Titel: Ueber Froment's elektrischen Telegraphen mit Claviatur; Bericht von Hrn. Pouillet.
Fundstelle: Band 122, Jahrgang 1851, Nr. VI., S. 36
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VI. Ueber Froment's elektrischen Telegraphen mit Claviatur; Bericht von Hrn. Pouillet. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Juni 1851, S. 319. Pouillet, über Froment's elektrischen Telegraphen mit Claviatur. Der elektrische Telegraph des Hrn. Froment (rue Ménilmontant No. 5 in Paris) hat eine geradlinige Claviatur (oder Tastatur) wie ein kleines vieroctaviges Clavier und unterscheidet sich von den bisherigen Telegraphen mit Claviatur durch eine Reihe sinnreicher Anordnungen. Bekanntlich hat man dem elektrischen Telegraphen verschiedene Formen gegeben, unter welchen man noch lange die besten herauszusuchen haben wird. Gewisse Apparate geben auf die größten Entfernungen mit der Schnelligkeit des Gedankens 1000 bis 1200 Zeichen in der Minute; andere vermögen in derselben Zeit nur 200 bis 300 fortzupflanzen; deßhalb sind aber leztere nicht in jeder Hinsicht den erstern nachzusetzen, denn man hat eine Menge von Umständen zu berücksichtigen: ob die Apparate leicht zu reguliren und in Uebereinstimmung mit einander zu halten sind; ob sie ihren Dienst verläßlich verrichten; welche Fehler begangen werden können; ob mehr oder weniger lange Vorbereitungen nöthig sind, um die Depeschen den Apparaten zu übergeben. Die mittelst Elektromagneten wirkenden Telegraphen scheinen ihrer Natur nach minder schnell arbeiten zu können, als diejenigen, welche entweder durch chemische Reaction oder durch die Bewegung einer einfachen Magnetnadel wirken, weil bei jenen die zu bewegenden Massen größer sind und die Bewegung nur durch eine Reihe von Zersetzungen und Wiederzusammensetzungen der magnetischen Flüssigkeiten in den Schenkeln des Elektromagneten und in dem Contactstücke bewerkstelligt wird. Alle Zifferblatt-Telegraphen wirken durch Elektromagnete; die Hin- und Herbewegung des Contactstückes verwandelt sich bei denselben in eine rotirende Bewegung und ertheilt dem Zeiger den regelmäßigen, ruckweisen Gang, mittelst dessen er nacheinander alle Zeichen des Zifferblattes durchläuft, sich einen Augenblick, höchstens 1/6 oder 1/5 Secunde, dem Zeichen gegenüber aufhaltend, welches er dem die Depesche empfangenden Beobachter zeigen soll. Demzufolge werden die Zifferblatt-Telegraphen wahrscheinlich nie zu jenen gehören, welche die größte Anzahl Zeichen in einer gegebenen Zeit fortzupflanzen vermögen; außerdem findet bei ihnen noch eine Verzögerung dadurch statt, daß der Zeiger einen ganzen Kreis zu durchlaufen hat, um in seine vorige Stellung zurückzukommen, woraus folgt, daß er, um von einem Zeichen zum nächstfolgenden der Depesche überzugehen, durchschnittlich einen halben Kreis durchlaufen und das Contactstück eine Anzahl Schwingungen machen muß, welche der halben Anzahl der dem ganzen Kreis entsprechenden Schwingungen gleich ist. Ungeachtet dieses anscheinenden Fehlers dürften aber die Zifferblatt-Telegraphen doch in Gebrauch bleiben, und zwar wegen ihrer Einfachheit und Sicherheit. Froment's neue Erfindung ist auf alle Zifferblatt-Telegraphen anwendbar. Der Apparat besteht, wie gesagt, aus einer kleinen, horizontalen und geradlinigen Claviatur; über dem Claviaturkasten aber befindet sich ein kleines Gehäuse ähnlich dem einer Pendeluhr, welches ein Schlagwerk, einen Elektromagneten, ein vertical stehendes Zifferblatt und einen Zeiger enthält, der alle telegraphischen Zeichen des Zifferblatts zu durchlaufen bestimmt ist. Diese Zeichen befinden sich in derselben Ordnung auch auf den Tasten der Claviatur. Wenn der Zeiger in Ruhe und der Apparat regulirt ist und man will irgend ein Zeichen geben, so braucht man nur den Finger auf die betreffende Taste zu legen und der Zeiger des Zifferblatts setzt sich in Bewegung und bleibt diesem Zeichen gegenüber stehen, als wolle er es dem Operator zeigen. Will man nach diesem Zeichen ein zweites geben, so legt man den Finger auf die entsprechende Taste und der sogleich wieder in Bewegung kommende Zeiger gibt dieses zweite Zeichen, eben so ein drittes, viertes u.s.w. Es versteht sich, daß der Beamte, welcher die Depesche in irgend einer Entfernung, von einigen Meilen oder einigen Hundert Meilen, empfängt, einen ähnlichen Apparat vor sich hat; derselbe hat aber nichts zu thun, als den Zeiger seines Zifferblatts anzusehen (dessen Gang stets übereinstimmt mit demjenigen des Zeigers am Zifferblatt des Absenders der Depesche), und die abgelesenen Zeichen im Gedächtniß zu behalten oder gleich bei ihrer Erscheinung niederzuschreiben. Erst wenn auch er das Wort nehmen will, legt er den Finger auf die Tasten seiner Claviatur. Die Uebereinstimmung der beiden Zeichenaufnehmer (récepteurs) oder Zifferblätter, auf der die Depesche absendenden und auf der sie empfangenden Station wird wie gewöhnlich hergestellt; doch kann ich hinzufügen, daß Froment's Mechanismen von der Art sind, daß die Uebereinstimmung, einmal hergestellt, kaum mehr gestört werden kann. Die Beförderung oder Uebertragung einer Depesche wird also bewerkstelligt wie die Ausführung eines Musikstücks auf einem Tasten-Instrument; doch darf das nicht wie auf dem Klavier geschehen, wo die Taste nur einen Augenblick angeschlagen zu werden braucht, um den Ton hervorzubringen; sondern man verfährt wie auf der Orgel oder dem Harmonium, bei welchen der Ton mehr oder weniger lange Zeit fortdauert. Man muß den Finger so lange auf die Taste des Apparats auflegen, bis der Zeiger am entsprechenden Zeichen anlangte; denn derselbe rückt nicht mit einem Sprung von dem Punkte wo er ist auf denjenigen, wohin er kommen soll, sondern er gelangt dahin nur allmählich, indem er so viele Stöße erhält als er Zeichen zu überspringen hat, und es ist eine gewisse Zeit erforderlich, damit er alle diese Stöße nacheinander empfange, welche ihm durch eben so viele Schwingungen des Elektromagneten ertheilt werden. Dieser Umstand macht es bei diesem Apparat zur nothwendigen Bedingung, daß der Operirende den Augenblick mit Sicherheit erkenne, wo er von einer Taste zur andern übergehen kann; denn wenn er den Finger zu spät aufhebt, so geht unnütz Zeit verloren, hebt er ihn zu früh, so wird das Zeichen, welches er geben wollte, verfehlt; es bleibt nämlich aus und erscheint nicht in der Depesche. Diese Dauer des Niederdrückens, welche der Musiker auf der Orgel etc. durch sein Ohr so richtig zu bemessen weiß, kann der Telegraphist durch ein doppeltes Kennzeichen bemessen, durch einen Ton der aufhört und einen Ton welcher entsteht in dem Augenblick wo das Zeichen erfolgt; ferner kann er auf den Zeiger seines Zifferblatts sehen, ob derselbe nämlich mit der Taste übereinstimmt. Man könnte indeß befürchten, daß die Uebereinstimmung der Claviatur mit dem Zeiger des Zifferblatts auf zarten, schwer in Ordnung zu erhaltenden Vorrichtungen beruhe und folglich die Einführung der Claviatur eine Zugabe sey, deren Uebelstände ihre Vortheile überwiegen. Ich antworte hierauf, daß man mit der Hand so oft man will von einem Ende der Claviatur bis zum andern über die Tasten fahren und dabei mehrere Tasten oder bloß eine niederdrücken kann, ohne daß dadurch die geringste Störung in der Uebereinstimmung der Claviatur mit dem Zeiger des Zifferblatts entsteht. Die Claviatur, wie sie Froment einführt, gewährt viele Vortheile und hat keine Nachtheile. Den Beweis und den Grund davon wird man in der Beschaffenheit des ganzen Mechanismus finden, welchen ich zu veranschaulichen suchen will. Eine horizontale Welle aus Stahl, von der Länge der Claviatur und von 5–6 Millimeter Durchmesser, dreht sich um sich selbst mittelst eines Uhrwerks, dessen Geschwindigkeit durch einen kleinen Windfang nach Belieben regulirt werden kann; sie trägt an ihrem einen. Ende ein Rad mit elektrischem Commutator, wie ihn Froment seit langer Zeit construirt, und am andern Ende ein Schiebrad, welches so viele Zähne hat als auf der Claviatur oder auf dem Zifferblatt Zeichen sind. Die Umdrehung dieser Welle setzt den Apparat in Thätigkeit, und während sie eine Umdrehung macht, macht der Zeiger des Zifferblatts einen Umgang; dazu genügt es, daß das Commutator-Rad so viele Zähne hat, als Zeichen vorhanden sind, denn da ein Zahn und ein nicht leitender Zwischenraum (Intervall) im Elektromagneten eine doppelte Schwingung des Contactstückes hervorbringt, so wird der Zeiger von einem Zeichen zum folgenden übergehen. Wenn also die stählerne Welle eine gleichförmige Rotationsbewegung hat, so vollbringt der Zeiger des Zifferblatts eben so viele Umdrehungen als sie selbst, und es ist sehr leicht diese Geschwindigkeit der Welle so zu reguliren, daß sie die Gränze der Schwingungen, welche der Elektromagnet hervorzubringen vermag, erreicht, aber nicht überschreitet. Die vollkommene Gleichförmigkeit der Umdrehung, welche das Uhrwerk bewirkt, liefert das Mittel, sich dieser Gränze, so weit man will zu nähern; dadurch hat der Froment'sche Apparat den großen Vortheil, daß er hinsichtlich der Geschwindigkeit alles leistet, was bei den Systemen mit Elektromagneten zu erreichen möglich ist. Es ist nun zu erklären, wie jede Tafte ihren doppelten Dienst verrichtet: 1) der Stahlwelle die Freiheit zu geben sich umzudrehen, 2) sie zu rechter Zeit anzuhalten, damit der Zeiger des Zifferblatts das Zeichen der Taste angibt. Das Sperrrad der Welle wird durch einen Sperrkegel angehalten, welcher sich hebt, wenn man auf eine Verlängerung drückt, womit sie an ihrer Drehungsachse versehen ist. Ein dünner, aber steifer, mit der Stahlwelle paralleler Metallstreifen, welcher durch einen schwachen Druck parallel mit sich selbst herabgeht, dient um diesen Sperrkegel zu heben. Jede Taste drückt, wenn sie niedergeht, auf diesen Streifen so stark, daß er auf den Sperrkegel wirkt. Auf diese Weise verrichtet jede Taste ihre erste Function. Man mag den Finger auf die erste oder die letzte, oder sonst eine Taste oder auf mehrere zugleich legen, so geht der Metallstreifen hinab, hebt den Sperrkegel und die Stahlwelle setzt sich in Bewegung, indem sie fast augenblicklich, wegen ihrer relativ geringen Masse, die normale Geschwindigkeit annimmt, für welche das Uhrwerk regulirt ist. Damit nun aber die Bewegung in dem Augenblick anhält, wo man das der Taste angehörende Zeichen geben will, ist die Stahlwelle mit eben so vielen Armen versehen, als Tasten vorhanden sind; diese Arme, 2 Centimeter lange Stahldrähte, sind senkrecht in die Welle in gleichen Entfernungen von einander eingesetzt, und ihre Einsatzpunkte bilden eine Schraubenlinie, deren Gang gleich der Länge der Claviatur ist. Zugleich ist jede Taste unten mit einem Zahn versehen, gegen welchen, wenn die Taste niedergedrückt wird, der entsprechende Arm stößt. Dieser Stoß setzt den Telegraphist in Kenntniß, daß er den Finger aufheben und zu einem anderen Zeichen übergehen kann; in demselben Augenblick hört auch das Surren des Uhrwerks auf, mittelst dessen der Telegraphist die Geschwindigkeit und gewissermaßen den Rhythmus und das Zeitmaaß seiner Verrichtung regulirt. Sobald die Taste frei wird, geht sie wieder in die Höhe; der Metallstreifen hebt sich mittelst einer Feder von selbst wieder empor und der Sperrkegel greift wieder in das Sperrrad, um der Bewegung Einhalt zu thun, bis eine andere Taste niedergedrückt wird. Der neue Mechanismus ist höchst verlässig und einfach.