Titel: Chemisch-physiologische Untersuchungen über die Seidenwürmer; von Eugen Peligot.
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XXXIII., S. 143
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XXXIII. Chemisch-physiologische Untersuchungen über die Seidenwürmer; von Eugen Peligot. Aus den Comptes rendus, Februar 1852, Nr. 8. Peligot's Untersuchungen über die Seidenwürmer. Diese Arbeit ist die Fortsetzung meiner frühern Untersuchungen über die während des Lebens und der Metamorphosen des Seidenwurms auf einander folgenden Erscheinungen (polytechn. Journal Bd. CXXIII S. 389). Den Weg, welchen ich zur Bestimmung des Gewichtes der Maulbeerblätter, die zur Entwickelung einer gegebenen Menge Larven erforderlich sind, einschlug, nämlich Abwägen des Mistes und der als Rückstände hinterlassenen Abwürfe, habe ich dort angegeben. Der Zweck der vorliegenden Arbeit ist, den Uebergang zu verfolgen und die chemische Zusammensetzung der unorganischen Stoffe zu bestimmen, welche man in den verschiedenen, von mir im Laufe der gewogenen Zuchten gesammelten Producte findet. Meine Resultate hinsichtlich der organischen Bestandtheile dieser Producte werde ich später vorlegen. Diese Untersuchung bietet ein zweifaches Interesse dar: ein physiologisches, indem durch sie die Bedingungen der Ernährung, welche die Entwickelung dieser Insecten bedingen, festgestellt werden; und ein landwirthschaftliches, indem sie zu entscheiden gestattet, ob die Cultur des Maulbeerbaums eine den Boden erschöpfende ist, welche ihm die seine Fruchtbarkeit bedingenden Mineralsalze rasch entzieht, oder nicht. Um diese unorganischen Stoffe zu ermitteln und zu analysiren, äscherte ich zuvörderst die verschiedenen Producte der Zuchten ein, nachdem diese Producte im trockenen Zustand gewogen worden waren. Die chemische Untersuchung der Asche bietet hinsichtlich ihrer Darstellung und Analyse sehr große Schwierigkeiten dar; die Resultate derselben verdienen nur so weit Zutrauen, als der Werth des eingegeschlagenen Verfahrens schon im voraus nachgewiesen ist. Die bei der Darstellung der Asche, welche bei möglichst niedriger Temperatur geschah, von mir beobachten Vorsichtsmaßregeln und den bei der Analyse befolgten Gang, habe ich in meiner Abhandlung angegeben. Die folgenden Resultate wurden durch Einäschern der Producte von der im Jahr 1851 vorgenommenen Zucht erhalten: Vorgelegte Blätter. Frische 1052,5 Gramme; getrocknete 265 Gramme; diese enthalten 11,6 Proc., oder 30,7 Gr. Asche. Erhaltene Producte. Trockene Ercremente, 136 Gramme; sie hinterließen 11,6 Proc. Asche 15,7 Gr. Abwürfe. 98 Gramme mit 13,8 Proc. Asche 13,5 Würmer 143,62 Gramme mit 14 Proc. oder 20,60 Gr. trockener Substanz. Die trockenen Würmer gaben 9 Proc. Asche oder 1,9 –––––––––––––––– 31,1 Gr. Folgendes ist die mittlere Zusammensetzung dieser Producte: Zusammensetzung der Asche. Blätter und Fäces. Abwürfe. Würmer. Kieselerde 17,6 20,0 3,9 Kohlensäure 18,6 18,0 10,5 Phosphorsäure 10,3 7,6 29,0 Schwefelsäure 1,6 Spuren. 1,9 Chlor 0,8 1,2 1,1 Eisenoxyd 0,6 0,7 Spuren. Kalk 26,2 29,5 8,3 Talkerde 5,8 6,0 9,3 Kali 1,5 18,5 36,0 ––––––––––––––––––––––––––––– 100,0 100,0 100,0 Die Zusammensetzung der Asche von den Blättern und Fäces und von den Abwürfen ist das Mittel aus den Analysen von vier Loosen jedes dieser Producte, welche während ziemlich gleichen Zeiten gesammelt, jede besonders verbrannt und analysirt wurden. Jeder Bestandtheil wurde direct bestimmt. Das Gewicht der von den Blättern zurückgelassenen Asche, nach Abzug der Kohle, wechselt zwischen 12,5 Procent für die jungen Blätter und 10,8 für jene welche ihre volle Entwickelung erreicht haben. Diese Verschiedenheit hat wahrscheinlich darin ihren Grund, daß die Erzeugung der organischen Substanz rascher zunimmt, als die Absorption der dem Boden entzogenen Salze. Die zu dieser Zucht verwendeten Blätter waren alle von einem Duzend kleiner, nicht gepfropfter, 7–8 Jahre alter Maulbeerbäume, die neben einander stehen und zu Sèvres in einem sehr kalkigen Boden gewachsen sind. Die in dem Maulbeerblatt enthaltenen unorganischen Stoffe sind der Art, daß sich daraus erklärt weßhalb der Seidenwurm diesem Blatt, seiner einzigen Nahrung, den Vorzug gibt. Dasselbe enthält nämlich größere Mengen von Phosphorsäure und Kali, als bisher in andern Blättern gefunden wurden. Die in obiger Tabelle angegebenen Verhältnisse dieser Substanzen sind keineswegs ausnahmsweise; Blätter, welche zu Sèvres in einem bessern Boden gesammelt wurden, dann solche aus den Senart'schen Schäfereien und der Baumschule des Lurembourg ergaben eine noch größere Menge Phosphorsäure, welche bei drei Mustern 15 Procent überstieg. Das Verhältniß der Mineralsubstanzen in den Abwürfen nimmt mit dem Alter der Würmer zu; das Gegentheil findet bei den Blättern statt. Dieses Verhältniß wechselte bei den trockenen Abwürfen zwischen 13,2 und 15,1 Procent und ist, wie der Aschengehalt der Blätter, nach der Natur des Bodens verschieden. Abwürfe von den Zuchten des Hrn. Camille Beauvais gaben mir mehrmals 18 und sogar 24 Proc. Asche. Bei den Larven nach ihrer Häutung, oder nachdem sie gefastet haben, beträgt das Verhältniß der Asche zwischen 9 und 11 Procent ihres Trockengewichts; es vermindert sich in dem Maaße, als die Würmer sich ihrer Reife nähern. Die Würmer, welche bereits zu spinnen angefangen haben, hinterlassen beim Einäschern nur 4 Procent Asche, welche sehr viel phosphorsaure Talkerde enthält, aber weniger Kali als diejenige von unreifen Würmern. Diese Resultate finden ihre Erklärung einerseits in der Erzeugung jener alkalischen Flüssigkeit, welche der Wurm in dem Augenblick wo er seinen Cocon beginnt, von sich gibt; andererseits in dem beträchtlichen Verhältniß der unorganischen Stoffe, welche sich in seinen letzten Abwürfen befinden. Die ausgetrockneten Puppen hinterlassen 7–8 Proc. Asche; da die Schmetterlinge vor und nach dem Austritt aus ihren Cocons Flüssigkeiten von sich geben, welche viel salzige Substanzen enthalten, so findet man in diesen Insecten nur noch ungefähr die Hälfte der Mineralsubstanzen, welche die Puppen enthalten. Die männlichen Schmetterlinge geben 3,3 und die Weibchen 4,3 Proc. Asche. Die ausgetrocknete Seide hinterläßt bei dem Einäschern nur 1,2 Proc. Asche. Die Eier der Seidenwürmer enthalten 35,6 Proc. trockene Substanz. Diese gibt 3,6 Gewichtsprocente Asche, welche folgendermaßen zusammengesetzt ist: Phosphorsäure 53,8 Kali 29,5 Talkerde 10,3 Kalk 6,4 –––––– 100,0 Diese Zusammensetzung ist in mehr als einer Hinsicht merkwürdig; sie liefert einen neuen Beweis von der Hauptrolle, welche die Phosphorsäure bei der Bildung der Wesen spielt; sie weist der Talkerde eine wichtigere Function an, als ihr gewöhnlich zugeschrieben wird. Wenn man sie mit der Zusammensetzung der von den Würmern in ihrem verschiedenen Alter hinterlassenen Asche vergleicht, so findet man, daß die im Insect vor sich gehende Arbeit eine beständige Ausscheidung ist, deren Zweck ist, nach und nach, in Form verschiedenartiger Abwürfe (Ausscheidungen), wovon die Seide selbst vielleicht einer ist, die Stoffe zu entfernen, welche vorher zur Entwickelung des Insects dienten, und am Ende seiner Existenz jene von diesen Stoffen zu concentriren, welche die Reproduction seiner Species erfordert. Diese Bestandtheile, welche man vorzugsweise organisirende nennen kann, sind dieselben, welche in allen Samen vorkommen, in den Eiern wie in den Samenkörnern. Hinsichtlich der unorganischen Bestandtheile hat die Asche eines Seidenwurmeis die größte Aehnlichkeit mit der Asche eines Weizenkorns; man findet darin dieselben Elemente, mit Ausschluß aller andern, welche unter sich, wenn auch nicht in demselben absoluten Verhältniß, wenigstens in gleichen numerischen Beziehungen stehen. Auch findet man neben der vorherrschenden Phosphorsäure Kali, dann Talkerde, deren Verhältniß immer dasjenige des Kalks übersteigt. Die mitgetheilten analytischen Resultate führen in anderer Beziehung zu Daten, aus welchen die Landwirthschaft Nutzen ziehen kann. Die von einer Hektare Landes im Jahr gelieferten Maulbeerblätter betragen nach Hrn. v. Gasparin im Durchschnitt 13,990 Kilogr. Das Gewicht der dem Boden durch diese Blätter entzogenen Mineralsubstanzen beträgt 50 Kilogr., wenn man annimmt daß diese Blätter 30 Proc. trockener Substanz enthalten, die 12 Proc. Asche gibt. Dieß ist weniger als dem Boden durch die meisten andern Culturen entzogen wird; übrigens wird ihm dieser Verlust, wenn das Blatt an Ort und Stelle consumirt wird und der Mist der Würmer und die Spinnrückstände sorgfältig gesammelt und als Dünger verwendet werden, beinahe ganz zurückerstattet.