Titel: Ueber die verschiedene chemische Beschaffenheit des Wassers an der Oberfläche des Oceans und in der Tiefe desselben, bezüglich seiner Wirkung auf die Metalle; von Aug. Hayes, Münzwardein im Staate Massachusetts.
Fundstelle: Band 122, Jahrgang 1851, Nr. IX., S. 55
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IX. Ueber die verschiedene chemische Beschaffenheit des Wassers an der Oberfläche des Oceans und in der Tiefe desselben, bezüglich seiner Wirkung auf die Metalle; von Aug. Hayes, Münzwardein im Staate Massachusetts. Aus der Chemical Gazette, 1851, Nr. 205. Hayes, über die chemische Beschaffenheit des Meerwassers bezüglich seiner Wirkung auf die Metalle. Wenn man die vom Ocean bedeckte Fläche im Vergleich mit irgend einer großen Landoberfläche betrachtet, so muß man vermuthen, daß die Vertheilung der salzigen Substanzen in seiner ganzen Masse nicht gleichförmig seyn kann. Jene Theile des Oceanwassers nämlich, welche in unmittelbarer Berührung mit Salzlagern und vielen sich zersetzenden Gesteinen sind, werden jeden Augenblick mehr auflösliche Materien aufnehmen als die übrigen Theile; und da noch auflösliche Theile zurückbleiben, wird das Gleichgewicht der Vertheilung gestört. Bekanntlich gibt es örtliche Verschiedenheiten, und sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit dem Einfluß der Verdampfung und den unteren und oberen Strömungen zugeschrieben. Doch mußte der Glaube, daß das Wasser des Oceans während des Verlaufs der großen geologischen Zeitabschnitte, den gegenwärtigen oder sogar einen großen Gehalt an Salz hatte, in dem Grade weichen, als die mit der Zersetzung der Gebirgsarten verbundenen Thatsachen aufmerksam studirt wurden. Uebrigens betreffen die hier von mir zu besprechenden Erscheinungen nur entfernt den Punkt der ungleichen Vertheilung, sondern sie beziehen sich mehr auf die Art als die Menge der salzigen Theile. Die Oceanmasse welche an ihrer Oberfläche dem unsere Atmosphäre bildenden Gasgemisch ausgesetzt ist, absorbirt beide Bestandtheile desselben, und zwar den Sauerstoff in größerer Menge. Die Winde begünstigen diese Wirkung sehr, daher das Wasser nach Stürmen mehr Luft enthält. Wenn man zu derselben Zeit Wasser von der Oberfläche des Oceans und nur 100 bis 200 Fuß unter dieser Oberfläche nimmt und analysirt, so wird man constant in der Probe von der Oberfläche mehr Sauerstoff finden. Versuche, welche an Stellen von der gemäßigten bis zur und innerhalb der heißen Zone angestellt wurden, stimmten hierin überein. Einen anderen Beweis dafür liefern die Beobachtungen, welche über die Zerfressung des Kupferbeschlags der Schiffe angestellt wurden. Es bestehen zwar kleine Ungleichheiten bei den dazu verwendeten Kupfersorten; wenn man aber viele Fälle zusammenfaßt und die Zeit der Beobachtung eine beträchtliche ist, so ist dieser Einfluß kaum wahrzunehmen. Bekanntlich wird der Kupferbeschlag an jenen Theilen der überzogenen Oberfläche am schnellsten zerfressen, welche von Wasser berührt werden das in Folge seiner Wallung am meisten Luft aufgelöst enthält. Auch weiß man, daß von Luft befreites Seewasser viele Jahre mit Kupfer in Berührung seyn kann, ohne auf dasselbe zu wirken, welches Verhalten aber aufhört, wenn man dasselbe Wasser Luft aufnehmen läßt. Einige versuchten diese Zerfressung des Kupfers an den Stellen, wo das Wasser am meisten Luft aufgelöst enthält, durch mechanische Principien zu erklären; sie nahmen an, daß an diesen Stellen eine größere Reibung zwischen der sich bewegenden Fläche und dem Wasser stattfinde. Nicht selten kommen aber Schiffe von großen Reisen mit noch lesbaren, mit Kreide angeschriebenen Nummern der Bleche zurück und es findet selten eine starke Zerfressung an jenen Theilen des kupfernen Beschlags statt, welche wirklich der größten Reibung ausgesetzt sind. Wenn wir annehmen, daß der (freie) Sauerstoff des Seewassers beinahe gänzlich von der in demselben aufgelösten Luft herrührt, dann sollte die Oberfläche unter den obwaltenden Umständen von demselben am meisten enthalten; die organisirten Wesen des Oceans, welche diesen aufgelösten Sauerstoff consumiren, würden nämlich die unten befindliche Quantität beständig vermindern und so eine Ungleichheit im Gehalt daran veranlassen. Die Reactionen welche beim Zerfressen des Kupfers durch das Wasser an der Oberfläche des Oceans stattfinden, erscheinen, in allen ihren Einzelnheiten betrachtet, sehr complicirt. Ohne in dieselben näher einzugehen, bemerke ich nur, daß die Oxydation und Corrosion des Kupfers in Folge der Zersetzung der salzsauren Salze bei Gegenwart von Sauerstoff und Metall stattfindet. Ich hatte vor mehreren Jahren Gelegenheit Kupferproben zu untersuchen, welche sich eine Zeitlang auf dem Grunde des Meeres befunden hatten; an diesen war sogleich eine entgegengesetzte Art von Wirkung zu erkennen; die Beobachtungen wurden so sehr vervielfältigt, daß ich glaube, die Resultate werden sich in allen Fällen beim Sondiren gleich bleiben. Kupfer und Bronze und selbst Messing fand ich dick überzogen mit Schwefelkupfer, welches oft krystallinische Schichten bildete, die von constanter chemischer Zusammensetzung waren und ganz frei von Chlor und Sauerstoff, den zerfressenden Agentien an der Oberfläche des Meerwassers. Proben von Kupfer und Bronze aus dem thonigen Schlamm in verschiedenen Tiefen, und in einem Fall aus reinem Sand unter einer starken Strömung, zeigten dicke Schichten von Schwefelkupfer oder Schwefelkupfer und Schwefelzinn. Das spanische Schiff San Pedro de Alcantaro wurde im Jahr 1815 an der Küste von Cumana in die Luft gesprengt, wobei zahlreiche Geldstücke zerstreut wurden und untersanken. Ein großer Theil der Silberdollars wurde im vergangenen Jahr von Nordamerikanern aus einer Tiefe von 50 und 80 Fuß heraufgeholt. Die Münze war im Schlamm gelegen und manchmal mit einer 6–12 Zoll dicken Korallenschicht überzogen. Zwei Stücke, im Jahr 1810 und 1812 geprägt, wurden zur Analyse verwendet. Das Gewicht solcher noch wenig abgeführten Dollars beträgt nahezu 412 Gran. Nachdem die Münze von 1810 von ihrem Ueberzug befreit war, wog sie 330 Gran, folglich wären 82 Gr. der Substanz des Dollars in Schwefelmetall verwandelt worden. Die andere Münze wog 356,82 Gr., hatte also 55,18 Gr. verloren. In 35 Jahren wurden also im einen Fall von 100 Theilen der Münze nahezu 20 Theile, im andern Falle 13,39 Th., im Mittel 16,52 Theile zerstört. Die Krusten waren deutlich krystallisirt und ihre Zusammensetzung wurde sorgfältig bestimmt. Wasser entzog ihnen Spuren von Chlornatrium und Chlormagnesium nebst schwefelsaurem Kalk. Essigsäure löste eine Verbindung von Chlor, kohlensauerm Kalk und Kupferoxyd, in sehr geringer Menge auf. Mit Salpetersäure angesäuertes Wasser machte nach einigen Tagen die Kruste von einer Münze los und dieser Probe bediente man sich zur Bestimmung sowohl des Schwefels (in Form von Schwefelsäure), als der Basen; dabei ergab sich, daß der Kruste sehr geringe Mengen von Chlornatrium und Chlormagnesium nebst schwefelsaurem und kohlensaurem Kalk anhingen, während der reine Theil derselben aus Schwefelkupfer mit Schwefelsilber und Schwefelgold bestund; selbst die bloße Spur von Gold in dem Silber war vom Schwefel vererzt worden. Eine ähnliche Beobachtung machte ich bei einer Legirung von 1 Theil Silber mit 500 Thln. Kupfer, welche als Schiffsbeschlag diente; beide Metalle hatten sich mit Chlor und Sauerstoff verbunden und wurden rasch und in reichem Maaße durch das Wasser an der Oberfläche der See abgelöst, wie dieß mit einem einfachen Metalle der Fall gewesen wäre. Bis jetzt hatte ich keine Gelegenheit meine Untersuchungen über Kupfer und andere Metalle aus großen Wassertiefen fortzusetzen; indem ich aber die Aufmerksamkeit der Chemiker darauf lenke, sehe ich den Resultaten jener entgegen, welche sich hierzu in günstigerer Lage befinden. Hinsichtlich der Ursachen wodurch der Schwefel aus den schwefelsauren Salzen reducirt wird und sich mit den Metallen am Grunde des Meeres verbindet, kam ich zu dem Schluß, daß die vom Lande herkommenden Wasser einen sehr großen Einfluß darauf haben. Diese Wasser sind niemals frei von in Zersetzung begriffener organischer Materie. Diese Materie von der Erdoberfläche oder von Felsen beim Durchsickern der Schichten aufgelöst, nimmt einen Zustand an, in welchem sie den Sauerstoff stark anzieht. Wasser, welche diese Materie aufgelöst enthalten, zersetzen, wenn auch nur theilweise der atmosphärischen Luft ausgesetzt, schwefelsauren Kalk und schwefelsaures Natron sehr bald. Die Linie, wo sich das Salzwasser des Meeres und die unterirdischen Wasserströme begegnen, ist die Stelle, wo nach Beobachtungen die größte chemische Wirkung stattfindet. Gewöhnliche Zersetzungen der schwefelsauren Salze durch organische Materie im Meerwasser finden wohl kaum statt. Die Erscheinungen treten aber sogleich deutlich auf, wenn Landwasser sich beimischen können, und das Wasser aus tiefen Brunnen in der Nähe des Meeres zeigt eine auffallendere chemische Wirkung als das Regenwasser. Die Zersetzung der schwefelsauren Salze erfolgt bei Gegenwart von Kohlensäure, und kohlensaure Salze der alkalischen Erden sind die Producte der Veränderung.