Titel: Oberflächenänderung der Gutta-percha.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXXII., S. 131
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XXXII. Oberflächenänderung der Gutta-percha. Aus Poggendorff's Annalen der Physik, 1854, Nr. 3. Ueber eine Oberflächenänderung der Gutta-percha. Wer längere Zeit die Gutta-percha angewendet hat, wird bemerkt haben, daß die Oberfläche einer sorgfältig gesäuberten Platte nach einigen Monaten stellenweise von einem bläulichen Hauche gefärbt ist, der sich, wenn er durch Abreiben entfernt wird, zu wiederholtenmalen erneut, so lange die Platte noch biegsam ist. Bleibt die Platte Jahrelang unberührt, so erscheint ihre ganze Oberfläche matt graublau, und unter dem Mikroskope erkennt man, daß die Färbung von einer außerordentlich dünnen Schicht herrührt, die bei 105facher Vergrößerung aus sehr feinen weißen Pünktchen zusammengesetzt erscheint. Diese Aenderung der Gutta-percha habe ich bei allen Fabricaten derselben gefunden, die nicht mit Firniß überzogen sind: bei Röhren, Schnüren, dicken Platten von Heller und dunkler Farbe, wie bei den dem Wachstaft ähnlichen dünnen Blättern; doch tritt sie bei der dunkelbraunen Gutta-percha früher auf als bei der hellbraunen, womit die folgende Erfahrung zu vereinigen ist. An einem Kasten, den ich vor zwei Jahren aus Platten einer hellbraunen Gutta-percha zusammengelöthet hatte, sind jetzt die Wände nur stellenweise blau, hingegen die Löthfugen und alle Stellen, die der heiße Bolzen berührt hatte, mit einer dichten blauen Decke überzogen. Es folgt hieraus, daß eine höhere Temperatur, welcher die Gutta-percha einmal ausgesetzt war, die Aenderung ihrer Oberfläche begünstigt, und daß die dunkle Sorte der Gutta-percha bei ihrer Bereitung einer größeren Hitze ausgesetzt war als die helle. Der blaue Ueberzug läßt sich mechanisch durch starkes Reiben der Platte mit einem Tuche größtentheils entfernen, chemisch und vollständig durch momentanes Eintauchen der Platte in Schwefeläther oder Terpenthinöl; Alkohol von 0,80 spec. Gewicht verändert ihn nicht. Die in der beschriebenen Weise an der Oberfläche veränderte Gutta-percha hat eine merkwürdige physikalische Eigenschaft. Die reine Gutta-percha ist bekanntlich ein guter Isolator der Elektricität und steht so tief in der elektrischen Erregungsreihe durch Reibung, daß sie mit fast allen Körpern gerieben stark negativ elektrisch wird. Ich kenne nur Schießbaumwolle, Collodium und elektrisches Papier, welche die Gutta-percha positiv elektrisiren. Durch die Oberflächenänderung erfährt die Gutta-percha keine Aenderung ihres Isolationsvermögens, aber sie ist dadurch hoch in der Erregungsreihe hinaufgerückt, und wird, mit fast allen Körpern gerieben, stark positiv elektrisch. Nur mit Glimmer, Diamant und Pelzwerk gerieben, habe ich sie negativ erhalten. Reinigt man die eine Fläche einer alten Gutta-percha-Platte mittelst Schwefeläther, so besitzt man eine Platte, deren blaue Fläche mit der Hand, Leinwand, Glas, Bergkrystall, der Fahne einer Feder, Flanell leicht gerieben, stark positiv, und deren braune Fläche mit denselben Reibern stark negativ wird. Die Veränderung der Gutta-percha hat ohne Zweifel in der, durch Einfluß der Luft und Wärme bewirkten, Ausscheidung eines Bestandtheiles der Masse ihren Grund. Ich verdanke Hrn. Heinrich Rose zwei Präparate, die aus absolutem Alkohol gewonnen wurden, der in Berührung mit Gutta-percha lange Zeit im Kochen erhalten worden war. Das eine Präparat, ein grauweißes leichtes Pulver, das aus dem heißen Alkohol bei längerem Erkalten sich von selbst abgeschieden hatte, erschien bei 300facher Vergrößerung aus kugligen Körpern mit rauher Oberfläche zusammengesetzt. Bis 100° C. erhitzt, blieb das Pulver unverändert, bei höherer Temperatur schmolz es zu einer dunklen öligen Flüssigkeit, die zu einer schwärzlichen vielfach zerklüfteten Masse erstarrte. Diese Masse, nach der vollständigen Erkaltung mit Flanell gerieben, wurde entschieden positiv elektrisch, und erhielt diese Eigenschaft, wenn sie dieselbe verloren hatte, durch Umschmelzen wieder. Die geringe Menge des Pulvers hinderte, daraus das weiße krystallisirbare Harz darzustellen, das Payen aus einem solchen Pulver ausgeschieden hat (polytechn. Journal Bd. CXXVI S. 115). Das zweite Präparat, ein gelbes amorphes Harz, das durch Abdestilliren des Alkohols erhalten worden war, enthielt Alkohol und konnte, da es deßhalb noch bei – 1° C. weich und klebend blieb, nicht untersucht werden. Die Untersuchung der von Payen aus der Gutta-percha dargestellten Harze in Bezug auf ihre elektrische Erregbarkeit dürfte in zweifacher Hinsicht interessant seyn, da wir bisher keinen vegetabilischen Stoff von so eminent positiver Erregbarkeit kennen, wie sie die veränderte Oberfläche der Gutta-percha zeigt, und ferner die Bildung der blauen Schicht mit der unglücklichen Aenderung der Gutta-percha in eine spröde zerbrechliche Masse zusammenzuhängen scheint. P. Rieß.