Titel: Experimentelle Untersuchungen über die Grundsätze des Locomotivkesselbaues; von dem Ingenieur D. K. Clark in Edinburgh.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXXV., S. 324
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LXXV. Experimentelle Untersuchungen über die Grundsätze des Locomotivkesselbaues; von dem Ingenieur D. K. Clark in Edinburgh. Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, April 1853, S. 155. Clark's Untersuchungen über die Grundsätze des Locomotivkesselbaues. Clark's Abhandlung, welche im Institut der Civilingenieure zu London vorgetragen wurde, beginnt mit der historischen Thatsache über die Fortschritte des Locomotivenbaues, wornach die allgemeine Einrichtung unserer Locomotiven schon von dem ersten Versuch auf der Liverpool-Manchester-Bahn im Jahre 1829 datirt, indem schon damals der horizontale Kessel mit vielen Röhren, die horizontalen Cylinder und das Blaserohr an den Locomotiven angebracht waren. Es wurden dann in dem Vortrage die verschiedenen Systeme erwähnt, welche seit jenem ersten Versuch ausgeführt worden sind, und auf die Nothwendigkeit fester Grundsätze hingewiesen, um die Locomotive den Leistungen, wozu sie bestimmt ist, entsprechend einzurichten. Zur gehörigen Erörterung der Frage war es unerläßlich, die folgenden drei Elemente der Maschine zu unterscheiden: – den Kessel, die Maschine und den Wagen, und sie gesondert, in Beziehung auf ihre eigenthümlichen Functionen zu betrachten. Der Hauptzweck der Arbeit des Verf. war aber eine Untersuchung der physikalischen Grundsätze der Locomotivkessel. Er wies nach, daß die Verbrennung der Kohks im Feuerkasten, in praktischer Beziehung, sehr vollständig erfolge; daß sie ganz unabhängig von der Stärke des Zuges sey, indem sie mit einem schwachen Zug eben so vollständig stattfindet wie mit einem starken; daß gewisse vorgeschlagene Hülfsmittel zur Verbesserung der Verbrennung überflüssig seyen, und endlich, daß die Verbrennung von Steinkohlen in der Praxis mittelst einer zweckmäßigen Anwendung des Aschenkastens, des Dämpfers und der Feuerthür ebenfalls vollkommen bewirkt werden kann. Die Verdampfung von 12 Pfd. Wasser mittelst eines Pfundes reiner Kohks ergab sich durch sorgfältige Versuche (im Laboratorium) als das höchste Verdampfungsvermögen; in der Praxis wurde eine wirkliche Verdampfung von 9 Pfd. Wasser durch 1 Pfd. Kohks oder 75 Proc. von dem möglichen Maximum leicht erlangt, und da Verluste gar nicht zu vermeiden sind, so kann man diese Verdampfung für die gewöhnliche Praxis als eine sehr vortheilhafte betrachten. Durch zahlreiche Beispiele zeigte der Verf., daß die Frage über den relativen Werth der Feuerkasten- und Röhren-Oberfläche keine praktische Wichtigkeit habe, da die Wirksamkeit der Kessel durch deren relative Größe nicht wesentlich afficirt werde; daß die größere Wirkung der Feuerkasten-Oberfläche nur von der größern Nähe des Feuers herrühre, und daß die Unterscheidung zwischen strahlender und mitgetheilter Wärme unwesentlich sey, weil das durch die strahlende Wärme Gewonnene an mitgetheilter Wärme verloren geht und es für die Gesammtwirksamkeit des Brennmaterials gleichgültig ist, ob alle Wärme strahlende oder ob sie mitgetheilte ist. Aus diesen Gründen betrachtet der Verf. die Anwendung ausgedehnter Feuerkasten, wellenförmiger Platten derselben u.s.w. als unnütze Hülfsmittel. Der Verf. theilte die Details zahlreicher authentischer Versuche über das Verdampfungsvermögen der Locomotivkessel mit; diese Kessel hatten sehr verschiedene Verhältnisse, und mehrere dieser Versuche wurden vom Verf. mit den Locomotiven auf der Caledonia-Edinburgh- und Glasgow-, sowie auch auf der Glasgow- und Südwest-Bahn angestellt. Er folgerte daraus, daß die ökonomische Verdampfungskraft der Kessel wesentlich von der Oberfläche des Feuerrostes und von deren Verhältniß zur ganzen Heizoberfläche abhängt; daß eine Vergrößerung des Rostes die ökonomische Verdampfungskraft vermindert und zwar nicht wegen eines störenden Einflusses auf die Verbrennung, sondern weil sie das Absorptionsvermögen des Kessels schwächt (wenn man nämlich das Quantum des in einer Stunde zu verzehrenden Brennmaterials auf einer größeren Rostfläche vertheilt, so wird die Intensität der Verbrennung vermindert und folglich die Wärme langsamer an das Wasser übertragen, in Folge dessen eine größere Menge nicht absorbirter Wärme in die Esse entweichen muß). Eine Vergrößerung der Heizoberfläche vermindert dagegen die unbenutzt entweichende Hitze, befördert Brennmaterialersparung und trägt viel zum ökonomischen Verdampfungsvermögen bei. Kurz, die Frage wird durch die gegenseitige Beziehung von drei Elementen gelöst: das nothwendige Verdampfungsverhältniß, die Rostoberfläche und die Heizoberfläche, welche zusammen die ökonomische Dampferzeugung bei dem angenommenen praktischen Normalverhältniß von 9 Pfd. Wasser auf 1 Pfd. guter Kohks ermöglichen. Eine Untersuchung der Fälle von ökonomischer Verdampfung führte den Verf. zu der folgenden Gleichung, welche das Verhältniß der drei Elemente der Kesselkraft ausdrückt, worin c die größte ökonomische Verdampfung in Kubikfußen Wasser per Quadratfuß des Rostes und per Stunde bezeichnet; h die gesammte Heizoberfläche in Quadratfußen, im Innern gemessen; und g die Rostoberfläche in Quadratfußen: c = 0,00222 (h²/g)². Hieraus folgt: 1) daß die ökonomische Verdampfungskraft im directen Verhältniß mit der Vergrößerung der Rostoberfläche abnimmt, selbst wenn die Heizoberfläche dieselbe bleibt; 2) daß sie direct wie das Quadrat der Heizoberfläche zunimmt, wenn der Rost derselbe bleibt; 3) daß die nothwendige Heizoberfläche nur im Verhältniß der Quadratwurzel der ökonomischen Verdampfungskraft zunimmt; endlich 4) daß die Heizoberfläche für eine gegebene ökonomische Verdampfungskraft im Verhältniß der Quadratwurzel der Rostoberfläche vergrößert werden muß. Es ist daher nicht richtig, daß sich die Heizoberfläche durch eine Ausdehnung des Rostes mit Vortheil vermindern und durch eine Verkleinerung desselben mit Vortheil erhöhen lasse. Während große Roste als ein unzweifelhafter Vortheil angenommen und daher im Allgemeinen empfohlen werden, kann man sie auch zu groß machen, wo sie dann keineswegs die Verbrennung beeinträchtigen, wohl aber die ökonomische Verdampfungskraft vermindern. Eine concentrirte und rasche Verbrennung ist die wahre Praxis, sowohl bei den größten als bei den kleinsten Kesseln; bei den Locomotiven wo Leichtigkeit, Gedrängtheit und eine große Wirkung Hauptbedingungen sind, sollten die Kessel für das größte durchschnittliche Verdampfungsverhältniß per Fuß des Rostes construirt werden, welches mit der möglichst raschen und dabei zweckmäßigen Verbrennung der Kohks verträglich ist. Nach genauen Versuchen können 150 bis 160 Pfd. guter Kohks auf 1 Quadratfuß Rost in der Stunde verzehrt werden; für minder gute Kohks kann man als durchschnittliches Maximum 112 Pfd. per Quadratfuß des Rostes und per Stunde annehmen. Daraus folgt, daß das mittlere Maximum einer ökonomischen Verdampfung 16 Kubikfuß Wasser per Quadratfuß Rost in der Stunde beträgt, wobei 9 Pfd. Wasser durch 1 Pfd. Kohks verdampft werden und 85 Quadratfuß Heizoberfläche auf den Quadratfuß Rost treffen. Eine 85mal größere Heizoberfläche als die des Rostes ist eine gewöhnliche Annahme in der Praxis. Der Verf. zeigte auch durch Beispiele einer minder ökonomischen Verdampfung, daß der Raum zwischen den Röhren zur Circulation von Wasser und Dampf in manchen Kesseln viel zu gering ist, und daß der Zwischenraum mit der Anzahl der Röhren verhältnißmäßig größer gemacht werden muß (um 1/8 Zoll für je 30 Röhren). Den langen Stephenson'schen Kessel erwähnte er als das beste Beispiel von Leichtigkeit, Gedrängtheit und Verdampfungskraft. Endlich kam der Verf. auf seine praktischen Untersuchungen über das Blaserohr; er zog daraus die Folgerung, daß in allen praktischen Fällen – bei einem richtigen Verhältniß zwischen allen Theilen des Kessels – das Blaserohr eine mehr als hinreichende Weite erhalten kann, so daß der Dampf bei allen Geschwindigkeiten der Maschine frei entwickelt und kein Gegendruck durch unvollkommenes Ausblasen veranlaßt wird. Bemerkungen zu Clark's Abhandlung. Bei der Discussion von Clark's Abhandlung in der Gesellschaft der Civilingenieure wurden dessen Folgerungen hinsichtlich des Einflusses her Feuerkasten- und Röhren-Oberfläche auf die Verdampfung des Kessels zugegeben; ebenso wurde zugegeben, daß es gleichgültig ist, ob die Verdampfung durch strahlende oder mitgetheilte Wärme oder beide zugleich erfolgt, endlich ob der Zug sanft oder stark ist. Einige Ingenieure befolgen als praktische Regel, 5 Quadratfuß Heizfläche auf 1 Kubikfuß in der Stunde verdampften Wassers anzunehmen, und 100 Quadratfuß Verdampfungsoberfläche auf 1 Quadratfuß Rost. Diese Resultate stimmen mit dem Maximum der von Clark empfohlenen Verhältnisse überein. Es wurde auch zugegeben, daß die Intensität der Verbrennung einen wesentlichen Einfluß auf die Größe der zu einer ökonomischen Verdampfung nothwendigen Heizoberfläche hat, indem die letztere in dem Maaße geringer ist, als die Intensität der Verbrennung größer ist. Andererseits wurde bestritten, daß Clark's Formel sich auf alle Locomotiven anwenden lasse, und es wurde die nachstehende Tabelle mitgetheilt, welche die Leistungen verschiedener Maschinen enthält, von denen einige eine größere und andere eine geringere Wasser-Verdampfung und Kohksverbrauch per Quadratfuß des Rostes und per Stunde zeigten, als die Formel ergibt. Leistungsresultate von Locomotiven, verglichen mit Clark's Formel. Textabbildung Bd. 128, S. 329 Name oder Nummer der Maschine; Ganze Heizoberfläche; Ganze Rostoberfläche; Anzahl der fortgeschafften Wagen; Geschwindigkeit in der Stunde; Wirkliche Verdampfung per Quadratfuß in der Stunde; Verdampfung nach Clark's Formel; Wirklicher Kohksverbrauch per Quadratf. in der Stunde; Kohksverbrauch nach Clark's Formel; Procente der Differenz an Wasser; Procente der Differenz an Kohks; Datum und Name des Beobachters; Experiment; Rocket; Heron und Prinz von Wales Als Beweis der Unzweckmäßigkeit langer Röhren wurden die Leistungen einer Gepäcklocomotive auf der London-Nordwestbahn vor und nach ihrer Abänderung mitgetheilt. Ursprünglich hatte die Maschine 14 Fuß lange Röhren mit einer Gesammtoberfläche von wenigstens 800 Quadrat-Fuß; die Länge der Röhren wurde alsdann um 4 Fuß 9 Zoll vermindert und dadurch die Gesammtoberfläche auf ungefähr 500 Quadrat-Fuß reducirt; man fand, daß dadurch bedeutend an Brennmaterial erspart wurde, indem die per Tonne und Meile verbrauchten Kohks bei langen Röhren 0,504 Pfd., mit kurzen Röhren aber nur 0,298 Pfd. betrugen. – Der rückwirkende Druck des Dampfes war für die langröhrige Maschine sehr hinderlich, was folgender Versuch zeigte: Eine einzige nach dem neuen System construirte Maschine und zwei von der gewöhnlichen Art wurden zur Bewegung zweier Züge, jeder von 170 Tonnen Schwere, angewendet; obgleich die einzelne Locomotive eine um 43 Proc. geringere Kraft hatte als die andern beiden zusammengenommen, und um 20 Proc. weniger Heizoberfläche als diese, so legte sie doch die Entfernung von 111 engl. Meilen in einer um 10 Minuten kürzeren Zeit und mit einem um 3 Pfd. per Meile geringeren Brennmaterialverbrauch zurück. – Bei der neuen Einrichtung, wonach die Röhrenplatte in einiger Entfernung von dem Feuerkasten in dem cylindrischen Theil des Kessels angebracht wird, werden die Röhren nicht mehr mit Cinders gefüllt, oder gar von denselben verstopft. Man konnte auf diese Weise die Weite der Röhren von 1 3/4 Zoll auf 1 3/8 Zoll vermindern, wobei derselbe Kessel eine gleiche Oberfläche von Flammendurchgängen hatte, während zugleich das Verhältniß der Röhrenheizungsoberfläche um 34 Proc. auf den laufenden Fuß der Röhren erhöht und eine viel größere Flammenoberfläche gewonnen wurde. Wenn man die Verdampfungskraft der Dampfschiffskessel im Vergleich mit den besten Locomotivkesseln näher untersucht, so findet man, daß im Allgemeinen die besten jetzt gebräuchlichen Röhrenkessel von Meeresdampfschiffen dieselben Leistungen geben wie die Locomotivkessel; aber die Umstände, unter denen beide angewendet werden, sind sehr verschieden. Auf den Dampfschiffen werden Steinkohlen statt der Kohks angewendet, und der Zug wird auf eine natürliche Weise durch die Esse veranlaßt, wogegen er bei den Locomotiven durch das Blaserohr künstlich hervorgerufen wird. Man speist ferner den Schiffs-Kessel mit Salzwasser statt mit Flußwasser, und der Dampfdruck beträgt 12 bis 14 Pfd., anstatt 60 bis 80 Pfd. auf den Quadratzoll. Im Folgenden sind nun die Verhältnisse und Wirkungen beider Kesselarten mit einander verglichen.      Bei Locomotivkesseln.           Bei Schiffskesseln. 1 Quadratfuß des Feuerrostes verzehrte   ungefähr 112 Pfd. Kohks in der Stunde. 1 Quadratfuß des Rostes verzehrte ungefähr   20 Pfd. Steinkohlen in der Stunde. 1 Quadratfuß des Rostes erforderte ungefähr   85 Quadratfuß Feuerkasten- und   Röhrenoberfläche. 1 Quadratfuß des Rostes erforderte ungefähr   30 Quadratfuß Ofen- und Röhrenoberfläche. 1 Quadratfuß Rost mit der obigen Oberfläche   verdampfte in der Stunde 1008 Pfd. Wasser. 1 Quadratfuß Rost mit der obigen Oberfläche   verdampfte in der Stunde 170 Pfd. Wasser. 1 Quadratfuß der Oberfläche von den Zügen   verdampfte 11,7 Pfd. Wasser in der Stunde 1 Quadratfuß Zugoberfläche verdampfte 5,66   Pfd. Wasser. 1 Pfd. Kohks verdampfte 9 Pfd. Wasser. 1 Pfd. Steinkohle verdampfte 8,5 Pfd. Wasser 1 Pferdekraft (gleich 33000 Pfd. 1 Fuß hoch in   der Minute gehoben) erforderte ungefähr 4   Pfd. Kohks per Stunde. 1 Pferdekraft (gleich 33000 Pfd. 1 Fuß hoch in   der Minute gehoben) erforderte ungefähr 4,25   Pfd. Steinkohlen per Stunde. Aus diesen Resultaten geht hervor, daß, obgleich das Verhältniß zwischen der Oberfläche des Rostes und der Züge sehr verschieden ist, doch die Menge des verdampften Wassers und die durch den Verbrauch eines gegebenen Brennmaterialgewichts erzeugte Kraft einander fast gleich sind, wenn man die Verschiedenheit des Verdampfungsvermögens der Steinkohlen und der Kohks berücksichtigt.