Titel: Ueber die Traubensäure.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXXXVII., S. 360
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LXXXVII. Ueber die Traubensäure. Aus dem Journal de Chimie médicinale, März 1853, S. 145. Ueber die Traubensäure. In gewissen Fällen finden sich, wenn man die Weinsteinsäure krystallisiren läßt, zwischen den voluminösen Krystallen und in den Höhlungen der Krystallmassen kleine nadelförmige Krystalle, welche sich von den übrigen auch durch ihre weißere Farbe unterscheiden; sie bestehen aus Traubensäure. Diese Säure wurde von Hrn. Ch. Kestner, Fabrikant chemischer Producte zu Thann, im Depart. des Oberrheins, im I. 1820 entdeckt; er hatte sie nicht in kleinen Mengen, sondern in Massen, Centnerweise, erhalten. Im J. 1849 wollten mehrere Chemiker, unter andern Hr. Pelouze, diese Substanz näher studiren und wandten sich deßhalb an Hrn. Kestner, von welchem sie zu ihrer Verwunderung erfuhren, daß ihm seit dem J. 1820 diese neue Säure nicht mehr vorgekommen sey, obwohl er in seinem Verfahren bei der Weinsteinsäure-Fabrication nichts geändert habe; doch glaube er sich zu erinnern, daß der zur Zeit ihrer Entdeckung angewandte rohe Weinstein aus Italien bezogen wurde, während er seitdem solchen aus den Vogesen anwandte. Im J. 1849 veröffentlichte Hr. Pasteur eine interessante Arbeit über die Traubensäure und namentlich über ihr Verhalten zum Licht; er konnte aber nur mit kleinen Mengen dieser Säure, welche er von Hrn. Kestner empfing, operiren. Seitdem brachte er in Erfahrung, daß in England diese Säure ziemlich häufig in der aus Deutschland bezogenen Weinsteinsäure beobachtet wurde; er wendete sich daher nach Deutschland. Unlängst erhielt die französische Akademie der Wissenschaften zwei interessante Mittheilungen über die Traubensäure, eine von Hrn. Kestner, die andere von Hrn. Pasteur. Hr. Kestner fand, als er vor einiger Zeit weinsteinsauren Kalk behandelte, den er von einem Apotheker in Deux-Sèvres gekauft hatte (er war gewonnen durch Behandlung des Weinsteins zuerst mit Kreide und hernach der vom Niederschlag abgegossenen Flüssigkeit mit Chlorcalcium) ein Procent Traubensäure. Der ursprünglich angewandte rohe Weinstein war von Saintonge. Erst in der letzten Zeit, wo er toscanischen Weinstein verarbeitete, fand er ebenfalls Traubensäure, jedoch in viel geringerm Verhältniß. Er übersandte der Akademie der Wissenschaften beiläufig 4 Kilogr. dieses seltenen Körpers. Hrn. Pasteurs Abhandlung ist von nicht geringem Umfang; sie enthält alle die Aufschlüsse, welche er sich in vielen Fabriken etc. verschaffte. Aus den Mittheilungen beider Genannten, vorzüglich aber des Hrn. Pasteur, kann man folgende Schlüsse ziehen: 1) die Traubensäure ist ein Naturproduct; 2) sie kommt nur in einigen Weinsteinsorten vor, in den andern wenig oder gar nicht. Zu den ersteren gehören diejenigen aus Italien, Oesterreich, Steyermark, Ungarn, und von den französischen der von Saintonge; zu den letztern der Weinstein aus den Vogesen etc.; 3) der rohe Weinstein enthält mehr Traubensäure als der raffinirte; je mehr der Weinstein durch Krystallisation gereinigt wird, desto mehr Traubensäure scheint er zu verlieren, indem dieselbe in der Mutterlauge zurückbleibt; 4) in den Fabriken, wo Weinstein im Großen raffinirt wird, wendet man lange Zeit, Jahre hindurch, dieselben Mutterlaugen an; in dem Maaße als mehr oder weniger raffinirter Weinstein sich niederschlägt, wird er durch rohen ersezt. Die Traubensäure scheint sich in merklicher Weise nur dann abzusetzen, wenn die Mutterlauge eine gewisse Menge von ihr enthält, und unter übrigens gleichen Umständen um so reichlicher darin vorhanden zu seyn, wenn die Lauge schon lange gebraucht wird und folglich schon viel rohen Weinstein in sich aufgenommen hat. In der Regel dürfte sie erst nach mehreren Jahren sich abzusondern anfangen.