Titel: Ueber das Murexid-Roth auf Wolle. – Bericht über A. Schlumberger's Abhandlung, von Hrn. Daniel Dollfus Sohn.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXXV., S. 136
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XXXV. Ueber das Murexid-Roth auf Wolle. – Bericht über A. Schlumberger's Abhandlung, von Hrn. Daniel Dollfus Sohn. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, 1854, Nr. 123. Dollfus, über das Murexid-Roth auf Wolle. Die schöne Amaranthfarbe auf Wolle, für deren Darstellung Hr. Albert Schlumberger zuerst ein praktisches Verfahren ermittelte (m. s. dessen Abhandlung S. 54 im vorhergehenden Heft dieses Journals), erhält man durch Umwandlung des Alloxans in Murexid mittelst der Wärme. Das Alloxan wird durch Behandlung der Harnsäure mit concentrirter Salpetersäure gewonnen; nachdem man sich reines Alloxan verschafft hat, löst man davon 30 Gramme in 1 Liter Wasser auf und tränkt mit dieser Lösung den Wollenzeug; man drückt ihn dann gehörig aus, wozu die gewöhnliche Klotzmaschine der geeignetste Apparat seyn dürfte. Man trocknet hierauf den Wollenzeug bei gelinder Wärme, läßt ihn 24 Stunden an der Luft hängen und überfährt dann, um die Amaranthfarbe hervorzubringen, das Gewebe mit einem auf 100° C. (80° R.) erhitzten Eisen; oder, was besser ist, man spannt den Wollenzeug über eine mittelst Dampf erhitzte Trommel, so daß alle seine Theile mit der erhitzten Oberfläche der Trommel in directer Berührung sind. Die Trockenmaschine mit mehreren gut polirten kupfernen Trommeln wäre bei Anwendung des Verfahrens im Großen wohl der geeignetste Apparat; man brauchte nur die mit Alloxan imprägnirten Wollenstücke nach und nach um jede dieser Trommeln zu passiren, mit der Vorsicht daß sich keine Falten bilden. Für die Wolle in Strähnen würde man eine mittelst Dampf geheizte Trockenstube anwenden. In dem Maaße als die Wärme sich dem Gewebe mittheilt, entsteht eine prächtige Amaranthfarbe, welche schöner als alle bisher mittelst ammoniakalischer Cochenille oder der Rothhölzer hervorgebrachten ist. Die Intensität dieser Farbe hängt von der Stärke der Alloxanlösung ab, womit man den Wollenzeug getränkt hat. Man braucht dann nur noch die Wolle in kaltem Wasser zu waschen, um der Farbe ihren vollen Glanz zu ertheilen. Hr. A. Schlumberger hat zu diesem Färbeverfahren Wolle angewandt, welche vorher mit Zinn gebeizt worden war; er fand, daß eine Auflösung von gleichen Gewichtstheilen Zinnchlorid und Oxalsäure, mit Wasser auf 1° Baumé verdünnt, die geeignetste Flüssigkeit zum Beizen der Wolle (durch bloßes Eintauchen) ist. Nicht gebeizte Wollenzeuge gaben ihm kein so genügendes Resultat, obgleich er die Zeuge längere Zeit in einer warmen und feuchten Atmosphäre hängen ließ. Ich habe die in Schlumberger's Abhandlung mitgetheilten Versuche sorgfältig wiederholt und kann deren Genauigkeit bezeugen. Da das Murexid, von welchem die schöne Amaranthfarbe der Wollenzeuge herrührt, durch Umwandlung des Alloxans mittelst Ammoniak gebildet wird, so kam ich auf die Vermuthung, daß es gelingen dürfte die mit Alloxan getränkte und getrocknete Wolle durch Behandlung mit Ammoniak sogleich schön amaranthroth zu erhalten. Ich benutzte zu diesem Versuch drei Stückchen Wollenmusselin, wovon eines ungeheizt, das zweite aber mit zinnsaurem Natron, das dritte mit Zinnchlorid und Oxalsäure gebeizt war. Nachdem ich dieselben mit Alloxan getränkt und dann getrocknet hatte, setzte ich sie gleich darauf sehr starken ammoniakalischen Dämpfen aus; auf die so behandelten Wollenzeuge wirkte die Wärme fast augenblicklich, dieselben erhielten eine prächtige Amaranthfarbe, die nach dem Waschen ebenso glänzend war wie diejenige welche ein längeres Aufhängen in einer feuchten und warmen Luft liefert. Um mich der vortheilhaften Wirkung des Ammoniaks wohl zu versichern, tränkte ich ein ungeheiztes Wollenstückchen mit reinem Alloxan, und auch ein anderes mit zinnsaurem Natron gebeiztes Stückchen; ich setzte bloß einige Stellen dieser Zeugstücke eine Minute lang der Einwirkung ammoniakalischer Dämpfe aus und spannte dann das Ganze über eine mit Dampf geheizte Trommel. Wie sich erwarten ließ, nahmen die Stellen auf welche das Ammoniak gewirkt hatte, sogleich die Purpurfarbe des Murexids an, während der Rest der Zeugstücke kaum Spuren von Färbung zeigte. Sollte diese Wirkung des Ammoniaks nicht die abweichenden Resultate erklären, welche Schlumberger bei Anwendung gebeizter oder nicht gebeizter Zeuge erhielt, und vielleicht auch die Notwendigkeit eines andauernden Aufhängens an der Luft? Das Murexid bildet sich nämlich bloß unter dem Einfluß des Ammoniaks und der Wärme, und widersteht keineswegs des oxydirenden Agentien, wie Zinnchlorür und schweflige Säure. Nun enthält die Wolle bekanntlich nach den Bleichoperationen, ungeachtet wiederholten Waschens, noch eine gewisse Menge schwefliger Säure, welche man ihr nur dadurch entziehen kann, daß man sie entweder wiederholt durch kochendes Wasser passirt oder mit alkalischem Wasser behandelt. Die von Schlumberger benützten Zeugstückchen enthielten wahrscheinlich genug schweflige Säure, um die Bildung des Murexids zu verhindern, oder wenigstens um dasselbe im Augenblick seiner Bildung zu zersetzen; während die Zeugstücke welche ich anwandte und den ammoniakalischen Dämpfen aussetzte, keine freie schweflige Säure mehr enthielten, wohl aber in ihren Fasern die zur Entwickelung des Murexids wesentliche Substanz einschlossen. Es ist jedoch nicht gleichgültig, ob man das Ammoniak vor oder nach Anwendung der Wärme einwirken läßt; ich habe mich durch wiederholte Versuche überzeugt, daß das Ammoniak nicht mehr wirkt, wenn der Zeug vorher einer Wärme von 100° C. ausgesetzt worden ist; ich konnte dann sogar durch eine zweite Behandlung auf der Trommel die Farbe nicht mehr zum Vorschein bringen. Es scheint hiernach, daß das Alloxan sich in Berührung mit der Wolle zersetzt und ein farbloses Product erzeugt, welches durch Einwirkung des Ammoniaks und der Wärme nicht mehr in Murexid verwandelt werden kann. Wir haben gesehen, daß das Murexid dem Waschen in kaltem Wasser vollkommen widerstand, was beweist daß eine Verbindung mit der Wolle statt gefunden hat. Anders ist es mit dem Alloxan vor seiner Zersetzung; bloßes Waschen in kaltem Wasser reicht hin um dasselbe vollständig aufzulösen, wenigstens wenn das Waschen unmittelbar nach dem Trocknen des imprägnirten Zeuges vorgenommen wird. Nach mehrstündigem Aufhängen an der Luft hat sich hingegen ein Theil des Alloxans befestigt; die Einwirkung ammoniakalischer Dämpfe veranlaßt die vollständige Fixirung desselben, ohne daß es es sich färbt, denn der Zeug kann nun vollkommen ausgewaschen werden, ohne im geringsten die Eigenschaft einzubüßen durch die Wärme amaranthroth zu werden. Das Alloxan scheint hiernach vor seiner Verwandlung in Murexid verschiedene Modificationen durchzumachen, in denen es farblose Körper bildet. Aus dem eben Gesagten ginge hervor, daß das Einwirkenlassen ammoniakalischer Dämpfe mit Vortheil das Aufhängen beim Fixiren des Alloxans ersetzen würde, und daß sich das Murexid auf dem Zeug ohne Gegenwart von Zinnsäure (Zinnoxyd) bilden kann; letztere scheint jedoch, als undurchsichtiger Körper zwischen die Molecüle des Murexids gelagert, den Glanz der Farbe zu erhöhen. Wenn man anstatt der Zinnsäure als Beizmittel Zinnchlorür anwendet, so gelangt man viel schwerer zur Bildung des Murexids, und oft zersetzt sich letzteres im Augenblick seiner Bildung, wegen der reducirenden Wirkung des Zinnoxyduls. Nachdem ich mich versichert hatte, daß das von Schlumberger angegebene Färbeverfahren vollkommen genau ist, und nachdem ich vorstehende Beobachtungen gemacht hatte, untersuchte ich ob dieses Verfahren nicht Abänderungen gestattet, wodurch es bequemer und ökonomischer wird, weil die Bereitung des Alloxans schwierig und mit Verlust von Harnsäure verbunden ist. Nachdem ich ein Quantum Excremente der Boa mit Salpetersäure behandelt hatte, erhielt ich eine reichliche Krystallisation von Alloxan, welches ich sammelte wie Schlumberger vorschreibt. Bei der Bereitung dieses Products bildet sich immer eine große Menge Schaum, welcher Verlust veranlassen kann, wenn man nicht die Vorsicht anwendet, vor dem Krystallisirenlassen das Ganze in ein Cylinderglas zu gießen; rührt man es in diesem zeitweise um, so setzen sich die Krystalle sämmtlich am Boden des Gefäßes ab, und der von denselben durch eine starke Flüssigkeitsschicht getrennte Schaum kann leicht decantirt werden. Das so gesammelte Alloxan wird bloß ausgewaschen, oder wieder aufgelöst und umkrystallisirt, worauf man es in einer verschlossenen Flasche aufbewahren muß; die geringsten ammoniakalischen Dämpfe würden es verändern. Die Mutterlaugen, welche eine gelbliche Farbe haben, lassen sich wegen des darin enthaltenen großen Ueberschusses von Salpetersäure nicht zum Rothfärben verwenden. Ich habe mich davon überzeugt, indem ich sie mit ihrem 20fachen Volum Wasser verdünnte und sowohl gebeizte als ungeheizte Zeugstücke damit tränkte. Ungeachtet des Aufhängens an der Luft oder der Einwirkung ammoniakalischer Dämpfe, erhielt ich vermittelst der Wärme nur noch gelbliche Farben, welche ohne Zweifel von Mycomelinsäure herrührten, die bekanntlich bei der Zersetzung des Alloxans durch Salpetersäure in der Wärme entsteht. Wenn man aber die in dieser Flüssigkeit enthaltene überschüssige Salpetersäure sättigt, z.B. mit Ammoniak, so erhält man fast eben so lebhafte Farben, wie mit reinem Alloxan, besonders auf vorher mit Zinn gebeizten Wollenzeugen. Nach diesem Verfahren wäre es also unnütz reines Alloxan zu bereiten; man brauchte nur ein gewogenes Quantum Harnsäure mit Salpetersäure zu behandeln, die Flüssigkeit mit Wasser zu verdünnen und mit Ammoniak zu sättigen. Diese Darstellungsart der Färbeflüssigkeit ist ökonomischer und wohl auch leichter als die Bereitung des reinen Alloxans; mit letzterm erhält man jedoch stets etwas lebhaftere und gleichartigere Nuancen. Da das Alloxantin, wie Schlumberger gefunden hat, so ziemlich dieselben Resultate gibt wie das Alloxan, so könnte man auch, nachdem man die zuerst sich absetzenden Krystalle gesammelt hat, die Mutterlaugen mit Kreide sättigen und sie durch Einwirkung eines reducirenden Körpers, z.B. Wasserstoffgas, in Alloxantin umwandeln; hierzu würde es genügen, in die durch ein wenig Salzsäure schwach sauer gemachte Flüssigkeit eine Zinkplatte zu tauchen, um einen reducirenden Wasserstoffstrom zu erzeugen; das Alloxantin würde sich allmählich absetzen, und nachdem einmal die Umwandlung bewerkstelligt ist, wäre es möglich die Flüssigkeit durch Abdampfen zu concentriren; denn im Gegensatz mit dem Alloxan, widersteht das Alloxantin vollkommen einem andauernden Sieben. Durch wiederholte Abdampfungen könnte man so sämmtliches Alloxantin sammeln und dasselbe für sich allein oder auch in Verbindung mit Alloxan zum Amaranthrothfärben anwenden. Es gelang mir bis jetzt eben so wenig wie Hrn. Schlumberger, den neuen Farbstoff auf Baumwolle und auf Seide zu befestigen. Nach meiner Ansicht ist ein großes Gewicht auf die Haltbarkeit des neuen Farbstoffs, im Vergleich mit denjenigen, welche dieselbe Nüance liefern, zu legen. Für die Teppiche, Tapeten, Stickereien fehlte uns bisher eine Purpurfarbe, welche der zerstörenden Wirkung der Sonnenstrahlen vollkommen widersteht. Für die schönen Gobelins-Tapeten wird man gewiß nicht säumen das Murexid-Roth einzuführen, obgleich es gegenwärtig etwas theurer als die Cochenille-Farben zu stehen kommt.Hr. Dollfus stellt schließlich die Hypothese auf, daß das schöne, wegen seiner Dauerhaftigkeit und wegen seines Glanzes so geschätzte Purpurroth, welches die Alten auf Wolle darzustellen wußten, aus Murexid bestand; er sagt: „Nach den auf uns gekommenen Ueberlieferungen zerrieb man behufs der Erzeugung des Tyrischen Purpurs kleine Schalthiere (conchylium murex, purpura und buccinum) und setzte diesen gemahlenen Muscheln gefaulten Harn zu, nebst Wasser, worin man dieselben Muscheln hatte faulen lassen. Die mit der so erhaltenen Flüssigkeit getränkten Zeuge nahmen erst nach langem Hängen an der Luft, vielleicht in der Wärme, die schöne Purpurfarbe an. Da nun anzunehmen ist, daß die Excremente jener Schalthiere hauptsächlich aus Harnsäure bestehen, so konnten die Alten, indem sie das Pulver der gemahlenen Muscheln mit ammoniakalischem Wasser versetzten, Alloxan und Murexid hervorbringen.“