Titel: Neues System von runden, sich drehenden Schützen, zum Ersatz der gewöhnlichen bei Schleußen und Canälen angewendeten Schützen; von dem belgischen Ingenieur Dincq.
Fundstelle: Band 129, Jahrgang 1853, Nr. I., S. 1
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I. Neues System von runden, sich drehenden Schützen, zum Ersatz der gewöhnlichen bei Schleußen und Canälen angewendeten Schützen; von dem belgischen Ingenieur Dincq. Aus Armengaud's Génie industriel, Mai 1853, S. 234. Mit Abbildungen auf Tab. I. Dincq's neues System von runden, sich drehenden Schützen. Bekanntlich bestehen die bis jetzt bei den Schleußenthoren angewendeten Schützen aus senkrechten Schiebern von länglich-viereckiger Form, welche unten an den Thoren angebracht sind, und die man mittelst Zahnstangen oder Stangen mit Schraubengewinden, durch einen oben an den Thoren befindlichen Mechanismus bewegt. Diese Einrichtung hat das Nachtheilige, daß sie den Schleußenwärtern viele Mühe und Zeitverlust verursacht. Mittelst des von Dincq erfundenen Systems werden diese Nachtheile vermieden, da man mit einer größern Geschwindigkeit und mit einem geringern Kraftaufwande den Schützen öffnen und schließen kann. Dieses System hat Aehnlichkeit mit den bei den Dampfmaschinen gebräuchlichen Klappenventilen, womit der Dampf in den Leitungsröhren zugelassen und abgesperrt wird. Die erste Anwendung dieses Mechanismus wurde bei der 28sten Schleuße des Canals zwischen Charleroy und Brüssel gemacht. Die Figuren 28, 29 und 30 stellen einen von den neuen Schützen im Aufriß und im Durchschnitt (in 1/10 natürlicher Größe) dar, und zwar den am rechten Thor am obern Ende der Schleuße. Der Apparat besteht aus einem horizontalen gußeisernen Cylinder C, in welchem eine Scheibe D mit ablaufenden Kanten eingelassen ist; dieselbe ist ebenfalls von Gußeisen, und mittelst einer eisernen Welle A in zwei gleiche Theile getheilt. Letztere theilt dem Schütz die drehende Bewegung mit, die von einer Kurbel M ausgeht, welche ihrerseits auf einer gußeisernen Platte P (Fig. 31) ruht, die auf dem obern Balken des Schleußenthors befestigt ist. Die Figuren 31, 32 und 33 zeigen die einzelnen Theile des Mechanismus. So wie man aus Fig. 28 und 30 ersieht, ist der Cylinder C mit einem Kranze versehen, der in den Körper des Schleußenthors eingelassen und mittelst Schraubenbolzen a befestigt ist. Unten ist die Fläche des Cylinders mit dem ersten Querbalken des Schleußenthores in gleicher Höhe. Die Säulen oder die senkrechten Stücke, an denen der Cylinder C befestigt wird, sind rund ausgehauen, um den Cylinder fester halten zu können. Der Theil des Cylinders, welcher um 58 Centimet. an der Thorfläche hervortritt, kann in die Thorkammer eintreten, wenn die Thore für den Durchgang der Schiffe geöffnet sind. Die Welle A kann aber auch gänzlich im Gerüst des Thores eingeschlossen werden, da sie nur 4 Centimeter stark ist. Die Welle A geht, wie Fig. 29 zeigt, der Länge nach durch die Scheibe C, und zwar durch einen in der Mitte derselben angebrachten Muff, in welchem sie durch Stifte g befestigt ist. Um nöthigenfalls die Scheibe D entfernen zu können, ohne den Cylinder aus dem Thor zu nehmen, hat der Muff an seinen Enden Querschnitte von verschiedenen Durchmessern, in welche entsprechende verstärkte Theile der Welle A passen. Am untern Ende befindet sich die schwächste dieser Verstärkungen, die nur 2 bis 3 Centimet. hoch ist, so daß man bloß die Welle A um diese Größe zu heben braucht, um sie leichter aus dem Muff nehmen zu können. Diese Hebung wird mittelst einer Schraubenmutter bewirkt, welche über das obere Ende der Welle A greift, die durch vorgängiges Hinwegnehmen der Nabe, der beweglichen Kurbel M und der Stifte g frei gemacht wurde. Die Welle A, deren unterer Zapfen von gehärtetem Stahl sich in der Büchse K dreht, ruht auf zwei Punkten, nämlich auf einer gehärteten Platte am Boden der Büchse und auf der inneren Oberfläche des Cylinders – eine nothwendige Bedingung für eine leichte Bewegung der Scheibe D; denn wenn deren Gewicht nur auf der cylindrischen Oberfläche ruhte, so würde sie dieselbe zu stark abnutzen und folglich eine sehr starke Reibung auf den sich berührenden Flächen (der Scheibe und des Cylinders) veranlassen. Eine andere Bedingung, welche desselben Zweckes wegen erfüllt werden muß, besteht darin, daß der Mittelpunkt der Büchse K mit der senkrechten Achse der Scheibe und der Welle genau zusammenfallen muß; dieß wird ohne Schwierigkeit mittelst der Stellschrauben s (Fig. 28, 29 und 33) bewirkt. Zieht man die Schrauben zurück, so kann man auch die Büchse der Pfanne herausnehmen, sey es zum Auswechseln der harten Platte am Boden oder der ganzen Büchse. Die drehende Bewegung, welche die Scheibe D machen muß, erfordert, daß die Enden ihres Muffs, bei ihrer richtigen Stellung zur Achse der Maschine, zwei entgegengesetzte Segmente einer Kugelfläche von gleichem Halbmesser mit demjenigen des Cylinders darbieten, deren Größe durch den Durchmesser des Muffs bestimmt ist, und durch den Winkel, welchen die äußersten Richtungen der Scheibenebene bilden: 1) wenn die Scheibe die Schützöffnung verschlossen hat; 2) wenn sie gänzlich geöffnet ist. Die für die Scheibe bestimmte Neigung, wenn sie die Oeffnung verschließt (wobei Wasserverluste sehr gering, wo nicht unmöglich werden, und welche zugleich gestattet, die Peripherie der Scheibe leicht von den Cylinderwänden, mit denen sie in Berührung steht, zu trennen), gibt diesem Organ die Form einer Ellipse, deren senkrechte Achse der Cylinderdurchmesser, und deren horizontale Achse derselbe Durchmesser, plus einer der Neigung der Scheibe auf der Cylinderachse entsprechenden Größe, ist. Bei der 28sten Schleuße des Canals von Charleroy nach Brüssel beträgt diese Neigung 0,18 per Meter. Die Erfahrung hat gezeigt, daß dieß die Gränze ist, über welche hinaus die Ablösung der Scheibe eine mehr oder weniger große Verlängerung des Kurbelarms erfordert. Wie wir schon oben bemerkt haben, wird die drehende Bewegung der Scheibe D, deren Größe beschränkt ist, mittelst der Kurbel M bewirkt, die am obern Ende der Welle A angebracht ist, und zwar in der in Fig. 30 angegebenen Stellung, wenn die Scheibe den Durchgang des Wassers vollständig verschließt. Um nun den Schütz zu öffnen, stößt der Schleußenwärter die Kurbel gegen den Nagel H auf der Platte P, welcher den Zweck hat, sie auf ihrer Gränze während der ganzen Dauer des Wasserabflusses zu befestigen. Der Verschluß des Schützes wird dadurch bewirkt, daß man die Kurbel in ihre erste Stellung zurückführt; in dieser muß sie aber sofort befestigt werden, um zu verhindern, daß sich die Scheibe von selbst öffnet, sey es wegen der zu leichten Beweglichkeit der Vorrichtung oder aus einem andern Grunde. Zu diesem Behufe ist das vordere Ende der Platte mit einem Sperrwerk versehen, wovon Fig. 32 eine specielle Ansicht gibt; es besteht aus einer gehärteten eisernen Zahnstange t, die nöthigenfalls leicht ausgewechselt werden kann, und aus einer Sperrklinke mit Feder v, die mittelst eines Scharniers an der Kurbel angebracht ist und in die Zähne eingreift, um auf diese Weise die Kurbel in ihrer Stellung fest zu erhalten. Hebt man nun die Sperrklinke, so wird die Kurbel wieder frei und läßt sich nach H zu verschieben, woselbst man die Klinke wiederum über den Nagel H hängt, um den Schütz geöffnet zu erhalten. Da die Scheibe D der gegen sie drückenden Flüssigkeit zu beiden Seiten ihrer Achse gleiche Flächen darbietet, so muß sie sich in allen Stellungen, welche sie um diese Achse herum annehmen kann, im Gleichgewicht befinden, so daß zu ihrer Drehung eigentlich nur der Reibungswiderstand zu überwinden ist. Die Erfahrung stimmt in dieser Beziehung mit den Berechnungen überein, welche wir hier mittheilen; sie hat gezeigt, daß sich der Schütz sehr leicht bewegen läßt, wenn man einen Kurbelarm von 0,35 Meter (13 1/3 rhein. Zoll) Länge hat. Es sey F der Widerstand, welcher von der Reibung der Welle herrührt, so hat man: F = π R²Hm, worin π = 3,14 das Verhältniß des Durchmessers zur Peripherie ausdrückt; R = 0,25 Met. den Cylinderhalbmesser; H = 1,70 Met. den Druck des Wassers auf den Mittelpunkt der Scheibe; und m = 0,19 das Verhältniß der Reibung zum Druck. Substituiren wir diese Werthe in dem vorhergehenden Ausdruck, so kommt heraus: F = 63,3 Kilogr. Es sey D der größte Durchmesser der sich reibenden Theile der Welle A; r der Arm der Kurbel M, und f die auf letztere zu verwendende Kraft, um den Widerstand auszugleichen, so hat man: f = (D/2 . F)/r. Setzen wir für D und r ihren betreffenden Werth, 0,046 und 0,35 Meter, ein, so wird f = 4 Kilogr. ungefähr. Bei der obigen Berechnung ließ man den Widerstand des Mittels, worin sich die Scheibe D bewegt, unberücksichtigt, weil wegen der geringen Geschwindigkeit, welche der Vorrichtung mitgetheilt werden muß, sowohl zum Oeffnen als zum Schließen des Schützes, eine f nur wenig übersteigende Kraft zur Verdrängung der Flüssigkeit hinreicht, was die Erfahrung auch bestätigt. Es kann sich aber im Augenblick des Oeffnens des Schützes ein anderer Widerstand zeigen, der sich unmöglich a priori bestimmen läßt; derselbe hängt nicht bloß von dem sorgfältigen Ausbohren des Cylinders C und vom Abdrehen der Scheibe D, als den mit einander in Berührung stehenden Flächen ab, sondern auch, wie wir schon bemerkt haben, von dem Grade der Neigung der Scheibe zur Achse des Cylinders, und von dem genauen Zusammenfallen dieser Achse mit derjenigen der Welle A. Die für die 28ste Schleuße des Canals zwischen Brüssel und Charleroy angebrachten Apparate lassen in dieser Hinsicht nichts zu wünschen übrig und können ohne Schwierigkeiten von einem Schleußenwärter bewegt werden. Die Schütze an den oberen Thoren haben dieselbe Einrichtung wie die an den unteren; ihr Durchmesser beträgt 0,59 Met., entsprechend einem Querschnitt von etwa 0,20 Quadratmeter. Gibt man den Schützöffnungen einen größern Querschnitt, wie er bei den gewöhnlichen Schleußenschützen gebräuchlich ist (was durchaus nichts Nachtheiliges hat, da man die Schütze in einer sehr kurzen Zeit leicht nach und nach öffnen kann), so lassen sich täglich 100 Schiffe in derselben Zeit durchschleußen, in welcher man bei gewöhnlich eingerichteten Schleußenthoren nur 80 Schiffe durchlassen kann. Es wird dieß durch die auf Erfahrung begründeten Berechnungen, die mit Oeffnungen von 0,50 Met. Durchmesser angestellt worden sind, bewiesen. Wasserverluste finden bei diesem Verschluß eigentlich gar nicht statt. Wegen der Einfachheit des Apparats, der eigentlich nur aus zwei Organen besteht, und wegen seiner geringen Anstrengung beim Gebrauch, kostet er weniger als die gewöhnlichen Schütze der Schleußenthore und wird auch nicht so bald abgenutzt; andererseits erfordert der neue Apparat weder Del noch Fett, deren kostspielige Anwendung bei den Zahnstangen und Schrauben der gewöhnlichen Schütze unerläßlich ist. Als im Jahre 1848 das hier beschriebene verbesserte System bei fünf Schleußen des Canals von Charleroy ausgeführt wurde, glaubte die belgische Regierung auch einen Versuch mit den viereckigen Drehschützen machen zu müssen, welche bei dem Canal von Narbonne in Frankreich, so wie am Rhein angewendet werden. Man gab sie jedoch sogleich wieder auf, da es fast unmöglich war mit denselben einen wasserdichten Verschluß herzustellen; da wegen der Anschläge an den Gewänden die Drehungsachse die Oberfläche der Scheibe nicht gleich theilen kann, so ist die Bewegung dieser viereckigen Schütze auch weit schwieriger als die der runden, welche in vollständigem Gleichgewicht stehen. Nach obigen Betrachtungen und nach den Erfahrungen, die man bei der 28sten Schleuste des Canals von Charleroy gemacht hat, gewährt das neue System folgende Vortheile: 1) leichtere und folglich auch wohlfeilere Bewegung als bei den gewöhnlichen Schleußenschützen; 2) daher die Möglichkeit, eine größere Anzahl von Schiffen durchzuschleichen; 3) geringere Herstellungs- und Unterhaltungskosten; 4) die Möglichkeit, das Durchsickern des Wassers zu verhindern, welches bei den gewöhnlichen Schützen so bedeutend ist.

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