Titel: Untersuchungen über die specifische Wärme der elastischen Flüssigkeiten; von Professor V. Regnault.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXIX., S. 285
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LXIX. Untersuchungen über die specifische Wärme der elastischen Flüssigkeiten; von Professor V. Regnault. Aus den Comptes rendus, April 1853, Nr. 16. Regnault, Untersuchungen über die specifische Wärme der elastischen Flüssigkeiten. Ich bin seit mehr als zwölf Jahren beschäftigt, die nothwendigen Elemente zur Lösung folgender allgemeinen Aufgabe zu sammeln: Welche Triebkraft kann man nach der Theorie mittelst einer gegebenen Wärmemenge erhalten, die man zur Entwicklung und Ausdehnung der verschiedenen elastischen Flüssigkeiten unter den in der Praxis benutzbaren Umständen anwendet? Die vollständige Lösung dieser Aufgabe würde nicht nur die wahre Theorie der jetzt gebräuchlichen Dampfmaschinen geben, sondern auch diejenige der Maschinen, worin der Wasserdampf durch einen andern Dampf ersetzt ist, oder sogar durch ein permanentes Gas, dessen Spannung durch die Wärme vergrößert wird. Zu der Zeit, wo ich diese Untersuchungen unternahm, schien mir die Frage viel einfacher zu seyn, als jetzt. Von den damals in der Wissenschaft geltenden Ansichten ausgehend, war es leicht, die verschiedenen Elemente dieser Aufgabe ziemlich scharf zu bestimmen, und ich ersann Verfahrungsarten, mittelst deren ich hoffte, nach und nach dahin zu gelangen, nämlich die betreffenden Gesetze zu finden, und die numerischen Daten festzustellen. Wie es aber gewöhnlich in den Naturwissenschaften der Fall ist, in dem Maaße als ich in meinen Untersuchungen vorschritt, vergrößerte sich deren Kreis immer mehr; die Fragen, welche mir anfangs ganz einfache zu seyn schienen, wurden sehr complicirte, und vielleicht würde ich nicht den Muth gehabt haben diese Untersuchung zu beginnen, wenn ich gleich anfangs alle ihre Schwierigkeiten vorausgesehen hätte. Man hat bis auf die neueste Zeit angenommen, daß die Wärmemengen, welche von derselben elastischen Flüssigkeit entwickelt oder absorbirt werden, gleich sind, wenn die Flüssigkeit von demselben anfänglichen Zustand in denselben endlichen Zustand übergeht, in welchem Sinne auch der Uebergang stattfinden mag; mit anderen Worten, man nahm an, daß diese Wärmemengen bloß von der Temperatur und dem Druck bei ihrem anfänglichen und letzten Zustande abhängen, und daß sie unabhängig sind von den Zwischenzuständen, welche die elastische Flüssigkeit durchging. S. Carnot veröffentlichte im Jahre 1824 ein Werk unter dem Titel Réflexions sur la puissance motrice du feu, welches anfangs keine große Aufmerksamkeit erregte, und worin er als Grundsatz annahm, daß die Triebkraft, welche eine Dampfmaschine liefert, erzeugt wird durch den Uebergang der Wärme von der heißeren Wärmequelle (dem Kessel) in den kälteren Condensator, welcher sie zuletzt sammelt. Hr. Clapeyron hat Carnot's Hypothese mathematisch entwickelt und gezeigt, daß die Wärmemengen, welche man mit derselben Gasart gewinnt oder verliert, nicht bloß von dem Zustand dieser Gasart am Anfang und am Ende abhängen, sondern auch von den Zwischenzuständen, welche die Gasart durchging. Die mechanische Theorie der Wärme kam seit einigen Jahren wieder in Gunst, und sie beschäftigt gegenwärtig eine große Anzahl von Mathematikern. Man hat aber Carnot's Princip wesentlich modificirt, indem man annimmt, daß die Wärme in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann, und wechselseitig die mechanische Arbeit sich in Wärme umwandeln kann. Nach Carnot's Theorie findet sich die Wärmemenge, welche die elastische Flüssigkeit bei ihrem Eintritt in die Maschine besaß, vollständig wieder in der elastischen Flüssigkeit, welche aus der Maschine austritt, oder im Condensator; die mechanische Arbeit wird lediglich hervorgebracht durch den Uebergang der Wärme des Kessels in den Condensator, indem sie ihren Weg durch die Maschine nimmt. Nach der neuen Theorie bleibt diese Wärmemenge nicht vollständig im Zustand von Wärme; ein Theil verschwindet auf ihrem Wege durch die Maschine, und die erzeugte Triebkraft ist in allen Fällen proportional der verlorenen Wärmemenge. So ist bei einer Dampfmaschine ohne Condensation oder mit Condensation, mit oder ohne Expansion, die mechanische Arbeit der Maschine proportional der Differenz zwischen der Wärmemenge, welche der Dampf bei seinem Eintritt in die Maschine besitzt, und derjenigen, welche er bei seinem Austritt (oder in dem Augenblick wo seine Condensation vorgeht) noch hat. Nach dieser Theorie muß man, um mit derselben Wärmemenge das Maximum mechanischer Wirkung zu erhalten, die Anordnung so treffen, daß dieser Wärmeverlust der möglich größte ist, d.h. daß die Spannkraft, welche der benutzte Dampf in dem Augenblick noch besitzt, wo er in den Condensator gelangt, die möglich geringste ist. In allen Fällen wird aber bei der Wasserdampf-Maschine die für mechanische Arbeit benutzte Wärmemenge nur ein sehr kleiner Theil von derjenigen Wärmemenge seyn, welche man dem Kessel mittheilen mußte. Bei einer Dampfmaschine mit Expansion ohne Condensation, wo der Dampf mit einem Druck von 5 Atmosphären eintritt, und mit dem Druck der Atmosphäre austritt, beträgt die Wärmemenge, welche der Dampf bei seinem Eintritt besitzt, nach meinen Versuchen beiläufig 653 Einheiten; die Wärmemenge, welche er bei seinem Austritt zurückhält, beträgt 637 Einheiten. Nach der erwähnten Theorie wäre die Wärmemenge, welche für die mechanische Arbeit benutzt wurde 653 – 637 = 16 Einheiten, also nur 1/40 von der dem Kessel mitgetheilten Wärmemenge. Bei einer Maschine mit Condensation, welche Dampf von 5 Atmosphären empfängt, und deren Condensator beständig eine Spannkraft von 55 Millimet. Quecksilber zeigen würde, wäre die Wärmemenge des eintretenden Dampfes 653 Einheiten, und diejenige, welche der Dampf im Augenblick der Kondensation besitzt, d.h. wo er für die mechanische Wirkung verloren ist, 619 Einheiten. Die benutzte Wärme beträgt also 34 Einheiten, etwas über 1/20 der Wärme, welche dem Kessel mitgetheilt wurde. Damit ein größerer Theil der Wärme für die mechanische Arbeit benutzt wird, muß man entweder den Dampf vor seinem Eintritt in die Maschine überhitzen, oder so viel als möglich die Temperatur der Condensation erniedrigen. Aber letzteres Mittel ist in der Praxis schwer auszuführen; man müßte überdieß die Menge des zur Condensation bestimmten kalten Wassers beträchtlich vergrößern, was mit einem größeren Aufwand von Triebkraft verbunden ist, und man könnte zur Speisung des Kessels nur sehr schwach erhitztes Wasser liefern. Man wird denselben Zweck leichter erreichen, indem man dem Wasserdampf in der Maschine eine geringere Expansion gibt, und indem man diesen Dampf durch Einspritzen einer sehr flüchtigen Flüssigkeit, wie Aether oder Chloroform, condensirt. Die Wärme, welche der Wasserdampf im Augenblick dieser Condensation besitzt, und wovon nur ein sehr kleiner Theil in mechanische Arbeit hätte umgewandelt werden können, geht in die flüchtige Flüssigkeit über und verwandelt dieselbe in Dampf von hohem Druck. Indem man diesen Dampf in eine zweite Maschine übergehen läßt, worin er sich bis zu derjenigen Spannkraft expandirt, wo ihn das Einspritzwasser praktisch in den Condensator führen kann, wird ein Theil der Wärme in Triebkraft umgewandelt; und die Berechnung mittelst der numerischen Daten meiner Versuche zeigt, daß diese Kraft viel größer ist als diejenige, welche man durch eine beträchtlichere Expansion des Wasserdampfes in der ersten Maschine hätte erhalten können. Auf diese Weise erklärt sich vollkommen das ökonomische Resultat, welches man in der letzten Zeit mit zwei verkuppelten Maschinen, einer mit Wasserdampf und einer mit Aether- oder Chloroformdampf, erhalten hat. Bei den Luftmaschinen, wo die Triebkraft durch die Ausdehnung des Gases in der Maschine mittelst der Wärme hervorgebracht wird, oder durch Vergrößerung seiner Spannkraft mittelst der Wärme, wäre die bei jedem Kolbenschub erzeugte Triebkraft immer proportional der Differenz der Wärmemengen, welche die eintretende Luft und die austretende Luft besitzen, also dem Wärmeverlust der Luft auf ihrem Wege durch die Maschine. Da aber bei Ericsson's System die Wärme, welche die austretende Luft besitzt, sich auf Körpern ablagert, denen die neue eintretende Luft sie entzieht um sie wieder in die Maschine zu übertragen, so sieht man, daß bei letzteren Maschinen alle aufgewendete Wärme für die Triebkraft benutzt wird, während bei der besten Wasserdampf-Maschine, die für die mechanische Arbeit benutzte Wärme kaum 1/20 der aufgewendeten Wärme beträgt. Es versteht sich, daß ich hier alle äußeren Verluste vernachlässige, sowie die mechanischen oder technischen Hindernisse, welche sich in der Praxis darbieten können. Die HHrn. Joule, Thomson und Rankine in England, die HHrn. Mayer und Clausius in Deutschland haben, indem sie oft von verschiedenen Gesichtspunkten ausgingen, diese mechanische Theorie der Wärme mathematisch entwickelt und daraus die Gesetze für alle Erscheinungen mit den elastischen Flüssigkeiten abzuleiten gesucht. Ich habe meinerseits in meinen Vorlesungen seit langer Zeit analoge Ideen entwickelt, auf welche ich durch meine experimentalen Untersuchungen über die elastischen Flüssigkeiten geführt wurde. Bei diesen Untersuchungen stieß ich nämlich jeden Augenblick auf Anomalien, welche mir nach den früher angenommenen Theorien unerklärlich schienen. Ich will in dieser Hinsicht einige Beispiele unter den einfachsten auswählen: Erstes Beispiel. 1°. Eine Gasmasse von 10 Atmosphären Druck ist in einem Raum eingeschlossen, dessen Inhalt man rasch verdoppelt; der Druck sinkt auf 5 Atmosphären. 2°. Zwei Behälter, von gleichem Inhalt, sind in denselben Calorimeter gebracht; der eine ist mit Gas von 10 Atmosphären gefüllt, der zweite ist vollkommen luftleer. Man stellt rasch die Verbindung zwischen den zwei Behältern her; das Gas verbreitet sich in einem doppelten Volum und der Druck vermindert sich gleichfalls auf 5 Atmosphären. Bei diesen zwei Versuchen befindet sich also das Gas am Anfang und am Ende in ganz gleichen Zuständen, dabei sind aber die Resultate hinsichtlich der Wärme ganz verschieden; denn während man beim ersten Versuch eine beträchtliche Abkühlung beobachtet, zeigt beim zweiten der Calorimeter nicht die geringste Temperaturveränderung. Zweites Beispiel. 1°. Eine Gasmasse M zieht mit dem Druck der Atmosphäre durch ein Schlangenrohr, worin sie sich aus 100 (Celsius'sche) Grade erwärmt, dann durch einen Calorimeter, dessen anfängliche Temperatur 0 Grad ist. Sie erhöht die Temperatur dieses Calorimeters um t Grade. 2°. Dieselbe Gasmasse zieht, mit dem Druck von 10 Atmosphären, durch das Schlangenrohr, worin sie sich auf 100 Grad erwärmt, dann durch den Calorimeter von 0 Grad mit demselben Druck; sie erhöht die Temperatur des Calorimeters um t' Grade, und der Versuch zeigt, daß t' sehr wenig verschieden von t ist. 3°. Dieselbe Gasmasse zieht, mit dem Druck von 10 Atmosphären, durch das Schlangenrohr, worin sie sich auf 100 Grade erwärmt; aber an der Mündung des Calorimeters von 0 Grad, oder an irgend einem Punkt seines Weges anlangend, dehnt sich das Gas aus und sinkt unter den Druck der Atmosphäre; so daß es aus dem Calorimeter im Temperatur-Gleichgewicht mit demselben und im Druck-Gleichgewicht mit der umgebenden Atmosphäre austritt. Man beobachtet eine Temperatur-Erhöhung t'' des Calorimeters. Nach den früher angenommenen Theorien müßte die Wärmemenge, welche das Gas im Versuch Nr. 3 abgab, gleich seyn derjenigen von Nr. 2, vermindert um die Wärmemenge, welche vom Gas während seiner ungeheuren Ausdehnung absorbirt wurde, weil sich sein Volum verzehnfacht hat. Der Versuch gibt, im Gegentheil, für t'' einen größeren Werth als t' und als t. Ich könnte noch viele solche Beispiele anführen, behalte mir aber deren Erörterung für den Zeitpunkt vor, wo ich meine Versuche über die Compression und über die Ausdehnung der Gase zusammen veröffentlichen werde. Jedenfalls genügen die angeführten Beispiele um zu zeigen, wie umsichtig man bei Folgerungen aus Versuchen seyn muß, bei welchen elastische Flüssigkeiten sich in Bewegung befinden, Veränderungen in der Spannung erleiden und eine mechanische Arbeit bewirken, die oft schwer genau zu bestimmen ist; denn die hervorgebrachten Wärme-Effecte hängen großentheils von der Ordnung und der Art ab, womit diese Veränderungen vor sich gingen. Es ist leicht, eine physikalische Theorie im Allgemeinen aufzustellen, aber es ist sehr schwer sie streng durchzuführen, so daß sie nicht nur auf alle bekannten wissenschaftlichen Thatsachen paßt, sondern sich diejenigen, welche bisher der Beobachtung entgingen, daraus ableiten lassen. Fresnel's Undulationstheorie des Lichts ist bis jetzt das einzige derartige Beispiel in der Physik.Sofern man die Gravitations-Theorie von dem Gebiet der Physik ausschließt.A. d. Red. Von dem Standpunkt der Mechanik aus betrachtet, führen die Probleme der Wärme, wie alle analogen Probleme, auf eine Gleichung mit partiellen Differentialen der zweiten Ordnung zwischen mehreren Veränderlichen, welche unbekannte Functionen von einander sind. Diese Functionen repräsentiren die wahren physikalischen Elementargesetze, welche man kennen müßte, um die vollständige Lösung des Problems zu haben. Durch die Integration der Gleichung werden neue willkürliche Functionen eingeführt, deren Natur man zu entdecken suchen muß, indem man die durch die Gleichung gegebenen Resultate mit denjenigen vergleicht, welche die directen Versuche geben, und mit den Gesetzen, welche man aus diesen Versuchen ableitet. Leider sind bei den Untersuchungen über die Wärme die directen Versuche selten auf einfache Erscheinungen anwendbar; gewöhnlich berühren sie complicirte Fragen, welche von mehreren dieser Gesetze zugleich abhängen, und meistens ist es schwer, den Antheil eines jeden derselben zu bestimmen. Der Physiker muß alsdann die Umstände, unter welchen er operirt, zu modificiren suchen, so daß bei seinen einzelnen Versuchen der Antheil möglichst wechselt, welcher jeder der Elementar-Erscheinungen und dem sie ausdrückenden Gesetze zukommt. Er wird so Bedingungs-Gleichungen erhalten, welche für die Entdeckung der allgemeinen Theorie sehr behülflich seyn können, denn letztere wird ihnen stets Genüge leisten müssen. Von diesem Gesichtspunkt bin ich bei meinen Untersuchungen ausgegangen, und ich war immer besorgt die Umstände, unter denen ich operirte, ganz genau zu bestimmen, damit man aus meinen Versuchen Nutzen ziehen kann, was immer für eine Theorie am Ende den Vorzug erhalten mag. Ich habe im J. 1847 den ersten Theil meiner Untersuchungen veröffentlicht; er bildet den Band XXI der Mémoires de l'Académie. Seitdem habe ich sie unausgesetzt verfolgt; aber die Versuche welche sie erforderten, waren so zahlreich, die Berechnungen so lang und so mühsam, daß ich sie unmöglich hätte ausführen können, wenn ich auf meine eigenen Kräfte beschränkt geblieben wäre; durch Hrn. Izarn, der mir schon für den ersten Theil meiner Arbeiten behülflich war, und durch einen jungen Bergwertsingenieur, Hrn. Descos, welchen mir der Hr. Minister der Staatsbauten seit zwei Jahren zur Beschleunigung meiner Arbeit beigab, bin ich kräftig unterstützt worden. Meine neuen Versuche bezogen sich auf folgende Gegenstände: 1°. Die Beziehungen zwischen den Temperaturen und den Spannkräften einer großen Anzahl gesättigter Dämpfe, von den schwächsten Spannkräften bis zur Spannung von 12 Atmosphären; 2°. Die Spannkräfte derselben, sowohl gesättigten als nicht gesättigten Dämpfe, in den Gasen; 3°. Die Spannkräfte der gesättigten Dämpfe, welche durch die gemischten Flüssigkeiten erzeugt werden; 4°. Die latente Wärme dieser Dämpfe unter verschiedenen Pressionen, von dem schwächsten Druck bis zu dem von 8 bis 10 Atmosphären; 5°. Die Wärme, welche bei der Verdampfung derselben Substanzen in den Gasen latent wird; 6°. Die specifische Wärme der permanenten Gase und der Dämpfe von verschiedenem Druck; 7°. Die Wärmemengen, welche durch die Compression und die Ausdehnung der Gase absorbirt oder entwickelt werden, sey es daß diese Ausdehnung in einem Raum erfolgt, dessen Inhalt sich vergrößert, oder daß sie beim Durchgang durch eine Capillaröffnung mit dünner Wand oder durch eine lange Capillarröhre stattfindet; 8°. Die Wärmemengen welche vom Gas absorbirt werden, wenn es während seiner Expansion eine Triebkraft hervorbringt, die sich gänzlich im Innern des Calorimeters verzehrt, oder deren größter Theil außerhalb benutzt wird; 9°. Endlich die Dichtigkeiten der gesättigten Dämpfe von verschiedenem Druck. Die Versuche bezüglich dieser verschiedenen Fragen, die letzte ausgenommen, sind jetzt beendigt. Da ich aber noch viel Zeit brauche, um sie zu ordnen und mit der gehörigen Sorgfalt zu erörtern, so will ich ihre allgemeinen Resultate nach und nach veröffentlichen, und jetzt mit meinen Untersuchungen über die Wärmecapacität der elastischen Flüssigkeiten den Anfang machen. Wärmecapacität der elastischen Flüssigkeiten. Man kann die specifische Wärme der elastischen Flüssigkeiten auf zweierlei Weise besinnen: nach der ersten nennt man specifische Wärme der elastischen Flüssigkeit die Wärmemenge, welche man einem Gas mittheilen muß, um seine Temperatur von 0 auf 1 Grad zu erhöhen, indem man dasselbe sich frei ausdehnen läßt, so daß es eine constante Spannung behält; nach der zweiten ist sie die Wärmemenge, welche man dem Gas mittheilen muß um seine Temperatur von 0 auf 1 Grad zu erhöhen, indem man es zwingt dasselbe Volum zu behalten, wobei seine Spannkraft zunimmt. Die erstere dieser Capacitäten hat man specifische Wärme des Gases bei constantem Druck genannt; die zweite nannte man specifische Wärme bei constantem Volum. Die erste Definition stimmt allein mit derjenigen überein, welche man für die Wärmecapacität der festen und flüssigen Körper angenommen hat; es ist auch die einzige, welche bisher eine directe experimentale Bestimmung gestattete. Seit einem Jahrhundert haben viele Physiker Untersuchungen über die specifische Wärme der elastischen Flüssigkeiten angestellt. Crawford, Lavoisier und Laplace, Dalton, Clement und Desormes, Delaroche und Berard, Haycrafft, Gay-Lussac, Dulong, De la Rive und Marcet haben nacheinander Untersuchungen über diesen Gegenstand veröffentlicht. Die meisten dieser Physiker suchten durch Versuche gewisse Gesetze zu beweisen, auf welche sie durch die Ansichten geführt wurden, die sie sich a priori über die Constitution der elastischen Flüssigkeiten gebildet hatten. Sie bemühten sich weniger die numerischen Werthe der Wärmecapacität der verschiedenen Gase im Verhältniß zu derjenigen des flüssigen Wassers, welche allgemein zur Einheit genommen wird, zu bestimmen, als einfache Beziehungen aufzusuchen, welche, wie sie vermutheten, zwischen denselben stattfinden müssen. Die Folgerungen wozu sie gelangten, sind im Allgemeinen sehr irrige. Die Arbeit von Delaroche und Berard, welche im Jahre 1813 von der (französischen) Akademie der Wissenschaften gekrönt wurde, ist noch jetzt die vollständigste über diesen Gegenstand, und diejenige deren Resultate sich am wenigsten von der Wahrheit entfernen, nicht nur wegen der äußersten Sorgfalt, welche diese geschickten Experimentatoren bei ihren Versuchen anwandten, sondern auch wegen der directen Methode die sie befolgten; die meisten anderen Physiker schlugen hingegen Nebenwege ein, so daß bei den von ihnen angewandten Methoden das Element welches sie suchten, oft nur einen sehr geringen Einfluß ausübte. Die allgemeinen Folgerungen, welche Delaroche und Berard aus ihrer Arbeit zogen, sind folgende: 1°. Die specifische Wärme der Gase ist nicht für alle gleich, weder bei gleichem Volum, noch bei gleichem Gewicht, denn sie hat folgende Werthe:   Specifische Wärme Bei gleichem Volum. Bei gleichem Gewicht. Spec. Gewicht. der Luft        1,0000          1,0000      1,0000 des Wasserstoffs        0,9033        12,3401      0,0732 der Kohlensäure        1,2583          0,8280      1,5196 des Sauerstoffs        0,9765          0,8848      1,1036 des Stickstoffs        1,0000          1,0318      0,9691 des Stickstoffoxyduls        1,3503          0,8878      1,5209 des ölbildenden Gases        1,5530          1,5763      0,9885 des Kohlenoxyds        1,0340          1,0805      0,9569 2°. Die Wärmecapacitäten derselben Gase, im Verhältniß zum Wasser, werden durch die folgenden Zahlen ausgedrückt: Specifische Wärme des Wassers 1,0000               „ der atmosphärischen Luft 0,2669               „ des Wasserstoffs 3,2936               „ der Kohlensäure 0,2210               „ des Sauerstoffs 0,2361               „ des Stickstoffs 0,2754               „ des Stickstoffoxyduls 0,2369               „ des ölbildenden Gases 0,4207               „ des Kohlenoxyds 0,2884               „ des Wasserdampfs 0,8470 3°. Die specifische Wärme der atmosphärischen Luft, bezüglich des Volums betrachtet, nimmt mit ihrer Dichtigkeit zu, aber in einer weniger raschen Progression. Wenn das Verhältniß der Pressionen 1/1,3583 ist, so ist dasjenige der specifischen Wärme 1/1,2396. 4°. Nach theoretischen Betrachtungen, welche übrigens auf directe Versuche von Gay-Lussac gegründet sind, nehmen Delaroche und Berard an, daß die specifische Wärme der Gase mit der Temperatur rasch zunimmt. Dieses sind die genauesten Angaben, welche wir gegenwärtig über die specifische Wärme der Gase besitzen, und sie wurden auch von den Physikern allgemein angenommen. Die Gränzen, welche ich bei diesem Auszug meiner Abhandlung einhalten muß, hindern mich die Methoden zu erörtern, welche von meinen Vorgängern gewählt wurden, und diejenigen auseinander zu setzen, welche ich selbst befolgt habe. Ich will bloß bemerken, daß ich bei dieser Art von Untersuchungen auf große Schwierigkeiten stieß, nicht bloß bezüglich des Experimentirens, sondern auch in theoretischer Hinsicht; man wird dieß nach den Betrachtungen, welche ich am Anfang dieser Abhandlung angestellt habe, leicht begreifen. Obwohl meine ersten Versuche schon vor fünfzehn Jahren angestellt wurden und seitdem durch meine Abhandlungen über die specifische Wärme der festen und flüssigen Körper bekannt wurden, so theile ich doch jetzt erst meine Resultate, nachdem ich sie bei fortgesetzten Versuchen nach sehr verschiedenen Methoden bestätigt gefunden habe, mit Vertrauen mit. Nach meinen Versuchen ist die specifische Wärme der Luft, im Verhältniß zum Wasser: zwischen –  30° und + 10°     0,2377 zwischen +  10  und  100     0,2379 zwischen +100  und  225     0,2376 Im Widerspruch mit den Versuchen von Gay-Lussac würde sich also die specifische Wärme der Luft mit der Temperatur nicht merklich ändern. Versuche, welche mit einigen anderen permanenten Gasen angestellt wurden, führten zu demselben Schluß. Bei Versuchen mit atmosphärischer Luft von 1 bis 10 Atmosphären Spannung, fand ich keinen merklichen Unterschieb zwischen den Wärmequantitäten welche dieselbe Gasmasse bei ihrer Abkühlung um die gleiche Anzahl von Graden abgibt. Im Widerspruch mit den Versuchen von Delaroche und Berard (welche einen sehr merklichen Unterschied für Pressionen fanden, die nur um 1 bis 1,3 Atmosphären differirten) wäre also die specifische Wärme derselben Gasmasse unabhängig von ihrer Dichtigkeit. Versuche mit mehreren anderen Gasen führten mich zu analogen Schlüssen. Ich theile jedoch dieses Gesetz mit einigem Vorbehalt mit; ich kann noch nicht entscheiden, ob die Wärmecapacität bei verschiedenen Pressionen absolut constant ist, oder ob sie sich ein wenig ändert, weil meine Versuche vielleicht eine geringe Correction wegen des Bewegungszustandes des Gases erheischen. Die specifische Wärme 0,237 der Luft im Verhältniß zum Wasser ist merklich geringer als die Zahl 0,2669, welche Delaroche und Berard annahmen; sie ist das Ergebniß von mehr als hundert Versuchen, welche ich unter sehr veränderten Umständen angestellt habe. Die anderen elastischen Flüssigkeiten, deren specifische Wärme ich bestimmt habe, sind: Textabbildung Bd. 128, S. 295 Specifische Wärme; Einfache Gase; nach dem Gewicht; nach dem Volum; Dichtigkeit; Sauerstoff; Stickstoff; Wasserstoff; Chlor; Brom Betrachtet man diese Tabelle, so bemerkt man sogleich, daß die specifische Wärme des Sauerstoffs, des Stickstoffs und des Wasserstoffs für gleiche Volume sehr wenig differirt, woraus man folgern könnte, daß die einfachen Gase bei gleichem Volum und demselben Druck die gleiche specifische Wärme haben. Man hat aber für das Chlor und das Brom Zahlen gefunden, welche zwar mit einander fast ganz übereinstimmen, hingegen viel größer sind als diejenigen, welche man für die anderen einfachen Gase erhielt. Textabbildung Bd. 128, S. 295 Specifische Wärme; Zusammengesetzte Gase; nach dem Gewicht; nach dem Volum; Dichtigkeit; Stickstoffoxydul; Stickstoffoxyd; Kohlenoxyd; Kohlensäure; Schwefelkohlenstoff; schweflige Säure; Chlorwasserstoffsäure; Schwefelwasserstoffgas; Ammoniakgas; Sumpfgas; ölbildendes Gas; Wasserdampf; Alkoholdampf; Aetherdampf; Dampf von Chlorwasserstoff-Aether (Chloräthyl); Dampf von Bromwasserstoff-Aether (Bromäthyl); Dampf v. Schwefelwasserstoff-Aether (Schwefeläthyl); Dampf von Cyanwasserstoff-Aether (Cyanäthyl); Dampf von Chloroform; Oel des ölbildenden Gases Textabbildung Bd. 128, S. 296 Specifische Wärme; Zusammengesetzte Gase; nach dem Gewicht; nach dem Volum; Dichtigkeit; Essigäther; Acetondampf; Benzindampf; Terpenthinöl; Dampf von Chlorphosphor; im Minimum; Dampf von Chlorarsen; Dampf von Chlorsilicium; Dampf von Zweifach-Chlorzinn; Dampf von Chlortitan Die specifische Wärme, welche ich für den Wasserdampf durch eine große Anzahl von Versuchen erhalten habe, ist 0,475; sie ist kaum die Hälfte von derjenigen, welche Delaroche und Berard fanden. Es ist merkwürdig, daß die specifische Wärme des Wasserdampfs nahezu gleich ist derjenigen des festen Wassers, des Eises, und bloß die Hälfte von derjenigen des flüssigen Wassers. Ich hätte jetzt noch die Werthe, welche ich für die specifische Wärme der zusammengesetzten elastischen Flüssigkeiten gefunden habe, im Verhältniß zu denjenigen der einfachen Gase, woraus sie bestehen, und im Verhältniß zur stattgefundenen Verdichtung dieser letztern zu erörtern; dann die specifische Wärme mehrerer dieser Körper in ihrem festen, flüssigen und gasförmigen Zustand zu vergleichen. Ich behalte mir dieß aber für eine spätere Mittheilung vor, worin ich die Wärme angeben werde, welche bei der Verdampfung derselben Substanzen latent wird.