Titel: Neues Verfahren zum Vorbereiten der Cocons für das Abhaspeln der Rohseide, von den HHrn. Alcan und Limet.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. XCV., S. 338
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XCV. Neues Verfahren zum Vorbereiten der Cocons für das Abhaspeln der Rohseide, von den HHrn. Alcan und Limet. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, April 1854, S. 240. Mit Abbildungen auf Tab. V. Alcan's Verfahren zum Vorbereiten der Cocons für das Abhaspeln der Rohseide. Das Abhaspeln der Rohseide besteht in zwei wesentlichen Manipulationen: 1) in der Vorbereitung der Cocons, welche zum Zweck hat, die in mehr oder weniger regelmäßigen Schichten auf dem Cocon angeordneten Fäden in dem Grade abzulösen und sie durch Erweichen des Leims frei zu machen, daß sie leicht abgehaspelt werden können; 2) in dem Abhaspeln, wobei man die Fäden von so vielen Cocons vereinigt, als erforderlich sind um einen Faden von hinreichender Festigkeit zu erhalten. Die zu Strähnen gehaspelte Rohseide enthält noch den Leim (das Gummi), welcher den Coconfäden von Natur anhängt. Gegenwärtig wird die Vorbereitung der Cocons fast allgemein auf die Art vorgenommen, daß man sie in kochendes Wasser taucht, um das Gummi zu erweichen, welches die über einander liegenden Fadenwindungen zusammenklebt, damit sie frei werden und abgehaspelt werden können. Die Cocons, welche mit Luft gefüllt sind, schwimmen auf der Oberfläche des Wassers; das Untertauchen derselben reicht aber nicht hin, um alle Schichten welche die über einander liegenden Fäden bilden, gleichförmig zu erweichen, obgleich man dabei die Cocons beständig mit siedendem Wasser begießt. Nachdem die Cocons aber bis auf einen gewissen Grad erweicht sind, muß man diese Behandlung unterbrechen, damit sie ihre Gestalt nicht zu sehr verändern, wobei das Abhaspeln viel schwieriger würde. Sobald die Cocons lange genug in dem kochendheißen Wasser eingetaucht waren, schreitet man daher zum sogenannten Schlagen. Die Hasplerin rührt nämlich die Cocons in dem Kessel mit einem kleinen Besen von Birkenreisern stark um, damit die Schichten an der Oberfläche der Cocons so weit erweicht werden, daß sich der Anfang des Fadens (maître brin) ablöst, worauf sich derselbe vollständig müßte abhaspeln lassen, wenn er gehörig vorbereitet wäre. So sorgfältig man auch die Vorbereitung der Cocons nach dieser Methode bewerkstelligen mag, so ist doch ein beträchtlicher Abgang und zeitweise eine Benachtheiligung der Qualität des Products bei derselben kaum zu vermeiden. Wenn nämlich die oberen Schichten des Cocons gerade hinreichend erweicht sind, so sind es die unteren Schichten, welche die Puppe einhüllen, noch nicht genug, und erheischen also eine neue Vorbereitung im Laufe der Arbeit; wurden hingegen diese letzteren gehörig erweicht, so geschah es offenbar zum Nachtheil der ersteren, und in beiden Fällen wird der Abgang an Flockseide bedeutend seyn; er beträgt durchschnittlich 30 Procent der gewonnenen Rohseide. Um unter etwas günstigeren Umständen zu operiren, behandelt man die Cocons nur am Anfang mit siedendem Wasser und dann mit lauwarmem Wasser (von 20 bis 22° R.); obgleich man dieses oft bis 80° C. (64° R.) erhitzt, so reicht es doch nicht hin, um den Cocon gänzlich abzuhaspeln, ohne daß man die Vorbereitung und das Schlagen mit dem kleinen Besen wiederholt. Diese Thatsachen beweisen zum Ueberfluß die Unvollkommenheit der gegenwärtigen Vorbereitungsmethode, welche einen unverhältnißmäßigen Abfall veranlassen und sehr häufig die Qualität der Rohseide beeinträchtigen, indem dieselbe nicht nur ein wollichtes Ansehen bekommt, sondern auch an Zähigkeit und Elasticität verliert. Man ist allgemein einverstanden, daß das wollichte Ansehen der Rohseide beim Abhaspeln durch die Windungen des Fadens um sich selbst entsteht, wenn er bei Behandlung der Cocons mit heißem Wasser nicht hinreichend frei gemacht worden ist. Der Widerstand, welchen ein nicht hinreichend erweichter Cocon dem Abhaspeln entgegensetzt, veranlaßt aber eine Spannung des feuchten Fadens, welcher sich entsprechend verlängert, ohne seine natürliche Länge wieder annehmen zu können, weil man genöthigt ist ihn trocknen zu lassen; diese Spannung benachtheiligt offenbar die Elasticität und Zähigkeit des Fadens. Zu diesen Mängeln der jetzt gebräuchlichen Vorbereitungsmethode kommen noch folgende: beim sogenannten Schlagen der Cocons im kochenden Wasser mittelst des Besens werden sie oft durchbrochen, besonders wenn sie spitz, schwach oder fleckig sind; dadurch entsteht der unter dem Namen Flockseide (bassinat) bekannte Abfall. Ueberdieß entwickelt sich in den Seidenspinnereien, besonders bei regnerischer und nebeliger Witterung, so viel Wasserdampf und derselbe ist auch für die Seide, wenn er sich darauf verdichtet, so nachtheilig, daß die Arbeitszeit auf höchstens sechs Monate im Jahr beschränkt ist. Bei der neuen Vorbereitungsmethode werden alle diese Nachtheile vermieden; sie gestattet die Cocons von jedem Alter und jeder Race mit vollkommener Regelmäßigkeit vorzubereiten, so daß alle Schichten gleichmäßig in dem erforderlichen Grade erweicht werden, um das Maximum von Rohseide zu gewinnen; dabei fällt die Anwendung der kleinen Besen weg, das Abhaspeln geschieht bei niedrigerer Temperatur und mit viel geringerer Dampfentwicklung als jetzt, man erhält nur 15 Proc. Flockseide, anstatt 30, und in demselben Verhältniß mehr Rohseide, welche sich durch einen glatten Faden von großem Glanz und ohne Flocken auszeichnet, dabei an Zähigkeit und Elasticität die schönsten bisher erhaltenen Producte übertrifft. Beschreibung des neuen Verfahrens. Das Princip der neuen Vorbereitung beruht auf der abwechselnden Wirkung des Wasserdampfs, des Vacuums und des heißen Wassers. Durch den Wasserdampf erweicht man das Gummi gleichförmig und erleichtert die Entwicklung des Fadens, ohne daß er angestrengt wird oder reißt; um aber die Wirkung des Dampfs verlängern zu können, ohne der Seide zu schaden, ist es nöthig die Cocons vorher mit Wasser zu tränken; damit dieselben gleichförmig im Wasser untertauchen und davon ganz durchdrungen werden, benutzt man das Vacuum, welches der Wasserdampf bei seiner Verdichtung hervorbringt, nachdem man beim Beginn der Operation die Luft ausgetrieben hat. Nachdem das heiße Wasser mittelst des atmosphärischen Drucks die Cocons durchdrungen hat, setzt man sie neuerdings einige Minuten dem Dampf aus, welcher sie ausdehnt ohne ihre Form zu verändern. Alsdann sind sie so gut vorbereitet, daß man sie bloß in das Wasserbecken zu geben braucht, worin sie abgehaspelt werden, nachdem sie zuvor einige Augenblicke in den netzförmigen Säcken (worin sie bei der Vorbereitung eingeschlossen sind) geschüttelt wurden, damit die Anfänge der Coconfäden an den Maschen des Netzes hängen bleiben, so daß die Hasplerin sie mit den Händen vereinigen kann, um die Flockseide auszuziehen; das Abhaspeln geschieht wie gewöhnlich, aber ohne Beihülfe des kleinen Besens. Mit einem Aufwand von 200 bis 300 Franken kann man einen Apparat für hundert Wasserbecken und hundert Haspel herstellen. Dabei gewinnt man, wie bereits bemerkt wurde, über 10 Procent mehr Rohseide als bisher, welche überdieß von besserer Qualität ist; man erspart nicht unbedeutend an Brennmaterial, Zeit und Handarbeit, und die Arbeiterinnen können das ganze Jahr abhaspeln, ohne, wie jetzt, von Wasserdämpfen belästigt zu werden und ohne daß ihre Fingernägel durch das heiße Wasser in den Kesseln gespalten werden. Beschreibung der Abbildungen. Fig. 13 senkrechter Durchschnitt des Apparats zum Vorbereiten der Cocons. Fig. 14 Grundriß des Apparats, ohne die Glocke. Dieselben Buchstaben bezeichnen dieselben Gegenstände in beiden Figuren. A Mauerwerk, worauf der Apparat steht und welches die Kufe von Zink B umgibt; der obere Theil a, a dieses Mauerwerks muß mit Zink überzogen werden, damit er durch das Wasser nicht benachtheiligt wird. C Dampfrohr, welches in die Kufe B tritt und sich gabelförmig theilt 1) in ein Rohr D, welches durchlöchert, mit einem Hahn E versehen und bloß zum Erhitzen des Wassers bestimmt ist; 2) in ein horizontales Rohr F, welches mit einem Hahn G versehen ist und vier kleine verticale Röhren b, b, b, b aufnimmt, die bloß im Innern und über dem Boden J durchlöchert sind, so daß sie nur den Cocons Dampf liefern. H cylindrischer Korb von verzinktem Eisendraht; er hat die kleinen netzförmigen Säcke l aufzunehmen, welche die Cocons enthalten. J Boden des Drahtkorbs, welchen man im Niveau des in der Kufe bei gehobener Glocke enthaltenen Wassers befestigt, damit die auf ihm befindlichen Coconssäcke nicht vom Wasser bespült werden. K beweglicher doppelter Boden, dem vorhergehenden ähnlich, welchen man über den Säcken l anbringt, um sie während der Operation an ihrem Platz zu halten; man befestigt diesen doppelten Boden mittelst einer Stange, welche etwas länger als der Korb weit ist. L Glocke von verzinktem Eisenblech, mit einem vorstehenden Rand M, welcher sie in den Aufhaltern N, N zurückhält, wenn sie in die Kufe B hinabgelassen ist. Diese Glocke hängt an einem Seil, welches über Rollen geht und mit einem Gegengewicht versehen ist. O Einschnitt in dem vorstehenden Rand M, um die Glocke vollständig unter die Aufhälter N hinabsenken zu können; eine Drehung der Glocke genügt dann, um sie zurückzuhalten. P Hahn auf der Glocke. Q, Q Holzstücke auf dem Boden der Kufe B, wo sie ein Kreuz bilden, auf welchem der Korb und die Glocke ruhen. Das Dampfrohr D, welches zum Erhitzen des Wassers dient, befindet sich unter diesem Kreuz; das andere Rohr F ist darüber mittelst eines hinreichend großen Einschnitts angebracht; um es an seiner Stelle zu erhalten, bedeckt man es mit einer kleinen Zinkplatte. R Hahn und Rohr zum Entleeren der Kufe B. Ueber dieser Kufe ist ein Rohr mit Hahn zum Zuleiten kalten Wassers angebracht. Betrieb des Apparats. – Man füllt die Kufe bis zum angegebenen NiveauDas in der Kufe erforderliche Wasserquantum ist nach dem Inhalt der Glocke zu berechnen; das Wasservolum, welches sich über dem Kreuz Q befindet, worauf die Glocke steht, muß nämlich hinreichend seyn um die Glocke ganz zu füllen. mit kaltem Wasser, und öffnet den Dampfhahn E, um das Wasser auf beiläufig 87° C. (70° R.) zu erhitzen; nachdem man den Hahn geschlossen hat, bringt man die Cocons I in den Korb H und läßt dann die Glocke L auf den Korb herab, wo sie durch die Aufhalter N, N zurückgehalten wird, welche an einen starken Reif innerhalb der Kufe gelöthet sind. Man öffnet hierauf den Hahn G, und der Dampf gelangt an die Cocons durch die Röhren b, b. Dieser Dampf treibt alle Luft aus, welche unter der Glocke und in den Cocons enthalten ist; dieses Austreiben der Luft wird beschleunigt, wenn man den Hahn P auf der Glocke öffnet. Nach Verlauf von höchstens einer Minute schließt man den Hahn G; der unter der Glocke und in den Cocons enthaltene Dampf verdicktet sich, es entsteht ein Vacuum, und das Wasser der Kufe B steigt unter der Glocke rasch, dabei die Cocons durchdringend. Um die Verdichtung des Dampfs zu beschleunigen, kann man auf den obern Theil der Glocke kaltes Wasser gießen. Wenn man den Hahn P auf der Glocke öffnet, so sinkt das Wasser sogleich wieder hinab; man öffnet dann neuerdings den Hahn G, um die Cocons durch den Dampf aufzublähen, nachdem man vorher den Hahn P geschlossen hat. Die Dauer dieses zweiten Dämpfens beträgt drei bis fünf Minuten, je nach der Beschaffenheit der Cocons. Um die Operation zu beendigen, läßt man das Wasser in der Glocke ein zweites Mal steigen, auf dieselbe Weise wie vorher, indem man nämlich das Vacuum herstellt; man läßt das Wasser dann wieder sinken, worauf man neuerdings und zum letztenmal bloß einige Minuten lang Dampf einleitet.

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Tafel Tab.
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