Titel: Ueber Aufbewahrung des Eises für Bierbrauer; von C. Siemens.
Fundstelle: Band 121, Jahrgang 1851, Nr. XCI., S. 378
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XCI. Ueber Aufbewahrung des Eises für Bierbrauer; von C. Siemens. Aus Riecke's Wochenblatt, 1851, Nr. 3. Siemens, über Aufbewahrung des Eises für Bierbrauer. Die Güte und namentlich die Haltbarkeit unseres Biers wird vorzugsweise durch den Verlauf der Gährung bedingt. Auf diesen Gährungsverlauf hat aber die Witterung und namentlich die Temperatur einen bedeutenden Einfluß. Die reichlichste Menge des besten Malzes und Hopfens verschafft uns kein haltbares Bier, wenn die Witterung es nicht gestattet, die Würze bis auf den Temperaturgrad abzukühlen, bei dem wir eine regelmäßige Gährung erwarten dürfen. Da diese Temperatur eine sehr niedrige ist und in möglichst kurzer Zeit erlangt werden soll, um jede nachtheilige Säuerung der Würze während der Abkühlung zu verhüten, so siedet der Brauer sein Lager- oder Sommerbier in der kältesten Jahrszeit und das biertrinkende Publicum hat es oft den ganzen Sommer über zu beklagen, und noch mehr der Brauer selbst, wenn keine günstige Witterung zum Sieden des Lagerbiers eintritt. Wir besitzen in dem Eise ein vortreffliches Mittel, diesem Nachtheile zu begegnen, indem ein geringes Quantum Eis genügt, die Würze um ein Paar Grade weiter abzukühlen, was hier schon von bedeutendem Nutzen ist, da ein geringer Temperaturunterschied einen wesentlichen Einfluß auf die Gährung und Haltbarkeit des Biers zeigt.Gin Pfund Eis oder Schnee bedarf, um zu schmelzen, so viel Wärme, als in ¾ Pfd. siedendem Wasser enthalten ist. Wir müssen, um 10 Württemberg. Eimer Würze, die etwa 6500 Pfd. wiegen, von 8 auf 6 Grad Reaumur, also um 2 Grad, abzukühlen, derselben 2 × 6500 = 13000 solcher Wärmegrade entziehen. Dazu bedürfen wir, da hier jedes Pfund Eis 66 Grade aufzunehmen im Stande ist, 13000/66 = 197 Pfd. Eis. Meist handelt es sich aber nur um die Verminderung von 1 Grad, wozu man also nur die Hälfte bedarf. Das Eis findet bis jetzt so wenig Anwendung, weil man seine Aufbewahrung für weit umständlicher und theurer hält, als dieß wirklich der Fall ist. Die Anlage von Eisgruben oder Eiskeller in der Erde ist freilich kostbar, weil sich auf diese Weise kleine Quantitäten gar nicht erhalten lassen, sondern hier immer größere Massen vorhanden seyn müssen, um die Wärme zu absorbiren oder aufzunehmen, welche durch den Boden dem Eise fortwährend zugeführt wird. Ganz anders verhält sich dieß bei der Aufbewahrung oberhalb der Erde, umgeben von einer eingeschlossenen Luft und andern schlechten Wärmeleitern. Die höhere Temperatur, welche wir oberhalb der Erde beobachten, läßt uns ohne nähere Prüfung bezweifeln, daß hier das Eis besser aufzubewahren sey, als in der stets kühleren Erde. Eine nähere Beobachtung überzeugt uns aber bald vom Gegentheil. Berücksichtigen wir, daß im Allgemeinen die Körper, welche sich am leichtesten erhitzen lassen, auch am schnellsten wieder erkalten, wie wir dieß bei unseren eisernen und steinernen Oefen bemerken, so erkennen wir daran, daß der eine Körper mehr Wärme aufzunehmen vermag wie der andere, von diesen aber auch der eine mehr Wärme abzugeben vermag als der andere. Daß die Luft weit weniger Wärme abzugeben im Stande ist wie die Erde, erkennen wir daran, daß wir unsere Hand nicht verbrennen wenn wir sie in eine auf mehr als 80° R. erhitzte Luft halten, während dieß sicher der Fall seyn würde, wenn wir sie in selbst weniger heißen Sand stecken wollten. Dieser Unterschied im Verhalten der Luft und des Sandes oder der Erde in Beziehung auf ihre Eigenschaft, Wärme abzugeben, den wir hier bei höheren Temperaturgraden in auffallender Weise erkennen, findet auch bei ganz niederen Wärmegraden nur in nicht so bemerkbarer Weise statt. Man wird nicht zweifeln, daß es viel mehr Brennmaterial erfordern würde, wenn wir die Temperatur eines in der Erde befindlichen Zimmers auf 20–24° R. erhalten wollten, als dazu gehört, ein Zimmer über der Erde zu erwärmen, wenn dessen Wände auch nur aus einer ganz dünnen, aber dicht eingeschlossenen Luftschichte beständen, wäre die äußere Temperatur dabei auch eine noch so niedrige. Die Aufgabe der Aufbewahrung des Eises über der Erde besteht demnach lediglich darin, das Eis mit solchen eingeschlossenen Luftwänden zu umgeben, die wir aus recht lockeren Substanzen herstellen können. Es bedarf aber für die meisten Bierbrauer keiner solchen, vielen noch zu kostbar scheinenden Anlage. Ich will durch diese Mittheilung die Bierbrauer zunächst nur veranlassen, für ihre bisherige Sudzeit, also nicht für den Sommer, sich eines Eisvorraths zu versichern, damit sie durch die unbeständige Witterung nicht genöthigt werden, die Würze zu ihrem Lagerbier bei einer Temperatur gähren zu lassen, die diesem mehr den Keim zum Verderben als zur Haltbarkeit zuführt. Die Aufbewahrung eines solchen Eisvorraths läßt sich am einfachsten auf die Weise erreichen, daß man unter einem bedeckten Raume, etwa unter einem Schuppen, einen größeren Bottich so aufstellt, daß man ihn von allen Seiten mit einer Umhüllung von drei bis vier Fuß umgeben und einen Zugang von oben herrichten kann. Damit der Bottich das Material unterhalb nicht zusammendrücke, muß man denselben auf 3 bis 4 Pfosten stellen, die man ganz einfach in den Boden schlagen kann. Ein Abzugsrohr, was man für das sich etwa bildende Wasser auch wohl anbringt, scheint ganz überflüssig, da in dem Falle, wo ein solches nöthig werden sollte, das Eis von kurzer Dauer seyn wird. Die geringe Menge aber, die nach und nach schmilzt, wird völlig verdunsten. Will man dennoch ein solches Rohr anbringen, so wird es am besten ein Bleirohr seyn, und muß am äußeren Ende zunächst ein wenig nach abwärts und dann wieder nach aufwärts gebogen werden, damit es durch die Flüssigkeit selbst stets geschlossen bleibt und jeder Luftzutritt durch das Rohr verhütet wird. Zur Umhüllung verwendet man irgend ein lockeres werthloses Material; Spreu, Gerstengrannen oder Repsschoten sind dazu leicht in hinreichender Menge zu haben, machen nur eine weitere Einfassung nöthig, wozu man aber auch Stroh verwenden kann, wenn dieß der Raum und die Oertlichkeit erlauben. Ein sehr gutes Material liefert ein lockerer Torf; von diesem läßt sich ganz zweckmäßig die äußere Einfassung aufsetzen und zur Ausfüllung der Zwischenräume Dinkelspreu verwenden. Oberhalb muß dann ein Schlauch von Brettern durch die Bedeckung führen, damit man bei längerer Aufbewahrung zu dem Eise gelangen und auch die zu conservirenden Gegenstände in den Eisbehälter bringen kann. Man verschließt diese Oeffnung am besten mit einem Sack, der mit Werg gefüllt ist. Da das Eis zur Abkühlung unmittelbar in die Würze geworfen wird, so ist darauf zu sehen, daß es nicht von unreinem Wasser gewonnen wird, von welchem sich auch das Eis weniger gut hält. Zugleich muß ich hier noch auf die Unzweckmäßigkeit der gebräuchlichen Art und Weise, das Eis in den Bierkellern aufzubewahren, um diese dadurch kälter zu erhalten, aufmerksam machen, indem man dabei das Eis unmittelbar in den Keller meist nur in einen Bretterverschlag bringt, wo es der ganzen Kellerluft ununterbrochen ausgesetzt ist, die das Eis dann in der Regel bis zu der Zeit geschmolzen hat, wenn die Abkühlung am nöthigsten wäre. Es läßt sich dieß aber nur dadurch vermeiden, daß man das Eis in einem ganz luftdicht abgeschlossenen Raume bis zu der Zeit aufbewahrt, wo eine Verminderung der Temperatur des Kellers nöthig wird, und dieß dann durch eine Verbindung mit jenem Eisraume erlangt. Das Nähere einer solchen Einrichtung habe ich in dem Otto'schen Lehrbuche so beschrieben, wie ich es in den vortrefflichen Bierkellern des Hrn. Sedelmayer zu München gefunden. Wo man eine solche zweckmäßige Einrichtung nicht herstellen kann, wird man doch auf irgend eine Weise für eine bessere Abhaltung der Luft sorgen können.