Titel: Ueber Silos und Speicher zum Aufbewahren des Getreides; von Professor Payen.
Fundstelle: Band 125, Jahrgang 1852, Nr. LXII., S. 254
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LXII. Ueber Silos und Speicher zum Aufbewahren des Getreides; von Professor Payen. Aus dem Précis d'Agriculture par MM. A. Payen et A. Richard, Paris 1851. Payen, über Silos und Speicher zum Aufbewahren des Getreides. Die Aufbewahrung des Getreides ist eine der wichtigsten Fragen nicht nur hinsichtlich der Landwirthschaft, sondern auch des Nationalreichthums, der Gesundheit und des Wohls der Völker. Wir stellen im Folgenden die verschiedenen Methoden zusammen, welche zur Aufbewahrung des Getreides angewandt wurden und die von der Wissenschaft angezeigten und durch entscheidende Versuche bestätigten Verbesserungen derselben. Gewöhnliche Speicher, Umschaufelung. – Die Hauptveränderungen, welche bei dem nach dem Dreschen aufgespeicherten Getreide zu befürchten sind, werden durch die Gährung und den Schimmel (Pilze), die Insecten und die verschiedenen Thiere (Ratten, Mäuse etc.) welche das Getreide benagen oder verunreinigen, veranlaßt. Unter den Insecten wuchert die Kornmotte als Schmetterling (Phalaena granella), besonders auf den Feldern; der Kornwurm hingegen (Curculio frumentarius und C. granarius) hält sich als völlig ausgebildetes Insect auf den Getreideböden auf, frißt die Körner an und legt, sobald die ausgedroschene Ernte eingebracht ist, seine Eier hinein. Die Verheerungen, welche der Kornwurm durch seine Angriffe und wegen seiner großen Vermehrung veranlassen kann, sind ungeheuer, denn nach Andouin können, wenn die Temperatur sich auf + 8 bis + 9 1/2° Reaumur erhält, zwölf Kornwürmer-Paare in einem Hektoliter Getreide in einem Jahrgang 75000 Individuen erzeugen, deren jedes zu seiner Subsistenz drei Getreidekörner zerstört oder verdirbt, was für 100 Liter oder 75 Kilogr. Getreide 225000 Körner oder 9 Kilogr. ausmacht (da 100 Körner im Mittel 4 Gramme wiegen); das verdorbene Quantum beträgt also 12 Gewichts-Procente. Milde Temperatur der Luft und Feuchtigkeit des Korns begünstigen die Verheerungen des Kornwurms und alle anderen Veränderungen des Getreides. Eines der einfachsten und gebräuchlichsten Mittel gegen diese Einflüsse besteht darin, das Getreide in einer 66 Centimeter (2 Par. Fuß) hohen Schicht auf dem Speicher auszubreiten, wobei man es ringsum schräg abdacht und einen Weg längs der Mauern frei läßt. Von Zeit zu Zeit wird der ganze Haufe durch das bekannte Umschaufeln gewendet und gelüftet; diese Bewegung und Lüftung zerstreuen einen Theil der Feuchtigkeit, thun der Gährung Einhalt, verhindern die Entwicklung des Schimmels und verjagen den Kornwurm. Dieses Verfahren ist jedoch leider nur dann von Erfolg, wenn das Umschaufeln oft wiederholt wird, denn nach einigen Stunden Ruhe kehren die Kornwürmer zu dem Getreidehaufen zurück und beginnen bald wieder ihre Angriffe und ihre rasche Fortpflanzung. Ein häufiges Umschaufeln ist aber kostspielig, daher es meistens unterbleibt; die Folge ist, daß das Getreide in der warmen Jahreszeit, besonders wenn es feucht eingebracht wurde, Veränderungen erleidet, wodurch es an Werth verliert und dann durchgreifende Reinigungen erheischt, wobei aber ein Theil der im Getreide befindlichen Ursachen seines Verderbens zurückbleibt. Durch einen, von Hrn. Vallery erfundenen, sehr sinnreichen Apparat könnten alle diese Uebelstände vermieden werden, weil er die guten Wirkungen des Umschaufelns auf wohlfeile Weise realisirt und die Wiederkehr des einmal ausgetriebenen Kornwurms verhindert. (Die Beschreibung dieses sogenannten beweglichen Speichers wurde im polytechn. Journal, 1840, Bd. LXXV S. 184 mitgetheilt.) Eine derartige große Vorrichtung, deren gute Wirkung von den Commissionen mehrerer gelehrten Gesellschaften und Verwaltungsstellen bestätigt wurde, bestund in der Hauptsache aus einem Cylinder von 9 Meter Länge und 4 Meter 66 Centim. Durchmesser; ihr Gesammtinhalt betrug 1400 Hektoliter2,22 Hektoliter = 1 Scheffel oder 208 Maaß bayerisch., man brachte aber nur 1000 bis 1100 Hektoliter hinein, um einen für die Bewegung des Getreides hinreichenden leeren Raum zu lassen. Das Gewicht des Cylinders war 20,000 Kil., dasjenige seiner Beschickung 75,000 bis 86,000 Kil., sein Gesammtgewicht also 95,000 bis 106,000 Kil. Die Commissionen des Instituts, der Central-Ackerbaugesellschaft und der Gesellschaft zur Beförderung der Nationalindustrie überzeugten sich, daß das in den beweglichen Speichern über ein Jahr lang aufbewahrte Getreide ganz frei vom Kornwurm und aller überschüssigen Feuchtigkeit war; da zugleich ein Theil des Staubes und der erdigen Substanzen ausgeschieden wurde, so hatte das Getreide nicht nur keinen wirklichen Verlust erlitten, sondern noch ein schöneres Aussehen gewonnen; es war glatter und frei von jedem übeln Geruch; wenn man bedenkt, daß diese Vortheile auf billigere Weise erzielt werden, als durch das so mangelhafte Aufbewahren auf den gewöhnlichen Speichern und durch das stets ungenügende Umschaufeln, so muß man sich verwundern, daß dieser neue Apparat nicht schon für alle Magazine von einigem Belang eingeführt worden ist. Dasselbe Verfahren ist außer dem Weizen auch anwendbar zum Aufbewahren von Gerste, Hafer, Samen der Hülsengewächse (Bohnen, Schminkbohnen, Erbsen, Linsen etc.) und anderen Sämereien. Dieselben könnten dadurch nicht nur vor den Angriffen der von außen herkommenden Insecten, sondern auch vor dem sehr häufig durch Katzen, Ratten und Mäuse angerichteten Schaden geschützt werden. Die in besonderen Gehäusen des Apparats von einander getrennt und unter Verschluß gehaltenen Samenkörner könnten alle zu gleicher Zeit die ihnen so nützliche Bewegung und Ventilation erhalten und würden so ihre Keimkraft länger behalten als in den meisten andern Magazinen. Silos. – In den südlichen Ländern, namentlich in Spanien, Italien und im französischen Afrika wird das Getreide (Weizen, Gerste etc.) in Silos leicht aufbewahrt. Dieß sind unter dem Boden ausgegrabene und gewölbte Cisternen von 4–6 Meter großem Durchmesser auf 5–8 Meter Tiefe, oben mit einer Oeffnung von 75 Centim. Durchmesser, welche in einen runden Hals ausgeht, den man mit einer Steinplatte verschließen kann. Vor dem Anfüllen läßt man den Silo offen stehen, damit seine Wände besser austrocknen; man bringt in derartige Magazine nur sehr trockenes Getreide und verschließt dann die Oeffnung des Silos mit der Steinplatte, die man mit geschlagener Erde zudeckt, welche inmitten des abhängigen Erdreichs einen Kegel bildet, damit das Regenwasser vom Silo ablaufen kann. Zu Livorno wird das Getreide in Silos gelagert, welche in der Mitte einer Terrasse in der Nähe des Hafens ausgegraben wurden; die Oberfläche des Bodens ist mit Steinplatten belegt, um das Getreide nach 2–3 Monaten herausnehmen, an Luft und Sonne ausbreiten, und, wenn es nicht ausgeführt wird, in die Silos zurückbringen zu können. Dabei werden jedesmal auch die spiral- und schraubenförmig gedrehten Strohflechten herausgenommen, womit der Boden und die Wände des Silos überzogen sind. Die Conservirung des Getreides in den Silos beruht auf der durch die Erdmasse erhaltenen Gleichheit der Temperatur. Für feuchte Klimate, wie in Frankreich, England und Deutschland, eignet sich dieses Verfahren nicht; alle Versuche, welche in solchen Klimaten mit Silos im Großen angestellt wurden, waren fruchtlos, weil man nicht im Stande war die Feuchtigkeit im Getreide und in den Wänden der Silos auf ökonomische Weise zu vermeiden. In Italien bewahrt man kleine Vorräthe von Getreide in großen irdenen Gefäßen auf, welche die Form eines Silos oder eines Oelkrugs haben; nachdem diese Krüge mit Getreide bis zur verengerten Oeffnung angefüllt sind, bedeckt man die Oberfläche des Korns mit Bohnen, was hinreicht, um die die Getreidearten heimsuchenden Insecten fern zu halten, weil solche die Hülsenfrüchte nicht angreifen.