so nimmt er nach einander von jedem dieser Hölzer eine Probe in die Hand, hält das Pulver längere Zeit darin, und betrachtet dann die Epidermis derselben, ob sie gefärbt ist, und von welcher Probe am intensivsten. Dasjenige Pulver, welches seine Hand am dunkelsten gefärbt hat, enthält nach seiner Ansicht am meisten Farbstoff, und dieses kauft er; oder er nimmt etwas von dem zu prüfenden Holze in den Mund, kaut es einige Augenblicke, und welches den Speichel am intensivsten färbt, ist bei ihm das farbreichste. Eine scheinbar rationellere Probe besteht darin, daß man das zu prüfende Farbholzpulver in einem Glase mit Wasser überschüttet, und nach einiger Zeit die Farbenintensität der erhaltenen Tinctur beurtheilt. Diese Methode ist aber ebenso schlecht wie die beiden frühern. Stellt der Käufer diese Reactionen mit einem frisch gemahlenen und einem früher genetzt gewesenen aber wieder vollkommen ausgetrockneten Farbholze an, so wird die Hand und der Speichel, sowie die Tinctur durch Wasseraufguß von dem frisch gemahlenen Farbholz nur blaß gefärbt erscheinen, vom appretirt gewesenen Pulver hingegen und zwar in bedeutend kürzerer Zeit intensiv gefärbt, was auch das äußere Aussehen rechtfertiget. Das frisch geschnittene Holz ist nämlich braungelb, das appretirte hingegen feurigroth, blutroth oder braunroth. Wodurch wurde diese Verschiedenheit im Aussehen eines und desselben Holzes hervorgerufen, und warum erscheint das genetzt gewesene Holz Farbreicher, obwohl das Wasser niemals sich in Farbstoff verwandelt, daher auch letzteren in einem Farbholze nicht vermehren kann? Die Veränderungen, welche im Holze oder vielmehr mit dem Pigmente in demselben vorgehen, sind Folge eines chemischen Processes, nämlich des Einflusses des Sauerstoffs der atmosphärischen Luft auf den Farbstoff im Holze, wobei der angewendete Wasserzusatz die Absorption dieses Gases in hohem Grade begünstigt. Der Farbstoff ist in den meisten Farbhölzern im nichtoxydirten Zustande vorhanden, daher die matte Farbe der Hölzer. Läßt man frisch geschnittenes Campecheholz mehrere Monate der Luft ausgesetzt liegen, so färbt sich dasselbe ebenfalls, aber nur sehr langsam roth; setzt man hingegen Wasser hinzu, so erfolgt die Absorption des Sauerstoffs aus der Luft so rasch, daß Erwärmung und unter gewissen Umständen sogar eine bedeutende Temperaturerhöhung eintritt, und man erzielt in diesem Falle eine Nüance des Holzes binnen acht Tagen, welche ohne Anwendung von Wasser kaum in acht Monaten erreicht werden kann. Das farblose Pigment nimmt in diesem Falle noch 1 Aequivalent Sauerstoff auf und färbt sich roth, wodurch Gewicht und Intensität des Holzpulvers vermehrt werden. Behandelt man ein frisch geschnittenes Campecheholz im Verdrängungs-Apparat mit kaltem Wasser, so erhält man eine Tinctur von gelblichrother Farbe; behandelt man appretirtes Holz von demselben Korn auf dieselbe Weise, so wird eine bedeutend dunklere Tinctur, eine granatrothe entstehen, und der Aräometer wird in letzterer mehr Grade anzeigen als in ersterer. Die Ursache hiervon ist, daß der nicht oxydirte Farbstoff (im frisch geschnittenen Holze) im kalten Wasser sehr schwer auflöslich ist, der oxydirte Farbstoff hingegen (im appretirten oder genetzt gewesenen Holze) darin leicht löslich ist. Setzt man die Behandlung im Verdrängungsapparat lange genug fort, so findet man, daß das appretirte Holz bald erschöpft wird, während das nicht genetzt gewesene Holz noch lange Zeit eine farbreiche Tinctur gibt, was in dem oben Gesagten seinen Grund hat. Diese Thatsache ist aber hauptsächlich die Ursache, warum man sich in einigen Etablissements, wo sogenannte Deplacirungs- oder Verdrängungsapparate zur Erschöpfung der Farbhölzer angewendet werden, bloß appretirter Farbhölzer bedient, weil man rasch und in möglichst kurzer Zeit den Farbstoff gewinnen will, was bei Verwendung von nicht appretirten Hölzern nur mit vielem Zeitaufwande erzielt werden kann. Man kann sich davon leicht überzeugen, indem man krystallisirtes Hämatoxylin mit Wasser übergießt; letzteres färbt sich im Anfange kaum und nimmt erst nach längerer Zeit eine intensivere Farbe an. Setzt man dem Wasser aber einen oxydirenden Körper z. B. Salpetersäure zu, und bringt solches auf die Krystalle, so erfolgt die Auflösung derselben rasch, und man erhält eine dunkelgefärbte Tinctur. Die Versuche geben dieselben Resultate, ob sie mit künstlich erzeugten oder natürlich im Holze schon gebildeten Hämatoxylin-KrystallenAus mehr als einer Million Kilogr. Campechecholz hatte ich nur ein einziges Scheit Coup d'Espagne oder Laguna beim Spalten gefunden, dessen innere Fläche, in Folge eines Sprunges im Holze, ganz mit Hämatoxylin-Krystallen bedeckt war, darunter einige von 2 Centimeter Länge. angestellt werden. Im kochenden Wasser lösen sich die Hämatoxylin-Krystalle in jedem Verhältnisse auf, scheiden sich aber beim Erkalten in kaum weingelb gefärbtem Zustande aus der granatrothen Flüssigkeit wieder ab. Enthielt das Wasser aber Salpetersäure, in der zur Oxydation der Krystalle hinreichenden Menge, so werden die Krystalle unter Entbindung von Stickoxydgas vollständig oxydirt, und beim Erkalten der Auflösung findet keine Krystallisation statt. Hat man hingegen mehr Salpetersäure angewendet, als die Krystalle zur Oxydation erfordern, so bildet sich eine höhere Oxydationsstufe, es entsteht ein Bodensatz von grauer oder brauner Farbe, und die darüber stehende Flüssigkeit ist kaum gelb gefärbt. Dieß beweist daß, wenn die Oxydation des Farbstoffes zu weit getrieben wird, derselbe ganz aufhört Farbstoff zu seyn, und dadurch seine Brauchbarkeit vollständig verliert. Benutzt man statt des Verdrängungsapparats zum Erschöpfen der Farbhölzer Kochgefäße, und kocht die Hölzer über offenem Feuer oder mittelst Dampf aus, so bieten appretirte Hölzer vor den nicht appretirten keine Vortheile dar, weil die Krystalle im kochenden Wasser leicht aufgelöst werden, und dabei die Verdünnung so groß ist, daß eine Absonderung der Krystalle nicht stattfinden kann. Färbt oder druckt man mit Extracten aus appretirten und nicht appretirten Hölzern, beide von gleichen Aräometer-Graden, so zeigt sich auch in den Probemustern die oben angeführte Behauptung bestätigt. Das aus appretirtem Farbholze erzeugte Extract verändert auf dem Stoffe seine Nüance an der Luft nicht (wenigstens nicht zu seinem Vortheile); während das aus unappretirtem Farbholz gewonnene Extract gleich nach dem Drucke blässer an Farbe ist, nach einigen Stunden dem andern Muster aber nicht nur an Intensität gleich kommt, sondern dasselbe sogar übertrifft; und wenn man ein lichtes Muster, z. B. Lila, Violett etc. aufgetragen hat, so wird der Farbenton viel lebhafter und reiner ausfallen, als mit einem Extract aus appretirtem Holze. Den zweiten Punkt von Professor Schumann's oben erwähnten Behauptungen anbelangend, so wäre der Käufer allerdings in einer üblen Lage, wenn er Farbholz mit Wasser kaufen, und letzteres für ersteres bezahlen würde, was jedoch einem sachverständigen Käufer niemals widerfahren kann. Wählt der Consument ein appretirtes Farbholz, so kann er bei einiger Uebung schon nach dem Aussehen desselben bestimmen, ob dasselbe Wasser enthält oder nicht; denn wenn das Holz nur 5 Procent Wasser enthält, so ist jeder Span zähe und elastisch, und beim Pulvern ist kein Stäuben mehr wahrnehmbar. Kauft der Consument ein nicht appretirtes Holz, welches frisch von der Schneidmaschine kommt, so wird er immer behaupten können, das Holz sey feucht, weil die Späne eine gewisse Elasticität besitzen und feucht anzufühlen sind; wendet er gar die Methode Schumann's an, indem er eine abgewogene Quantität des zerkleinerten Farbholzes auf einem flachen Teller ausbreitet und es längere Zeit der Stubenwärme aussetzt, um es dann wieder zu wägen, so wird er immer einen Gewichtsverlust finden, der nicht selten 8–12 Procent vom Gewicht des Holzes betragen wird; es wäre aber sehr ungerecht, diesen Gewichtsverlust mechanisch beigemengtem Wasser zuzuschreiben. Das Campecheholz, insbesondere das Laguna oder Coup d'Espagne, kommt im Handel in Scheitern von 50–400 Kilogr. vor, und selbst nach mehrjährigem Liegen an einem trockenen Orte zeigt dasselbe nach dem Spalten der Scheite und Zerkleinern noch einen Feuchtigkeitsgehalt von 10 bis 12 Procent, was darin seinen Grund hat, daß dieses Holz sehr dicht in seiner Structur, und überdieß mit einem Ueberzuge versehen ist, welcher durch das Lagern des Holzes im Schiffsraume sowie beim Entschälen der äußersten Rinde entstand, und welcher den Durchgang der Feuchtigkeit hemmt. Beweise hierfür liefert die Erfahrung: spaltet man ein Scheit dieses Holzes und läßt es im gespaltenen Zustande einige Wochen an einem trockenen Orte liegen, so verliert es an Gewicht, weil die Feuchtigkeit an den frischen Spaltflächen entweichen kann, während dasselbe Holz ungespaltet kaum eine Gewichtsdifferenz zeigt. Wie das Campecheholz besitzt auch das Cubaholz die Eigenschaft die Feuchtigkeit mehrere Jahre in sich zurückzuhalten, ja es besitzt dieses Vermögen in noch höherem Grade, denn seine frischen Scheitspäne sehen wie mit Wasser imprägnirt aus. Würde man das Cubaholz austrocknen, so wäre der Gewichtsverlust bei weitem größer, als ihn die normale Feuchtigkeit herausstellt. Anders verhält es sich mit den Rothhölzern, wie z. B. Lima, St. Marthe, Sapan, Fernambuk etc.; diese Hölzer kommen in vollkommen ausgetrocknetem Zustande bei uns an, und geben auch spröde, vollkommen trockene Späne oder Pulver, so zwar, daß sie oft bei feuchtem Wetter und gewöhnlicher Temperatur eher an Gewicht zunehmen anstatt daran zu verlieren. In Bezug auf den dritten Punkt von Prof. Schumann's oben erwähnten Behauptungen ist zu bemerken, daß die Mittel zur Erkennung eines verdorbenen Farbholzes sehr schwierig sind, weil das Verderben fast nur bei appretirten Farbhölzern vorkommt, wobei die Charaktere eines schlechten verdorbenen Holzes durch die Lebhaftigkeit des nicht verdorbenen aber appretirten Holzes verdeckt sind. Farbhölzer, welche mit Wasser (oder andern Beizmitteln zur Erhöhung ihrer Farbe) imprägnirt werden und dann längere Zeit auf einander liegen bleiben, verfallen dem Verderben; sie erhitzen sich, und die Temperatur im Innern des Haufens steigt bedeutend. Der Farbstoff wird dabei nicht selten gänzlich zerstört, es tritt Verwesung und Fäulniß ein, wodurch die Hölzer ihr charakteristisches Aussehen verlieren, schimmeln und sich zu festen Ballen knäuelen. Bedient sich der Färber eines mit so verdorbenem Farbholze gemengten appretirten Holzes (eine Vermengung, welche durch bloßes Anschauen nicht erkannt werden kann), so erhält er Nüancen, welche seiner Erwartung nicht entsprechen, und zwar nicht sowohl deßhalb weil sein Holz ärmer an Farbstoff ist, sondern vielmehr weil der bei der Verwesung entstandene humusartige Körper ebenso wie der reine Farbstoff vom Mordant gebunden und auf den Stoff übertragen wird, wodurch besonders bei lichten Nüancen die ganze Partie Waare verdorben werden kann. Aus diesem Grund allein schon sollte man alles appretirte Farbholz aus dem Gebrauche verbannen, und sich bloß nicht appretirter Hölzer bedienen. Selbst feurig aussehende appretirte Farbhölzer haben an ihrem wahren Werthe durch die Appretur verloren. Wenn der Farbstoff sich bloß mit einem Aequivalent Sauerstoff verbinden und dann als oxydirter Farbstoff im Holze unverändert verbleiben würde, so wären die appretirten Hölzer den unappretirten vorzuziehen; dem ist aber nicht so. Läßt man feuchtes Farbholz längere Zeit der Einwirkung der Luft ausgesetzt, so wirkt der Sauerstoff zuerst auf die oberste Schicht des Holzes, oxydirt dessen Pigment, und dringt dann erst tiefer in das Innere des Holzes ein; während aber im Innern die Oxydation vor sich geht, nimmt die oberste Schicht noch mehr Sauerstoff auf, der leichtlöslich gewordene Farbstoff geht dadurch in die unlösliche Modification über, und verwandelt sich in einen harzartigen Körper, welcher kein Farbstoff mehr ist, sich im Wasser nicht mehr auflöst, und mehr den Charakter einer Säure annimmt, sich mit Basen zu löslichen Salzen verbindet, und durch Säuren wieder unverändert gefällt werden kann. Dieser chemisch veränderte Farbstoff findet sich in jenen appretirten Farbhölzern am meisten vor, deren blutrothe Farbe in eine braunrothe übergegangen ist, und solche Hölzer können wohl zu dunklen, aber mit wenig Befriedigung zu lichten Farben verwendet werden.