Titel: Ueber den sphäroidischen Zustand des Wassers in Dampfkesseln; von Hrn. A. Normandy.
Fundstelle: Band 133, Jahrgang 1854, Nr. LXXV., S. 329
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LXXV. Ueber den sphäroidischen Zustand des Wassers in Dampfkesseln; von Hrn. A. Normandy. Aus dem Philosophical Magazine, April 1854, S. 283. Mit Abbildungen. Normandy, über den sphäroidischen Zustand des Wassers in Dampfkesseln. Ich bin überzeugt, daß das Wasser in den Dampfkesseln häufig den sphäroidischen Zustand annimmt, wodurch deren Explosion veranlaßt werden kann. Ich sah einmal in der Wenlock-Sägmühle das Eisenblech eines Cornwalliser Kessels, welches einen Viertelzoll dick war, im Feuercanal rothglühend werden, obgleich der Kessel zu dieser Zeit die gehörige Quantität Wasser enthielt. Es war ein neuer Kessel, beiläufig 18 Fuß lang; daß das Wasser darin den sphäroidischen Zustand angenommen hatte, beweist die Thatsache, daß ein zur Sicherheit eingetriebenes bleiernes Niet, von 1 Zoll Durchmesser, wirklich geschmolzen war. Dieses Niet führte auch zur Entdeckung der Ursache dieses Vorfalls, und eine Untersuchung ergab folgende Einzelnheiten. Der Heizer war ein unwissender Mulatte, welcher, nachdem er das bleierne Niet im Kessel bemerkt hatte, sich dahin aussprach, daß es bald durch das Feuer geschmolzen seyn werde; als einer seiner Mitarbeiter dieß für unmöglich erklärte, schlössen sie eine Wette mit einander ab. Der Heizer fieng nun an, ein lebhaftes und helles Feuer zu unterhalten; in Folge davon wurde außerordentlich schnell Dampf erzeugt und es trat das sogenannte priming ein, nämlich Dampfbildung am Kesselblech unter dem darauf liegenden Wasser; das Wasser, oder ein Theil desselben, war daher nicht mehr in Berührung mit der Oberfläche des Eisenblechs, letzteres wurde in sehr kurzer Zeit rothglühend, und das Niet schmolz; da sich jedoch das Wasser im sphäroidischen Zustand befand, so schien der Kessel einige Zeit lang unversehrt zu seyn, d.h. keinen Leck zu haben, obgleich er in Folge des geschmolzenen Niets eine Oeffnung von 1 Zoll Durchmesser hatte; aber bald hernach, als die Hitze sich vermindert hatte, strömte das Wasser durch das Loch mit fast explosiver Gewalt und verwandelte sich, als es mit dem Feuer auf dem Rost in Berührung kam, in brühheißen Dampf. In den „Waggonkesseln“, welche offenbar die unsicherste Form haben, die aber jetzt bei weitem nicht mehr so häufig angewandt wird als früher, beobachtet man sehr oft dumpfe Stöße, die sicher von dem Druck des Dampfs im Kessel auf das Eisenblech des Bodens herrühren, wenn letzteres durch übermäßiges oder unvorsichtiges Heizen rothglühend geworden ist. Häufig wird jedoch anstatt solcher Stöße ein Zerreißen des Kessels eintreten. Letzterer Unfall, mit mehr oder weniger nachtheiligen Folgen, hat sich schon oft zu Manchester ereignet, besonders an Montagen des Morgens. Mein Freund, Hr. A. M. Perkins, erzählte mir folgenden Vorfall, welcher in seiner Gegenwart bei einem Kessel von eigenthümlicher Construction stattfand, worin Dampf mittelst seiner Heißwasserröhren erzeugt wurde. Textabbildung Bd. 133, S. 330 Der in nebenstehender Figur im Querdurchschnitt abgebildete Kessel hatte die eingeschriebenen Dimensionen und 8 Fuß Länge; er war, wie gewöhnlich, bis A mit Wasser gefüllt; das Sicherheitsventil hatte 4 Quadratzoll Fläche. In dem Fuß B dieses Kessels wurde durch eine Heißwasserröhre so rasch Dampf erzeugt, daß derselbe das Wasser vollständig aufhob und es heftig aus dem Kessel durch das Sicherheitsventil hinaustrieb. Da in diesem Falle das Wasser durch Röhren erhitzt wurde und nicht durch Berührung der erhitzten Oberfläche des Kessels, so konnte kein weiterer Nachtheil entstehen. Angenommen hingegen, ein solcher Kessel wäre auf gewöhnliche Weise geheizt worden, so würde ohne Zweifel der im Fuß B erzeugte Dampf nach dem Aufheben des über ihm liegenden Wassers diesem Kesseltheil bald gestattet haben zum Rothglühen zu kommen, und es wäre dann der sphäroidische Zustand des Wassers eingetreten, auf welchen der verstorbene Jacob Perkins die Ingenieure und Physiker schon im J. 1824 aufmerksam machte. Ich will noch den merkwürdigen Versuch anführen, welcher vor mehreren Jahren von einem ausgezeichneten Civilingenieur, Hrn. Alexander Gordon, angestellt und mir von Hrn. A. M. Perkins mitgetheilt wurde. Textabbildung Bd. 133, S. 331 A, B ist ein mit vier Probirhähnen 1, 2, 3, 4 versehener Cylinder; nachdem man Wasser in den Cylinder gebracht und in demselben erhitzt hatte, gaben die Hähne, als sie nach einander gedreht wurden, die folgenden Resultate: es trat anfangs Dampf von 1, 2, 3 aus, und Wasser von 4; nachdem man aber das Feuer sehr verstärkt hatte, zeigte sich obige Ordnung gänzlich umgekehrt, der Hahn Nr. 1 lieferte nämlich Wasser, und die Hähne Nr. 2, 3, 4 Dampf. Diese Thatsachen scheinen mir entscheidend zu beweisen: 1) daß das Erhitzen der Kessel, vor dem Einfüllen des Wassers, nicht nothwendig ist, um den sphäroidischen Zustand hervorzubringen; 2) daß viele Dampfkessel-Explosionen dem eingetretenen sphäroidischen Zustand des Wassers zugeschrieben werden können; 3) daß diejenigen Kessel, welche dem Feuer eine sehr große Berührungsfläche darbieten, nämlich alle Kessel mit inneren Feuerzügen, vorzugsweise aus dieser Ursache Explosionen veranlassen können. In Kesseln jeder Art begünstigt ein sich bildender erdiger Niederschlag das Eintreten dieser gefährlichen Erscheinung.