Titel: Die Runkelrübe aus Oberndorf in Bayern.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXXXIX., S. 312
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LXXXIX. Die Runkelrübe aus Oberndorf in Bayern. Die Runkelrübe aus Oberndorf in Bayern. Von allen empfohlenen neueren landwirthschaftlichen Culturgewächsen findet wohl kaum eines die ausgedehnte und nachhaltige Verbreitung wie die Runkelrübenart dieses Namens. Vor 20 Jahren auch nicht in einem Samenkataloge vorkommend, fehlt sie dermalen nur in wenigen derselben. Selbst nach den entferntesten Theilen Deutschlands, ja außerhalb Deutschland, nach Rußland etc. wird alljährlich Samen davon gesucht, so daß er jetzt mit dem Doppelten des früheren Preises zu bezahlen ist. Ja nach der eigentlichen Heimath dieser Rübe wird dermalen Samen derselben von auswärts gesucht. Mag immerhin letzteres in verschiedenen Verhältnissen seine natürliche Erklärung finden, so haben wir doch Grund genug anzunehmen, daß diese Rübenart im Lande ihrer Heimath selbst mitunter nicht gekannt ist, und dürften daher einige Notizen über dieselbe, insbesondere die Geschichte ihrer Verbreitung, wohl am Ort seyn. Wir benützen daher die Nr. 4 der Gr. Hess. landw. Zeitschrift von 1849, in welcher deren Herausgeber, Hr. Reg.-Rath Dr. Zeller zu Darmstadt, Folgendes darüber mittheilt: „Die Heimath der Oberndorfer Runkelrübe ist Oberndorf, ein Ort in der Nähe von Schweinfurt. Zu Anfang der Dreißiger Jahre lernte ich sie daselbst durch einen Zufall kennen. Auf einer landwirthschaftlichen Fußreise durch Franken von Hohenheim aus begriffen, wurde ich, von Regen überfallen, zur Flucht in ein Gasthaus zu Oberndorf veranlaßt. Es war zur Abendstunde. Hier traf ich eine Gesellschaft von Bauern des Ortes versammelt, theils durch anziehende Gespräche über Landwirthschaft, theils durch Billardspielen sich unterhaltend. Ein solches Bild war mir früher wenig vorgekommen. Ich schloß mich der Gesellschaft an und ward von ihr freundlich aufgenommen. Nur ungern trennte ich mich von diesen wackeren Leuten. Es führte dieß zum Uebernachten in Oberndorf und am andern Morgen zu Besuchen bei meinen neuen Bekannten. Schon beim ersten Besuche, dem Vorsteher des Ortes, Hrn. Kirchner, fiel mir die fragliche Rübenart auf. Ich erbat mir Samen davon, den ich nach Hohenheim zurückbrachte. Das landwirthschaftliche Institut daselbst stellte Versuche damit an, die so überaus befriedigende Resultate lieferten, daß man als Futterrübe schon in den folgenden Jahren ausschließlich diese Rübe anbaute. Von hier aus verbreitete sie sich sehr rasch nicht allein über ganz Württemberg, sondern auch durch die Hohenheimer Schüler und die dortige Samenanstalt über viele andere Länder. Die Oberndorfer Rübenart ist in der Schale meistens gelblich, mitunter auch röthlich, im Fleisch aber nach allen Erfahrungen viel dichter als andere Runkelrübenarten. Ihrer Form nach gehört sie zu der dickrunden, welche sich von der leider noch sehr verbreiteten langhalsigen, meistens röthlichen, überhaupt wesentlich auszeichnet. Obgleich unserer dickrunden in der Form sehr ähnlich, unterscheidet sich die Oberndorfer aber doch von dieser gar sehr in der Blatt- und Wurzelbildung. Die Blattstiele stehen ganz gedrängt beisammen in auffallend aufrechter Haltung. Obgleich sehr reichlich und kräftig angelegt, bleiben so Luft und Licht mehr zugänglich als bei anderen Rübenarten. Ganz besonders ist aber die Wurzelbildung hervorzuheben: die Wurzeln bestehen aus einem nur kleinen Büschel feiner Wurzelfasern. Die Rüben lassen sich daher sehr leicht ernten und von den Wurzeln reinigen, hauptsächlich aber ist so der Verlust an nutzbaren Theilen beinahe Null. Daß die Rübe sich nicht tief in den Boden einwurzeln kann, ist wohl klar, aber beinahe unbegreiflich ist es, wie sie, gewissermaßen nur auf dem Boden aufsitzend, sich dennoch zu ihrer bedeutenden Größe ausbilden kann. (Ein Gewicht von 7–8 Pfd. ist ein gewöhnliches.) Es deutet dieß wohl aufs klarste den Antheil der Blattorgane an in Beziehung auf die Atmosphärilien. Ueber die Oberndorfer Rübe wird in der Beschreibung von Hohenheim, einer Festgabe der Centralstelle des landwirthschaftlichen Vereins in Stuttgart für die Mitglieder der sechsten Versammlung der deutschen Land- und Forstwirthe von 1842, S. 177 Folgendes gesagt: „Die in Hohenheim angebauten Rüben bestehen hauptsächlich aus zwei Sorten, nämlich der weißen schlesischen Zuckerrübe mit röthlichem Blatte von Amtsrath Koppe zu Wollup, und der gelben und rothen Runkelrübe von Oberndorf bei Schweinfurt. Jene wird als eine der vorzüglichsten Sorten zur Zuckerbereitung angesehen, diese ist die entschieden beste Futterrübe und hat noch den weiteren Vortheil, daß ihre großen runden Knollen unten nur einen kleinen schwachen Wurzelbüschel haben und daher ohne Mühe aus dem Boden zu nehmen, leicht von Erde zu reinigen sind und beinahe keinen Abgang beim Füttern erleiden. Die Vorzüge dieser Rübengattung haben so viele Anerkenntniß gefunden, daß solche von Hohenheim aus sich in einer weiten Umgegend verbreitete und noch alljährlich große Quantitäten von Samen versendet werden.“ So weit Hr. Zeller a. a. O. Letzterem Ausspruche fügen wir noch den des Hrn. Professor Dr. Bergmann zu BonnZeitschrift des landwirthschaftl. Vereins für Rheinpreußen, 1850, S. 114. bei, der vor einigen Jahren eine Reihe von Runkelrüben-Varietäten chemisch untersuchte und dabei hervorhob, daß „1) die runden Oberndorfer Rüben, sowohl die rothen wie die gelben, eine größere Menge fester Theile, also überhaupt mehr Nahrungsstoffe und weniger Wasser enthalten als die langen rothen Runkelrüben; 2) in beiden Varietäten der Oberndorfer Runkelrüben unter den stickstofffreien Bestandtheilen sich Zucker in größerer Menge findet als in den langen rothen; 3) die Menge der Asche in der Oberndorfer Rübe bedeutend geringer ist als in den langen Runkelrüben, mithin der Boden unter sonst gleichen Verhältnissen durch jene weniger erschöpft wird als durch diese; 4) daß die rothen Oberndorfer Kugelrüben sowohl hinsichtlich der Größe des Ernte-Ertrags als auch ihres Nahrungswerthes wegen, von den untersuchten Varietäten die größte Berücksichtigung verdienen.“ Sehr interessant dürfte es seyn, von Oberndorf zu vernehmen, welchen Aufschwung, Zucht und Absatz von Samen der fraglichen Runkelrübenart nach Quantität und Preis in neuerer Zeit gefunden. Die Ermittelung hierüber und über den Antheil, welcher dem Gesagten gemäß Hrn. Zeller hiervon zukommen möchte, anzuregen, wie überhaupt auch zu zeigen, welche bedeutende Folgen eine anscheinend unwesentliche Sache in der Landwirthschaft mitunter finden kann, ist der Zweck dieser Zeilen.