Titel: Theoretische Bemerkungen über die Gestaltungs-Zustände des Eisens; von Dr. J. N. v. Fuchs in München.
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. LXXX., S. 346
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LXXX. Theoretische Bemerkungen über die Gestaltungs-Zustände des Eisens; von Dr. J. N. v. Fuchs in München. Aus den Abhandlungen der k. bayer. Akademie der Wissenschaften II. Cl. VII. Bd. I. Abtheil. — Der Classe übergeben am 43. Decbr. 1851. Fuchs, theoretische Bemerkungen über die Gestaltungszustände des Eisens. Ungeachtet das Eisen in allen seinen Zuständen von den ausgezeichnetsten Chemikern und Technikern in mehrfacher Hinsicht auf das sorgfältigste und genaueste untersucht worden, so sind doch manche Punkte dabei noch nicht so ganz ins Klare gesetzt, daß nicht zu wünschen wäre, darüber nähere Aufschlüsse zu erhalten. Seit langer Zeit hat dieses wichtige Metall meine Aufmerksamkeit besonders gefesselt, und ich habe mit dem größten Interesse an den Fortschritten in der näheren Kenntniß desselben lebhaften Antheil genommen, kann aber nicht sagen, daß ich in allen Stücken befriediget worden wäre, zumal da über manches die größten Metallurgen selbst nicht einig sind. Daher kam es, daß ich in gewissen Beziehungen auf Ansichten verfiel, die man vielleicht als paradore bezeichnen und unbeachtet lassen wird, und welche ich schwerlich jemals veröffentlicht haben würde, wenn mich nicht ein guter FreundDr. Emil Dingler in Augsburg. dem ich sie unlängst mitgetheilt habe, dringend dazu aufgefordert hätte. Nun zur Sache. Das Eisen tritt nach Umständen mit sehr verschiedenen physischen Eigenschaften auf, und gewisse Sorten haben auch ein auffallend verschiedenes chemisches Verhalten. Bekanntlich unterscheidet man überhaupt Roheisen, Stabeisen und Stahl, zwischen welchen es wieder mehrere Modificationen gibt. Von allen Sorten ist, wie bekannt, keine ganz reines Eisen; die Substanzen, welche man damit vereinigt findet, sind: Kohlenstoff, Silicium, Aluminium, Mangan, Arsenik, Phosphor, Schwefel, Stickstoff etc. Diese Stoffe, welche aber nie zusammen in einer Sorte vorkommen, modificiren mehr oder weniger die Eigenschaften des Eisens, und machen es, wenn sie ein gewisses Minimum übersteigen, zu manchen technischen Zwecken unbrauchbar. Der wichtigste darunter ist der Kohlenstoff, welcher nie fehlt, und fast immer von Silicium begleitet ist, welches vielleicht theilweise dieselbe Function wie jener hat. Ich richte im Nachfolgenden meine Aufmerksamkeit besonders auf den Kohlenstoff, welcher eine vorzügliche Rolle im Eisen spielt, und lasse hier die übrigen unberücksichtigt. Am meisten Kohlenstoff enthält das Roheisen, vorzüglich das sogenannte Spiegeleisen, am wenigsten das Stabeisen, und zwischen beiden steht gewissermaßen der Stahl. Bei keinem findet aber ein bestimmtes und constantes Verhältniß zwischen Eisen und Kohlenstoff statt; eben so wenig läßt sich eine bestimmte Gränze zwischen den sogenannten Eisensorten festsetzen. Dieses beweiset schon zur Genüge, daß die Verbindung des Kohlenstoffes mit Eisen keine innige chemische seyn kann, und man ist nicht berechtigt anzunehmen, daß die verschiedenen Zustände dieses Metalls vom besten Stabeisen angefangen bis zum Spiegeleisen, abgesehen von zufälligen Beimischungen, allein in einem plus oder minus des Kohlenstoffes ihren Grund haben.Siehe in dieser Beziehung Bromeis' lehrreiche Abhandlung über den Kohlenstoffgehalt des Eisens und seine Bestimmung (polyt. Journal Bd. LXXXVII S. 130). Alle Analysen der verschiedenen Eisensorten, die in mehrfacher Hinsicht sehr werthvoll sind und allen Dank verdienen, haben nur dazu gedient, das eben Gesagte zu beweisen, und man muß sich wundern, daß man nicht schon längst zu diesem Schlüsse gekommen ist. Indem man immer nur den Kohlenstoffgehalt ins Auge faßte, womit man meinte, die Natur der so sehr in ihren übrigen Eigenschaften von einander abweichenden Eisensorten zu ergründen, hat man einen wesentlichen Factor dabei übersehen, und dieser ist die Krystallisation. Ich bin der Ueberzeugung, daß das Eisen ein dimorpher Körper ist, d. h. in zweierlei nach dem Gesetze der Symmetrie nicht verträglichen, oder generisch verschiedenen Formen erscheinen kann, und zwar im tesseralen und rhomboedrischen (beziehlich heragonalen) Krystallsystem. Demnach gibt es zwei Specien (Arten) des Eisens — das tesserale und das rhomboedrische, wozu sich auch oft Gemenge von beiden gesellen.Ob mit krystallinischem Eisen auch amorphes gemengt seyn könne, wie z. B. im Chalcedon und Feuerstein mit krystallinischer Kieselerde (Quarz) amorphe (Opal) gemengt vorkommt, muß ich vor der Hand dahin gestellt seyn lassen. Daß das geschmeidige Eisen (Stabeisen) tesseral krystallisirt ist, ist als ausgemacht anzunehmen, und wenn auch darüber noch Zweifel beständen, so ließe sich aus der Analogie darauf schließen, indem nämlich alle geschmeidigen Metalle, wozu das Stabeisen gehört, in diesem System krystallisirt sind. Nicht so bestimmt ist die Krystallisation des Roheisens nachgewiesen. Daß es aber dem rhomboedrischen Systeme angehöre, ist mir darum höchst wahrscheinlich, weil es, namentlich das Spiegeleisen, in die Reihe der vollkommen spröden Metalle gehört, welche, insoweit wir sie mit regelmäßiger Gestaltung kennen, durchgehends rhomboedrisch krystallisirt sind. Beiläufig muß ich bemerken, daß die ebenen und glänzenden Flächen, welche beim Zerschlagen des Spiegeleisens zum Vorschein kommen, keine, bestimmten Blatterdurchgängen entsprechende Spaltungsflächen sind, wofür man sie gewöhnlich hält, sondern Absonderungsflächen; denn diesen Ebenen fehlt der Parallelismus, der ein wesentlicher Charakter der Blatterdurchgänge ist, und sie neigen sich nach den verschiedensten Richtungen gegen einander, wie ich mich öfters durch Winkelmessungen überzeugt habe. Uebrigens kann man diese Flächen doch als einen halben Beweis gelten lassen, daß die ganze, in der Hauptsache körnige Masse ein krystallinisches Gebilde sey, und nicht dem tesseralen Systeme angehören könne. Die Verschiedenartigkeit des Stab- und Epiegeleisens gründet sich nicht allein auf die Verschiedenheit der Krystallisation, die man vielleicht noch bezweifeln möchte, sondern zugleich auf den großen Unterschied in den physischen Eigenschaften und zum Theil auch in dem chemischen Verhalten, als: in der Verschiebbarkeit der Theile, der Härte, Zerspringbarkeit, der Oxydirbarkeit, der Auflöslichkeit in Säuren, der Schmelzbarkeit etc. Daraus wäre allein schon mit Grund zu schließen, daß das Stab- und Spiegeleisen nicht gleichartige Körper seyn können, sondern specifisch verschiedene seyn müssen. Besonders merkwürdig ist der Unterschied in der Schmelzbarkeit beider Eisenarten; während das rhomboedrische Eisen bei einem gewissen Hitzgrade vollkommen flüssig wird, geht das tesserale nur in einen sehr weichen Zustand über, und es ist noch zweifelhaft, ob es als solches vollkommen tropfbar gemacht werden kann, falls nicht ein Umstand eintritt, wodurch es in rhomboedrisches Eisen verwandelt wird. In diesem weichen Zustande, in welchem es sich bekanntlich schweißen läßt, ist es amorph, und mit dem Glase zu vergleichen. Dieses verschiedene Verhalten der beiden Eisenarten darf uns nicht Wunder nehmen, da schon mehrere andere Körper bekannt sind, welche in verschiedenen Gestaltungs-Zuständen ein ähnliches Verhalten zeigen. Ich will hierbei nur an die verschiedenen Zustände des Schwefels, Phosphors, der arsenigen Säure und des Glases gegenüber dem sogenannten Reaumur'schen Porzellan erinnern. Wöhler, der in dieser Beziehung höchst interessante Versuche gemacht hat, stellt den allgemeinen Satz auf: daß jeder dimorphe Körper zweierlei Schmelzpunkte hat.Siehe Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. XLI S. 155. Indem ich hiemit die das Spiegeleisen auszeichnenden Eigenschaften, insbesondere die Schmelzbarkeit seiner eigenthümlichen krystallinischen Beschaffenheit, und den Unterschied zwischen ihm und dem Stabeisen dem Dimorphismus zuschreibe, will ich nicht behaupten, daß der Kohlenstoff darin ohne Bedeutung sey. Dieses zu behaupten, bin ich weit entfernt, indem ich annehme, daß der Kohlenstoff als Graphit, dessen Krystallisation rhomboedrisch ist, die schon im Eisen liegende Disposition zu derselben Gestaltung aufregt oder den Impuls dazu gibt, wozu eben kein bestimmtes Quantum erforderlich ist. Diese Krystallisations-Tendenz behält das Roheisen auch im flüssigen Zustande bei; der Kohlenstoff ist aber nicht als Schmelzmittel des Eisens zu betrachten, eher dürfte man vielleicht sagen, daß dieses ein Schmelzmittel für jenen sey.Ich hielt es früher für sehr wahrscheinlich, daß der Graphit amorpher Kohlenstoff sey, bin aber jetzt in Uebereinstimmung mit fast allen Mineralogen der Meinung, daß er zum hexagonalen, respective rhomboedrischen Krystallsysteme gehört, jedoch aber nur der blättrige, nicht der dichte; und dieß hauptsächlich aus dem Grunde, weil dieser mit Salpeter verpufft wie die gewiß nicht krystallinische Kohle, während jener im schmelzenden Salpeter ganz ruhig liegen bleibt. Ich wende mich zum Stahle, diesem wichtigen und in mancher Hinsicht noch immer räthselhaften Körper, ungeachtet der vielen und sorgfältigen Untersuchungen, welchen er von den ausgezeichnetsten Chemikern und Metallurgen schon unterworfen worden. Ich wage es nur schüchtern, meine mit so großen Autoritäten nicht ganz übereinstimmenden Ansichten auszusprechen. Der Stahl ist ein kohlenstoffhaltiges Eisen, dessen Kohlenstoffgehalt wechselt von 0,625 Proc. nach Gay-Lussac im besten englischen Gußstahl, aus schwedischem Eisen bereitet, bis zu 1,9 Proc. als dem Maximum nach Karsten, was einen Unterschied von 1,2 Proc. ausmacht. Der Stahl ist mithin kein bestimmtes und constantes Product aus Eisen und Kohlenstoff, und er nähert sich theils dem Stabeisen, theils gewissen Sorten von Roheisen. Die Resultate der chemischen Analysen geben uns keinen genügenden Aufschluß über seine Natur und seine Relation zum Stabeisen und Roheisen, und insbesondere können wir uns daraus nicht den Vorgang beim Härten und Anlassen erklären. Ich kann nicht umhin, beiläufig Dalton's Ansicht über die Natur des Stahles anzuführen. Er sagt unter Anderm: ich bin geneigt, anzunehmen daß die Eigenschaften, welche Stahl vom Eisen unterscheiden, mehr einer besonderen Krystallisation oder Lagerung der Eisenatome, als einer Verbindung mit Kohle oder andern Substanzen zuzuschreiben sind.Siehe Dumas'′ Handbuch der angewandten Chemie, übersetzt von Alex und Engelhart, Bd. III S. 73. Diese geistreiche Ansicht, welche unberücksichtigt geblieben ist, kann uns jedoch nicht ganz befriedigen. Ich betrachte den Stahl als eine Legirung vom tesseralen und rhomboedrischen Eisen. Von anderen Legirungen unterscheidet sich diese, daß sich, ohne daß etwas hinzukommt oder daraus entfernt wird, ihre Eigenschaften auffallend ändern können, wie wir es beim gehärteten und ungehärteten Stahl finden. Diese Verschiedenheit kann ihren Grund nur darin haben, daß sich das Verhältniß der beiden Eisenarten ändert, nämlich durch eine im Innern vorgehende und alternirende Umgestaltung der einen Art in die andere, so daß bald die eine mehr oder weniger das Uebergewicht über die andere erhält oder unter gewissen Umständen beide ins Gleichgewicht kommen. In dem gehärteten Stahl ist das Verhältniß ein anderes, als im ungehärteten; in diesem ist das tesserale Eisen überwiegend über das rhomboedrische, in jenem ist es umgekehrt; im möglichst stark gehärteten Stahl ist das tesserale Eisen so sehr zurückgedrängt, daß er dem Spiegeleisen nahe kommt. Und da dieses ein geringeres specifisches Gewicht hat als das tesserale Eisen, so erklärt sich, warum der gehärtete Stahl specifisch leichter ist als der ungehärtete. Beim Anlassen tritt das tesserale im Verhältnisse der steigenden Hitze mehr und mehr hervor, wodurch die verschiedenen Härtegrade nebst der erwünschten Elasticität erzielt werden, wie man sie für verschiedene Instrumente nöthig hat. Die beiden Eisenarten sind im Stahl, so zu sagen, in beständiger gegenseitiger Spannung, und dieses ist vielleicht der Grund, warum der dem Stahl mitgetheilte Magnetismus permanent bleibt, während ihn das Stabeisen bald wieder verliert. Es darf hier ein höchst interessanter Versuch nicht unbeachtet bleiben, welchen Hr. Professor SchafhäutlSiehe Schafhäutl's gehaltreiche und gründliche Abhandlung über den Stahl in Prechtl's technologischer Encyklopädie, Bd. XV S. 373. mit einem Stück der abgebrochenen Schneide eines gehärteten englischen Rasirmessers gemacht hat. Er ließ nämlich darauf mehrere Tage ziemlich concentrirte Salzsäure wirken, wodurch es sehr ungleichförmig angegriffen wurde, so daß sich daran die mannichfaltigsten Gruben und Höcker zeigten. Das dann gut abgewaschene und getrocknete Stückchen im Demantenmörser gestoßen zerfiel in Körner, die zum Theile pulverisirbar, zum Theile weich waren und sich wie Eisen unter dem Hammer zu Blättchen ausdehnen ließen; was einen schönen Beleg zu meiner Annahme abgibt, daß im Stahle rhomboedrisches und tesserales Eisen miteinander gemengt seyen. Bei dieser Gelegenheit will ich auch einiges über eine andere Umgestaltung des Eisens sagen, die zwar nicht so sehr in das Wesen des Eisens eingreift, wie die so eben besprochene, aber doch von großer Bedeutung ist. Es ist nämlich in der neuern Zeit öfters in Erfahrung gebracht worden, daß zu gewissen technischen Zwecken verwendetes Stabeisen nach Verlauf einiger Zeit seinen Dienst versagte, in der Art, daß daraus verfertigte Maschinentheile, welche continuirlichen Erschütterungen, Stößen und Torsionen ausgesetzt waren, spröde und brüchig wurden, und auf dem Bruche sich körnig zeigten, bald von gröberem, bald von feinerem Korn. Die Ursache dieser Erscheinung schreiben einige einer im Eisen unter diesen Umständen vorgehenden Krystallisation und dadurch bewirkten Texturveränderung zu; andere bezweifeln dieses und meinen, daß bei gutem und gehörig bearbeitetem Eisen dieser Uebelstand nie eintrete. In jüngster Zeit sind in dieser Beziehung von Hrn. Karl Kohn in Wien sehr genaue Versuche angestellt wordenPolytechn. Journal, 1851, Bd. CXXI S. 10. welche es außer Zweifel setzen, daß das beste Stabeisen bei rascher und lange fortgesetzter Erschütterung, wie es z. B. bei den Achsen der Eisenbahnwagen der Fall ist, seine ursprüngliche faserige Textur in eine körnige umändert und dadurch seine Festigkeit mehr oder weniger verliert. Diese Thatsache erkenne ich als ganz richtig an, aber mit der Erklärung derselben kann ich nicht ganz einverstanden seyn. Man sieht diese Veränderung für eine Folge von Krystallisation des Eisens an, und scheint nicht zu bedenken, daß es dann vorher keine krystallinische, sondern eine amorphe Masse gewesen seyn müßte. Das Eisen ist aber wie jedes regulinische Metall ein krystallinisches Gebilde und gehört, wie oben schon gesagt wurde, in die Reihe der tesseralen Metalle, und im geschmeidigen Zustande oder als Stabeisen ist es ein Aggregat von feinern oder gröbern Fasern, welche durch Aneinanderreihung von höchst kleinen Krystallen (Würfeln) gebildet sind, wie es z. B. beim faserigen Steinsalz der Fall ist. Die in Rede stehende Veränderung des Eisens ist also nichts anderes und kann nichts anderes seyn, als ein Uebergang der krystallinisch faserigen Masse in eine krystallinisch körnige — eine andere Art von Aggregation, keine wesentliche Umgestaltung, folglich keine Veränderung der Natur des Eisens. — (Eine wesentliche Umgestaltung wäre es nur dann, wenn es aus dem amorphen Zustande in den krystallinischen oder aus einer Krystallform in eine andere generisch verschiedene überginge. ) — Je feiner die Fasern des Stabeisens sind, oder durch das Hämmern und Walzen gemacht werden können, und je mehr sie ineinander verschlungen sind, desto größer wird die Festigkeit und Tenacität desselben seyn. Ich möchte in dieser Beziehung das faserige Eisen mit dem Asbest, besonders mit derjenigen Varietät vergleichen, welche unter dem Namen Bergleder bekannt ist. Je zarter die Fasern dieses Minerals und je mehr sie ineinander verschlungen sind, desto größer ist die Festigkeit des Ganzen. Wenn die faserige Textur des Eisens in die körnige übergeht, so wird der Zusammenhang zwischen den kleinsten Theilen aufgehoben, und indem diese sich zu rundlichen Partien oder Körnern gruppiren, so entsteht ein den körnigen Mineralien vergleichbares Haufwerk von abgesonderten Stücken, wie es der Mineralog nennt, welche einander nur noch mehr oder minder stark adhäriren, mithin kein Continuum mehr bilden, und demnach die Festigkeit des Ganzen in dem Maaße abnehmen muß, in welchem die Körner zahreicher und größer werden. Daß der Zusammenhang der Theile und die Continuität in einer innerlich so gestalteten Eisenmasse wirklich aufgehoben ist, beweiset zur Genüge der Umstand, daß, wie Hr. Kohn dargethan hat, der ursprüngliche Zustand des Eisens nicht durch vorsichtiges Ausglühen und Ueberschmieden, sondern nur bei der Schweißhitze wieder hergestellt werden kann. Das körnige Eisen muß aber amorph werden, was in der Schweißhitze geschieht, wodurch die abgesonderten Stücke wieder in ununterbrochenen Zusammenhang kommen und der Cohäsionskraft unterworfen werden, was bei andern Körpern durch die Schmelzung geschieht. Beiläufig muß ich bemerken, daß es nicht uninteressant wäre, das durch Erschütterung etc. körnig gewordene Eisen in Hinsicht seiner physischen Beschaffenheit und des chemischen Verhaltens näher zu untersuchen; denn es läßt sich denken, daß es sich dem Stahl könnte angenähert haben. Die besprochene Veränderung des Eisens im festen Zustande laßt sich nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft nicht erklären; es ist dieß eben eine Thatsache, die wir hinnehmen müssen, wie sie uns vorliegt. Sie steht aber nicht einzeln da; es gibt noch andere ähnlicher Art, an die wir sie anreihen können, und die insgesammt beweisen, daß nicht nur in flussigen, sondern auch in festen Körpern eine Molecularbewegung und Veränderung der Lage und Gestaltung der kleinsten Theile, ja sogar ihrer Natur, stattfinden kann. So geht z. B. die glasartige, d. i. amorphe arsenige Säure ohne alle äußere Veranlassung in den krystallinischen Zustand über, ja selbst in vollkommen ausgebildete Krystalle (Octaeder), wie Hausmann beobachtet hat. Ein noch auffallenderes Beispiel liefert uns das Quecksilberjodid, welches durch bloße Berührung mit den Fingern oder durch Erschütterung rasch aus einer Krystallform in eine andere generisch verschiedene übergeführt wird. Demnach wird man es auch nicht für unmöglich halten, daß das rhomboedrische Eisen beim Anlassen des Stahls theilweise in tesserales übergehen kann, was ich hier nachträglich bemerken wollte. Daß Silber, Kupfer, Zinn, Messing etc. unter gewissen Umständen eben so wie das Eisen körnig und brüchig werden können, ist bekannt. Ich kann nicht umhin, einen Fall dieser Art anzuführen, der mir schon vor vielen Jahren bei dem Silber vorgekommen ist. Ich bediente mich oftmals in Ermangelung eines Platintiegels eines kleinen Tiegels von reinem Silber, worin ich kleine Mengen von Mineralien, Niederschlägen etc. über einer Weingeistlampe mit doppeltem Luftzug ausglühte. Nachdem derselbe eine Zeit lang gebraucht worden, fing er auf der vorher ganz glatten und glänzenden Oberfläche an, immer mehr und mehr rauh zu werden, und als ich ihn nach längerem Gebrauche einmal auf den Tisch fallen ließ, brach der Boden ein, und bei näherer Prüfung zeigte er sich so mürbe wie eine Eierschale, so daß er sich leicht zwischen den Fingern zerbröckeln ließ. Nach dem Schmelzen hatte das Silber seine eigenthümliche Geschmeidigkeit wieder erhalten, indem die durch das öftere Ausglühen aufgehobene Continuität der Theile wieder hergestellt worden, wie sie beim körnigen Eisen durch das Schweißen hergestellt wird. Es möchte hiebei wohl kaum jemanden einfallen, zu behaupten baß das Silber anfangs amorph gewesen und erst durch oft wiederholtes Ausglühen krystallinisch und dadurch spröde geworden sey. Hiezu möchte ich mir noch die Bemerkung erlauben, daß fast in allen den Fällen, wo dehnbare Metalle spröde und brüchig wurden, vorzüglich die Wärme es sey, wodurch dieses bewirkt wird; sie möge von außen mitgetheilt oder in den Metallen selbst durch mechanische Behandlung erregt werden. Es ist auch die Vermuthung geäußert worden, daß hiebei vorzüglich die Elektricität im Spiele seyn müsse, die gar oft herhalten muß, wenn man sich eine räthselhafte Erscheinung nicht auf eine andere Art zu erklären weiß, womit aber gewöhnlich so viel wie nichts erklärt wird. An der Veränderung meines Silbertiegels hatte die Elektricität gewiß keinen Antheil.