Titel: Neue Methode Zinnoxyd zu fällen und von andern Körpern zu trennen, sowie neues Verfahren seidene, wollene und baumwollene Zeuge mit Zinnoxyd zu verbinden; von J. Löwenthal.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LII., S. 201
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LII. Neue Methode Zinnoxyd zu fällen und von andern Körpern zu trennen, sowie neues Verfahren seidene, wollene und baumwollene Zeuge mit Zinnoxyd zu verbinden; von J. Löwenthal. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1852 Nr. 14. Löwenthal, über das Zinnoxyd. Bemüht, eine einfache und sichere Methode festzustellen, zur Auffindung kleiner Mengen von Zinnchlorid im Zinnchlorür, fand ich, daß die schwefelsauren Alkalien die Eigenschaft besitzen, das Zinnchlorid zu zersetzen und aus seiner wässerigen Lösung Zinnoxydhydrat zu fällen, während sie, bei Abschluß der atmosphärischen Luft, ohne alle Wirkung auf das Zinnchlorür sind. Diese neue Thatsache bot mir nun nicht allein ein ganz geeignetes Mittel zu dem vorgenannten Zweck, sondern ich fand auch bei weiterer Nachforschung, daß sie sowohl zu manchen quantitativen analytischen Scheidungen, wie zu verschiedenen Operationen in der Färberei u.s.w. eine sehr geeignete Grundlage abgebe. Um mich zunächst zu überzeugen, daß es wirklich das schwefelsaure Alkali und nicht etwa das ihm zur Auflösung dienende Wasser sey, welches die Zersetzung bewirkt, stellte ich folgende Versuche an: 1) Ein Gramm wasserfreies Zinnchlorid wurde in 100 Kubikcentimeter kaltem Wasser gelöst und die Auflösung sich selbst überlassen; sie blieb zwei bis drei Stunden lang klar, dann fing sie an zu opalisiren. Die vollständige Zersetzung aber war erst nach sechs bis acht Tagen beendigt. 2) Ein Gramm wasserfreies Zinnchlorid in 60 Kubikcentim. kaltem Wasser gelöst, fing erst nach 36 Stunden an schwach zu opalisiren. Die Trübung vermehrte sich äußerst langsam, war nach einigen Tagen noch ganz unerheblich und erst nach Wochen erschien die Flüssigkeit etwas milchig. Nachdem so das Verhältniß zwischen Zinnchlorid und Wasser festgestellt war, welches angewendet werden konnte, ohne Zersetzung befürchten zu müssen, stellte ich zunächst folgende Versuche an, um über die Erscheinungen der fraglichen Reaction ganz ins Klare zu kommen: a. 0,5 Gramm Zinnchlorid wurde mit 30 Kubikcentimeter Wasser bei gewöhnlicher Temperatur (18° C.) vermischt, in welchem 1 Gramm krystallisirtes schwefelsaures Natron aufgelöst war. Der Niederschlag bildete sich sogleich. Diesen wie die folgenden Versuche stellte ich in der Art an, daß ich das wasserfreie Chlorid erst mit 9 Theilen Wasser mischte und diese Lösung alsdann anwendete. Das in derselben schon vorhandene Wasser wurde in Rechnung gebracht. b. Der in a. beschriebene Versuch wurde mit der Abänderung angestellt, daß dem Zinnchlorid 0,125 Gram. Salzsäure von 1,12 spec. Gewicht zugesetzt wurde. – Die Flüssigkeit wurde anfangs opalisirend, rasch trübe, und nach Verlauf einer Minute schien die Zersetzung beendigt. c. Bei Zusatz von 0,25 Salzsäure trat dieser Zeitpunkt erst nach 3 Minuten, bei Zusatz von 0,375 Salzsäure nach 10 Minuten, bei Zusatz von 0,5 Gram. Salzsäure nach 43 Minuten ein. Bei Zusatz von 0,925 Salzsäure war die Zersetzung erst nach etwa 1 1/2 Stunden beendigt, bei Zusatz von 0,75 Salzsäure blieb die Flüssigkeit mehrere Stunden lang klar, am andern Morgen aber war die Zersetzung erfolgt. d. 0,5 Gram. Zinnchlorid wurde mit 0,5 Gram. Salzsäure und 30 Kubikcentimet. Wasser bei 18° C. vermischt, in welchem 2,5 Gram. krystallisirtes schwefelsaures Natron aufgelöst war. Die Flüssigkeit blieb anfangs klar, trübte sich bald, nach 7 Minuten war die Zersetzung beendigt. e. Der in c. angeführte Versuch mit 0,5 Gram. Salzsäure wurde wiederholt, die anfangs klare Flüssigkeit erwärmte ich bis auf etwa 60° C. Die Zersetzung erfolgte sofort. f. 0,5 Gram. Zinnchlorid wurde mit nur 15 Gram. Wasser zersetzt, in welchem 1 Gram. krystallisirtes schwefelsaures Natron aufgelöst war. Die Flüssigkeit blieb kalt klar, beim Erwärmen aber erfolgte sogleich die Zersetzung. Beim Erkalten verschwindet der Niederschlag nicht wieder. g. Metazinnsäure wurde mit Salzsäure längere Zeit digerirt, die Salzsäure abgegossen und der Rückstand durch Zugießen von Wasser in Lösung gebracht. Bei Zusatz von schwefelsaurem Natron trat die Zersetzung sofort ein. – Mit concentrirter Salmiaklösung ließ sich die genannte Metazinnsäurelösung ohne Trübung mischen, bei Zusatz von schwefelsaurem Natron aber erfolgte sofort Ausscheidung. Aus diesen Versuchen folgt: 1) daß die Zersetzung in der Kälte nur bei einer gewissen Wassermenge erfolgt; 2) daß sie bei Abwesenheit von freier Säure, bei Anwesenheit von geeigneter Wassermenge und bei Zusatz von etwa 2 Aequivalenten schwefelsaurem Natron auf 1 Aequiv. Zinnchlorid, sogleich erfolgt; 3) daß freie Säure die Zersetzung mehr oder weniger hindert, so zwar, daß letztere um so später eintritt, je größer die Menge der Säure; 4) daß bei gleicher Menge freier Säure die Zersetzung um so rascher eintritt, je größer die Menge des schwefelsauren Natrons; 5) daß Erwärmung die Zersetzung in allen Fällen begünstigt. Ich versuchte nun weiter, ob nur die schwefelsauren Alkalien die fragliche Zersetzung hervorzubringen vermögen, oder ob sie auch mit Hülfe anderer neutraler schwefelsaurer Salze bewerkstelligt werden könne, und fand, daß sehr viele, vielleicht alle löslichen, in gleicher Weise wirken. Diejenigen, welche ich wirklich anwendete, sind: schwefelsaure Magnesia, Thonerde, Manganoxydul, Eisenoxydul, Eisenoxyd, Zinkoxyd und Kupferoxyd. Aber nicht nur die schwefelsauren, auch die salpetersauren Salze (und muthmaßlich noch viele andere Sauerstoffsalze) bewirken die gleiche Zersetzung; ausgeführt habe ich dieselbe mit salpetersaurem Kali, Natron, Ammon, Baryt, Zinkoxyd und Kupferoxyd. Zur Erklärung der Zersetzung war es nun vor Allem erforderlich, die Natur des Niederschlages kennen zu lernen, namentlich festzustellen, ob derselbe die Säure des Zersetzungsmittels ganz oder theilweise enthalte oder nicht. Zu diesem Ende wurde der durch schwefelsaures Natron erhaltene Niederschlag, nachdem er so lange ausgewaschen war, bis das Waschwasser Barytlösung nicht mehr trübte, in Salzsäure gelöst und die Lösung mit Chlorbaryum versetzt. Sie blieb vollkommen klar, zum Beweise, daß der Niederschlag reines Zinnoxydhydrat war. Die Zersetzung scheint mir nun in folgender Weise stattzufinden: SnCl² + 4 NaO, SO³ + 4 HO = SnO², 2 HO (?) + 2 NaCl + 2 (NaO, HO, 2 SO³). Nach diesem Schema erfolgt sie erst bei Einwirkung von 4 Aeq. schwefelsaurem Natron. Die Versuche haben aber gelehrt, daß sie mit viel weniger, namentlich mit 2 und selbst mit 1 Aeq. ausgeführt werden kann, nur ist dann eine größere Menge Wasser erforderlich. In dem Falle wird somit Säure frei, welche jedoch, bei genügender Wassermenge, die Zersetzung (bei der offenbar das Bestreben des Zinnoxydhydrates nach Ausscheidung eine Hauptrolle spielt) nicht bleibend verhindern kann, und zwar um so weniger, je mehr Wasser vorhanden und je höher die Temperatur. Letzteres kann nicht auffallen, da schon aus Fremy's Arbeit bekannt ist, daß sich die Lösung des Zinnoxydhydrats in verdünnter Schwefelsäure beim Kochen zersetzt. Die bei weniger als 4 Aeq. schwefelsaurem Natron angegebene Zersetzungsweise findet auch bei Anwendung salpetersaurer Salze statt. Es galt jetzt vor Allem, den Beweis zu liefern, daß man mit Hülfe der fraglichen Zersetzung alles vorhandene Zinn niederschlagen könne, sowie ferner die Frage zu entscheiden, ob die so bewerkstelligte Trennung des Zinns vom Chlor eine vollständige sey. Zu diesem Zweck führte ich die folgenden Analysen aus. Das Zinnchlorid, welches ich dazu verwendete, wurde auf die Art bereitet, daß Chlorgas über Zinn geleitet, das erhaltene Zinnchlorid in einer einige Stücke Zinn enthaltenden Glasretorte aufgefangen, mehrere Tage digerirt und die wasserhelle Lösung abdestillirt wurde. Um nun die Schwierigkeiten des Wägens von wasserfreiem Zinnchlorid zu umgehen, machte ich eine Lösung von ungefähr 50 Gram. desselben in 450 Gram. Wasser und verwendete diese Lösung zu den nachstehenden Analysen. A. Mit schwefelsaurem Natron ausgeführte. 1) 9,5002 Gram. obiger Lösung wurden mit 2,5 Gram. krystallisirtem schwefelsaurem Natron (1 Aeq. : 2 Aeq.) zersetzt. Nachdem die Flüssigkeit ohne Erwärmung einige Stunden gestanden hatte, filtrirte ich. (Die Flüssigkeit betrug ungefähr 150 Kubikcentimeter.) Der Niederschlag wurde ausgewaschen, getrocknet, geglüht und gewogen. Es ergab sich an Zinnoxyd 0,6000 Gram., entsprechend metallischem Zinn 0,4716. Das mit Salpetersäure angesäuerte Filtrat wurde mit salpetersaurem Silberoxyd gefällt, und der Niederschlag von Chlorsilber nach dem Absetzen in gelinder Wärme filtrirt. Er betrug geglüht 2,2968 Gram., entsprechend Chlor 0,5678. 2) 10,6788 Gram. derselben Zinnchloridlösung lieferten, wie in 1 behandelt: Zinnoxyd 0,6759 Gram., entsprechend Zinn 0,5313 Gram., ferner Chlorsilber 2,5729 Gram., entsprechend Chlor 0,6361. B. Mit salpetersaurem Ammon ausgeführte. 9,3393 Gram. obiger Zinnchloridlösung wurden bei gewöhnlicher Temperatur mit 5 Gram. salpetersaurem Ammon versetzt. Nach einigen Stunden filtrirte ich. Erhalten: Zinnoxyd 0,5885 Gramm entsprechend Zinn 0,4626      – Chlorsilber 2,2527      – entsprechend Chlor    0,5569      – 2) 11,749 Gram. Lösung lieferten ferner, mit 5 Gram. salpetersaurem Ammon versetzt, und nach 12 Stunden filtrirt: Zinnoxyd 0,7395 Gramm gleich Zinn 0,5813      –          ferner      – Chlorsilber 2,8372      – gleich Chlor    0,7014      – Ich stelle in Folgendem die Resultate dieser Analysen zusammen.                100 Theileobiger Lösung enthalten Zinn:                100 Theileobiger Lösung enthalten Chlor: Nach A.               1)   4,964                    5,976               2)   4,975                    5,956 Nach B.               1)   4,953                    5,962               2)   4,948                    5,971. Sonach enthalten 100 Theile wasserfreies Zinnchlorid: Textabbildung Bd. 125, S. 205 Berechnet; Gefunden; nach A; nach B; Sn; Cl Man ersieht aus diesen Resultaten, daß die Trennung des Zinns vom Chlor auf diese Weise mit großer Genauigkeit ausgeführt werden kann. Will man sich überzeugen, ob auch alles Zinn ausgefällt ist, so nehme man ein zur Hälfte mit der Zersetzungslösung gefülltes Proberöhrchen, erhitze und füge einen Tropfen des zuerst ablaufenden Filtrates zu. Entsteht ein Niederschlag, so ist die Zersetzung noch nicht beendigt. Soll Zinn aus einer Lösung gefällt werden, welche sehr viel freie Säure enthält, so stumpfe man den größeren Theil derselben mit Ammon ab, ehe man das Zersetzungsmittel zufügt. Um zu sehen, wie viel bei einem Wasserverhältniß 1 : 60 1 Aeq. schwefelsaures Natron Zinnoxyd auszuscheiden vermöge, stellte ich noch folgenden Versuch an. 9,7912 Gram. der obigen Zinnchloridlösung, worin nach dem Mittel der oben angeführten Analysen 0,7856 Zinn enthalten sind, versetzte ich, nachdem so viel Wasser zugefügt war, daß das Verhältniß 1 Zinnchlorid : 60 Wasser herrschte, mit 0,5025 Gram. wasserfreiem schwefelsaurem Natron (um völlig 1 Aeq. zu nehmen, wären 0,586 Gram. erforderlich gewesen), ließ einige Stunden in der Kälte stehen, filtrirte dann ab und begann mit dem Auswaschen nicht eher, als bis die Flüssigkeit völlig abgelaufen war. Ich that dieß, um jeder Zersetzung durch Wasser nach Möglichkeit vorzubeugen. Nach völligem Auswaschen wurde der Niederschlag getrocknet, geglüht und gewogen. Er betrug 0,6166 Gram. – Aus dem Filtrat schlug sich bei Zusatz von weiterem schwefelsaurem Natron noch 0,0039 Gram. Zinnoxyd nieder, zum Beweis, daß der zuerst angewendeten Menge schwefelsauren Natrons Zinnchlorid im Ueberschuß dargeboten war. Addirt man beide Zinnoxydmengen und berechnet sie auf den Gehalt an Zinn in 100 Thln. Lösung, so findet man 4,982, was mit den oben erhaltenen Zahlen gut übereinstimmt. Berechnet man aber die Aequivalentverhältnisse zwischen dem erst angewendeten schwefelsauren Natron und dem dadurch ausgefällten Zinnoxyd, so ergibt sich, daß 1 Aeq. schwefelsaures Natron mehr als 1 Aeq. Zinnoxyd ausfällte, denn während 0,530 Gram. das Quantum ist, welches dem Verhältniß 1 Aeq. : 1 Aeq. entsprochen hätte, fällte es in Wirklichkeit 0,6166 Gram., d. i. 1,16 Aeq. Auch bei diesem Versuch fand sich alles Chlor im Filtrat. Die Menge des erhaltenen Chlorsilbers betrug 2,3604 = 0,583 Chlor = 5,954 in 100 Thln. der Lösung. ––––––––– Von der besprochenen Ausfällung des Zinnoxyds läßt sich nun in vielen Fällen Nutzen ziehen. Ich beschränke mich darauf die wesentlichsten aufzuführen. 1) Sie dient zur Entdeckung des Zinns bei der qualitativen Analyse und zwar in fast allen Flüssigkeiten. 2) Sie vermittelt eine genaue und einfache quantitative Bestimmung des Zinns, sowie eine leicht ausführbare und vollkommene Trennung desselben von Chlor und anderen Salzbildern – von den Alkalien und gewiß auch von vielen andern Körpern. Sie ist namentlich auch für die Techniker von großem Nutzen zum Behufe der Werthbestimmung der käuflichen Zinnpräparate. Da jene öfters nicht im Besitze ganz genauer Waagen sind, müssen sie mit größeren Mengen arbeiten; wobei die Ausfällung mit Schwefelwasserstoff immerhin mißlich ist. Sie nehmen daher meist ihre Zuflucht zur Salpetersäure und erhalten auf diesem Wege stets ein ungenaues Resultat, weil sich beim Abdampfen Zinnchlorid verflüchtigt. Bei Versuchen, welche zum Zweck hatten, die quantitative Scheidung des Zinnoxyds vom Zinnoxydul zu bewerkstelligen, erhielt ich bei Vermischung von 9,0723 obiger Lösung, welcher einige Tropfen Salzsäure zugesetzt waren, mit 10,6196 einer Zinnchlorürlösung, welche 16 Proc. Zinnoxydul entsprach, 0,6792 Zinnoxyd, entsprechend Zinn 0,5339 Gram., oder berechnet auf 100 Thle. der Lösung 5,002, somit nur 0,042 Proc. mehr als das Mittel der oben gefundenen Resultate, welches 4,960 beträgt. Weniger genau fiel eine Scheidung des Zinnoxyds von Kupferoxyd, sowie eine solche von Arsensäure aus, indem der Niederschlag stets etwas Kupferoxyd oder Arsensäure zurückhielt, selbst dann, als derselbe nach dem Auswaschen wieder in Salzsäure gelöst und nochmals mit schwefelsaurem Natron gefällt wurde; so wurden bei der Trennung von Kupferoxyd in obiger Zinnchloridlösung einmal 5,029, das anderemal 5,088 Gram. Zinn gefunden, statt 4,960. 3) Sie bietet ein sehr geeignetes Mittel dar, Zeuge (baumwollene, wollene und seidene) mit Zinnoxyd zu verbinden (denselben eine Zinnbeize zu geben). Die Erfahrungen, welche ich in dieser Beziehung gemacht habe, berechtigen mich zu dem Ausspruche, daß diese Methode – richtig angewendet – vor dem Beizen mit den theureren zinnsauren Alkalien den Vorzug verdient. 4) Sie gestattet – auf geeignete Art angewendet – die Darstellung schöner zinnhaltiger Lackfarben. Ich kann diese Arbeit nicht schließen, ohne zuvor bemerkt zu haben, daß ich dieselbe in dem Laboratorium des Hrn. Prof. Girardin in Rouen angefangen, in dem des Hrn. Prof. Persoz in Paris fortgesetzt und in dem Laboratorium des Hrn. Prof. Fresenius zu Wiesbaden beendigt habe.