Titel: Ueber die Auflöslichkeit der Kieselsäure in Wasser; vom Bergrath Heinrich Kühn in Meißen.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. CX., S. 441
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CX. Ueber die Auflöslichkeit der Kieselsäure in Wasser; vom Bergrath Heinrich Kühn in Meißen. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1853, Nr. 9. Kühn, über die Auflöslichkeit der Kieselsäure im Wasser. Obwohl die mehr oder weniger leichte Auflöslichkeit der Kieselsäure im Wasser, wie in manchen Säuren, zu den allbekannten Dingen gehört, so sind doch die Ansichten über die Zustände, welche sie bedingen, eben sowohl, als über den Grad dieser Löslichkeit bis jetzt noch sehr getheilt, und von dem wirklichen Verhalten der Kieselsäure noch im hohen Grade abweichend gewesen. Durch mannichfaltige Wahrnehmungen, welche mir einen weit höhern Grad ihrer Löslichkeit wahrscheinlich machten, als die bisher bekannte, zu einer nähern Prüfung dieser Verhältnisse hingeleitet, ist es mir geglückt, einige neue Thatsachen darüber festzustellen und zwar insbesondere eine derartige Auflöslichkeit der Kieselsäure, selbst schon im Zustande der Gallerte, in reinem Wasser nachzuweisen, daß man leicht vollkommen beständige Lösungen von 5 und mehr Procent Gehalt herzustellen vermag. Darstellungsverfahren. Die Hauptbedingung zur Darstellung einer solchen Auflösung besteht darin, daß Kieselgallerte, welche dazu dienen soll, in möglichst ausgedehnter Beschaffenheit bereitet, und gewissermaßen so lange in statu nascente erhalten wird, bis sie zur Auflösung hinlänglich vorbereitet ist. Zu dem Ende wird eine Auflösung von kieselsaurem Alkali, wozu ich mich des käuflichen sogenannten Wasserglases bediente, bis auf einen Kieselgehalt von höchstens drei Procent verdünnt und dann, bei gewöhnlicher Zimmertemperatur, unter heftigem Umrühren mit Salzsäure, von beiläufig 1,10 bis 1,13 specifischem Gewicht, möglichst rasch bis zur Uebersättigung versetzt, hierauf aber die vorwaltende Säure behutsam mit mehr nachgebrachter kieselsaurer Alkalilösung bis auf eine geringe Spur freier Säure wieder abgestumpft. Sobald sich die Abstumpfung der Säure der vollen Sättigung nähert, so wird die Flüssigkeit schwach milchig gefärbt und gelbroth opalisirend, was jedoch schon durch Zusatz weniger Säuretropfen wieder verschwindet. Kommt es nun darauf an, mit der geringsten Mühe eine ansehnliche Partie Kieselsäurelösung zu gewinnen, so kann man sich mit vielem Vortheil dieses Merkmals zur Abkürzung der Operation bedienen, indem dadurch allezeit das nicht mehr ferne Eintreten der Gallertebildung angedeutet wird. Zu dem Ende muß man die Sättigung der Flüssigkeit genau bis zum ersten Erscheinen dieser Färbung führen, ohne jedoch die ersten Anfänge derselben zu überschreiten, weil dann nicht selten die Gerinnung plötzlich und unter Entstehung einer zu dichten Gallerte erfolgt. Die nur schwach opalisirende Flüssigkeit wird langsam bis auf höchstens 25° R. erwärmt, hierbei aber zur Erlangung einer möglichst gleichförmigen Temperatur in ununterbrochener Bewegung erhalten. In der Regel tritt dann schon im Laufe der ersten halben Stunde, noch lange bevor die Solution eine Temperatur von 25° R. erlangt hat, ihre Gerinnung ein. Die so gebildete Gallerte ist in den ersten Secunden ihres Entstehens ungemein locker und schwach zusammenhängend. In sehr kurzer Zeit nimmt sie aber, sich selbst überlassen, eine festere, ihrer Löslichkeit widerstrebende Consistenz an. Deßhalb hat man den Moment ihrer ersten Bildung sorgfältig wahrzunehmen, und, sowie diese erfolgt, die ganze Masse rasch in ein anderes, mit dem halben Gewicht derselben kalten Wassers gefülltes Gefäß umzugießen, um das Weitervorschreiten der Gerinnung zu verhindern, was inzwischen theilweise doch nicht allezeit ganz zu vermeiden ist. Will man sich daher mit Sicherheit eine ganz lösliche Kieselgallerte verschaffen, so ist es besser die Sättigung nicht bis zum Opalisiren der Flüssigkeit zu treiben. Die Gerinnung erfolgt dann zwar allezeit etwas später als im entgegengesetzten Falle, sie schreitet aber auch, schon eingetreten, nur langsam vorwärts, so daß man leicht die zweckmäßigste Consistenz derselben zu erhalten vermag. Die so verdünnte Kieselgallerte wird jetzt auf ein Verdrängungsfiltrum gebracht, wozu man sich am besten eines, an beiden Enden offenen Glascylinders bedient, welcher an dem einen Ende mit einem etwas weitmaschigen baumwollenen Zeuge, z.B. Linon, als Filtrum überbunden wird. Bei großer Lockerheit der Gallerte pflegt anfangs in der Regel etwas davon mit durch das Filtrum zu gehen, welches wieder zurückgebracht wird. Sehr bald aber läuft nur noch klare Flüssigkeit hindurch. Die Gallerte erlaubt in diesem Zustande dem Aussüßwasser einen leichten Durchgang und läßt sich daher durch wiederholtes Aufgießen von Wasser von allen beigemischten Salzen leicht vollkommen befreien. Das Auswaschen derselben darf übrigens, will man nicht großen, ohnedieß nicht ganz unvermeidlichen Verlust an Kieselsäure erleiden, nur mit kaltem Wasser erfolgen. Auch muß die Gallerte ununterbrochen mit einer Wasserschicht bedeckt gehalten werden, um sie gegen mehrere Zusammenziehung zu schützen. Soll daher diese Operation vor ihrer Beendigung unterbrochen werden, so muß man den Filtrircylinder, bis zur Erneuerung des Auswaschens, in der Zwischenzeit in ein anderes Gefäß stellen, welches bis zu gleicher Höhe mit dem Stande der Kieselgallerte im Filtrircylinder mit Wasser gefüllt ist. Die Unterlassung dieser Maaßregel würde nämlich den Nachtheil herzuführen, daß die Gallerte, nach dem Abfließen des darüberstehenden Wassers, alsobald einen beträchtlichen Theil ihres eigenen Wassergehaltes gehen lassen und dadurch eine festere Consistenz gewinnen würde. Die so erhaltene Kieselgallerte ist mm, wenn die vorbezeichneten Operationen sämmtlich mit hinlänglicher Genauigkeit ausgeführt worden sind, in kochendem Wasser vollkommen auflöslich. Zur Herstellung einer wässerigen Auflösung wird sie nunmehr in einen Kolben gebracht, mit gleichem Volumen von Wasser gemischt, und hierauf in anhaltendes Kochen versetzt, indem man von Zeit zu Zeit das verdunstete Wasser wieder ersetzt. Durch 12- bis 16stündiges Kochen läßt sich die so bereitete Kieselgallerte, bis auf kleine Partien, welche zufällig eine etwas stärkere Zusammenziehung erhalten haben, vollständig auflösen. Auch etwas consistentere Gallerte läßt sich zwar noch zur theilweisen Herstellung wässriger Auflösung benutzen, der größere Theil derselben bleibt dann aber unaufgelöst zurück. In flachen Gefäßen darf das Kochen, abgesehen von der starken Verdampfung des Wassers, nicht vorgenommen werden, weil sich, sobald die Oberfläche der kochenden Lösung nicht mit einer Schicht von Wasserdunst bedeckt bleibt, sogleich feste Partien von unlöslicher Kieselsäure bilden. Die Lösung wird hierauf von dem etwa darin befindlichen Bodensatze abgegossen und dann durch Einkochen concentrirt, wozu man, aus dem angedeuteten Grunde, gleichfalls ein hohes Gefäß verwenden muß. Leicht kann man sie auf diese Weise bis zu einem Gehalte von sechs und mehr Procenten einengen. In gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt ist sie, so dargestellt, keiner Veränderung mehr unterworfen. Eigenschaften der wässerigen Lösung der Kieselsäure. Die so bereitete Auflösung ist noch bei 5 bis 6 Procent Säuregehalt vollkommen flüssig und filtrirbar. In letzterer Hinsicht kann man aber leicht getäuscht werden, weil sich auf der untern Seite des Filtrums, sobald dasselbe nicht über einem mit Wasserdunst gefüllten Gefäß steht, durch Verdunstung des Wassers bald eine verdickte Kieselsäureschicht bildet. Sie ist, je nach ihrem Concentrationsgrade, stärker oder schwächer milchweiß gefärbt, mit gelbrother Färbung opalisirend und vollkommen klar. Dieser Färbung nach möchte wohl anzunehmen seyn, daß sich die Kieselsäure in einem Mittelzustande zwischen bloßer Suspendirung und wirklicher Auflösung darin befindet. Eine weitere Concentrirung der Auflösung geht am besten unter einer Glocke mit Schwefelsäure, oder im luftleeren Raume vor sich. Auf diese Weise kann man sie leicht mit 10 und mehr Procent Gehalt gewinnen. Auch bei diesem Concentrationsgrade kann sie, gegen Wasserentziehung geschützt, anhaltend ohne Gerinnung gekocht werden. Schon bei 10 Procent Gehalt ist sie von dicklich ölartiger Consistenz, welche jedoch durch Vermischung mit Wasser sogleich wieder in eine wässerig flüssige verwandelt wird. Alkohol bringt in Lösungen von 5 Procent Gehalt eine theilweise Fällung der Kieselsäure als ein sehr zartes, lange in der Flüssigkeit schwebendes Pulver hervor. Durch reichlichen Zusatz von Schwefelsäure wird die Auflösung coagulirt. Auch durch Frost wird sie als amorphes Pulver ausgeschieden. Alle diese Ausscheidungen haben ihre Löslichkeit im Wasser eingebüßt. Auf der Zunge bringt die Kiesellösung einen etwas adstringirenden Eindruck, jedoch ohne allen Geschmack nach Säure, hervor. Auf Lackmustinctur ist sie ohne alle Einwirkung. Langsam verdunstet, verdickt sie sich nach und nach immer mehr, indem sie zuletzt festes Kieselsäurehydrat von opalartigem Ansehen zurückläßt, welches sich aber vom natürlichen Opal durch sein ungemein geringes specifisches Gewicht und große Porosität unterscheidet. Ins Wasser geworfen, schwimmt es daher Anfangs darauf. Bald aber saugt es sich voll damit, indem es zugleich ein krystallhelles Ansehen gewinnt und darin untersinkt. Größere Stücke zerspringen dabei gewöhnlich in mehrere kleine. Schwach geglüht, wird es dichter und dem Opale in hohem Grade ähnlich. Dadurch entgeht ihm aber der Wassergehalt, der den Opal charakterisirt. In sehr starker Glühhitze verliert es, gleich dem Opal, seinen Zusammenhang und wird weiß und undurchsichtig. Eine ungemein geringe, durch einen einfachen Kupfer- und Zinkstreifen gebildete elektrische Strömung reicht schon hin, die Kieselsäure in kurzer Zeit auszufällen, wobei sie sich hauptsächlich am Pluspole, in geringerem Grade aber auch am Minuspole in Gestalt dicker gallertartiger Klumpen sammelt, die leicht an der Luft austrocknen und ebenfalls feste Kieselsäure zurücklassen. Einmal getrocknet, hat die Kieselsäure ihre Löslichkeit in Wasser für immer verloren. Behandelt man reine Kieselgallerte statt des Wassers mit Aetzammoniak, so geht die Auflösung noch schneller von statten. Durch sehr anhaltendes Kochen scheint sich aber das Ammoniak wieder von ihr trennen zu lassen. Die Auflösung zeigt übrigens fast gleiches Verhalten, wie die reine wässerige Lösung. Nur sind ihre durch Elektricität gebildeten Niederschläge nach dem Verdunsten ihres Wassergehaltes mehr gelblich gefärbt, als die aus reinem Wasser erhaltenen. Ein sehr eigenthümliches Verhalten ist die schon bemerkte geringe Dichtigkeit der eingetrockneten Kieselsäure. Sie nähert sich darin etwas dem Hydrophan. Doch ist auch dieser noch ansehnlich schwerer, als die nur eingetrocknete Kieselsäure. Wird der Kiesellösung im Wasser fein zertheilte Kieselgallerte beigemengt und mit derselben eingetrocknet, so verlieren die Rückstände je nach der Größe dieses Zusatzes auch mehr oder weniger ihre Durchsichtigkeit und den ziemlich starken Bruchglanz, den die reine Kieselsäure vorzüglich dann zeigt, wenn sie durch Glühen mehr verdichtet worden ist. Ihr ganzes Ansehen nähert sich dann überhaupt immermehr den rein mechanischen, nur aus feinen isolirten, durch Druck oder Zusammenkittung zu einem festen Ganzen vereinigten Theilchen bestehenden Niederschlägen, und es lassen sich dadurch, indem nämlich der Zusatz ungelöster Kieselgallerte bis zum endlichen Verschwinden der wirklichen Lösung gesteigert wird, eine Reihe von Uebergängen herstellen, welche eine sehr auffallende Analogie mit den natürlichen Uebergängen des Opals durch den Feuerstein und Hornstein bis zu manchen Jaspisarten herab, zeigt.