Titel: Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht; von E. Romershausen.
Autor: Dr. theol. Elard Romershausen [GND]
Fundstelle: Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XXIII., S. 87
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XXIII. Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht; von E. Romershausen. Nachtrag zu den Abhandlungen im polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321 und Bd. CXXVII S. 198. Mit Abbildungen. Romershausen, über Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht. So wichtig und einflußreich eine richtige und vergleichbare Bestimmung der Richtungen Rechts und Links in naturwissenschaftlicher und technischer Hinsicht ist, so wenig scheinen doch bis jetzt die Gelehrten darüber einverstanden zu seyn. Hr. Prof. Braun sagt in dieser Beziehung in seiner neulichen interessanten akademischen Vorlesung „Ueber den schiefen Verlauf der Holzfaser und die dadurch bedingte Drehung der Bäume:Monatsschrift der königl. preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, August 1854, Nr. 10. „Was die Bestimmung von Rechts und Links betrifft, so füge ich mich hier demjenigen Sprachgebrauch, der sich aus der Natur der Objecte selbst ergibt und den ich als den objectiven bezeichne, im Gegensatz der subjectiven Bezeichnung, d.h. der Uebertragung des Rechts und Links des Beobachters auf den Gegenstand. Ohne mich auf die fast gränzenlose und unbegreifliche Begriffs- und Sprachverwirrung einzulassen, die in dieser Beziehung bei den Autoren, besonders den Deutschen, zu finden ist, will ich nur bemerken, daß wer die militärische Regel des Rechtsum und Linksum inne hat, sich auch in der Bestimmung des Rechts und Links in der Natur, wenn er sich nur in den Gegenstand richtig hineindenkt, leicht orientiren wird.“ Aber auch diese militärische Regel scheint nicht alle Zweideutigkeiten in Bestimmung dieser Richtungsverhältnisse auszuschließen, wie sich dieses im Verfolg des Folgenden näher herausstellen wird. Ich will es daher versuchen, diese immer noch fortdauernden Differenzen durch einige naturgemäße und allgemeine Regeln zu beseitigen, um zugleich die in meinen oben bemerkten Aufsätzen gegebenen Ansichten zu ergänzen. Rechts und Links sind subjective Begriffe und erhalten erst dann eine objective Gültigkeit, wenn wir sie in einem bestimmten Standpunkt an eine im Weltraum feststehende Richtung anknüpfen und uns über die Bewegungsrichtung der uns vorliegenden Spiralwindung verständigt haben. Um demnach über diese Richtungsverhältnisse objectiv richtige und vergleichbare Bestimmungen zu erhalten, ist es unumgänglich nothwendig, daß wir über folgende Punkte allgemein einverstanden sind: 1) Daß eine gerade, von der linken zur rechten Hand vor uns gezogene Linie die Richtung „Rechts“ und eine solche, von der Rechten zur Linken hin gerichtete Linie, die Richtung „Links“ bezeichnet. 2) Daß die Drehungsrichtung eines jeden uns vorliegenden und aufrecht feststehenden Gegenstandes nach den unwandelbaren und allgemein bekannten Weltgegenden bestimmt werden muß, umsomehr, da die Vegetabilien, Bäume, Rankengewächse etc. in naher Beziehung zu denselben stehen. 3) Daß jeder Beobachter dieser nach den Weltgegenden zu bestimmenden Drehungsrichtung stets ein und dieselbe Stellung in Beziehung auf das vorliegende Object einnehmen muß. Am zweckmäßigsten scheint die allgemeine Annahme zu seyn, daß sich der Beobachter im Norden aufstellt, so daß er das Gesicht dem im Süden vorliegenden Object zuwendet, wo also seine Linke im Osten und die Rechte im Westen liegt, conform dem scheinbaren Sonnenlauf. 4) Daß er die von ihm angenommene Bewegungsrichtung der entweder von Unten nach Oben, oder umgekehrt von Oben nach Unten fortlaufenden Spiralwindung anzeigt. Wenn diese Anordnung allgemein als normal und feststehend angenommen wird, so kann nie eine Zweideutigkeit in der Bestimmung der Richtungsverhältnisse stattfinden. –––––––––– Die Richtung einer fortschreitenden Bewegung ist entweder geradlinig, wellenförmig oder krummlinig, und letztere entweder kreisförmig in sich selbst zurückkehrend, oder spiralförmig vorschreitend. Zu vorliegendem Zweck haben wir hier nur die erste und die letzte dieser Richtungen zu betrachten. Die verschiedenen, zum Theil verwickeltem Verhältnisse wollen wir durch einige allgemeine Schemata erläutern. A. Die geradlinige Richtung. Fig. 1. Textabbildung Bd. 137, S. 89 Die gerade Linie OW (Fig. 1) bezeichnet diese gerade Richtung. Sie schreitet hier, wie dieses der Pfeil angibt, von Ost nach West vorwärts. 1) Steht der Beobachter im Norden (N) mit dem Gesicht nach Süd (S) gerichtet, so liegt seine Linke l im Osten und die Rechte r im Westen, mithin erblickt er die mit lr parallele Bewegungsrichtung OW von der Linken zur Rechten hin vorschreitend – also Rechts gerichtet. Diese, jedem in N stehenden Beobachter, in Beziehung auf die Weltgegenden gleichförmig vorliegende Richtung, wollen wir die objective (wirkliche) nennen, da keine Differenz dabei stattfinden kann. 2) Stände dagegen der Beobachter im Süden (S) mit dem Gesicht nach Nord (N) gerichtet, so liegt umgekehrt seine Linke l' im Westen und die Rechte r' im Osten. Da nun die zu beobachtende Bewegungsrichtung OW dieselbe bleibt, so erscheint sie dem Beobachter jetzt gerade entgegengesetzt, von der Rechten r' zur Linken l' hin vorschreitend, also scheinbar Links gerichtet. Es geht hieraus hervor, daß die Angabe allgemein vergleichbarer Beobachtungen nothwendig denselben bestimmten Standpunkt erfordert. B. Die kreis- oder spiralförmige Richtung. Fig. 2. Textabbildung Bd. 137, S. 90 K sey die Durchschnittsfläche eines Objects, dessen kreis- oder spiralförmige Drehungsrichtung durch die Pfeilspitzen ab bezeichnet ist. 1) Steht der Beobachter seitwärts in N mit dem Gesicht nach S gerichtet, so liegt, wie oben, seine Linke im Osten und die Rechte im Westen. Der ihm zunächst vorliegende Pfeil ab ist daher von der Linken zur Rechten hin, also Rechtsum gerichtet. Dieselbe Rechtswindung findet er auch in den Standpunkten W, S und O, ringsum in der Peripherie von K. 2) Versetzt sich der Beobachter (wie Hr. B) in das Innere des Objects, in den Mittelpunkt K mit dem Gesicht zur Peripherie nach S hin gerichtet, so liegt seine Rechte in W und die Linke in O, der ihm vorstehende Pfeil ab zeigt ihm also umgekehrt die Drehungsrichtung linksum – während der in seinem Rücken liegende, die fortschreitende Spiraldrehung anzeigende Pfeil, in Beziehung auf seine Person, Rechtsum gerichtet ist. (Vergl. A. 1 und 2.) Dieses möchte nun wohl bei verschiedenen Beobachtern Differenzen veranlassen. Es scheint mir daher die oben angegebene äußere Ansicht in dem normalen Standpunkt N angemessener zu seyn, da sie Jedem, ohne Beihülfe der Einbildungskraft, sogleich ins Auge fällt und auch bei der von mir angenommenen peripherisch motivirten Drehung, sicherere objective Resultate liefert. 3) Da nämlich die specielle Spiraldrehung bei den Vegetabilien nicht zufällig seyn kann, sondern jeden Falles von einer darauf einwirkenden Kraft abhängig seyn muß – so ist es zu richtiger Unterscheidung der objectiv-wirklichen Drehung von der subjectiv-scheinbarenMan vergl. polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321 „die Richtungs- und Drehungsverhältnisse der Agentien.“ erforderlich, daß wir uns sowohl über die Bewegungsrichtung dieser motivirenden Kraft, als auch darüber verständigen, ob dieselbe von Oben oder von Unten in das vorliegende Object eingreift, da beides entgegengesetzte Richtungen der vorschreitenden Spiralwindung zeigt. Um uns diese oft verwickeltern Verhältnisse anschaulich zu machen, wählen wir eine gewöhnliche, wirklich und unzweifelhaft rechtsgewundene Schraubenspindel nebst der ihren Windungen entsprechenden, also gleichfalls rechten Schraubenmutter. Stellen wir diese rechte Schraube senkrecht vor uns auf, so finden wir, daß eine Fortbewegung der in dieselbe eingreifenden Mutter sowohl von Oben nach Unten, als auch umgehrt, von Unten nach Oben, nur dann stattfindet, wenn wir dieselbe rechtsum drehen. Ebenso wie auch ein rechter Bohrer nur bei einer rechtsumdrehenden Kraft allenthalben eindringen kann, während ein linker Bohrer eine Linksdrehung fordert. Die drehende Kraft entspricht also in allen diesen Fällen der uns bekannten objectiven Spiralrichtung einer solchen Schraube. Dennoch zeigt uns die nähere Betrachtung der vor uns stehenden rechten Schraubenspindel einen entgegengesetzten Verlauf ihrer Spiralwindung, je nachdem wir die Mutter von Unten nach Oben hinauf, oder von Oben nach Unten herabschrauben. Bei dem Eingriff und der von Unten nach Oben vorschreitenden Bewegung laufen die Spiralwindungen von unserer Linken zur Rechten hin – also der Wirklichkeit entsprechend – rechtsum. Bei dem Eingriff und der Fortbewegung der Mutter von Oben herab nach Unten erscheinen dagegen die herabsteigenden Spiralen dieser rechten Schraube von unserer Rechten zur Linken hin, also linksum gerichtet. Ersteres ist demnach die objectiv wirkliche und letzteres die scheinbare Spiralrichtung dieser rechten Schraubenspindel; denn wir wissen, daß die Rechtswindung derselben unter allen Verhältnissen immer dieselbe bleibt, und daß dieses eben so bei einer wirklich linksgewundenen Schraube in umgekehrter Richtung stattfindet. Diese oft verwickeltern Verhältnisse veranlaßten bereits mehrfache Verwechslungen der scheinbaren Drehungsrichtung mit der wirklichen in physikalischen Untersuchungen. Es ist daher namentlich bei Bestimmung der Spiralwindung der Bäume und Rankengewächse nothwendig, daß wir uns zuvor darüber verständigen, ob die motivirende Kraft von Oben oder von Unten eintritt und dieselbe leitet. Wenn alsdann die verschiedenen Beobachter den von mir als normal vorgeschlagenen Standpunkt einnehmen, so wird nie eine Zweideutigkeit eintreten und die Beobachtungen werden vollkommen übereinstimmend und vergleichbar seyn. Weniger sicher möchte wohl die militärische Regel zur Bestimmung des Rechts und Links seyn und hinsichtlich der verschiedenen Beobachter leicht differente Ansichten veranlassen. Ihr fehlt der feste Anhaltspunkt, und sie zeigt uns entgegengesetzte Richtungen, je nachdem wir den sich schwenkenden Soldaten von Vorn oder von Hinten ins Auge fassen – vergl. Fig. 1. Dieser Umstand erklärt nun auch mehrere von B. bemerkte Widersprüche verschiedener Beobachter der Spiraldrehung derselben Baumarten. Er sagt z.B. S. 454 von der Drehung der Birke hinsichtlich der entgegengesetzten Bestimmungen der HHrn. Truchseß und Wichmann: „Die von mir beobachtete Richtung (Links) stimmt mit der von Goethe angegebenen (von der Linken zur Rechten, nämlich des Beobachters) überein.“ Diese Drehungsrichtung ist aber nach Obigem offenbar nicht links-, sondern rechtsum (vergl. Fig. 2 lr # ab). S. 455 heißt es von den Beobachtungen des Forstmannes Dormeier: „Nach den Bestimmungen desselben gehen die Windungen drehsüchtiger Bäume stets von der Linken zur Rechten und folgen genau dem Gange des Sonnenlichtes. Der Beobachter hat besonders Eichen in dieser Hinsicht untersucht, und es kann aus dieser Behauptung als Factum nur so viel entnommen werden, daß die Eiche links drehet.“ Auch hier ist nach Ansicht des südlich vorliegenden Sonnenlaufs und der Fig. 2 die Spiralwindung von Ost durch Süd nach West jeden Falles rechtsum – u.s.w. Ich setze nicht im Entferntesten einen Zweifel in die Richtigkeit der Bestimmungen des Hrn. B., im Gegentheil finde ich dieselben mit den wenigen von mir gemachten Beobachtungen vollkommen übereinstimmend, wenn ich die bei seinem Standpunkt im Innern mit links bezeichnete Spiraldrehung in meinem äußern Standpunkte umgekehrt rechtsum finde. Sollte Hr. B. in Folge der angegebenen Gründe meiner als normal empfohlenen Stellung seine Zustimmung geben, so würde es zu endlicher sicherer Erledigung dieser wichtigen Untersuchung sehr verdienstvoll seyn, wenn er bei seiner umfassenden Pflanzenkenntniß das S. 470 aufgestellte reichhaltige Verzeichniß drehsüchtiger Bäume und Sträucher einer diesem Standpunkt entsprechenden Revision unterwerfen wollte. Er gibt daselbst 60 Arten als rechts- und eben so viel als linksdrehend an. Ich kann hierüber keine nähere Bestimmung machen, halte mich aber aus weiter unten zu entwickelnden Gründen für überzeugt, daß alle Vegetabilien in rechtsgewundener wirklicher Spiraldrehung auftreten. Hr. B. sucht sodann S. 476 die Grundursache zu ermitteln, welche den gedrehten Verlauf der Baumstämme veranlaßt. Er findet dieselbe in dem nothwendigen Ausweichen der Holz- und Bastzellen nach Rechts oder Links, indem ihnen bei der ursprünglich senkrecht aufsteigenden Richtung des andringenden Wachsthums der Raum zu fernerer Entwicklung nach Oben gebricht. Sie schieben sich daher mit ihren zugespitzten Enden mehr oder weniger seitwärts zwischen einander und verfolgen alsdann die angenommene Richtung. Eine S. 187 beigefügte schematische Zeichnung macht diese naturgemäße und sehr beachtungswerthe Erklärung anschaulich. Aber auch hier scheint aus oben bemerktem Grunde eine Differenz stattzufinden. B. sagt nämlich: „Nach Ansicht der Figur erheben sich die Verbindungswände hier in links aufsteigender Richtung.“ Diese Verbindungswände steigen aber in dieser Vorderansicht genau von der Linken zur Rechten hin aufwärts und zeigen die rechtsum sich windende Spiralform. Wahrscheinlich soll sich der Beschauer auch hier so in die Zeichnung hinein denken, daß sein Gesicht uns abgewendet ist. Diese sinnreiche Darstellung des bei dem Mangel an Raum nach Oben nothwendigen Seitwärts-Ausweichens der Holz- und Bastzellen bei dem von Unten andringenden Wachsthum erklärt aber nicht die eigentliche Grundursache (motivirende Kraft) der in der vorliegenden Untersuchung zu ermittelnden und jeden Falles nicht zufälligen nach Rechts oder Links gerichteten Ausweichung und Drehung der verschiedenen Baumarten und Rankengewächse. Ein Versuch diese Grundursache nachzuweisen, war der Gegenstand meiner obigen frühern Aufsätze in dieser Zeitschrift, und ich will zu besserm Verständniß derselben hier nachträglich noch Folgendes bemerken: Nach meiner Ansicht ist es das elektrische Agens, welches die Spiraldrehung der Pflanzen motivirt. Es ist nämlich durch vielseitige, sicher begründete Thatsachen bestätigt, daß die Agentien der Elektricität, der Wärme und des Lichtes etc. in Verbindung mit dem Magnetismus, gleichsam das geistige Princip der an sich todten Materie bilden, indem sie durch gegenseitige Reaction Leben und Regsamkeit in den materiellen Stoffen verbreiten und die mannichfachen mechanischen und chemischen Bewegungs- und Bildungsprocesse der unorganischen und organischen Welt veranlassen.Der dynamische Antagonismus, von Romershausen. Halle 1846. Desselben Rotationsmaschine etc. die dynamische Reaction der Naturkräfte. Halle 1847. Daß namentlich der Vegetationsproceß stets von elektrischen Strömungen begleitet ist, ist durch die sorgfältigsten Versuche älterer und neuerer Naturforscher unzweifelhaft nachgewiesen.Romershausen's galvano-elektrischer Apparat zur Förderung der Vegetation und Fruchtbarkeit des Bodens etc. (verbesserte Einrichtung) Marburg 1851. Eben so bekannt ist es, daß die Wärme und das Licht einen wesentlichen Einfluß auf das vegetative Leben äußern. Da nun diese Agentien offenbar den Wachsthum der Pflanzen leiten, so ist es auch höchst wahrscheinlich, daß sie die verschiedene Spiraldrehung der ausweichenden Holz- und Bastzellen derselben motiviren. Wir wollen uns hierüber näher verständigen. I. Die Elektricität. Außer der in allen Körpern nach Verhältniß ihrer Capacität latenten Elektricität ist in den Vegetabilien sowohl die allgemeine Erdelektricität, als auch die atmosphärische Elektricität in entgegengesetzter Bewegungsrichtung vom + zum – hin thätig. Sie treten bei erhöhter Spannung, wie bei allen Leitern, peripherisch an der Oberfläche auf und streben, zur Gleichgewichtsherstellung, zu entweichen.Ueber Beobachtung der atmosphärischen und terrestrischen Elektricität etc. im polytechn. Journal Bd. CXXX S. 193.Naturhistorische und chemisch-technische Notizen. IIte Abtheilung, S. 70 Berlin 1854. Die vom Boden aus aufsteigende terrestrische Elektricität condensirt sich sowohl an Berggipfeln und Felsecken, als auch an den Gipfeln und Blattspitzen der Bäume etc., um in den minder gespannten Luftraum überzugehen. Die atmosphärische Elektricität wird dagegen bei eintretender vorwaltender Spannung von diesen Spitzen eingesaugt und entweicht umgekehrt von Oben herab in den Boden. Daß die Elektricität bei den Vegetabilien überhaupt aber nach Außen hin auftritt, hat Prof. Buff in Gießen neuerdings näher nachgewiesen. II. Die Wärme und das Licht. Der wesentliche Einfluß der Wärme auf das Wachsthum und das Gedeihen der Pflanzenwelt bedarf keines nähern Nachweises. Auch sehen wir, daß sich die Pflanzen überall dem Lichte zuwenden und daß einige bestimmt dem Gange des Sonnenlichtes folgen. Der Stand der Bäume in Beziehung auf die Weltgegenden macht sich schon durch die äußere Ansicht und durch die verschiedene Beschaffenheit der Süd- und Nordseite bemerklich. Der Gang der Wärme ist sodann ebenso vom + zum – hin, vom wärmern Punkte zu dem kältern, also bei dem Baum, sowohl dem Sonnenlauf conform, von Ost durch Süd und West nach Nord, als auch von den wärmern Hervorragungen des Stammes im Luftraum herab zu den im feuchtkältern Boden ruhenden Wurzeln. Dergleichen einseitig gerichtete und reagirende Wärmeströmungen regen aber immer thermo-elektrische Ströme auf, welche alsdann dieselbe Richtung verfolgen. Denn wenn auch bei einer in sich geschlossenen Metallkette durch Erwärmung eines Punktes die Wirkung nach beiden Seiten hin im Gleichgewicht steht und keine bestimmte thermo-elektrische Erscheinung darbietet, so ist doch hier bei dem Baum kein solcher Kreisschluß, sondern eine von + zum – fortlaufende Leitung vorhanden. Wir haben also hier zwei in abwechselnder Thätigkeit auftretende elektrische Strömungen etc. von entgegengesetzter Richtung, nämlich den von Unten nach Oben gerichteten Erdstrom, und den von Oben nach Unten herablaufenden atmosphärischen und thermo-elektrischen Strom, wobei, wie immer, der überwiegende den schwächern in sich aufnimmt und mit sich führt. Da sich nun überall die Capacität und das Leitungsvermögen der Körper hinsichtlich der Agentien auf die verschiedenartigste Weise herausstellt, so ist es bei der großen Mannichfaltigkeit der Structur und Bildungsformen der Pflanzen nicht unwahrscheinlich, daß auch diese in dieser Beziehung indifferente Eigenschaften Besitzen. Zur Ausgleichung der wechselnden elektrischen Spannung mögen einige derselben vorwaltend zu Aufnahme und Leitung der terrestrischen Elektricität, und andere mehr zur Einsaugung und Leitung der atmosphärischen Elektricität geeignet seyn. Schon der Umstand scheint darauf hinzudeuten, daß einige Baumarten vorzugsweise vom Blitzstrahl getroffen werden und denselben ableiten. Wenn nun auch diese Voraussetzung noch einer nähern Untersuchung und Bestätigung bedürftig ist, so erklärt sie doch einstweilen die noch völlig dunkle Erscheinung des eigenthümlichen Rechts- und Linksausweichens der Holz- und Bastzellen bestimmter Pflanzenarten. Es ist demnach nur zu ermitteln: ob diese im Vegetationsproceß dynamisch wirksamen elektrischen Strömungen eine der spiralförmigen Drehung des Pflanzenwuchses entsprechende Richtung verfolgen? Zur Beantwortung dieser Frage glaube ich in den bemerkten frühern Aufsätzen dieser Zeitschrift thatsächlich nachgewiesen zu haben, daß die strömende Elektricität ihre Leiter stets vom + zum – hin in einer nach Verhältnis ihrer Spannung mehr oder weniger gestreckten Spirale vorschreitend rechtsum umwallet. Dieses erklärt sowohl die vorliegende und viele andere Naturerscheinungen, als auch alle elektromagnetischen Experimente auf das einfachste und naturgewisseste.Als offenbare Thatsache zeigt sich diese elektrische Spiraldrehung in der dadurch bewirkten enormen Tragkraft meines vor einigen Jahren construirten elektromagnetischen Stabes (polytechn. Journal Bd. CXVII S. 321), welchen ich Hrn. J. Dub bitte, nicht mit seinen wahrscheinlich dadurch veranlaßten neulichen Glockenversuchen zu vermischen etc. (Poggendorff's Annalen, 1855, Nr. 4.) Wir wollen also hiernach das reizende, belebende und chemisch zersetzende elektrische Agens als die wahrscheinlichste Grundursache der überhaupt in der Natur vorherrschenden Rechtsrichtung annehmen und hinsichtlich der Spiraldrehung der Vegetabilien an beigefügter Zeichnung nachweisen, daß auch diese in objectiver Wirklichkeit stets rechtsum gerichtet ist. Fig. 3–4., Bd. 137, S. 96 Das Rechteck Fig. 3 sey die Ansicht der uns zugekehrten Seite der Cylinderfläche eines rechtsdrehenden und Fig. 4 eines linksdrehenden Baumes, wie uns beide in demselben oben als normal angenommenen Standpunkt N ins Auge fallen. In Fig. 3 zeigt uns der den Lauf der Spiralwindung angebende Pfeil LR die Drehung derselben von der Linken zur Rechten aufwärts (von Ost nach West) rechtsum. Das die Drehung motivirende und stets rechts gerichtete elektrische Agens muß daher nothwendig vom Boden (+) aus nach Oben (–) hin aufsteigen, der Baum also vorwaltend zur Aufnahme und Leitung der terrestrischen Elektricität disponirt seyn. Mithin zeigt hier die objectiv wirkliche Spiraldrehung – rechtsum. Der Baum Fig. 4 erscheint uns dagegen in derselben Seitenansicht linksdrehend – denn die als aufsteigend betrachtete Spiraldrehung ist entgegengesetzt von West nach Ost, von der Rechten zur Linken hin gerichtet. Da wir aber wissen, daß das motivirende elektrische Agens überall, also auch hier rechts drehet, so finden wir sofort, daß es hier in entgegengesetzter Richtung von Oben eintritt und in dem Boden entweicht, wie dieses der Pfeil (+ LR) anzeigt. Der Baum ist also vorwaltend zur Aufnahme und Leitung der atmosphärischen Elektricität etc. organisirt, und die von Oben herablaufende Spiraldrehung ist auch hier objectiv wirklich – Rechtsum und von der scheinbaren – Linksum – leicht zu unterscheiden. (Vergl. oben B. 3: die rechtsgewundene Schraubenspindel.) Wenn auch bis jetzt diese Darstellung des Hergangs nichts weniger als thatsächlich begründet ist, sondern nur auf Wahrscheinlichkeit beruht, so erklärt sie doch einstweilen die noch verschleierte Grundursache der vegetabilischen Spiraldrehung. Daß dieselbe jeden Falles sehr energisch und beharrlich in ihrer Richtung auftritt, zeigen uns vorzüglich die Rankengewächse. Winden wir eine solche Ranke in einer ihrer Natur widersprechenden Richtung und binden sie fest, so kehrt sie doch bei dem fernem Wachsthum immer wieder zu der ihr eigenthümlichen Spiralrichtung zurück. letzteres zeigt sich auch häufig, wenn die ursprüngliche Spiralwindung auf mehrere ihre Längenfaser und die Leitung unterbrechende Aeste trifft; sie weicht alsdann oft in entgegengesetzter Richtung ab, kehrt aber nach Beseitigung des Hindernisses immer wieder zur normalen Windung zurück. Dieser Hergang macht sich vorzüglich bei alten, mit starken Aesten versehenen Bäumen anschaulich.Augenfällige Beispiele liefern uns die vielen sehr alten rechtsdrehenden Kastanienbäume der langen Allee vor dem Barfüßer-Thore zu Marburg. Ueberhaupt ist die Untersuchung der vegetabilischen Spiraldrehung oft mit mannichfachen Schwierigkeiten verknüpft, namentlich bei jungen, im lebhaften Wachsthum und Safttrieb befindlichen Bäumen, deren Spiralwindung oft so gestreckt ist, daß sie schwer von der geraden Richtung zu unterscheiden ist. In vielen Fällen kann nur eine genaue Untersuchung der innern Holzfaser hierüber entscheiden. Vorzüglich mag aber wohl die Verwechslung der scheinbaren mit der wirklichen Bewegungsrichtung sowohl bei dem Pflanzenwuchs, als auch bei mehreren andern naturwissenschaftlichen Untersuchungen mannichfache Differenzen veranlassen. Dergleichen irrthümlich aufgefaßte Thatsachen werden aber um so nachtheiliger, wenn sie durch den darauf gegründeten mathematischen Calcul das Gepräge der Unfehlbarkeit erhalten. Dieses trifft auch meine der obigen Darstellung zum Grunde liegende heterodor antagonistische Ansicht des Wesens und der Bewegungs- und Richtungsverhältnisse der Agentien. Die Untersuchung der dynamischen Wirksamkeit dieser Agentien ist unstreitig die Grundlage der gesammten Naturwissenschaft. Da dieselbe nur insofern für die Sinne erkennbar ist, als sich ihr Product durch Veränderung räumlicher Erscheinungen darstellt, welche die verschiedenartigsten Ansichten gestatten, so dürfen wir dieses immer noch dunkle Feld der Forschung nie für völlig abgeschlossen halten, wenn es auch die berühmtesten Autoritäten bewachen. – In Folge dieser Ueberzeugung theilte ich nun auch meine subjectiven Bedenken über die mit dem scharfsinnigsten Calcul belegte und von vielen noch als unantastbar betrachtete Ampère'sche Theorie mitMagnetismus und Elektricität in Beziehung auf Ampère's Theorie, von E. Romershausen, im polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 198., und suchte dieselbe durch einige thatsächlich begründete Berichtigungen zu ergänzen. Ampère, der verdienstvolle Entdecker des Elektromagnetismus, bedurfte nämlich zur Ausführung seiner Theorie eines drehenden Factors, und wählte dazu die willkürlich von ihm ersonnenen, aber allen bekannten Eigenschaften der Elektricität widersprechenden elektrischen Kreisströmchen eines wunderbaren Magnets. Auf diese Weise ist seine Theorie allerdings mathematisch begründet und erklärt auch fast alle elektromagnetischen Erscheinungen. Die mathematische Entwicklung derselben behält aber auch ihre vollkommne Gültigkeit, wenn wir nur bei der unläugbaren Selbstständigkeit des Magnetismus und seiner geradlinigen Süd-Nordrichtung, die thatsächlich nachgewiesene Spiraldrehung des elektrischen Stromes als drehenden Factor suppliren. Es ist überhaupt nicht zu läugnen, daß eine Theorie auch dann für die Wissenschaft sehr schätzbar seyn kann, wenn sie auch von dem wahren Zustand der Dinge falsche Ansichten aufstellt und ganz unnöthige Verwickelungen in sich aufgenommen hat. Die rationelle Naturforschung ermüdet aber nicht, die einer jeden solchen Theorie zum Grunde liegenden Thatsachen immer weiterhin zu untersuchen und zu berichtigen – sie prüft mit Sorgfalt alle differenten Ansichten und sucht sie nie ohne Angabe vollgültiger Gründe vornehm zu ignoriren oder durch ein leichtfertiges Absprechen zu beseitigen.Die Fortschritte der Physik in den Jahren 1846–51. Berlin. Jahrgang VI – VIII. Sie erfindet nie neue Kräfte und Eigenschaften der Dinge, so lange die naturgemäß einfachen, bekannten und wichtig erkannten zur Erklärung vollkommen zureichen – noch weniger unterwirft sie einen Gegenstand der Untersuchung der mathematischen Begründung, ehe sie sich überzeugt hat, daß er factisch vollkommen begründet ist. Die Mathematik ist unstreitig die unentbehrlichste Hülfswissenschaft der Naturforschung, indem sie durch die absolute Konsequenz ihrer Schlüsse zu immer lichtem Entdeckungen und Folgerungen in dem verhüllten Gebiete der Schöpfung führt. Sie ist gleichsam die Wissenschaft des Weltenbaumeisters und der sicherste Beweis seines Daseyns und seiner WirksamkeitLichtblicke des Naturforschers in die Wunder und Geheimnisse der Schöpfung, zur Begründung fester religiöser Ueberzeugungen, von G. Romershausen. Zerbst, 1837.; denn sie mußte nothwendig als theoretisch abgeschlossenes System in einem höchsten denkenden Geiste zuvor vollkommen ausgebildet seyn, ehe die praktische Anwendung ihrer Gesetze in dem unendlich mannichfaltigen Weltenbau mit so allgemeiner und absoluter Consequenz stattfinden konnte. Die materiellen Stoffe mit ihren besondern Eigenschaften mußten aber doch eben so nothwendig zuvor bereit seyn, ehe der Bauplan mathematisch geordnet und ausgeführt werden konnte. Die Mathematik ist demnach die hülfreichste Dienerin der Naturforschung, darf sich aber nie zur Beherrscherin derselben erheben, und so ist der, welcher bloß Rechnen gelernt hat, eben so wenig ein wirklicher Naturforscher, wie der, welchem die mathematischen Wissenschaften fremd sind. Indem ich nun meine obigen Erörterungen für nichts weniger als unfehlbar halte, unterwerfe ich sie gern jeder gründlichen Prüfung und Beurtheilung – und schließe diese gelegentliche Abschweifung mit den Worten eines unserer bewährtesten Forscher, des Hrn. Professor Bunsen:Annalen der Chemie und Pharmacie, Januarheft 1854, S. 103. „Wer in bloßer Uebereinstimmung von Zahlen die Bürgschaft für den Werth einer physikalischen Theorie zu finden glaubt, der verkennt die Bedeutung einer mathematischen Behandlung naturwissenschaftlicher Fragen. Denn der Naturforscher benützt nur Formeln, deren Prämissen in der Natur, und nicht auf menschlicher Willkür fußen. Wo diese an die Stelle erfahrungsmäßiger Nothwendigkeit tritt, wird die mathematische Formel zu einem Spiel, mit dem sich eine um so größere Zahlenübereinstimmung erreichen läßt, je willkürlicher die gemachten Voraussetzungen waren.“ Πάѵгα δέ δοκιμαζετε, τό καλόѵ κατέχετε! Marburg, im Juni 1855.