Titel: | Ueber die Wirkung des Natrons auf die Verbindungen des Indigos mit Schwefelsäure; von Hrn. Karl Gros-Renaud. |
Fundstelle: | Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXIV., S. 289 |
Download: | XML |
LXIV.
Ueber die Wirkung des Natrons auf die
Verbindungen des Indigos mit Schwefelsäure; von Hrn. Karl Gros-Renaud.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, 1853, Nr. 119.
Gros-Renaud, über die Wirkung des Natrons auf die
Verbindungen des Indigos mit Schwefelsäure.
Bringt man Aetznatron in Berührung mit Indigblauschwefelsäure oder Indigcarmin, so
entstehen eigenthümliche Verbindungen, welche die Eigenschaft besitzen, die Wolle
ohne Beihülfe von Beizmitteln amarantfarbig oder violett zu färben, je nachdem bei
dem angewandten Präparat die Einwirkung der Schwefelsäure auf den Indigo mehr oder
weniger vorgeschritten war.
Wenn man Indigcarmin mit Wasser anrührt, bis man eine stark blau gefärbte Flüssigkeit
erhält, hierauf Aetznatron von 38° Baumé zusetzt, bis die Flüssigkeit
eine starke gelbe Färbung zeigt, so enthält dieselbe dessen ungeachtet einen
Niederschlag suspendirt, welcher schwarz erscheint, aber durch Filtriren abgesondert
und mit Wasser ausgewaschen, letzteres blau färbt, und zwar immer dunkler, in dem Maaße als die
alkalische Reaction der Flüssigkeit verschwindet.
Man läßt die gelbe Flüssigkeit mit dem schwarzen Niederschlag stehen; dieser
Niederschlag benachtheiligt die Producte, welche man erhalten will, gar nicht, denn
er setzt sich in der Ruhe ab, und kann durch Filtriren abgesondert werden.
Folgendes beobachtet man beim Stehenlassen dieser Flüssigkeit. Die Fortschritte der
Reaction lassen sich nach dem Ansehen allein nicht beurtheilen. Wenn man eine
Quantität dieser klaren gelben Flüssigkeit, einige Stunden nach der stattgefundenen
Vermischung, mit Schwefelsäure von 66° Baumé in Ueberschuß versetzt,
so erhält man eine beständige blaue Flüssigkeit. Wenn man aber die Flüssigkeit,
anstatt sie bloß einige Stunden stehen zu lassen, erst nach 24 Stunden mit
überschüssiger Schwefelsäure von 66° Baumé versetzt, so erhält man
andere Resultate; sie nimmt eine grüne Farbe an, welche später in röthliches Grün
und hernach in Violett übergeht. Darauf beschränkt sich aber die Wirkung des
Aetznatrons auf den Indigcarmin nicht, denn wenn man sie 40 bis 48 Stunden dauern
läßt, und dann die Flüssigkeit stark mit Schwefelsäure ansäuert, so erhält man weder
Blau noch Grün mehr, sondern sie geht durch verschiedene Nüancen in ein sehr
intensives Roth über. Die Versuche welche ich im
Folgenden mittheile, beziehen sich hauptsächlich auf diese rothe Verbindung und auf
eine intermediäre violette Substanz. Bei dem Uebergang der gelben alkalischen
Flüssigkeit in die rothe Verbindung lassen sich dreierlei Verwandlungen
unterscheiden: 1) der Rücktritt der gelben Flüssigkeit in Blau durch den Zusatz
überschüssiger Schwefelsäure; 2) die Bildung einer grünen Flüssigkeit durch die
Schwefelsäure; 3) endlich das rothe Product durch Einwirkung derselben Säure.
Wenn man die rothe Flüssigkeit mit einer gewissen Menge Wasser verdünnt und sie
hierauf unvollständig mit kohlensaurem Natron sättigt, so daß sie noch deutlich
sauer bleibt, so färbt sie weiße Wolle in der Wärme rosenroth bis dunkel amarantfarbig. Für dunkle
Farben muß man die Temperatur nahe zum Sieden steigern und ein ziemlich
concentrirtes Bad anwenden; die hellen Nüancen erhält man bei einer niedrigeren
Temperatur und mit viel schwächeren Bädern.
Wenn man hingegen die gelbe Flüssigkeit, welche vor dem Ansäuern bloß 24 Stunden
stehen blieb, zum Färben der Wolle verwendet, so erhält man violette Farben.
Man könnte die erwähnte rothe Substanz leicht mit der PurpurschwefelsäureMan s. Haeffely's
Abhandlung über die Anwendung der Purpurschwefelsäure zum Färben der Wolle,
in diesem Bande des polytechn. Journals S. 224. verwechseln, ich werde aber zeigen, daß sie sich von derselben sowohl durch
die Resultate beim Färben, als durch ihre Eigenschaften unterscheidet. Zuvor muß ich
aber zwei Eigenthümlichkeiten der Purpurschwefelsäure anführen:
1) Wird Purpurschwefelsäure mit Aetznatron zusammengebracht, so zersetzt sie sich
nicht; setzt man ihr aber eine große Menge von diesem Alkali zu, so löst sich die
Säure auf, indem sie die Flüssigkeit gelb färbt. Behandelt man diese alkalische
Lösung mit Schwefelsäure von 66° B., so entsteht eine blaue Flüssigkeit; läßt
man dieselbe Lösung 24 Stunden lang stehen, so gibt sie mit Schwefelsäure kein Blau
mehr, sondern eine Flüssigkeit welche durch eine darin suspendirte weiße Substanz
getrübt ist.
2) Die in einem Bad von Purpurschwefelsäure gefärbte Wolle zeigt beim Herauskommen
eine dunkelblaue Färbung, welche schwach in Violett sticht, und wird erst durch
Passiren in kohlensaurem Natron purpurviolett.
Nachdem man jetzt diese zwei Haupteigenschaften der Purpurschwefelsäure kennt, gebe
ich an wodurch sich die rothe Substanz von ihr unterscheidet:
a) Die roth färbende Substanz ist ohne Vergleich in
Wasser löslicher als die Purpurschwefelsäure.
b) Mit Aetznatron behandelt, liefert sie eine gelbe
Flüssigkeit, selbst mit einer geringen Menge dieses Alkalis. Diese gelbe alkalische
Lösung gibt auf Zusatz überschüssiger Schwefelsäure selbst nach 24 Stunden eine
merkwürdig schöne amarantfarbige Flüssigkeit.
c) Mit Bleizucker liefert sie keinen Niederschlag,
sondern eine rosenrothe Flüssigkeit, wenn die Lösung verdünnt ist.
d) Bringt man Wolle, welcher mittelst dieser rothen
Substanz die Amarantfarbe ertheilt wurde, mit concentrirter Schwefelsäure in
Berührung, so gibt sie an letztere die rothe Substanz ab. Die auf Wolle befestigte
Purpurschwefelsäure gibt dagegen unter denselben Umständen eine blaue
Flüssigkeit.
e) Beim Färben erhält man unmittelbar Rosenroth oder
Amarantfarben, ohne daß es nöthig ist die Wolle noch mit kohlensaurem Natron zu
behandeln, wie bei der Purpurschwefelsäure.
Nach den hier aufgeführten auffallenden Unterschieden muß man diese rothe Substanz
nicht bloß als verschieden von der Purpurschwefelsäure, sondern als eine neue
Verbindung betrachten. Ueberdieß ist ihre Bildung schon eine ganz andere.
Die Indigblauschwefelsäure gibt bei Behandlung mit Natron dieselben Producte wie der
Indigcarmin.
Läßt man das Aetznatron drei Tage lang auf ein Gemisch von Indigblauschwefelsäure und PurpurschwefelsäurePuupurschwefelsäure wirken (welches sich bei Bereitung der letztem Säure bildet), so erhält
man durch Uebersättigung mit Schwefelsäure von 66° B. eine rothe Flüssigkeit
und einen gelblichbraunen Niederschlag; letzterer liefert durch Auswaschen
Flüssigkeiten welche beim Färben hellgelbe und dunkelgelbe Nüancen hervorbringen, je
nachdem das Auswaschen des Niederschlags mehr oder weniger lange gedauert hat.
Da sich die Indigblauschwefelsäure bei Gegenwart von Aetznatron so leicht zersetzt,
hingegen die Purpurschwefelsäure viel besser widersteht, so könnte man dieses
verschiedene Verhalten zur Trennung der zwei Säuren benutzen.
Die verlängerte Einwirkung des Aetznatrons auf die gelbe Flüssigkeit ist für die
Erzeugung von Roth eher schädlich als günstig; denn ich habe beobachtet, daß die
gelbe Flüssigkeit nach Verlauf von acht Tagen, auf Zusatz überschüssiger
Schwefelsäure, ein mit brauner Substanz gemengtes Roth gab.
Die Wärme läßt sich zur schnelleren Erzeugung der rothen Substanz nicht anwenden;
denn wenn die Schwefelsäure einmal das Blau nicht mehr wiederherstellen kann,
entsteht statt des rothen intermediären Products unmittelbar eine braune Färbung und
es setzt sich in der Ruhe ein brauner Niederschlag ab.
Aus allen von mir mitgetheilten Thatsachen kann man folgende Schlüsse ziehen:
1) daß sich die rothe Substanz wesentlich von der Purpurschwefelsäure
unterscheidet;
2) daß diese rothe Substanz als eine neue Verbindung betrachtet werden kann, und auch
als ein rother Farbstoff welcher sich ohne Beihülfe von Beizen auf der Wolle
befestigt;
3) daß bei der Einwirkung des Aetznatrons auf die Indigblauschwefelsäure nicht nur
eine rothe SubstanzSnbstanz entstehen kann, sondern auch ein violetter Farbstoff, der sich ebenfalls
ohne Beizen auf der Wolle befestigen läßt.