Titel: Ueber verschiedene Mittel zum Conserviren der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Düngers; von Professor Payen. Fünfte Abhandlung.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XXXVIII., S. 145
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XXXVIII. Ueber verschiedene Mittel zum Conserviren der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Düngers; von Professor Payen. Fünfte Abhandlung.Die vorhergehenden Abhandlungen siehe man in Bd. CXXX S. 148, 224, 297 und 381 des polytechn. Journals. Aus den Comptes rendus Januar 1854, Nr. 2. Payen, über verschiedene Mittel zum Conserviren der stickstoffhaltigen Bestandtheile des Düngers. Die Versuche, über welche ich hier berichte, betreffen die Wirksamkeit verschiedener Agentien, welche die Eigenschaft haben, die Gährung der stickstoffhaltigen Dünger zu verzögern und sowohl deren lästige Ausdünstungen als den Ammoniakverlust zu verringern. Ich suchte zu diesem Behufe auf experimentalem Wege zu bestimmen: 1) den relativen Einfluß von Kalihydrat und von kohlensaurem Kali, unter denselben Umständen wobei ich den Einfluß des Kalkhydrats und des kohlensauren Kalks ermittelt hatte; 2) die conservirende Wirkung, welche die Schwefelsäure auf den Harn unter denjenigen Umständen zeigen könnte, wo sie sich früher zur Verhinderung oder doch zum Aufhalten der Fäulniß des Bluts so kräftig erwiesen hatte; 3) mittelst vergleichender Analysen die Wirkung zu untersuchen, welche in gleicher Hinsicht der Holz- und Steinkohlenruß äußern, die man an manchen Orten zur Verminderung der übelriechenden Ausdünstungen des Harns anwendet; 4) deßgleichen die betreffende Wirkung des dem Dünger zugesetzten Kochsalzes; 5) endlich zu ermitteln, in welchem Grade der Alaun die ammoniakalischen Ausdünstungen des alkalischen Harns zu verhüten vermag. Bei diesen, den 23 früheren Reihen sich anschließenden Analysen unterstützte mich ein junger Chemiker, Hr. Moussette. Die 24te Reihe von Analysen wurde am 6. October 1853 mit Kuhharn begonnen. Die ganze Flüssigkeit wurde in Proben von 50 Kubikcentimeter abgetheilt. Eine derselben wurde im Normalzustand analysirt, nachdem sie mit Oxalsäure im schwachen Ueberschuß und 0,3 feinem Sand vermischt und dann zur Trockne abgedampft worden war. Die andern Proben wurden in dem unten angegebenen Verhältniß mit verschiedenen Substanzen vermischt, dann 36 Tage lang den freiwilligen Reactionen in unvollkommen verschlossenen Gefäßen überlassen, in Vergleich mit einer Probe desselben Harns ohne allen Zusatz. Nach Verlauf dieser Zeit wurde jede dieser Flüssigkeiten im Wasserbad abgedampft, wobei man gegen das Ende die Zertheilung der Substanz mittelst eines gleichen Volums Gyps erleichterte. Während der ganzen Dauer der freiwilligen Reactionen variirte die Temperatur zwischen 14,4 und 19,2° R. Folgende Tabelle enthält die bei dieser Reihe von Analysen erhaltenen Resultate, für 100 Kubikcent. berechnet, wie sie von der besten Conservirung bis zur schlechtesten nach einander folgen.                    Vierundzwanzigste Reihe von Versuchen und Analysen                                            Kuhharn.     Stickstoff         per  100 Kubcent.       Verlust         per  100 Stickstoff   I. 100 Kubikcent.100      „100      „ + 2 Gramme Schwefelsäure(einfach-gewässerte)+ Oxalsäure und feiner Sand,sogleich abgedampft+ 1 Gramm. Schwefelsäure       0,955       0,930      0,915          0,0         2,6         4,1 II. 100      „100      „ + 2 Gramme Kalihydrat+ 1 Gramme Kalihydrat       0,873      0,498          8,4       47,8 III. 100      „100      „ + 2 Gramm Steinkohlenruß+ 2 Gramm Holzruß       0,140      0,102        85,3       89,3 IV. 100      „100      „ + 1 Gramm kohlensaures Kali+ 1 Gramme kohlensaures Kali       0,081      0,072        91,5       92,4 Aus diesen Resultaten ergeben sich, durch Vergleichung mit jenen der frühern Versuche, mehrere bestimmte Schlüsse und merkwürdige Analogien. Wir wollen die Resultate, den viererlei angewandten Agentien entsprechend, in vier Gruppen theilen. Die erste Gruppe betrifft die Schwefelsäure und Oxalsäure. Man sieht hier, daß 2 Gramme Schwefelsäure in 100 Kubikcent. Harn diesen 36 Tage lang vor allem Ammoniakverlust schützten; halb soviel Säure conservirte 96 Procente oder ließ nur 4 Proc. des ganzen Stickstoffgehalts verloren gehen; die Oxalsäure endlich hatte, bei einer sogleich vorgenommenen Abdampfung, über 97 Procent des Stickstoffs im Harn conservirt. Die zweite Gruppe betrifft die Wirkung des Kalihydrats oder Aetzkalis. Man sieht hier, daß 2 Procent desselben hinreichten um 36 Tage lang und während der endlichen Abdampfung im Wasserbade über 91 Proc. des Stickstoffs zu conserviren, folglich eine, jener des Kalks unter ähnlichen Umständen analoge Wirksamkeit zeigten, während eine ungenügende halb so große Menge, also nur 1 Proc. desselben Kalihydrats, bloß 52 Procent conservirte, also 48 Proc. der ammoniakalischen Substanzen oder des entsprechenden Stickstoffs verloren gehen ließ. Die dritte Gruppe enthält den Steinkohlen- und Holzruß. Im Verhältniß von 2 Procent angewandt, ließen dieselben durch die Fäulniß in 36 Tagen und das darauf folgende Abdampfen beziehungsweise 85 und 89 Proc. des ursprünglich vorhandenen Stickstoffs verloren gehen. Diese Substanzen konnten wohl den Geruch des Harns modificiren, ohne jedoch die ammoniakalischen Ausdünstungen merklich zu verringern. Die vierte Gruppe enthält nur das kohlensaure Kali in Quantitäten von 1 und 2 Procent angewandt. In beiden Verhältnissen hat es den Verlust eher vermehrt als vermindert, indem derselbe auf 92,4 Procent stieg. Es ist bemerkenswerth, daß das kohlensaure Kali gerade wie der kohlensaure Kalk den Ammoniakverlust beschleunigt, während ein gleiches Quantum (2 Proc.) Aetzkali, sowie das Kalkhydrat, bedeutend conservirend wirkt. Die 25ste Reihe von Versuchen und Analysen wurde angestellt, um den Einfluß der Schwefelsäure und des Rußes vergleichend zu ermitteln, ferner um den Einfluß verschiedener Quantitäten von Kochsalz kennen zu lernen; endlich um die Wirkung des Alauns zu bestimmen. 100 Kubikcent. Harn wurden unmittelbar im flüssigen Normalzustand analysirt, oder nachdem sie vorher mit Oxalsäure gesättigt und mit feinem Sand vermischt worden waren. Die andern Gemenge ließ man in unvollkommen verschlossenen Gefäßen 31 Tage lang stehen. Nur die Mischung mit Alaun wurde abgedampft, dann nach sechs Tagen analysirt. Die Temperatur der umgebenden Luft variirte während der freiwilligen Reactionen zwischen 14,4 und 19,2° R. In folgender Tabelle sind die Resultate zusammengestellt.                      Fünfundzwanzigste Reihe von Versuchen und Analysen                                            Kuhharn.    Stickstoff        per100 Kubcent.     Verlust        per100 Stickstoff   I. 100 Kubcent.100      „100      „ + 2 Gramme Schwefelsäure+ 1 Gramm Kalialaun (nach sechsTagen)nach dem Austrocknen, mit Oxalsäureund feinem Sand       1,500       1,476       1,454          0,0          1,6          3,0 II. 100      „ Harn, im flüssigen Normalzustandanalysirt       1,428          4,8 III. 100      „100      „ + 5 Gramme Kochsalz+ 2 Gramme Kochsalz       1,422      0,210          5,2       86,0 IV. 100      „ ohne Zusatz abgedampft       0,193        87,0 V. 100      „ + 2 Gramme Steinkohlenruß       0,166        88,9 Auch hier behauptet die Schwefelsäure den ersten Rang unter den die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Harns conservirenden Agentien; sehr nahe kommen ihr die Oxalsäure und der Alaun, bei letzterm beschränkte man jedoch die Dauer des Versuchs auf 6 Tage, während für die andern Substanzen 31 Tage verwendet wurden. Bei der unmittelbaren Analyse des flüssigen normalen Harns ging etwas mehr, nämlich 4,8 Proc. verloren. Bei den zwei Versuchen mit dem Kochsalz war das Mengenverhältniß desselben von sehr großem Einfluß; denn 5 Gramme in 100 Kubikcent. conservirten 31 Tage lang und nach dem Abdampfen im Wasserbad fast 95 Proc. des Stickstoffs, während bloß 2 Gramme in demselben Volum Harn fast wirkungslos waren; sie conservirten unter gleichen Umständen nur 14 Proc., während der eben so lang ohne allen Zusatz stehen gelassene und ebenso abgedampfte Harn 13 Proc. des gesammten Stickstoffgehalts behielt. Auch sieht man, daß in dieser Versuchsreihe 2 Gramme Steinkohlenruß per 100 Kubikcent. ohne Nutzeffect geblieben sind und nur 12 Proc. der ursprünglichen Stickstoffmenge conservirten. Die 26te Versuchsreihe hatte zum Zweck, den conservirenden Einfluß des Kalkhydrats, der Schwefelsäure und der Oxalsäure zu vergleichen. Auch bewies sie, daß die Temperatur auf diese Reactionen einen nicht unbedeutenden Einfluß hat, was zu erwarten war. Vom 2. bis zum 26. Decbr. war die Temperatur der äußern Luft den Tag über im Mittel + 12° R. und des Nachts + 2,4° R. Die Abdampfung im Wasserbad geschah nach Verlauf dieser Zeit.            Sechsundzwanzigste Reihe von Versuchen und Analysen                                         Kuhharn.    Stickstoff         per 100 Kubcent.     Verlust         per 100 Stickstoff 100 Kubikcent. Harn + 2 Gramme Schwefelsäure       1,575          0,0 100       „    „ abgedampft nach Zusatz von Oxalsäureund Sand       1,571          0,31 100       „    „ im flüssigen Normalzustand analysirt       1,570          0,31 100       „    „ + 1 Gramm Kalkhydrat       1,555          0,90 100       „    „ während der 24 Tage ohne Zusatzstehen gelassen       1,135        27,70 Aus dieser Tabelle ersieht man, daß die Schuhkraft der Schwefelsäure und der Oxalsäure sehr groß und von beiden fast gleich ist; daß dann das Kalkhydrat folgt; endlich daß die Erniedrigung der Mittlern Temperatur am Tage und hauptsächlich in der Nacht, den Stickstoffverlust im Allgemeinen bedeutend verringerte. Die Anwendung der Schwefelsäure zum Conserviren des Harns und der Streu würde sich vorzüglich in dem Falle von Nutzen erweisen, wenn das Gemenge auf einem mit kohlensaurem Kalk hinlänglich versehenem Erdreich als Dünger werden soll; die Säure würde dem Harn am vortheilhaftesten so bald als möglich, nachdem er gelassen, zugesetzt werden; aber wenn sich auch schon ammoniakalische Verbindungen durch die Gährung gebildet haben, würde die in hinreichender Menge (dann wahrscheinlich 3–5 Proc.) zugesetzte Säure das Ammoniak binden und weitere Gährung und Verluste verhindern oder doch sehr verzögern. Im erwähnten Falle ist die Schwefelsäure dem Kalk weit vorzuziehen, weil man diesen stets dem frischen Harn zusetzen muß; denn wenn man den Kalk nach einer mehr oder weniger vorgeschrittenen Gährung zusetzen würde, so müßte er einen bedeutenden Verlust veranlassen, indem er sich der Kohlensäure bemächtigt und das Ammoniak in Freiheit setzt.