Titel: Vergleichung der Cocons der großen Seidenwürmerrace aus der Provence mit den Cocons der seit zehn Jahren in der Versuchs-Zuchtanstalt zu Sainte-Tulle (Niederalpen) acclimatisirten und verbesserten Race; von Hrn. F. E. Guérin-Mèneville.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. CVIII., S. 389
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CVIII. Vergleichung der Cocons der großen Seidenwürmerrace aus der Provence mit den Cocons der seit zehn Jahren in der Versuchs-Zuchtanstalt zu Sainte-Tulle (Niederalpen) acclimatisirten und verbesserten Race; von Hrn. F. E. Guérin-Mèneville. Aus den Comptes rendus, April 1854, Nr. 16. Guérin-Mèneville's Vergleichung der Cocons aus der Provence mit den Cocons der Versuchsanstalt zu Sainte-Tulle. In einer frühem Abhandlung (polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 451) habe ich nachgewiesen, daß man sehr leicht und annähernd erkennen kann, ob Cocons eine gute, mittlere oder schlechte Ausbeute an Seide geben werden, ohne Proben durch Abhaspeln zu machen, nämlich mittelst Absonderung und Wägung der ersten Seidenschichten (vestes, Strusen) einiger Cocons von einer Zucht, was in kurzer Zeit und beim Abschließen eines Kaufs ausführbar ist. Im heurigen Jahre habe ich, außer der Ablösung der Strusen von den Cocons und den Abhaspelungsproben, welche wieder ganz gleiche Resultate gaben, auch noch versucht, die Seidenwürmer zu zwingen, mir die Menge von Strusen- oder Flockseide und ächter Seide, welche sie in ihren Seidenbildungsgefäßen absondern, anzuzeigen, indem sie mir diese verschiedenen Substanzen getrennt liefern mußten, wodurch ich deren Verhältniß bestimmen konnte. Um diese Resultate durch jene zu controliren, welche dieselben Cocons mittelst Ablösens der Strusenschichten lieferten, stellte ich noch zahlreiche Versuche mit den im vorigen Jahre zu Ste. Tulle gezogenen zehn Racen an. Ich nehme hier von den 24 Beobachtungsreihen Umgang und beschränke mich auf folgende Tabelle, die sich auf die zwei zu vergleichenden Racen bezieht und auf diejenige von Bione, welche mir nach derjenigen von Ste. Tulle die besten Resultate gab.  Verhältniß derSeidensubstanz   (Procente).    Strusenseideim Verhältniß zur  Seidensubstanz     (Procente). Verhältniß der ächten Seide  (Procente).    Strusenseideim Verhältniß zur   ächten Seide     (Procente). Große Race      11,730        32,258     63,896        47,619 Race von Sainte-Tulle      14,300        27,684     72,260        38,281 Race von Bione      13,279        29,943     71,931        42,741 Aus dieser Tabelle ersieht man, daß beim Absondern der Strusen von den Cocons und besonderen Abwägen der Strusensubstanz, die Cocons der zu Ste. Tulle acclimatisirten und verbesserten Race stets weniger Strusen ergeben als die Cocons der großen Provencer-Race und selbst der berühmten und in Italien so geschätzten Race von Bione, welche übrigens beim Abhaspeln vortreffliche Resultate liefern. Der Gehalt dieser drei Racen an ächter Seide, wie ihn die Ablösung der Strusen von den Cocons ergab, stimmt dem Mengenverhältniß nach mit der im Großen beim Abhaspeln erhaltenen Ausbeute überein. Ebenso gut stimmen damit die Ziffern überein, welche ich erhielt, als ich die Seidenwürmer zwang mir diese verschiedenen Schichten selbst und zwar gesondert zu geben. Es ist mir gelungen, denselben Seidenwurm bis fünf Cocons machen zu lassen, wodurch ich die verschiedenen Seidenschichten der von diesen Raupen gewebten Cocons in fünf Proben erhielt. Diese fractionirten Cocons waren, je nachdem ich den Würmern zu deren Production Zeit ließ, nicht nur von verschiedener Dicke, sondern auch an Farbe verschieden, gerade so wie die Strusen der Cocons von denselben Racen welche ich mechanisch abgelöst hatte. Durch bloßes Ansehen der fractionirten Arbeit der Seidenwürmer überzeugt man sich, daß die große Provencer-Race, welche so viel Strusenseide und so wenig ächte Seide liefert, zuerst einen sehr dicken, weißen Cocon webt, während die verbesserte Ste. Tuller Race diesen ersten Cocon sehr dünn erzeugt und hernach aufeinander folgende Hüllen von guter Seide gibt. Ich ließ es mir sehr angelegen seyn, die im vorigen Jahr in großem Maaßstabe angestellten Abhaspelungsversuche zu wiederholen, um zu sehen, ob ihre Resultate mit jenen der im Kleinen angestellten Proben durch Absondern und Wägen der Strusen, und mit jenen ganz neuen, des Fractionirens der Seidensubstanz durch die Seidenwürmer selbst, noch übereinstimmen. Diese Resultate entsprachen ganz meiner Erwartung und die Uebereinstimmung in den Mengenverhältnissen ist entschieden. Durch die Gefälligkeit des Hrn. Prof. Alcan konnte ich auch dieselben Cocons in der Seidenmühle zu Batignolles nach dessen neuem Verfahren zum Vorbereiten der CoconsSein Verfahren ist mit Abbildung des Apparats in diesem Hefte des polytechn. Journals S. 338 beschrieben. abhaspeln lassen. Diese Versuche bestätigten vollkommen die im Filatorium der Versuchs-Anstalt zu Sainte-Tulle erhaltenen Resultate, und lieferten zugleich den Beweis, daß man nach dem Verfahren von Alcan und Limet eine größere Ausbeute an Seide erhält. Folgende Tabelle enthält diese vergleichenden Versuche, alle auf 1 Kilogr. frischer Cocons reducirt. Seidenmühlen.    Verhältnißder erhaltenen      Seide. Verhältnißder Strusen.    Anzahl der erforderlichenKilogr. Coconsfür 1 Kil. Seide.   Unterschiedzu Gunsten des Alcan'schen   Verfahrens.       Proc.     Proc.        Kilogr. Große Race der Provence ManosqueBatignolles      6,000     6,840      79     47       16,666      14,619     + 14 Proc. Race von Sainte-Tulle ManosqueBatignolles      9,950   10,941      25     16       10,526        6,309     + 13 Proc. Race von Bione ManosqueBatignolles      9,000   10,440      30     13       11,111        9,578     + 16 Proc. Man ersieht aus dieser Tabelle, daß die zu Ste. Tulle verbesserte Race ihren größeren Seidengehalt im Vergleich mit der großen Provencer-Race behauptete, und daß durch das Alcan'sche Verfahren aus denselben Cocons viel mehr Seide gewonnen wird. Auch sieht man, daß die Ueberlegenheit der verbesserten Ste. Tuller Race so groß ist, daß wenn man die Ausbeute der großen Cocons der Provencer-Race mittelst der Alcan'schen Methode, mit jener der Sainte-Tuller Race mittelst des alten Verfahrens vergleicht, letztere noch um 39 Proc. mehr beträgt. Man weiß aus meiner früheren Abhandlung, daß die durchschnittliche Ausbeute in den französischen Seidenmühlen 1 Kilogr. Seide von 13 Kil. frischer Cocons beträgt, so daß, wenn Frankreich jährlich nur 13 Millionen Kilogramme Cocons producirte, diese 1 Million Kilogramme Seide geben würden. Wir haben ferner gesehen, daß die Ausbeute der Sainte-Tuller Race eine so bedeutende ist, daß wenn man dieselbe nur zu 1 Kil. Seide von 11 Kil. Cocons annimmt, sie doch noch um 18 Proc. überwiegt, so daß, wenn 13 Millionen Kilogr. gewöhnlicher Cocons 1 Million Kilogr. Seide geben, eben so viel Cocons von Sainte-Tulle um 180,000 Kilogr. mehr Seide geben würden, was (das Kilogr. zu 60 Fr.) den Betrag von 10,800,000 Fr. ausmacht. Angenommen, es geschehe für die Verbesserung der französischen Racen nichts, so würde schon die allgemeine Einführung des Abhaspelungs-Verfahrens der HHrn. Alcan und Limet einen eben so großen Vortheil realisiren, weil man durch dasselbe 1 Kilogr. Seide von 11 Kilogr. (entarteter) Cocons der gegenwärtigen Racen bekommt, während bei dem gewöhnlichen Abhaspelungs-Verfahren durchschnittlich 13 Kilogr. davon für 1 Kilogr. Seide erforderlich sind, daher auf die Gesammt-Ausbeute der Gewinn durch die Alcan'sche Methode 140,000 Kilogr. Seide, im Werthe von 8,400,000 Fr. betrüge. Nimmt man an, daß die jährliche Production von Cocons 13 Millionen Kilogr. betrage und daß diese Cocons noch nach dem alten Verfahren abgehaspelt werden, so würde, wenn an die Stelle der sämmtlichen entarteten Racen die Sainte-Tuller Race träte, die Production um 235,000 Kilogr. Seide (oder um 23 Proc.), im Werthe von 14,102,220 Francs größer werden. Würden aber die Cocons derselben verbesserten Race nach dem Verfahren der HHrn. Alcan und Limet abgehaspelt, so würde, da für 1 Kilogr. Seide anstatt 11 nur 9 Kilogr. Cocons erforderlich wären, das Product um 396,446 Kilogr (oder 39 Proc.) Seide, im Werthe von 23,789,760 Fr. größer werden.