Titel: Ueber die Fabrication von Kleesäure. (Oralsäure).
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. XLII., S. 175
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XLII. Ueber die Fabrication von Kleesäure. (Oralsäure). Aus der Chemical Gazette, 1852, Nr. 226. Ueber die Fabrication von Kleesäure. Die Kleesäure bildet sich durch die Einwirkung der Salpetersäure auf eine große Anzahl vegetabilischer Substanzen, z. B. Zucker, Reis, Stärkmehl, gewaschene Sägespäne: etc. Zucker, entweder in seinem krystallinischen Zustand oder in Form von Melasse oder Syrup, wird meistentheils bei der Fabrication von Kleesäure angewandt. Wenn man der Zuckerlösung Salpetersäure zusetzt und sie erwärmt, so wird der Wasserstoff des Zuckers durch einen Theil des Sauerstoffs der Salpetersäure ersetzt, wobei sich Kleesäure bildet und Stickstoffoxydgas aus der Flüssigkeit entbindet. Es finden jedoch noch andere Veränderungen statt; oft entbindet sich mit dem Stickstoffoxyd noch Kohlensäure, und mit der Kleesäure bleiben Zuckersäure und andere Producte in der Lösung zurück. Anstatt des Zuckers oder Syrups aus dem Rohrzucker wendet man auch die Zuckerart (den Traubenzucker) an, welche sich bei der Behandlung von Kartoffelstärke oder sonstigen Stärkmehls mit Schwefelsäure bildet. Zu diesem Zweck werden die Kartoffeln gut gewaschen und dann zu einem feinen Brei zerrieben; dieser Brei wird hierauf zwei- oder dreimal gewaschen, indem man ihn in Wasser bringt und darin gut umrührt, dann den Brei sich absetzen und hierauf das Wasser von ihm ablaufen läßt. Der so erhaltene Brei wird zunächst in ein offenes Gefäß von Blei (oder von Holz, welches mit Blei gefüttert ist) mit so viel Wasser gebracht, daß man die Flüssigkeit darin unschwer mittelst Dampfs kochen kann, den man durch ein bleiernes Schlangenrohr hineinleitet. In die Mischung von Brei und Wasser rührt man soviel concentrirte Schwefelsäure, als beiläufig 2 Proc. vom Gewicht der Kartoffeln beträgt (also 8 bis 10 Proc. vom Gewicht des in den Kartoffeln enthaltenen Stärkmehls); das Ganze wird nun einige Stunden gekocht, bis der Kartoffelbrei in Zuckerstoff verwandelt ist; die Beendigung dieses Processes ist leicht zu ermitteln, indem man eine kleine Menge der kochenden Flüssigkeit auf eine Glastafel bringt und mit einem Tropfen Jodtinctur versetzt, worauf, wenn noch unverwandeltes Stärkmehl hinterblieben seyn sollte, eine purpurrothe Färbung entstehen wird. Das so erhaltene zuckerige Product wird dann durch ein Roßhaargewebe filtrirt, worauf man es in einem geeigneten Gefäß auf eine Dichtigkeit von 1,400 bis 1,450 (42 bis 45° Baumé) abdampft. In diesem Zustand kann man es gerade so wie Zucker oder Syrup zur Fabrication von Kleesäure durch Behandlung mit Salpetersäure verwenden; Roßkastanien, welche man von ihren äußeren Schalen befreit und gerade so wie die Kartoffeln behandelt hat, sind ebenfalls zur Fabrication von Kleesäure anwendbar. Anstatt mit Schwefelsäure zu operiren, kann man auch das Stärkmehl der Kartoffeln oder Roßkastanien mit Diastase behandeln, wodurch man eine ähnliche Flüssigkeit erhält, wie nach dem Abdampfen des mit Schwefelsäure behandelten Stärkmehls, indem man beiläufig dasselbe Verhältniß von Diastase wie von Schwefelsäure anwendet. In diesem Falle erhält man die Flüssigkeit sogleich von der erforderlichen Stärke, und erspart das Filtriren und Abdampfen. Der Apparat, welcher zur Verwandlung der zuckerigen Substanz (sey sie von Rohrzucker oder bestehe sie aus Stärkesyrup) in Kleesäure benutzt wird, ist sehr einfach. Gewöhnlich verwendet man Steinzeugkrüge von beiläufig zwei Gallons (20 Pfd. Wasser) Inhalt, welche man nach dem Beschicken mit Salpetersäure und der zuckerigen Substanz, in ein Wasserbad stellt, welches beiläufig hundert solcher Krüge faßt. Dieses Bad wird von Backsteinen hergestellt, mit Blei gefüttert, und mittelst Dampf geheizt, welcher in einem darin angebrachten Schlangenrohr circulirt. Anstatt der Steinzeugkrüge kann man auch bei der Kleesäurefabrication Gefäße von Blei, oder von Holz mit Blei gefüttert, anwenden — sehr geeignet sind Pfannen von 8 Fuß im Quadrat und 3 Fuß Tiefe, worin ein bleiernes Schlangenrohr angebracht ist, durch welches der Dampf circulirt; ein gewundenes Bleirohr von einem Zoll Durchmesser und beiläufig 48 Fuß Länge reicht hin, um die Flüssigkeit in einer solchen Pfanne auf der erforderlichen Temperatur zu erhalten. Man gibt in diese Pfanne die in Kleesäure zu verwandelnde Flüssigkeit nebst der Salpetersäure, und erhitzt bis die Zersetzung bewirkt ist; die Flüssigkeit wird dann durch einen Heber oder durch einen am Boden der Pfanne angebrachten Hahn in flache bleierne (oder hölzerne mit Blei gefütterte) Gefäße abgezogen, worin sie abkühlt und krystallisirt; die Mutterlauge wird von den Krystallen abgegossen und bei der nächsten Operation verwendet. Wenn man die Kleesäurefabrication in großen Gefäßen, wie die erwähnten Pfannen, ausführt, braucht die Salpetersäure nicht so stark zu seyn, wie bei Anwendung von Steinzeugkrügen; 1,200 bis 1,270 spec. Gewicht (25 bis 31° Baumé) sind beiläufig die Gränzen für die Dichtigkeit der Säure. Die Bäder sollten auf einer Temperatur von beiläufig 125° F. (41° R.) erhalten werden. Während die Operation im Fortschritt ist, betrachtet man eine lebhafte Gasentbindung, ohne Erscheinung rother Dämpfe, und einen eigenthümlichen Geruch, welcher die Gegenwart von Stickstoffoxyd andeutet, als Zeichen ihres guten Ganges und Verlaufs. Man hat gefunden, daß ein geeigneter Zusatz von Schwefelsäure zu einer größeren Ausbeute an Kleesäure beiträgt. Das Product an Kleesäure, welches ein bestimmtes Gewicht Zucker liefert, ist in den Lehrbüchern der Chemie viel zu niedrig angegeben, ohne Zweifel weil man den Zucker mit starker Salpetersäure kochte, wobei viel Kleesäure sogleich nach ihrer Bildung in Kohlensäure verwandelt wird. So soll man von 100 Pfd. gutem Zucker nur 50 bis 60 Pfd. Kleesäure erhalten können, während man in der Praxis wirklich 125 bis 130 Pfd. erhält. 100 Pfd. guter Syrup liefern 105 bis 110 Pfd. Kleesäure. Nachdem die Mutterlauge abgegossen ist, bringt man die Krystalle in Abtropfkästen, wascht sie aus, und trocknet sie dann sorgfältig in einem geheizten Raum. Die Mutterlaugen werden, mit Salpetersäure und Syrup versetzt, bei einer späteren Operation verarbeitet. Beiläufig 4¾ Cntr. Natronsalpeter und 2½ Cntr. Schwefelsäure liefern die Salpetersäure welche erforderlich ist um 1 Cntr. guten Rohrzucker in Kleesäure zu verwandeln. Jullion ließ sich ein Verfahren patentiren, um Ameisensäure in Kleesäure zu verwandeln. Hierzu wird Ameisensäure mit einer Auflösung von Aetzkali gesättigt und dann noch halb so viel Aetzkali zugesetzt als zur Sättigung erforderlich war; das Ganze wird dann zur Trockniß abgedampft und auf 560° F. (234,6° R.) erhitzt. Durch diesen Proceß wird die Ameisensäure zersetzt und kleesaures Kali gebildet. Statt des Aetzkalis kann man auch Aetznatron anwenden. — Das so erhaltene kleesaure Kali oder Natron wird mit Schwefelbaryum, Barythydrat oder einem auflöslichen Barytsalz behandelt, wodurch kleesaurer Baryt gefällt wird, aus welchem man mittelst Schwefelsäure reine Kleesäure erhalten kann. Ein anderes Verfahren Kleesäure zu gewinnen, ließ sich Dr. Wilton Turner patentiren, welcher die aus dem Guano dargestellte Harnsäure mit in Wasser suspendirtem Bleisuperoxyd oder Mangansuperoxyd bei der Siedhitze behandelt, wodurch sie in Kleesäure, Allantoin und Harnstoff zersetzt wird. Die Kleesäure bildet eine unauflösliche Verbindung mit dem Blei oder Mangan. — Bei Anwendung von (braunem) Bleisuperoxyd verfährt man folgendermaßen: man bringt ein bekanntes Gewicht Harnsäure in ein offenes cylindrisches Gefäß von Eisen, welches 2 Pfd. Wasser für jedes Pfund der Säure fassen kann, und zum Kochen mittelst Dampf eingerichtet ist. Dann setzt man eine klare gesättigte Auflösung von Kalkwasser zu, und sobald es erhitzt und in lebhaftem Sieden ist, fügt man portionenweise Bleisuperoxyd zu, so lange als solches durch die kochende Flüssigkeit noch weiß gemacht wird. Das so erhaltene weißliche Pulver ist kleesaures Blei. Für 168 Pfd. angewandter Harnsäure sind ungefähr 240 Pfd. Bleisuperoxyd erforderlich. Die über dem Niederschlag befindliche Flüssigkeit wird nun abgezogen, und das kleesaure Blei mit reinem Wasser ausgewaschen; man kocht dasselbe dann mit verdünnter Salzsäure (gleiche Theile Säure und Wasser), wodurch man Kleesäure in Auflösung erhält, die man abdampft und krystallisiren läßt, während salzsaures Blei als Niederschlag zurückbleibt. — Das Allantoin wird durch Kochen mit ätzendem Alkali ebenfalls in Kleesäure und Ammoniak zersetzt. Jene verbindet sich mit dem angewandten Alkali, während das Ammoniak übergeht und gesammelt werden kann; bei Anwendung von Aetzkali erhält man also kleesaures Kali, und bei Anwendung von Barythydrat bekommt man kleesauren Baryt, welchen man mit Schwefelsäure zersetzt, um Kleesäure zu erhalten. Der niedrige Preis, wozu man sich gegenwärtig den Syrup und Rohzucker verschaffen kann, empfehlen dieselben besonders zur Kleesäurefabrication. Um die Erzeugungskosten dieses Artikels zu vermindern, muß man hauptsächlich an Salpetersäure zu ersparen suchen. Oben, wo von der Wirkung der Salpetersäure auf Zucker die Rede war, wurde bemerkt, daß Kohlensäure erzeugt wird und sich zugleich mit dem Stickstoffoxydgas entbindet. Die Gegenwart von Kohlensäure ist in diesem Falle bei der Umwandlung des Stickstoffoxyds in Salpetersäure ein großes Hinderniß, indem sie die Vereinigung des Sauerstoffs der Luft mit dem Stickstoffoxydgas verhütet. Man hat von Zeit zu Zeit verschiedene Verfahrungsarten vorgeschlagen, um diese Ersparniß bei der Kleesäurefabrication zu erzielen; unter denselben sind folgende beachtungswerth: Jullion ließ sich im J. 1846 ein Verfahren Patentiren, um die Oxyde des Stickstoffs welche sich bei der Kleesäurefabrication entbinden, in salpetrige Säure und Salpetersäure zu verwandeln. Hierzu benutzt er einen sogenannten Generator, nämlich ein Gefäß ähnlich einer Woulf'schen Flasche, aber mit einem beweglichen luftdicht passenden Deckel, von beiläufig 100 Gallons Inhalt. Man bringt die Materialien, welche in Kleesäure verwandelt werden sollen, hinein und erhitzt das Gesäß durch ein Wasserbad, welches dasselbe umgibt; man setzt dann eine Quantität Salpetersäure zu und treibt Luft durch ein im Deckel befestigtes Rohr hinein. Indem der Sauerstoff der Luft mit den entbundenen Stickstoffoxyden in Berührung kommt, verwandelt er sogleich einen Theil derselben in salpetrige Säure und Untersalpetersäure, welche zum Theil wieder von der Flüssigkeit im Gefäß absorbirt werden; ein anderer Theil zieht durch ein Rohr im obern Theil des Gefäßes ab, welches Rohr durch einen Ofen geht. Dieser Theil des Ofens ist ein wenig erweitert, und wird auf 600 bis 900° F. (253 bis 386° R.) erhitzt; der im Ofen liegende Theil des Rohrs enthält Platinschwamm. Sobald die Gase mit dem heißen Platinschwamm in Berührung kommen, vereinigen sie sich zu Salpetersäure, welche in einer Reihe verbundener Ballons verdichtet wird. Anstatt die Reaction des Platins anzuwenden, kann man auch ein verschlossenes Gefäß benutzen, welches Wasser enthält, das die Untersalpetersäure und die salpetrige Säure zersetzt, wodurch Salpetersäure entsteht. Dieses Princip wird auf folgende Weise angewandt: die Stickstoffoxyde, welche sich aus der Flüssigkeit im Zersetzungsgefäß entbinden, kommen mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung und verwandeln sich dadurch in salpetrige Säure und Untersalpetersäure, welche dann mit Wasserdampf gemischt und dadurch in Salpetersäure und Stickstoffoxyd zersetzt werden. Hierbei kann man das Einleiten von Wasserdampf auch vermeiden, indem man erhitzte Luft im Zersetzungsgefäß anwendet, durch welches Mittel Feuchtigkeit aus der Flüssigkeit geliefert und dieselbe in Folge der Verdampfung zugleich concentrirt wird. Die so gebildeten Verbindungen werden sich in den Vorlagen fast ganz zu Salpetersäure verdichten, wenn der Apparat mit Luft in Ueberschuß gespeist worden ist. Folgendes ist das Verfahren von Crane und Jullion, um Kleesäure und Salpetersäure continuirlich und gleichzeitig zu fabriciren. Man bringt die Mutterlauge (der Kleesäure) von einer früheren Operation in den sogenannten Generator, ein verschlossenes Gefäß aus Schieferstein; Salpetersäure und Syrup, in dem Verhältniß wie man sie gewöhnlich für ein solches Quantum von Mutterlauge anwendet, füllt man in zwei besondere Speisungsgefäße, welche über dem Generator stehen; die Mutterlauge wird dann erhitzt und ihre Temperatur so schnell als möglich auf 180 bis 200° F. (66 bis 75° R.) erhöht. Man läßt hierauf mittelst Sperrhähnen und Trichterröhren Ströme von Salpetersäure und Syrup in den Generator fließen, in solcher Menge, daß deren vollständiger Abfluß beiläufig achtzehn Stunden erfordert, nach deren Verlauf der Proceß beendigt seyn wird. — Die aus den angewandten Materialien bei dieser Speisung sich entwickelnden Gase entweichen durch ein im Deckel des Generators angebrachtes Abzugsrohr in eine Vorlage, in welche ein Chlorgasstrom geleitet wird, der hinreicht um die Stickstoffoxyde vollständig in Salpetersäure zu verwandeln. Ein Theil des Wassers in der Vorlage wird zersetzt, sein Sauerstoff verbindet sich mit dem Stickstoffoxyd zu Salpetersäure, und sein Wasserstoff mit dem Chlor zu Salzsäure. Diese gemischten Dämpfe gehen dann in Verdichtungsgefäße über. Wenn die Salpetersäure und der Syrup vollständig in den Generator eingeströmt sind und in demselben keine Gase oder Stickstoffoxyde mehr entbunden werden, zieht man die Kleesäurelösung ab und läßt sie krystallisiren. Mac Dougall und RawsonPolytechn. Journal Bd. CXIV S. 277. ließen sich ebenfalls ein Verfahren Patentiren, um die bei der Kleesäure-Fabrication entweichenden Dämpfe in Salpetersäure zu verwandeln. Hierzu leiten sie in eine (erste) Woulf'sche Flasche, welche Wasser enthält, das Salpetergas mittelst eines Rohrs, welches unter die Oberfläche des Wassers taucht; gleichzeitig leiten sie auch Luft hinein, welche sich mit dem durch das Wasser aufsteigenden Gas mischt. Mit dieser Woulf'schen Flasche ist eine Reihe anderer verbunden, und an der letzten ein Saugapparat angebracht, mittelst dessen die Mischung von Salpetergas und Luft durch die ganze Reihe der Flaschen gezogen wird, da jede derselben ein in die Flüssigkeit tauchendes Rohr enthält, während ein anderes in ihrem Halse befestigtes Rohr sie mit der nächsten Flasche verbindet. Das so abwechselnd durch Luft und Wasser streichende Salpetergas wird in Salpetersäure verwandelt. Wenn nämlich 3 Atome Untersalpetersäure in Wasser von wenigstens 100° F. (30° R.) Temperatur streichen, so entstehen 2 Atome Salpetersäure und 1 At. Stickstoffoxyd; erstere bleibt im Wasser aufgelöst, während das Stickstoffoxyd, ein unverdichtbares Gas, durch die Flüssigkeit in Blasen aufsteigt und sich mit der in der Flasche über der Flüssigkeit befindlichen Luft verbindet, aus welcher es 2 At. Sauerstoff aufnimmt und so zu Untersalpetersäure wird; letztere zieht durch die Flüssigkeit in der folgenden Flasche und zersetzt sich ebenso in Salpetersäure und Salpetergas; auf diese Weise werden die salpetrigsauren Gase oder Dämpfe fast vollständig wieder in Salpetersäure verwandelt. Bei dem Verfahren, welches sich EcarnotPolytechn. Journal Bd. CXVII S. 466. zu demselben Zweck patentiren ließ, werden die regenerirenden Gefäße mit einer porösen Substanz, z. B. Bimsstein gefüllt, und in dieselben sowohl atmosphärische Luft mittelst eines Gebläses, als auch ein Strom Wasserdampf aus einem Dampfkessel geleitet.