Titel: Ueber die Gewinnung von reiner Essigsäure aus dem Holzessig; von Dr. C. Völckel, Professor der Chemie in Solothurn.
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. C., S. 435
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C. Ueber die Gewinnung von reiner Essigsäure aus dem Holzessig; von Dr. C. Völckel, Professor der Chemie in Solothurn. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1852, Heft 4. Völckel, über die Gewinnung von reiner Essigsäure aus dem Holzessig. Man erhält bekanntlich die Essigsäure aus dem Holzessig chemisch rein, wenn man daraus essigsaures Natron darstellt, und dasselbe durch Rösten, Erhitzen bis zum Schmelzen von allen anhängenden empyreumatischen Substanzen befreit. In einigen Fabriken befolgt man hierbei das bekannte Verfahren von Mollerat; in andern sättigt man den Holzessig mit Schwefelnatrium, durch Reduction des schwefelsauren Natrons mit Kohle erhalten; in England gestattet der billigere Preis der Soda, diese zur Sättigung des Holzessigs zu verwenden. Allein alle diese Methoden sind wegen des Röstens und mehrmaligen Umkrystallisirens vom essigsauren Natron umständlich und mit vielen Unkosten verbunden, so daß viele Fabrikanten, wenn sie den Holzessig zur Darstellung von unreinen essigsauren Salzen, z. B. unreinem essigsaurem Bleioxyd, brauner Bleizucker genannt, verwenden können, diese Verwerthung der Verarbeitung des Holzessigs zu reiner Essigsäure vorziehen; besonders seitdem man die Essigsäure aus starkem Branntweinessig auf eine einfache und billige Art darstellt. Diese unreinen essigsauren Salze, besonders der braune Bleizucker, werden aber nur in größeren Kattundruckereien, und auch da nur zu den dunkeln Farben gebraucht, während der reine weiße Bleizucker eine viel allgemeinere Anwendung hat. Die Fabrikanten sind deßhalb doch häufig gezwungen, einen Theil des Holzessigs entweder zu reiner Essigsäure oder reinem essigsaurem Bleioxyd zu verarbeiten. Die aus dem reinen essigsauren Natron dargestellte Essigsäure kommt aber viel zu hoch zu stehen, als daß der Fabrikant bei den gewöhnlich niederen Preisen des reinen Bleizuckers, der auf eine leichte Art aus dem Branntweinessig bereitet wird, diese mit Vortheil dazu verwenden könnte. Man hat daher schon oft versucht, aus dem rohen Holzessig auf eine billigere Weise, als nach dem oben angegebenen Verfahren, mit Umgehung der Darstellung des essigsauren Natrons, eine zur Darstellung von reinem essigsaurem Bleioxyd hinreichend reine Essigsäure zu gewinnen. Bei meinen Versuchen, die ich während der letzten Jahre zur Lösung dieser Frage theils im Kleinen, theils im Großen in einer hiestgen Holzessigfabrik unternommen habe, bin ich nun auf ein sehr einfaches Verfahren gekommen, aus dem rohen Holzessig eine chemisch reine Essigsäure darzustellen, das ich nun beschreiben will. Das folgende Verfahren beruht auf der Darstellung von essigsaurem Kalk, und Zersetzung desselben mit Salzsäure. Um den essigsauren Kalk hierfür hinreichend rein zu erhalten, verfährt man folgendermaßen: Der rohe Holzessig wird, ohne denselben vorher zu destilliren, mit Kalk gesättigt. Es scheidet sich hierbei ein Theil der in dem Holzessig aufgelösten harzartigen Körper in Verbindung mit Kalk aus; ein anderer Theil dieser Körper bleibt in Verbindung mit dem Kalk gelöst, und färbt die Lösung des essigsauren Kalks tief dunkelbraun. Die durch längeres Stehenlassen oder durch Filtration geklärte Lösung Zur Gewinnung von Holzgeist wird von derselben in einer kupfernen Destillirblase ein Theil abdestillirt. wird nun in einem eisernen Kessel abgedampft. Wenn die Flüssigkeit bis ungefähr zur Hälfte verdunstet ist, so setzt man Salzsäure hinzu, bis die Flüssigkeit schwach sauer ist. Man erkennt dieß daran, daß eine kleine Probe der Flüssigkeit nach dem Erkalten Lackmuspapier deutlich röthet. Durch die Salzsäure wird ein großer Theil des aufgelösten Harzes abgeschieden, das in der kochenden Flüssigkeit zusammenballt, und daher leicht durch Abschäumen entfernt werden kann. Die zugesetzte Salzsäure zersetzt ferner die noch in Auflösung befindlichen Kalkverbindungen von Kreosot und einigen andern, bis jetzt nicht genau untersuchten, flüchtigen Körpern, worauf dieselben durch weiteres Abdampfen verjagt werden. Da diese flüchtigen Körper im freien Zustand nur wenig oder gar nicht auf Lackmuspapier reagiren, so ist eine deutliche Röthung des Lackmuspapiers ein Zeichen, daß nicht bloß die Kalkverbindungen dieser Substanzen, sondern auch schon kleine Mengen des essigsauren Kalks zersetzt worden sind. Die Menge der hierzu erforderlichen Salzsäure ist verschieden, sie richtet sich nach der Beschaffenheit des Holzessigs, die wieder abhängig ist von der Feuchtigkeit des Holzes. Auf 100 Maaß oder 150 Liter Holzessig gebraucht man 4 bis 6 Pfund Salzsäure. Die Lösung des essigsauren Kalks wird hierauf weiter eingedampft, und zuletzt zur Entfernung aller flüchtigen Substanzen scharf ausgetrocknet. Das Eindampfen und Austrocknen kann in einem und demselben eisernen Kessel geschehen; bei größerem Betrieb wird man aber das Austrocknen besser auf gußeisernen Platten vornehmen. Auf dieses Austrocknen muß die größte Sorgfalt verwendet werden. Die flüchtigen empyreumatischen Substanzen hängen dem essigsauren Kalk, sowie dem darin enthaltenen Harz sehr hartnäckig an, und gehen, wenn dieselben nicht durch die Hitze ausgetrieben wurden, bei der folgenden Destillation des essigsauren Kalks mit Salzsäure in die Essigsäure über, und ertheilen derselben einen übeln Geruch. Das Austrocknen muß jedenfalls so lange fortgesetzt werden, bis der essigsaure Kalk beim Erkalten entweder ganz geruchlos ist, oder nur schwach riecht. Nach dem vollständigen Austrocknen hat der essigsaure Kalk eine schmutzigbraune Farbe. Derselbe wird nun zur Gewinnung der Essigsäure mit Salzsäure destillirt. Die Destillation des essigsauren Kalks mit Salzsäure kann ganz gut in einer Destillirblase mit Helm aus Kupfer und einer Kühlröhre von Blei vorgenommen werden; bei einiger Vorsicht enthält die destillirte Essigsäure weder Kupfer noch Blei. Die Menge der zur Zersetzung erforderlichen Salzsäure läßt sich nicht ganz genau angeben, weil der essigsaure Kalk nicht rein ist, sondern noch Harz und schon gebildetes Chlorcalcium enthält. In den meisten Fällen wird man mit 90 bis 95 Theilen Salzsäure von 20° Baumé oder 1,16 spec. Gewicht eine vollständige Zersetzung von 100 Theilen essigsaurem Kalk bewirken, ohne daß die destillirte Essigsäure stark salzsäurehaltig wird. In einem gegebenen Fall läßt sich auch durch einen Versuch im Kleinen sehr leicht die Menge der Salzsäure bestimmen. Auch kann man den Destillirapparat so einrichten, daß man noch Salzsäure nachgießen kann, wenn zu einer Operation zu wenig genommen wurde. Eine Prüfung der destillirten Essigsäure mit salpetersaurem Silberoxyd gibt hier einen Anhaltspunkt; so lange damit nur eine Trübung entsteht, ist noch kein Ueberschuß an Salzsäure. Die Destillation der Essigsäure geht auch hier sehr leicht vor sich. Der essigsaure Kalk löst sich sehr gut unter Erwärmen in der Salzsäure zu einer dunkel gefärbten Flüssigkeit auf, unter Abscheidung von gefärbtem Harz. Da nun die ganze Masse flüssig ist, so kann sich die Wärme sehr leicht durch dieselbe verbreiten, und da die Essigsäure schon bei 100 bis 120° C. übergeht, und der essigsaure Kalk bei dem Austrocknen einer höheren Temperatur ausgesetzt worden war, so wird die destillirte Essigsäure nicht weiter mehr durch Zersetzungsproducte der Harze verunreinigt, die auch wegen ihres geringeren specifischen Gewichts auf der Chlorcalciumlösung schwimmen, und sich nirgends fest ansetzen. Die destillirte Essigsäure besitzt nur einen ganz schwachen empyreumatischen Geruch, der jedoch ganz verschieden von dem des rohen Holzessigs ist; sie ist vollkommen farblos und gibt, wenn nicht Salzsäure im Ueberschuß genommen wurde, mit salpetersaurem Silberoxyd nur eine Trübung. Ist die Essigsäure gelblich gefärbt, so rührt dieß von übergespritzten Harztheilchen her. Das durch die Salzsäure aus dem essigsauren Kalk abgeschiedene Harz schmilzt nämlich in der Wärme zu einer flüssigen Schicht, die auf dem Chlorcalcium lagert, und leicht Spritzen verursacht. Es ist deßhalb gut, das Harz, das sich beim Auflösen des essigsauren Kalks in der Salzsäure abscheidet, vor der Destillation soviel als möglich mit Hülfe eines Schaumlöffels oder durch Filtration der Lösung durch ein leinenes Tuch zu entfernen. Im letzteren Falle nimmt man die Auflösung des essigsauren Kalks durch die Salzsäure in einem besonderen Gefäß vor. Das spec. Gewicht der erhaltenen Essigsäure schwankt zwischen 1,058 und 1,061, das nahezu 8° Baumé oder 10° Beck entspricht. Sie enthält alsdann über 40 Proc. wasserfreie Essigsäure. Man gebraucht jedoch selten die Essigsäure von diesem Gehalt an wasserfreier Säure, und da die etwas weniger concentrirte Essigsäure sich leichter vollständig von dem Chlorcalcium abdestilliren läßt, so kann man der Auflösung des Chlorcalciums in Essigsäure entweder vor der Destillation noch etwas Wasser zusetzen, oder auch dasselbe gegen Ende der Destillation nachgießen. Folgendes Verhältniß scheint mir sehr paffend: 100 Theile essigsaurer Kalf, 90 bis 95 Theile Salzsäure, 25 Theile Wasser. Diese geben 95 bis 100 Theile Essigsäure von 7° Baumé oder 1,105 spec. Gewicht. Aus 100 Maaß oder 150 Liter Holzessig erhält man ungefähr 60 Pfund Essigsaure von dem angegebenen spec. Gewicht. Die auf die angegebene Methode dargestellte Essigsäure läßt sich sehr leicht noch weiter reinigen, ja ganz chemisch rein erhalten. Wenn man derselben eine kleine Menge kohlensaures Natron zusetzt und sie nochmals destillirt, so erhält man dieselbe frei: von Salzsäure und vollkommen farblos, wenn sie auch vorher schwach gelblich gefärbt war. Der schwache Beigeruch verschwindet aber hierdurch nicht. Aber auch dieser Geruch läßt sich der Säure nehmen, wenn man die Essigsäure mit ungefähr 2 bis 3 Procent saurem chromsaurem Kali, anstatt des kohlensauren Natrons destillirt. Die mit saurem chromsaurem Kali gereinigte Essigsäure läßt sich von Essigsäure, welche aus reinem essigsaurem Natron mit Schwefelsäure oder aus essigsaurem Kalk mit Salzsäure dargestellt wurde, nicht im Geringsten unterscheiden. Mit concentrirter Schwefelsäure mischt sie sich ohne sich im Geringsten zu färben; mit salpetersaurem Silberoxyd und Ammoniak in Ueberschuß zum Kochen erhitzt, reducirt dieselbe nicht die mindeste Menge Silber. Um die Reinheit dieser Essigsäure noch ferner zu prüfen, wurde eine kleine Menge derselben mit Bleioxyd gesättigt, und die klare Auflösung von essigsaurem Vleioxyd noch etwas abgedampft. Nach dem Erkalten war die ganze Menge strahlig krystallisirt. 0,327 Gr. dieses essigsauren Bleioxyds, bei 100° C. getrocknet, gaben nach dem Glühen 0,124 Blei und 0,91 Bleioxyd, gleich 0,225 Bleioxyd. 0,760 Gr. derselben Substanz gaben 0,406 Kohlensäure und 0,127 Wasser. In 100 Theilen: Berechnet. gefunden. 4 Aeq. Kohlenstoff 300 00 14,76 14,56 3 Aeq. Wasserstoff 37,50 1,84 1,86 3 Aeq. Sauerstoff 300,00 14,76 14,78 1 Aeq. Bleioxyd 1394,50 68,64 68,80 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 1 Aeq. essigsaures Bleioxyd 2032,00 100,00 100,00. Die Reactionen sowie die Analysen beweisen die völlige Reinheit der Essigsäure. Statt dem sauren chromsauren Kali kann man auch Braunstein, aber weniger gut, als Reinigungsmittel für die Essigsäure anwenden. Die über Braunstein abdestillirte EssigsäureSollte die Essigsaure nach dieser Destillation über Braunstein noch einen merklichen brenzlichen Geruch besitzen, so verschwindet dieser durch eine Digestion der Essigsaure mit gereinigter Knochenkohle. gibt zwar mit salpetersaurem Silberoxyd sogleich keine Reaction; nach längerem Stehen aber tritt eine, aber sehr schwache Trübung ein. Da man nun die Essigsäure so leicht von dem Gehalt an Salzsäure befreien kann, so schadet auch ein kleiner Ueberschuß von Salzsäure bei der Destillation des essigsauren Kalks nicht. Ein kleiner Gehalt an Salzsäure ist sogar von großem Nutzen für die Reinigung der Essigsäure mit saurem chromsaurem Kali oder Braunstein. Die Rectification der Essigsäure mit saurem chromsaurem Kali oder Braunstein kann im Großen ganz gut in einer Destillirblase von Kupfer und Kühlröhre von Blei vorgenommen werden. Die in dieser Vorrichtung destillirte Essigsäure kann nur durch etwas aufgelöstes Bleioxyd verunreinigt seyn. Wenn man aber während der Destillation das Eindringen der LuftDas Eindringen der Luft in die Kühlröhre kann ganz einfach dadurch vermieden werden, daß man das Ende der Kühlröhre durch einen durchbohrten Kork mit einer S förmig gebogenen Glasröhre schließt. hindert, so können nur die ersten und letzten Theile der übergehenden Essigsäure kleine Mengen von Bleioxyd enthalten. Indem man diese besonders auffängt und zur Darstellung von essigsaurem Bleioxyd verwendet, kann der größte Theil der Essigsäure bleifrei erhalten werden. Es lassen sich auf diese Art die gläsernen oder silbernen Helme mit Kühlröhren entbehren. Die Gewinnung der Essigsäure nach der hier beschriebenen Methode wird einfacher, wenn der Holzessig vorher destillirt und dadurch von dem größten Theil des Harzes befreit wird. Allein diese Destillation des Holzessigs verursacht dem Fabrikanten große Unkosten durch vermehrten Arbeitslohn und größeren Aufwand an Brennmaterial, weil dieselbe Flüssigkeit zweimal verdampft werden muß; außerdem bleibt auch ein Theil Essigsäure in dem Theer in der Destillirblase zurück. Bei Darstellungen im Kleinen hat nun dieser Verlust nicht viel zu bedeuten. Im Großen bei einer jährlichen Verarbeitung von 1000 und mehr Ohm Holzessig kommt er wohl in Betracht. Auch ist es hier nicht gleichgültig, ob diese Menge, so wie sie ist, verarbeitet werden kann, oder nochmals destillirt werden muß. Die Unkosten, die eine nochmalige Destillation des Holzessigs verursacht, lassen sich durch einen zusammengesetzten Destillirapparat vermeiden: statt die Dämpfe des destillirenden Holzessigs unmittelbar zu verdichten, leitet man dieselben in einen kupfernen Behälter, worin der zur Sättigung der Essigsäure erforderliche Kalk enthalten ist. Der Kalk absorbirt von den durchgehenden Dämpfen vollständig den Dampf der Essigsäure. Wird nun der kupferne Behälter durch einen schlechten Wärmeleiter vor Abkühlung geschützt, so verdichtet sich darin wenig Wasserdampf. Dieser letztere läßt sich mit Vortheil zum Abdampfen einer Lösung von essigsaurem Kalk von einer vorhergegangenen Operation verwenden, dadurch, daß man denselben unter eine in einem hölzernen Bottich befindliche Abdampfschale von Kupfer leitet. Hier condensirt sich der größte Theil des Wasserdampfs zu Wasser, das man, wenn es sich in zu großer Menge ansammelt, durch eine an der Seite angebrachte Röhre ablaufen läßt. Die Dämpfe, welche sich unter der Abdampfschale nicht verdichten, verdichtet man durch einen Kühlapparat, und verwendet sie zur Gewinnung von Holzgeist. Man kann die Dämpfe anch vorher noch durch einen Ständer leiten, worin der zur Destillation bestimmte Holzessig vorgewärmt wird. Dieses letztere Verfahren ist etwas umständlicher und liefert nicht mehr Essigsäure, als das zuerst beschriebene einfache. Aus dem Angeführten geht nun hervor, daß man auf eine einfache Weise die in dem Holzessig enthaltene Essigsäure chemisch rein erhalten kann. Das beschriebene Verfahren ist jedenfalls viel billiger, und liefert die Essigsäure viel reiner, als die bekannten, die nur auf der Zersetzung des unreinen essigsauren Kalks mit Schwefelsäure beruhen. Durch den Zusatz von SalzsäureEin kleiner Ueberschuß an Salzsäure ist bei dieser Operation sehr vortheilhaft. Man erleidet zwar einen kleinen Verlust an Essigsäure, allein letzterem wird um so reiner erhalten. während des Abdampfens des unreinen essigsauren Kalks werden die flüchtigen schwach sauren Körper, die nebst der Essigsäure in dem Holzessig enthalten sind, viel leichter entfernt, als durch Anwendung einer Lösung von Chlorcalcium (Schnedermann), oder durch Rösten des unreinen essigsauren Kalks für sich oder mit Kalkhydrat (Kestner, Schwarz). Bei letzterem erleidet man, wenn nur einigermaßen der beabsichtigte Zweck erreicht werden soll, einen bedeutenden Verlust durch Zersetzung von essigsaurem Kalk, da der essigsaure Kalk wegen seiner Unschmelzbarkeit eine genaue Regulirung der Wärme nicht gestattet. Der Gebrauch der Salzsäure statt der Schwefelsäure bei der Zersetzung des essigsauren Kalks hat den großen Vortheil, daß eine Verunreinigung des essigsauren Kalks durch Harze, Farbstoffe nichts schadet, insofern nur der essigsaure Kalk bis zur Entfernung aller freien flüchtigen Substanzen scharf ausgetrocknet worden war. Bei Anwendung von Schwefelsäure dagegen erhält man stets eine übelriechende Essigsäure, die stark mit schwefliger Säure gesättigt und außerdem noch durch Zersetzungsproducte der beigemengten Harze in höherer Temperatur verunreinigt ist. Der gebildete schwefelsaure Kalk setzt sich nämlich am Boden der Destillirblase fest, und es muß bei Destillationen im Großen der Boden der Destillirblase bis zum Glühen erhitzt werden, um alle Essigsäure auszutreiben. Ja häusig wird die zuletzt übergehende Säure milchig von ausgeschiedenem Schwefel, und es tritt sogar der Geruch von Schwefelwasserstoff auf, das von einer Reduction des schwefelsauren Kalks zu Schwefelcalcium am Boden der Retorte herrührt. In Folge dessen werden die gußeisernen Destillirblasen in kurzer Zeit zerfressen. Der billige Preis, zu welchem man die Essigsäure durch die beschriebene Methode erhält, wird eine ausgedehntere Anwendung der Essigsäure in Färbereien und Druckereien gestatten. Dieselbe läßt sich auch sehr vortheilhaft zu Darstellung von essigsauren Salzen, besonders des Bleizuckers, verwenden. Man erhält den Bleizucker ganz einfach durch Auflösen von Bleioxyd in Essigsäure. Man nimmt die Sättigung in einem kupfernen Kessel in der Wärme vor, indem man so lange Bleioxyd der Essigsäure zusetzt, bis die Lösung des essigsauren Bleioxyds neutral reagirt. Die Lösung wird entweder durch Absetzenlassen in einem hölzernen, am besten mit Blei ausgefütterten Bottich, oder durch Filtration von den Unreinigkeiten des käuflichen Bleioxyds geklärt, und in dem gereinigten kupfernen Kessel unter Zusatz von wenig Essigsäure bis zur sauren Reaction so starkUm den Grad der Concentration zu bestimmen, bedient man sich eigens hierzu construirter Aräometer, da die gewöhnlichen für eine Flüssigkeit von so hohem spec. Gewicht nicht zu gebrauchen sind. eingedampft, daß dieselbe bei dem Erkalten durch die ganze Masse strahlig krystallinisch erstarrt. Da die Essigsäure ganz rein ist, so hat man nicht nothwendig, das essigsaure Bleioxyd aus weniger concentrirten Lösungen krystallisiren zu lassen, und eine Mutterlauge zu bilden. Bei diesem Auflösen und Abdampfen bringt man einige Bleiplatten in den Kessel, um die kleinen Mengen von essigsaurem Kupferoxyd, das von dem Kupfergehalt des käuflichen Bleioxyds herrührt, zu zersetzen; das Kupfer schlägt sich metallisch auf dem Blei nieder. Man kann zwar zur Darstellung des essigsauren Bleioxyds die Essigsäure anwenden, ohne daß dieselbe vorher mit saurem chromsaurem Kali destillirt worden war; allein die erhaltene Lösung von essigsaurem Bleioxyd wird bei dem Abdampfen gelb, und muß durch Thierkohle entfärbt werden. Bei meinen ersten Versuchen der Darstellung von reinem essigsaurem Bleioxyd gebrauchte ich die unreine Essigsäure, wie man sie aus essigsaurem Kalk erhält, der ohne Zusatz von Salzsäure abgedampft, und nicht stark ausgetrocknet worden war. Es war mir aber lange Zeit ungeachtet vieler Versuche nicht möglich, das essigsaure Bleioxyd farblos und schön krystallisirt zu erhalten, weil die flüchtigen, in der Essigsäure enthaltenen Substanzen in ihrer Verbindung mit Bleioxyd die Krystallisation des essigsauren Bleioxyds hindern. Selbst aus Lösungen, die durch Thierkohle ganz entfärbt worden waren, krystallisirte derselbe nur in warzenförmigen Massen. Nur aus ganz concentrirten Lösungen wird derselbe auf folgende Art schön krystallisirt erhalten: Man dampft die durch Thierkohle entfärbte Lösung so stark ein, daß nach dem Erkalten und Krystallisiren nur wenig Mutterlauge zwischen den Krystallen bleibt, und bringt alsdann die Krystallisirgefäße in ein warmes Local. Die Mutterlauge, die besonders die Bleisalze jener flüchtigen Substanzen enthält, verdunstet nun nach und nach; vermöge der Capillarität zieht sich die den Krystallen anhängende Mutterlauge fortwährend in die Höhe, und verdunstet an der Oberfläche. Nach einigen Tagen hat sich an der Oberfläche eine pflasterähnliche Masse von geringer Dicke gebildet, die sich nach dem vollständigen Trocknen sehr leicht von der darunter befindlichen krystallinischen Masse des weißen Bleizuckers trennen läßt. (Man sehe Prof. Stein's Abhandlung über Bleizuckerfabrication und die Darstellung eines von färbenden Stoffen freien Essigs, in diesem Bande des polytechn. Journals S. 12l.)