Titel: Neues Verfahren bei der Stahl- und Eisenfabrication; von Hrn. Jullien, Ingenieur der Hütte zu Montataire im Oise-Departement.
Fundstelle: Band 127, Jahrgang 1853, Nr. LIX., S. 276
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LIX. Neues Verfahren bei der Stahl- und Eisenfabrication; von Hrn. Jullien, Ingenieur der Hütte zu Montataire im Oise-Departement. Aus Armengaud's Génie industriel, Decbr. 1852, S. 299. Jullien's Verfahren bei der Stahl- und Eisenfabrication. Dieses Verfahren hat eine wohlfeilere Fabrication des Stahls, des Stabeisens und Bleches, mittelst Entkohlung des Roheisens ohne Schmelzung, und des Ausreckens ohne Schweißung, zum Gegenstande. Es umfaßt drei verschiedene Processe, nämlich: 1) die Bereitung der Roheisenstäbe; 2) die Entkohlung; 3) das Ausrecken der Stäbe unter dem Hammer oder mittelst des Walzwerks. 1. Bereitung der Roheisenstäbe. Es kann jedes Roheisen zur Fabrication des Stahls und Stabeisens nach diesem Verfahren angewendet werden; allein die Beschaffenheit des Products hängt nothwendig von der Beschaffenheit des angewendeten Roheisens ab. Das Einformen. – Das darzustellende Product mag Stahl oder Eisen seyn, so sind die Bedingungen des Formens und Gießens gleich, und es hängen dieselben von der Richtung ab, in welcher das Ausrecken stattfindet. Da es fast unmöglich ist, beim Abguß der Stäbe die Formen vollständig auszufüllen, indem fast beständig einige Blasen entstehen, so müssen letztere nach denjenigen Punkten der Noheisenstäbe geschafft werden, die nach dem Ausrecken der Länge oder der Quere nach (je nachdem man nämlich Stabeisen, Blech oder Stahl darstellen will), nur an dem einen Ende des fertigen Eisens oder Stahls vorhanden sind. Bei einem sorgfältigen Verfahren beim Abgießen der Stäbe gelangen die Blasen stets oben hin, und man hat daher zwei Arten des Einformens und Abgießens. 1) Bei der Fabrication von Stahlstäben und Stabeisen werden die in der Gießlade eingeformten Stäbe von unten aufsteigend und die Formen stehend unter Druck abgegossen. Die Blasen gelangen dann sämmtlich aus obere Ende der Stäbe und werden nach deren Vollendung mit den rauhen Enden abgeschnitten. 2) Bei der Fabrication von Stahl- und Eisenblech macht man die Formen auf offene Herde und liegend, mit einer Verjüngung von etwa 3 Millimet. auf die Höhe. Durch dieses Einformen gelangen alle Blasen zur breitesten Längenkante des Stabes und werden an das Ende gezogen, welches beim Beschneiden des Blechs wegfällt. Das Formen geschieht in Sand, oder man wendet erwärmte Schalen an, vorausgesetzt daß das Roheisen beim Abkühlen grau bleibt. Der Vortheil des Schalengusses besteht darin, daß die Stäbe reinere und glattere Oberflächen haben, wenn sie aus den Cementirkästen kommen, und daß die Formen wiederholt gebraucht werden können, was bei den Sandformen nicht der Fall ist. 2. Die Entkohlung. Wenn man einen Stab von grauem oder weißem Roheisen von allen Seiten mit einem Metalloxyd umgibt und ihn der ununterbrochenen Einwirkung der Kirschrothhitze unterwirft, ihn alsdann herausnimmt und seinen Bruch zu verschiedenen Perioden der Cementation untersucht, so bemerkt man, wenn zwischen jeder Periode ein Zwischenraum von mehreren Tagen bleibt, nachstehende Erscheinungen: zuvörderst bedeckt sich das Roheisen mit einer Stahlschicht, verwandelt sich alsdann gänzlich in Stahl, und wird, bei fortgesetzter Cementation, endlich in Stabeisen verwandelt, welches in zwei Ringe getheilt ist: der äußere ist fadig oder besteht aus kleinen Krystallen, der innere dagegen aus mehr oder weniger großen Krystallen. Der äußere Ring gibt ein besseres Schmiedeisen als man gewöhnlich aus dem verwendeten Roheisen darzustellen vermag; der innere Ring gibt dagegen ein minder gutes Eisen. Demnach ist es zweckmäßig, die Stäbe in den Cementirkasten mit einem gewissen Zwischenraum, nämlich zwischen zwei Metalloxydschichten zu legen. Die den Roheisenstäben zu gebende Gestalt hängt von den drei folgenden Betrachtungen ab: 1) von der secundären Wirkung der Cementation; 2) von der Dauer der Cementation; 3) von dem Ausrecken. Um so viel als möglich zu vermeiden, daß der Roheisenstab nach der Cementation platt ist, muß man dem Stabe vorzugsweise einen regelmäßigen polygonalen Querschnitt geben. Die Cementation des Roheisens in einem Metalloxyd schreitet durchschnittlich um 1 Millimeter in 24 Stunden von jeder Fläche aus vor; soll daher so wenig als möglich Brennmaterial verbraucht werden, um ein gewisses Roheisenquantum zu cementiren, so ist es vorzuziehen, letzteres in möglichst dünnen Platten abzugießen. Das Ausrecken. – Will man Stahlstäbe von feinem Korn oder fadiges Stabeisen fabriciren, so muß das Ausrecken wenigstens fünfmal wiederholt werden und ein zehnmaliges Ausrecken ist noch zweckmäßiger. Es müssen daher die Roheisenstäbe einen Querschnitt haben, welcher fünf- bis zehnmal größer als derjenige der Stahl- und Eisenstäbe ist. Um einen solchen Querschnitt zu erhalten und um die Dauer der Cementation nicht zu verzögern, gibt es kein anderes Mittel, als flache Stäbe anzuwenden und sie liegend auszuwalzen. Diese Methode ist besonders bei Blech und bei schwachen Stäben zweckmäßig. Um aber dieses Verfahren bei der Eisen- und Stahlfabrication durch Entkohlung ohne Schmelzung, und durch Ausrecken ohne Ausschweißung, zur Darstellung von allen Sorten Stabeisen und Stahl anzuwenden, muß man entweder starke Stäbe gießen und sie eine längere Zeit cementiren, oder das Gerben anwenden, d.h. mehrere Stäbe über einander gelegt ausschweißen. Die anzuwendenden Metalloxyde. Die zur Cementation des Roheisens verwendbaren Metalloxyde müssen nachstehenden Bedingungen entsprechen, nämlich: 1) bei der Temperatur, in welcher die Reaction stattfindet, nicht zersetzbar seyn; 2) in dieser Temperatur durch den Kohlenstoff zersetzt werden können; 3) in der Temperatur der Reaction nicht schmelzen; 4) durch die Zersetzung des Oxyds flüchtige Producte geben; 5) bei der Zersetzung keine Producte erzeugen, welche das Eisen angreifen; 6) wohlfeil seyn. Die Metalloxyde, welche mehreren dieser Bedingungen entsprechen, sind: Die Eisenoxyde. – Das Zinkoxyd und der Galmei. – Das rothe Manganoxyd. – Das Kupferoxyd. – Das Zinnoxyd. – Die Bleioxyde. Wenn die Eisenoxyde rein sind, so sind sie die zweckmäßigsten; allein man bekommt sie in diesem Zustande nur als Hammerschlag von den Stabeisenwalzwerken. In allen übrigen Fällen sind die Eisenoxyde mit Kieselerde vermengt, so daß sie flüssig werden und die Stäbe zusammenkitten, was durchaus vermieden werden muß. – Das Zinkoxyd und der Galmei sind die geeignetsten Materialien, denn das Zinkoxyd ist unschmelzbar, und um die Entkohlung des Roheisens zu bewirken, verflüchtigt sich das Zink (obgleich es Legirungen mit dem Eisen bilden kann) fast vollständig während der Reaction; in Folge hiervon kommt das Roheisen beständig in Berührung mit neuen Schichten zersetzbaren Oxydes, in dem Maaße als die Reaction zwischen seinem Kohlenstoff und dem Sauerstoff des Oxyds stattfindet. Was nun die anderen Oxyde betrifft, so bewirken sie die Entkohlung des Roheisens eben so gut als das Eisen- und Zinkoxyd, sie geben aber Metalle, welche wenig flüchtig sind, sich mit dem Eisen legiren und ihm neue Eigenschaften ertheilen, welche bald vortheilhaft, bald nachtheilig sind, je nach dem Zweck wozu das Eisen bestimmt ist. Folgende Tabelle enthält die Verhältnisse eines jeden der anzuwendenden reinen Oxyde, je nach dem beabsichtigten Grad der Entkohlung des Roheisens. Textabbildung Bd. 127, S. 279 Verhältniß des Kohlenstoffs, welcher aus 100 Theilen Roheisen fortgeschafft werden soll; Oxydmenge für 100 Theile Roheisen; Schwarzes Eisenoxyd; Zinkoxyd; Rothes Manganoxyd; Kupferoxyd. 3. Ausrecken mittelst des Hammers oder der Walzwerke. Wir haben oben bemerkt, daß um die Entkohlung unter ökonomisch günstigen Umständen zu bewirken, man die Roheisenstäbe so dünn als möglich machen müsse. – Es ist auch bemerkt worden, daß bei der Stahl- und Stabeisenfabrication das Ausrecken der Länge nach, bei der Bereitung von Stahl- und Eisenblech dagegen die Streckung der Quere nach erfolgen müsse. Bei der Stabeisenfabrication hat der ursprüngliche Kolben des Stabes einen quadratischen Querschnitt, während das Materialeisen für dünne Blechsorten eine Platine von 4–8 Zoll Breite und von 4–8 Zoll Dicke ist. Die Walzarbeit ist den dünneren Blechsorten von der gewöhnlichen durchaus nicht verschieden. Da nun die Streckarbeit durchschnittlich fünfzehnmal wiederholt wird, so müssen für die Blechfabrication die Roheisenstäbe unter folgenden Bedingungen angefertigt werden: 1) die Länge der Stäbe muß der Breite des Blechs einschließlich der Abschnitzel gleich oder ein Multiplum dieser Breite seyn; 2) die Breite muß 1/15 der Länge, welche das fertige Blech haben soll, einschließlich der Abschnitzel seyn; 3) die Dicke muß das Fünfzehnfache von der Dicke des fertigen Bleches betragen. Die hinlänglich cementirten Stäbe, sey es um Stahl oder Eisen daraus zu fabriciren, werden nun in einem Glühofen stark rothglühend gemacht, dann auf die gewöhnliche Weise ausgewalzt, beschnitten und ausgeglüht. Der Abgang beschränkt sich auf die rauhen Enden und die Abschnitzel, und da kein Ausschweißen stattfindet, wie bei dem gewöhnlichen Fabricationsverfahren, so werden die Fabricationskosten sowohl für das Eisen als auch für den Stahl sehr bedeutend vermindert. Was nun die Bearbeitung der Stäbe anbetrifft, so wendet man sowohl bei dem Eisen als dem Stahl das gewöhnlich bei dem letztem allein gebräuchliche Verfahren an. Da die aus den Cementirkästen kommenden Stäbe immer flach und dünn sind, so erfolgt das Ausrecken theils stehend, theils liegend, ersteres hauptsächlich dann, wenn man runde oder quadratische Stäbe fabriciren will. Die zur Fabrication dünnerer Bleche angewendeten Stäbe, welche nur in einen Glühofen mit nicht hoher Temperatur kommen, werden bei einer oder bei mehreren Hitzen ausgewalzt, ohne je mit dem Sauerstoff bei einer Temperatur in Berührung zu kommen, wo letzterer eine Wirkung auf das Eisen hat. – Man sieht daher, daß sich bei der Eisen- und Stahlfabrication der Abgang nur auf die rauhen Enden beschränkt. Wenn ein Hammer zum Ausrecken der Stäbe angewendet wird, so bleibt das Wärmen derselben sich ganz gleich. Wendet man zur Cementirung Zinkoxyd an, so reducirt sich stets eine gewisse Menge von diesem Metall und löst sich in dem Eisen auf. Man kann es entweder aus demselben gänzlich fortschaffen, oder es darin lassen, um innerlich galvanisirtes Blech zu bilden. Im erstem Falle glüht man das Eisen so lange in dem Ofen, als sich noch Zinkoxyddämpfe verflüchtigen. Im zweiten Falle glüht man die auszuwalzenden Stücke eine möglichst kurze Zeit. Das Eisen wird durch das mit ihm legirte Zink spröde und brüchig, und das Zink darf daher nicht in ihm bleiben, wenn es zu Stäben ausgezogen werden soll. Für den Stahl hat ein Zinkgehalt große Nachtheile. Das beste Mittel, um den Zinkgehalt fortzuschaffen, besteht darin, die Eisenstäbe stark auszuglühen und die Stahlstäbe in Holzkohlenpulver zu cementiren. Diese zweite Cementation hat zugleich den Zweck, den Stäben wieder Kohlenstoff mitzutheilen, indem sie durch das Ausglühen in den Kästen zu stark entkohlt seyn können. Das Verfahren des Hrn. Jullien bei der Verwandlung des Roheisens in Stahl besteht also in drei Processen: 1) Gießen des Roheisens in möglichst gleichartige Stäbe, in aufrechter Richtung, wenn Stahlstäbe, und auf der hohen Kante, wenn Blech fabricirt werden soll. 2) Eine erste Cementation der Roheisenstäbe bei der Temperatur der Kirschrothgluth, in einem Metalloxyd, um das Roheisen zu entkohlen. Eine zweite Cementation dieser ungleich entkohlten Stäbe in Holzkohlenpulver, um das Eisen wiederum zu kohlen, so daß es gleichförmige Stahlstäbe bildet. 3) Ausrecken der stehend gegossenen Roheisenstäbe zu Stahlstäben, und Auswalzen der liegend gegossenen zu Stahlblech.