Titel: Ueber das Ausschmelzen des Talgs; von A. Faißt.
Fundstelle: Band 122, Jahrgang 1851, Nr. LXXIX., S. 378
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LXXIX. Ueber das Ausschmelzen des Talgs; von A. Faißt. Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1851, Nr. 333. Faißt, über das Ausschmelzen des Talgs. Der rohe Talg so wie er unmittelbar von den Thieren erhalten wird, enthält das Fett in einem sehr dünnhäutigen Zellgewebe eingeschlossen. Die Abscheidung des eigentlichen Fettes aus den Zellen wird durch das sogenannte Auslassen oder Ausschmelzen des Talgs bezweckt. Die ältere – und früher wohl ausschließlich hiefür angewandte Methode – bestand darin, daß der rohe Talg zuerst durch Zerhacken und Zerschneiden möglichst zerkleinert wurde, um schon hiedurch größtentheils die Zellen, welche das Fett eingeschlossen enthalten, zu öffnen; das so vorbereitete Fett wurde dann in Pfannen oder Kesseln bei gelindem Feuer unter fortwährendem Umrühren geschmolzen, indem hiebei theils durch die Ausdehnung des Fettes in Folge erhöhter Temperatur, theils dadurch, daß die Zellen unter Abgabe von Wasser sich zusammenziehen, die Zellenwandungen zerreißen und das geschmolzene Fett ausfließt. Aus dem Rückstand – den Grieben – kann durch Auspressen noch das zurückgebliebene Fett gewonnen werden, welches aber nicht mehr ganz weiß, sondern gelblich gefärbt ist – durch dieses Auspressen der Grieben können noch 10 bis 15 Procent Fett gewonnen werden – man erhält im Ganzen bei diesem Verfahren 80 bis 82 Procent Fett. Diese ältere Methode bietet mehrere Uebelstände, welche theilweise darin bestehen, daß dadurch das Fett nicht vollständig aus den Zellen erhalten werden kann, und daß stets ein großer Theil des aus dem rohen Talg gewonnenen Fettes nicht weiß, sondern gefärbt ist. Am diese Uebelstände zu heben, wurden theils schon früher, besonders aber in neuerer Zeit verschiedene Methoden, das Fett auszuschmelzen, beschrieben. Darcet und Lefebvre haben dazu die Anwendung von verdünnten Säuren vorgeschlagen.Polytechn. Journal Bd. XXXI S. 37, Bd. XXXV S. 371 und Bd. LXXVIII S. 318. Nach Darcet bringt man 100 Theile Talg mit 1/2 Theil Schwefelsäure, mit 20 Theilen Wasser vermischt, zusammen und erhitzt die Masse in verschlossenem kupfernem Kessel mittelst Dampf auf 105 bis 110° C. während 2 1/2 Stunden; unter diesen Umständen wirkt die Schwefelsäure zersetzend auf das Zellgewebe, so daß das Fett mit Leichtigkeit und ohne einen festen Rückstand von Grieben zu hinterlassen, ausschmelzen kann. Nach der angegebenen Zeit wird das geschmolzene Fett abgelassen und mit 1/10 bis 2/10 Theilen Alaun, in zwei Theilen Wasser gelöst, gemengt, und 8 bis 10 Stunden stehen 'gelassen, worauf das klare Fett abgenommen werden kann; man erhält nach diesem Verfahren 83 bis 85 Procent ausgelassenen Talg. Nach Lefebvre's Methode, welche auf dasselbe Princip gegründet ist, hat das eben beschriebene Verfahren einige Aenderungen erlitten. Lefebvre hat durch vergleichende Versuche mit Salzsäure, Salpetersäure und Schwefelsäure gefunden, daß die Salzsäure zu diesem Zweck nicht anwendbar sey, indem sie dem Talg eine unangenehme Farbe und üblen Geruch ertheilt. Das beste Resultat erhielt er mit Salpetersäure und fast ebenso zweckmäßig fand er die Anwendung der Schwefelsäure. Nach Lefebvre's Verfahren werden 100 Theile roher Talg – gehörig verkleinert – in einer Bütte mit 1 Theil Schwefelsäure, Salzsäure oder Salpetersäure, durch 30 Theile Wasser verdünnt, übergossen, so daß der Talg überall vollständig eingetaucht ist. Nach 3 bis 4 Tagen wird das überflüssige Wasser vom Talg abgegossen und der Talg mit 25 bis 30 Pfund reinem Wasser in dem Kessel zum Ausschmelzen gebracht – nach allmählichem Anwärmen wird die Masse unter fleißigem Umrühren 15 bis 20 Minuten im Sieden erhalten. Wenn der Talg ausgeschmolzen ist, so sind fast alle die kleinen weichen und schwammigen Theile aus der Flüssigkeit verschwunden, und um das Fett herauszunehmen, taucht man einen feinen Durchschlag in den Kessel und schöpft mit einer Kelle das geschmolzene Fett in ein anderes Gefäß zum Absetzen aus. Bei Versuchen, welche ich angestellt habe, um das eben beschriebene Verfahren von Lefebvre zu erproben, bin ich ganz, wie oben angegeben, verfahren. Zu meinen Versuchen benutzte ich gewöhnlichen Hammelstalg und es wurden hieraus erhalten: bei Anwendung von Schwefelsäure 92 Procent rein weißes Fett, der Rückstand ist sehr unbedeutend. Bei Anwendung von Salpetersäure wurden 91,5 Procent Fett erhalten, welches schwach gelblich gefärbt war; der hierbei gebildete Rückstand aus den Fettzellen ist fast gleich Null. Die Anwendung der Salzsäure zeigte sich weniger zweckmäßig, indem dabei nur 87 Procent Fett mit einem schwachen Stich ins Gelbe erhalten wurden, aber auch hierbei war der Rückstand sehr unbedeutend. Ein anderes Verfahren, Talg auszuschmelzen, wurde in neuerer Zeit von Evrard in Paris angegeben;Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXX S. 204. es ist darin begründet, daß ehr verdünnte kaustische Alkalien auflösend auf die Häute der Fettzellen wirken, ohne das Fett merklich anzugreifen. Nach Evrard wird auf folgende Weise verfahren: In einem cylindrischen Kessel, welcher mit einem durchlöcherten, doppelten Boden versehen ist, bringt man etwa 300 Pfund rohen Talg – andererseits wird 1 Pfund calcinirte Soda mit Kalk ätzend gemacht, und diese Aetzlauge dann, mit 200 Pfund Wasser verdünnt, dem Talg zugesetzt und zum Sieden gebracht, mittelst eines Dampfstroms, welchen man unter den doppelten Boden leitet; hiebei schwillt das Fettgewebe bedeutend auf, das Fett scheidet sich an der Oberfläche ab und kann abgenommen werden. Man braucht es dann nur mit warmem Wasser abzuwaschen und 6 bis 8 Stunden flüssig zu erhalten, wobei es ganz klar wird. Bei Versuchen, welche ich nach obigen Angaben von Evrard angestellt habe, erhielt ich bei der Behandlung von Hammelstalg mit einer im angegebenen Verhältniß verdünnten Natronlauge eine trübe milchige Flüssigkeit, in welcher nur eine höchst geringe Menge einer faserigen fleischigen Masse abgeschieden war, und auf welcher sich das Fett vollkommen rein und mit dem schönsten Weiß abgeschieden hatte; nach dem Erkalten wurde das abgeschiedene Fett wiederholt mit heißem Wasser gewaschen und hierbei über 88 Procent vollkommen geruchloses und sehr reines Fett erhalten. Die trübe milchige Flüssigkeit versetzte ich mit überschüssiger Schwefelsäure, wobei sich ein Fett abschied, welches nach wiederholtem Abwaschen 8 Procent des angewandten rohen Talgs betragen hatte. Dieses Fett war schwach gelblich gefärbt und hatte einen eigenthümlichen, jedoch nicht sehr starken Geruch. Hiernach betrug die Gesammtausbeute an ausgeschmolzenem Talg gegen 96 Proc., und zwar zum großen Theil (88 Procent) von einer Reinheit, besonders in Farbe, wie es nach einer andern der angegebenen Methoden wohl kaum möglich ist, und es dürste nach den Resultaten, welche ich bei meinen Versuchen über diesen Gegenstand erhalten habe, die Methode des Talgausschmelzens mittelst Anwendung von verdünnter Lauge nach Evrard der Methode von Lefebvre mit Anwendung verdünnter Säuren vorzuziehen seyn. Jedenfalls aber bieten diese beiden Verfahrungsweisen gegen die ältere Methode mehrere sehr wesentliche Vorzüge; so in Hinsicht auf die Gesundheit, indem nach den Methoden von Lefebvre und Evrard der Talg ohne alle Belästigung für die Nachbarschaft ausgeschmolzen wird, während bei dem älteren Verfahren die ganze Nachbarschaft mit einem höchst widrigen und unangenehmen Geruch erfüllt wird. Ein weiterer Vorzug der neueren Verfahrungsweisen besteht aber hauptsächlich noch darin, daß dabei eine größere Ausbeute und ein reineres Fett erhalten wird.