Titel: Ueber Materialien aus Indien zur Papierfabrication; von Hrn. J. Forbes Royle.
Fundstelle: Band 134, Jahrgang 1854, Nr. LXII., S. 220
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LXII. Ueber Materialien aus Indien zur Papierfabrication; von Hrn. J. Forbes Royle. Aus dem Civil Engineer and Architect's Journal, Septbr. 1854, S. 330. Royle, über Materialien aus Indien zur Papierfabrication. In Europa werden zur Papierfabrication hauptsächlich die leinenen und baumwollenen Lumpen, Abfälle von Baumwollen- und Flachsspinnereien, ferner die Säcke der Baumwollenballen und abgenutzte Seile verwendet. Außerdem bilden folgende Substanzen Materialien zur Papierfabrication: die Stengel und Blätter vieler Gräser, z.B. bei den Chinesen Reisstroh, Bambusrohr, neuerlich in Europa gewöhnliches Stroh, selbst Holzspäne. In Indien werden die Fasern mehrerer lilien- und aloeartigen Pflanzen in ein treffliches Papier verwandelt, auch Filiaceen, Malvaceen und Leguminosen zu demselben Zweck benutzt. Im Himalaya wird eine Art von Spitzenstrauch, in China eine Maulbeerart und in Holland die Nessel dazu angewendet. Ich erwähne diese verschiedenen Materialien, weil Pflanzen von denselben Familien in Indien und andern warmen Ländern sehr häufig wachsen und eine unerschöpfliche Quelle wohlfeilen und trefflichen Materials zur Fabrication aller Sorten von Papieren liefern. Manche davon können ohne irgend einen Bleichproceß benutzt werden, alle sind aber so gefärbt, daß die Farbe durch chemische Mittel leicht zerstört werden kann. Da die Chinesen Papier aus Reisstroh und aus den jungen Bambus-Schößlingen, die Hindu aus verschiedenen Gräsern (z.B. Saccharum munja und Saccharum sara) Seile verfertigen, welche stark genug zu Schiffstauen sind, so enthalten offenbar diese, und wahrscheinlich viele andere Pflanzen, Faserstoff genug um Papier daraus fabriciren zu können. Die bei uns angebauten Cerealien können nicht wohl in Betracht gezogen werden, da ihr Stroh als Viehfutter zu wichtig ist; auf dem Lande giebt es bei uns in großer Menge Schilfarten welche in jedem Herbst abgebrannt werden, damit junge Blätter aufschießen, die dem weidenden Vieh zum Futter dienen; dieselben können daher an vielen Orten, ehe sie vollständig trocken geworden sind, abgeschnitten und in Halbzeug für Papiermacher verwandelt werden. Von den Binsen oder Riedgräsern werden in Indien ebenfalls einige zu Seilen benutzt, z.B. Bhabhur oder Eriophorum cannabinum zur Anfertigung der Seilbrücken über Bäche und Gebirgsschluchten. Bekanntlich wurde der Papyrus von den Aegyptiern zur Verfertigung ihres Papiers benutzt, indem sie nämlich das Material in dünne Blätter zerschnitten und dieselben durch Druck mit einander verbanden. Andere Arten dieser Gattung, wie Cyperus tegetum, werden in Indien zur Anfertigung von Matten angewendet. Da diese Pflanzen, wie auch die Binsen, in großer Menge bei einander wachsen, so könnten sie um so leichter und vortheilhafter an vielen Orten benutzt werden. In vielen Theilen der Erde kommen die schon angeführten lilien- und aloeartigen Pflanzen sehr häufig vor, deren Blätter viele leicht trennbare Fasern enthalten. Dieselben gehören zu den Gattungen Agave, Aloe, Yucca, Sauseviera, Bromelia, und andern, welche sämmtlich weiße Fasern haben die zu verschiedenen nützlichen Zwecken angewendet werden können, so auch zur Papierfabrication, und wovon man große Mengen erlangen kann. In Trichinopolis wird von der Sauseviera Papier gemacht, und hin und wieder auch aus der ungebleichten Agave allein, oder im Gemenge mit groben Lumpen. Von den cultivirten Pflanzen ist wahrscheinlich keine zum Papiermaterial so geeignet, als der Pisang (Musa paradisiaca), welcher in allen Tropenländern wegen seiner Früchte so ausgedehnt angepflanzt wird, dessen sehr faserige Stämme man aber nicht benutzt. Jeder mit den Tropengegenden Bekannte weiß, daß dieser Baum sowohl neben den ärmsten Hütten, als auch in den größten und schönsten Gärten cultivirt wird und bei weitem den meisten Nahrungsstoff liefert. Seine Früchte ersetzen an manchen Orten die Stelle des Brodes, weßhalb man den Baum auch Brodfruchtbaum genannt hat; sie nähern sich in Zusammensetzung und Nahrungswerth sehr der Kartoffel, und man kann sie, wie die Feigen, trocknen und aufbewahren, oder Mehl daraus bereiten, welches dem Reismehl gleich kommt. Jeder Wurzelstock gibt 6, 8, auch 10 Stämme, wovon jeder jährlich abgeschnitten wenden muß und dann drei bis vier Pfund Faserstoff liefert, welcher zur Spinnerei und Weberei, zur Seilerei, oder zur Papierfabrication verwendet werden kann. Da schon die Frucht die Culturkosten ersetzt, so haben die Fasern nur einen geringen Geldwerth und da die Pflanze fast nur aus Wasser und Faser besteht, so kann die letztere leicht gewonnen werden. Ein Pflanzer berechnet daß die Tonne zu 9 Pfd. Sterl. 13 Shill. (der preußische Centner zu 3 Rthlr. 9 Sgr.) geliefert werden könnte. In Frankreich hat man aus diesem Material sowohl grobe und feste, als auch feine Papiersorten bereitet. Alle bereits erwähnten Pflanzen haben keine wirkliche Rinde; eine einfache Pressung zwischen Walzen, und ein Waschen scheint zur Absonderung der Fasern bei den meisten derselben hinreichend zu seyn. Die nachstehenden Pflanzenfamilien haben aber sämmtlich eine Rinde, welche abgestreift werden muß, nachdem die Stengel und Stämme eingewässert gewesen sind. Die Flachspflanze besteht größtentheils aus Fasern, ist aber zu werthvoll um in Papier verwandelt zu werden. In Indien wachsen dagegen ungeheure Mengen davon, wovon nur der Same (Leinsame) gewonnen wird, welcher theils im Lande selbst verbraucht, theils in Masse ausgeführt wird, während die Faser selbst gar nicht benutzt wird. Dieß rührt ohne Zweifel daher, weil das Clima die Bildung einer weichen und biegsamen Faser nicht begünstigt; die kurze Faser, welche sich bildet und die leicht abgesondert werden könnte, ist aber zur Papierfabrication sehr geeignet und könnte dem Ackerbauer einen Gewinn ohne viel größere Auslagen abwerfen. So werden auch einige Valvaten wegen ihrer Früchte cultivirt, die als Nahrungsmittel benutzt werden, z.B. Hibiscus esculentus in Westindien und in den Vereinigten Staaten. Der Ramturai Indiens gehört auch Hieher und wird zu demselben Zweck cultivirt. Beide Pflanzen haben sehr viele feine und biegsame Fasern, welche abgesondert werden können; man würde große Mengen derselben zu geringen Preisen herbeizuschaffen im Stande seyn, besonders wenn sie in der Nähe der Städte cultivirt würden. In Japan wird Papier aus einer Species von Hibiscus bereitet, und Hibiscus Sabdariffa wird wegen ihrer saftgebenden Blumenkelche in Indien cultivirt. In warmen Climaten finden sich zahlreiche andere Species von Hibiscus, von Sida und von andern Gattungen dieser Familie; mehrere davon werden in verschiedenen Gegenden cultivirt, z.B. Hibiscus Canabinus in Indien, Sida Tiliaefolia in China, und mit mehreren andern dürfte es eben so seyn. Sie wachsen schnell, erreichen eine bedeutende Größe und geben eine feine weiche und biegsame Faser in Menge, daher sie als vortheilhaft zur Papierfabrication cultivirt werden können. Die Tiliaceen sind ebenfalls bemerkenswerth wegen der Menge und Feinheit der Fasern, welche manche derselben enthalten. Tilia Europea gibt die ungeheure Menge von Bast, welche aus Rußland ausgeführt wird. Corchorus olitorius und C. Capsularis, deren Blätter als Gemüse gegessen werden, geben die große Menge „Jute“, welche bei uns eingeführt wird und das Material zu Packleinwand, die selbst nach Amerika ausgeführt wird. Mehrere Species von Grewia geben eßbare Früchte, weßhalb sie auch cultivirt werden. Andere finden sich sehr häufig in den Schilfmooren (jungles) in Indien, und die meisten geben eine brauchbare Faser, namentlich zu Matten und Säcken, und aus letztern ist bereits Papier bereitet worden. Auch manche Leguminosen geben werthvolle Fasern. Crotalaria juncea, Sesbania Cannabina und Bauhinea Racemosa werden als Faserstoffe, letztere hauptsächlich zu Seilbrücken in dem Himalaya, verwendet. Die Faser von Parkinsonia aculeata wurde zur Londoner Ausstellung im Jahr 1851 als tauglich zur Papierfabrication gesendet; sie ist zwar farblos, es fehlt ihr aber an Festigkeit. Mehrere Pflanzen geben bedeutende Mengen von einer seidenglänzenden, baumwollartigen Substanz, die noch gar nicht benutzt worden ist; solche sind der Seiden-Baumwollen Baum, der Mudar Indiens etc., mehrere Species von Saccharum, welche da, wo die Arbeit wohlfeil ist, gewonnen und ohne Zweifel recht gut in Papierzeug verwandelt werden könnten. Unter den Nesseln, Maulbeer- und Brodfruchtbäumen scheinen sich viele zu befinden, welche Material zur Papierfabrication geben. Die Chinesen benutzen bekanntlich die innere Rinde des Morus, jetzt Broussonetia papyrifera genannt, zur Verfertigung einiger Papiersorten, welche sich durch Zähigkeit auszeichnen. Die Rinden mancher Nesseln, wie Urtica und Bohemeria, enthalten in Menge Fasern von bemerkenswerther Festigkeit, welche ebenfalls zu Papierzeug verarbeitet werden könnten. Das Unkraut tropischer Länder, welches in solchem Ueberfluß wächst und worunter man Species von Sida, Grewia, Corchorus, Triumfetta und mancher andern Gattungen findet, dürfte ebenfalls ein reichliches Material von Faserstoffen geben. Eine einfache Maschinerie zur Absonderung der Fasern würde die Operationen erleichtern, während die Frachtkosten durch Zusammenpressung und durch Verladung solcher Materialien als Garnirung der Güter, vermindert werden könnten. Bei der Wohlfeilheit der Arbeit in jenen Ländern würden diese Papiermaterialien zu wohlfeilen Preisen nach Europa gebracht werden können, wenn sich unsere Kaufleute bemühen würden, die Pflanzer oder Colonisten zur Gewinnung dieser Materialien zu veranlassen.