Titel: Verfahren photographische Bilder, welche für das Stereoskop geeignet sind, gleichzeitig auf derselben Platte und mit einer gewöhnlichen Camera obscura anzufertigen; von Professor F. A. Barnard.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XCVIII., S. 440
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XCVIII. Verfahren photographische Bilder, welche für das Stereoskop geeignet sind, gleichzeitig auf derselben Platte und mit einer gewöhnlichen Camera obscura anzufertigen; von Professor F. A. Barnard. Nach Silliman's american Journal, Vol. XVI p. 348, durch polytechn. Centralblatt, 1855, Liefer. 1. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Barnard's Verfahren Lichtbilder für das Stereoskop mit einer gewöhnlichen Camera obscura anzufertigen. Es ist seit einiger Zeit von einem Verfahren die Rebe, wodurch gleichzeitig zwei photographische, für das Stereoskop geeignete Bilder mit der nämlichen Camera gemacht werden können. Der Verf. hat für diesen Zweck eine sehr einfache Methode erdacht, die sehr gute Resultate gibt und den Vortheil gewährt, daß man in der Construction der Camera keine Abänderungen anzubringen braucht, und, wenn man es wünscht, die zwei Bilder auf der nämlichen Platte erzeugen kann. Letzteres Resultat kann man mit einer Camera mit zwei Objectiven nicht erhalten (wenigstens nicht ohne eine sehr unbequeme Anbringung von Spiegeln), weil von den zwei auf einer Platte durch die Camera obscura erzeugten Bildern das rechts liegende Bild dasjenige ist, welches dem linken Auge angehört, und umgekehrt. Fig. 4 dient zur Versinnlichung des von dem Verf. angewendeten Verfahrens. C ist die Camera obscura, P ein Centralpunkt des Gegenstandes, welchen man abbilden will, und AM, AM sind zwei kleine Planspiegel, welche mittelst des beiden gemeinschaftlichen Scharniers A beweglich sind. Diese Spiegel werden zuerst in die nämliche Ebene gebracht, so daß sie nur ein einziges Bild vom Gegenstande auf dem mattgeschliffenen Glase der Camera F geben. Man gibt hierauf der Camera eine solche Stellung, daß, indem P immer nur ein Bild gibt, die optische Asche AF ganz genau nach der Achse des Scharniers A gerichtet ist, und daß das Bild ganz scharf auf die Mitte des mattgeschliffenen Glases in F fällt. Vorausgesetzt, daß man sich jetzt vorgenommen habe, zwei Bilder zu erzeugen, welche um ein Stück = n (von Mittelpunkt zu Mittelpunkt gemessen) von einander entfernt seyen, so müssen die beiden Spiegel mit vieler Sorgfalt vermittelst des Scharniers A in die Stellungen von AM' und AM'' gebracht werden, hergestellt, daß die von ihnen reflectirten Bilder von P von F nach f und f' versetzt werden, wobei jede dieser Entfernungen, nämlich Ff und Ff', = 1/2 n ist. Damit die Gesichtspunkte, von denen aus diese Bilder P darstellen werden, entfernt genug seyen, um denen der beiden Augen bei dem natürlichen Sehen zu entsprechen, muß die Camera in einer bestimmten Entfernung von den Spiegeln aufgestellt werden. Diese Entfernung kann man bei einiger Uebung empirisch finden, sie läßt sich aber auch, wie folgende Ableitung zeigt, berechnen. Seyen AM, AM (Fig. 5) die beiden Spiegel und A das Scharnier. Wenn nun die Camera passend aufgestellt ist, so wird AF die Richtung ihrer Achse und die des reflectirten Strahles AP seyn, so lange sich die beiden Spiegel in einer Ebene befinden. Sey AM' die Stellung, welche man dem einen Spiegel gegeben hat, nachdem man ihn um das Scharnier gedreht hat. Wenn nun C der optische Mittelpunkt der Linsen ist, so wird sich das Bild von P in F' anstatt in F darstellen, vermöge des reflectirten Strahles PA', welcher die Richtung CF' einschlagen wird. Das mattgeschliffene Glas GG' wird auf der Achse AF senkrecht stehen. Man errichte die Senkrechten AB auf AP und AB' auf AF und bezeichne die Winkel MAM' durch α, ACA' durch β APA' durch γ. Im Dreieck PAB ist < A = 90°, < B = 90° – γ, und es ist leicht zu sehen, daß BAM der ursprüngliche Einfallswinkel von PA ist. Bezeichnen wir diesen Winkel mit I, so hat man BAM + MAA' = BAA' = I + α und da ABA' = 90° – γ, folgt hieraus der dritte Winkel BAA' = 90° – Iα + γ. Um jezt AA' durch AB auszudrücken, hat man sin BAA' : sin ABA' = AB : AA', oder wenn man AB = a setzt, Textabbildung Bd. 135, S. 442 Es ist ferner in dem Dreieck B'AA', AB'A' = 90° + β und AA'B = 90° – I α + γ, woraus folgt: sin AB'A' : sin AA'B = AA' : AB' oder Textabbildung Bd. 135, S. 442 Da AB' parallel zu GG', so ist FF' : AB' = FC : CA. Das letzte Glied bezeichnet die Entfernung, in welcher man die Camera vom Punkte A anbringen muß. In dieser Proportion wird FF' willkürlich zwischen 25–56 Millimeter bestimmt, FC ist die Brennweite der Camera, wenn das Bild von P genau auf das Glas fällt, und AB' eine Größe, die man durch die vorhergehende Formel genau bestimmt. In dieser Formel ist α die halbe Entfernung der Augen (32 Millimeter im Mittel), β kann direct aus dem rechtwinkeligen Dreieck CFF' und 7 eben so aus dem rechtwinkeligen Dreieck PAB erhalten werden; die Entfernung AP des Gegenstandes von A wird direct gemessen. Die Spiegel müssen so beschaffen seyn, wie man sie zur Photographie anwendet, nämlich von schönem Glase mit vollkommen ebener und paralleler Oberfläche, wo nicht, muß man zu Metallspiegeln seine Zuflucht nehmen. Die stereoskopischen Bilder, welche der Verf. auf diese Weise hergestellt hat, übertreffen nach demselben alle durch andere Mittel erhaltenen. Der Verf. bringt sie gewöhnlich auf der Platte so an, daß die Entfernung zwischen ihnen ein wenig geringer ist, als die des Auges (etwa 50–56 Millimeter von Mittelpunkt zu Mittelpunkt). Er nimmt zu keinem künstlichen Mittel (nämlich zu dazwischen gestellten Prismen, zu Linsen, welche mit den Augen excentrisch sind u.s.w.) seine Zuflucht, um sie zum Zusammenstellen zu bringen; denn wenn man sie durch die Mitte der Linsen betrachtet, so findet dieses Zusammenstellen auf leichte und natürliche Weise statt. Sollten die Bilder ein wenig lang seyn, so muß man sie etwas mehr trennen, und dann ist es nöthig, irgend ein optisches Mittel anzuwenden, um die Verrückung hervorzubringen und dem Auge zu Hülfe zu kommen. Bei den gewöhnlichen käuflichen Photographien, die man für das Stereoskop verwendet, ist das Relief auf grobe Weise übertrieben, und der Fehler, welchen die Verfertiger dieser Bilder begehen, besteht darin, daß sie Gesichtspunkte annehmen, welche viel zu sehr von einander abweichen.

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