Titel: Ueber die Vertilgung der Termiten durch Gase; von Hrn. de Quatrefages.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. XCIII., S. 379
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XCIII. Ueber die Vertilgung der Termiten durch Gase; von Hrn. de Quatrefages. Aus den Comptes rendus, März 1853, Nr. 13. Quatrefages, über die Vertilgung der Termiten durch Gase. Die Termiten sind bekanntlich zur Ordnung der Neuropteren (Netzflügler) gehörige Insecten, welche die warmen oder doch gemäßigten Gegenden der beiden Continente bewohnen. Auch ist bekannt, daß sie hinsichtlich ihrer Sitten sich den Ameisen nähern, aber weit mehr zu fürchten sind. Von Reisenden erhielten wir eine Menge Nachrichten über die von diesen Insecten angestellten Verheerungen und über die Gefahren, welchen sogar der Mensch durch sie ausgesetzt ist, indem sie seine Wohnungen überfallen. Von der Wahrheit dieser Berichte kann man sich in Frankreich selbst überzeugen. Vor etwa 20 Jahren beobachtete Hr. Andouin in den westlichen Departements den Termes lucifugum Ross., eine der kleinsten unter den bekannten Species, deren Larven den Ameisen von mittlerer Größe gleichen; sie haben einen durchscheinenden Körper und äußerst zarte Gewebe. Die Einwohner von Saintes, Rochefort und Tonnay-Charente sind durch die Vermehrung dieser Termiten großen Gefahren ausgesetzt, indem an besagten Orten Dächer und Fußböden oft unversehens einstürzten, ja ganze Häuser bis auf den Grund untergraben wurden, und deren Einwohner sie daher verlassen oder neu aufbauen mußten. Im J. 1843 durchreisten die HHrn. Milne Edwards und Blanchard jene Gegenden und bestätigten diese Thatsachen. Ich machte meine Beobachtungen in Rochelle. In dieser Stadt haufen die Termiten nur an zwei, an ihren entgegengesetzten Enden gelegenen Punkten, welche durch den Hafen und die Bassins getrennt sind. Im Arsenal kommen sie bis jetzt bloß in den untern Sälen vor, da eine beständige Ueberwachung sie von den obern Stockwerken noch zurückhielt. Dagegen wurden die Präfectur und einige Häuser in deren Nähe durch die Termiten vom Keller bis zum Dachboden ganz verwüstet. Daß sich diese Insecten bisher auf die genannten beiden Punkte beschränkten, scheint sich dadurch zu erklären, daß für das Arsenal und die Präfectur von denselben angefressenes Bauholz verwendet wurde. Es ist aber nicht zu hoffen, daß es dabei bleiben werde; ein einziges, der Vermehrung dieser Insecten besonders günstiges Jahr kann hinreichen, um die ganze Stadt mit ihnen zu überziehen. In dem Garten der Präfectur sind die kräftigsten Bäume eben so von ihnen überfallen wie die jährigen Pflanzen. Kurz vor meiner Ankunft wurde ein bis auf die Zweige unterwühlter Pappelbaum umgehauen, und ich sah Dahlien ausreißen, deren Stengel von Termiten ganz erfüllt und die Knollen ganz ausgehöhlt waren. Die den Sträuchern und den Baumästen gegebenen Schuhpfähle werden von diesen Insecten an ihrer Basis schnell zerfressen, und manchmal noch ziemlich weit über dem Boden angegriffen. Ich brauchte nur einen Pfahl einzustecken oder Brettchen auf den Boden einer Rabatte zu legen, um die Oberfläche des Holzes in 24 bis 48 Stunden ganz durchwühlt zu finden. Im Palast und dessen Nebengebäuden ist kein Brett, kein Balken, welche als unverletzt betrachtet werden könnten; vor einigen Jahren brach der Hauptbalken eines Schlafzimmers mitten in der Nacht und fiel auf ein glücklicherweise leeres Bett herab. Ich sah einen ganz neu reparirten Plafond, welcher an demselben Tage wo ihn die Arbeiter verließen, in seiner Mitte mehrere Centimeter lange Termiten-Gänge zeigte. Es versteht sich, daß unter solchen Umständen ein Gebäude sehr an Werth verlieren muß. Die Gefahr welche die Arbeit dieser Insecten herbeiführt, ist um so größer, da man sie nicht frühzeitig genug gewahr wird, um sich davor zu schützen. Die Termiten arbeiten immer verdeckt und lassen die Oberfläche der von ihnen angegriffenen Körper mit größter Vorsicht unangetastet. Innerlich ganz ausgehöhlte Balken haben äußerlich ihren Anstrich noch unverletzt; die übrig gebliebene Außenwand hat bei einem solchen an manchen Stellen kaum mehr die doppelte Dicke eines Papierblattes, und das von verlassenen Zellen erfüllte Innere ist ganz zerreiblich geworden. Hr. Andouin erzählt sogar von Archiven, die von den Termiten fast ganz zerfressen wurden, ohne daß man es den Papierpäcken außen ansehen konnte, indem die Insecten den Rand der Bögen und die oberen Blätter nicht berührt hatten. Seitdem hat man die Acten in Zinkbüchsen aufbewahrt. Versuche die Termiten zu vertilgen, wurden meines Wissens noch wenig angestellt. Gebrannter Kalk und arsenige Säure in Pulverform wurden schon öfter mit einigem Erfolg an den Eingang ihrer Gänge gestellt. Diese Mittel sind jedoch stets unzureichend. Einer Dame gelang es, sie durch Anwendung siedender Lauge aus ihrem Garten zu vertreiben. Ich weiß nicht, wie weit sich dieses Mittel für den Erdboden eignet; in einer Wohnung aber wäre es offenbar unwirksam. Mehrere Versuche, die Termiten in der Präfectur zu Rochelle zu vertilgen, waren erfolglos. Bekanntlich hat Thenard in seinem Hause die Mäuse durch Schwefelwasserstoffgas vertilgt, was mich auf den Gedanken brachte ebenfalls Gase anzuwenden; da aber Schwefelwasserstoffgas auf die wirbellosen Thiere nur eine schwache Wirkung äußert, so mußte ich ein anderes Gas wählen. Ich hoffte das beste vom Chlor und den gasförmigen Sauerstoffsäuren und stellte daher Versuche an mit Salpetergas und salpetriger Säure, mit Chlor und mit schwefliger Säure, und zwar 1) mit den beinahe reinen Gasen, um mich von ihrer Wirksamkeit überhaupt zu überzeugen; 2) mit denselben Gasen, die mit bestimmten Quantitäten atmosphärischer Luft gemischt waren, um die Intensität ihrer Wirkung annäherungsweise kennen zu lernen; 3) suchte ich die Umstände, unter denen man bei ihrer wirklichen Anwendung zu operiren hat, künstlich herzustellen. Zu der ersten Versuchsreihe bediente ich mich kleiner gläserner Cylinder, worin ich zwölf ganz gesunde Termiten mit dem betreffenden Gase zusammenbrachte. In der schwefligen Säure und im Chlor erfolgte ihr Tod sogleich; 10–15 Secunden dauerndes Verweilen in der erstem, und 5–6 Secunden dauerndes im Chlor reichte immer hin, um alle Termiten zu tödten. Im Salpetergas (Stickoxyd) gaben sie kein Zeichen von Uebelbefinden; sobald aber die röthlichen Dämpfe der salpetrigen Säure an sie gelangten, war der Erfolg wie bei den vorhergehenden Gasen, nur um etwas langsamer. Zu der zweiten Versuchsreihe bediente ich mich graduirter Röhren, um die Vermischung der Gase mit Luft in bestimmtem Verhältniß vornehmen zu können. Das Salpetergas im Verhältniß von 1/10, selbst von 1/5, hatte nur eine unbedeutende Wirkung. Schweflige Säure in gleicher Menge wirkt schon auffallend. Das Chlor in demselben Verhältniß tödtet sämmtliche Insecten. Der Tödtung der Termiten nach einstündigem Verweilen derselben in 1/10 Chlor enthaltender Luft kann man sich versichert halten; bei 1/5 Chlor in einer halben Stunde. Zu der dritten Versuchsreihe diente 1) eine sehr große Flasche, worin sich seit mehreren Tagen allerlei Trümmerwerk befand, das mehrere Tausend Termiten enthielt. Dieselben hatten auf dem Boden regelmäßige Gänge gebaut, welche von einer mehrere Centimeter dicken Schicht bedeck waren, die aus Trümmern und Erde, ohne Ordnung auf einander gehäuft, bestund. Ohne die Flasche zu verpfropfen, leitete ich einen Strom Chlorgas in ihren obern Theil und unterbrach diese Operation sobald das Gas durch den Hals der Flasche auszutreten begann, worauf ich die Flasche bloß mittelst eines Papierblatts verschloß. Nach 20 Stunden warm beinahe alle Termiten todt und die noch lebenden offenbar krank. 2) Ein 70 Centimeter langes und 4 Centimeter weites Porzellanrohr wurde mit Holzstücken, Trümmern und Erde gefüllt, welche Termiten enthielten. Das eine Ende der Röhre wurde mit einem Gasapparat verbunden, dem andern aber die Einrichtung gegeben, daß die Gase leicht austreten, die Insecten jedoch nicht entweichen konnten. Ich ließ alsdann einen Strom Chlorgas eintreten, womit ich innehielt, nachdem 10 bis 12 Minuten lang Chlor am andern Ende zu riechen war. Unmittelbar darauf wurde der Inhalt des Rohrs genau durchsucht, es waren aber keine lebenden Termiten mehr zu finden; am Tage darauf waren zwar drei Individuen wieder zu Bewegung gekommen, jedoch sichtbar krank; am dritten Tage waren sie alle todt. – Schweflige Säure gab ein gleiches Resultat. Zeit und Umstände verhinderten mich, von dem Verfahren eine wirkliche Anwendung zu machen; in gewissen Beziehungen waren offenbar die Umstände des Experiments minder günstig, als sie bei der ernstlichen Anwendung des Verfahrens seyn würden, indem die einzeln in der Erde steckenden Termiten gegen das Gas viel besser geschützt blieben, als dieß bei einem offenen Gang der Fall wäre. Ich glaube hiemit nachgewiesen zu haben, daß die Termiten (und andere Insecten) in ihren tiefsten Schlupfwinkeln durch Einströmenlassen von Gasen sicher getödtet werden können. Die praktische Anwendung dieses Verfahrens unterliegt natürlich Abänderungen je nach den Umständen. Jedenfalls müssen die Stellen vorher genau untersucht werden, um die Vorrichtung möglichst nahe an den Löchern der Gänge anbringen zu können. Je größer die Ausdehnung des Ortes ist, wo das Verfahren angewendet werden soll, desto mehr Apparate wird man brauchen und desto länger wird man sie wirken lassen müssen, und zwar gleichzeitig und vorzüglich in den obern Gängen der Löcher, wozu man das Gas unter einem gewissen Druck entwickeln kann. In den meisten Fällen dürfte das Chlor als wirksamer, leichter zu bereiten und minder kostspielig, den andern Gasen vorzuziehen seyn. Auch ist die Einathmung desselben leichter zu ertragen als diejenige der schwefligen Säure. Um die Termiten mit größerm Erfolg zu zerstören, würde man am besten die Zeit wählen, wo die Weibchen befruchtet in ihre Löcher zurückkehren, welcher Zeitpunkt jedoch noch nicht genau ermittelt ist. Um der Wirkung, welche das Chlor und die schweflige Säure auf Metalle, auf die Möbel eines Zimmers, selbst auf das Innere der Balken ausüben dürften, zu begegnen, könnte man nach der Anwendung jener Gase noch Ammoniakgas einströmen lassen. Wenn die Termiten an einem Orte stark um sich gegriffen haben, gehört zu ihrer Vertreibung gewiß Ausdauer und die Operation wird öfters wiederholt werden müssen; wo sie sich aber auf kleinere Bezirke beschränken (wie in Rochelle), kann ihrer weitern Verbreitung gewiß ziemlich rasch und leicht begegnet werden.