Titel: Ueber die Krankheiten der Pflanzen; nach Beobachtungen welche in den Monaten Mai bis October 1853 in zehn französischen Departements angestellt wurden; von Hrn. Guérin-Mèneville.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CV., S. 382
Download: XML
CV. Ueber die Krankheiten der Pflanzen; nach Beobachtungen welche in den Monaten Mai bis October 1853 in zehn französischen Departements angestellt wurden; von Hrn. Guérin-Mèneville. Aus den Comptes rendus, Februar 1854, Nr. 2. Guérin-Mèneville, über die Krankheiten der Pflanzen. Meine früherPolytechn. Journal Bd. CXXVII S. 468. ausgesprochene Ansicht, daß die so viele Gewächsarten, und besonders den Weinstock verheerende Krankheit durch zu gelinde Winter, welche mehrere Jahre auf einander folgen, verursacht wird, haben zahlreiche, im Jahre 1853 in zehn französischen Departements angestellte Beobachtungen bestätigt. In den Departements, welche ich von Süden nach Norden durchreiste, überzeugte ich mich, wie früher in dem Departement der Niederalpen (wo ich mich lange wegen der Seidenzucht aufgehalten hatte), daß die Krankheit immer mehr verschwindet, je mehr man nach Norden kömmt. Auf den Alpen, wie in Paris, existirt die Krankheit nicht; hier wie dort findet sie sich in der Regel nur an geschützten Geländern, die der Mittags- oder Morgensonne ausgesetzt sind, oder in kleinen Stadtgärten, wo eine künstliche Atmosphäre die Krankheit in allen Richtungen zum Auftreten bringt. Die Culturen, bei welchen ich die Wirkungen der Seuche besonders beobachtete, sind: die künstlichen Esparcette-Wiesen, die Getreidearten, Melonen, Kürbisse, Liebes- oder Goldäpfel etc., der Weinstock, die Rosenstöcke, Maulbeerbäume, Nußbäume und Obstbäume aller Art bis zu den Erlen unserer Thäler. So begann z.B. die Esparcette, nachdem sie sich vom December bis zum Februar herrlich entwickelt hatte, zu kränkeln; sie überzog sich mit dem Oïdium in dem Grade, daß der sehr intensive Geruch des kranken Weinstocks, welchen sie, als sie geschnitten wurde, von sich gab, die Befürchtung einflößte, daß dieses Futter dem Vieh schädlich werden könnte. Alles Getreide, und namentlich dasjenige auf freiliegenden Hügeln, stund zu einer und derselben Zeit herrlich; aber dasjenige der Ebene im großen Thal der Durance, sowie dasjenige in den höher liegenden Theilen des Departements, war klein, nieder und ohne abnorme Entwickelung geblieben. Später, in den Monaten April, Mai und selbst noch Juni, hatte das Getreide auf den Hügeln, in guten Lagen, welches schon seine Aehren zeigte und daran war, in Blüthe zu kommen, mehr oder weniger niedere Temperaturen und kalte Feuchtigkeit auszuhalten; es überzog sich mit röthlichschwarzen Flecken, seine Blätter rollten sich zusammen und es schien, inmitten beinahe beständigen kalten Regens an fortgesetzter Trockne zu leiden. Das Getreide in der Ebene hingegen, in kaltem Erdreich, dessen Ernte stets um beinahe 14 Tage später stattfinden kann, hatte sich langsam und wie gewöhnlich entwickelt; die schlechte Witterung hatte gar keinen Einfluß auf dasselbe und es lieferte gute Ernten, während dasjenige auf den Hügeln und mittleren Hochebenen, welches im December bis Februar so schön stund, nicht einmal das Saatkorn ersetzte. Eine auffallende Beobachtung, welche beweist, daß die Krankheit des Getreides einer zu hohen Temperatur des Winters zuzuschreiben ist, ist die, daß alle Landwirthe, welche ihr Getreide spät auszusäen gezwungen waren, eine recht gute Ernte machten. Die Maulbeerbäume entwickelten sich frühe und hatten alle kalten Regen zu bestehen, welche die erste Hälfte der Seidenwürmerzucht ruinirten. Man sah solche zu Ostern mit Blättern bedeckt; später aber erhielten alle Blätter rothe Flecken, welche ich sehr sorgfältig studirte. Bei vielen war die Krankheit so intensiv, daß die Blätter sich zusammenrollten und vertrockneten, so daß sie als Futter für die Seidenwürmer untauglich wurden. Ebenso ging es mit den Nußbäumen und vielen andern, deren Blätter sich mit Rostflecken überzogen. Was den Weinstock anbelangt, so wurde derselbe viel stärker befallen als je. Wohl hatten die kalten Mairegen das Hereinbrechen der Krankheit um etwa vierzehn Tage weiter hinaus geschoben, so daß die Landwirthe etwas Hoffnung schöpften und glaubten die Krankheit habe aufgehört oder sich doch sehr vermindert; sie überzeugten sich aber bald, daß der Weinstock tiefer gehenden Schaden erlitten habe, als in den vorhergehenden Jahren. Unter den verschiedensten Umständen, im Großen wie im Kleinen, konnte ich mich überzeugen, daß meine oben ausgesprochene Ansicht alle richtig beobachteten Fälle der Krankheit vollkommen erklärt. So steht jetzt fest, daß alle Thäler, welche stark von Wasser durchzogen und so gelegen sind, daß sie, namentlich während des Winters, kalte Winde, vorzüglich aus Norden, zu bestehen haben, von der Krankheit mehr oder minder vollständig verschont bleiben. Die nach Norden liegenden Hügelabhänge bleiben in der Regel gleichfalls verschont, und mehrere Hochebenen im südlichen sowohl als im Mittlern Frankreich haben nur wenig von der Krankheit zu leiden, es sey denn in Krümmungen des Terrains, welche geschützte Stellen bilden.