Titel: Das Telegraphiren auf demselben Drahte in entgegengesetzten Richtungen; von Dr. P. Wilhelm Brix in Berlin.
Fundstelle: Band 137, Jahrgang 1855, Nr. XLVII., S. 172
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XLVII. Das Telegraphiren auf demselben Drahte in entgegengesetzten Richtungen; von Dr. P. Wilhelm Brix in Berlin. Aus der vom Verfasser redigirten Zeitschrift des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins, April 1855, S. 81. Mit Abbildungen auf Tab. III. Brix, über das Telegraphiren auf demselben Drahte in entgegengesetzten Richtungen. Wir lassen dem Aufsaß des k. k. Telegraphen-Director Dr. W. Gintl über das in der Ueberschrift genannte Thema, welches in der neuesten Zeit allgemeine Aufmerksamkeit erregt hat, eine allgemeine Darstellung des gegenwärtigen Standes der Frage und deren Entwicklungsganges nachfolgen. Die Möglichkeit einer doppelten und entgegengesetzten Korrespondenz auf demselben Drahte wurde lange Zeit ziemlich allgemein bezweifelt. Es war natürlich, dieselbe auf die theoretische Frage zurückzuführen: „Sind in einem Leiter, der zweien galvanischen Ketten mit gleichen aber entgegengesetzten Strömen gemeinschaftlich ist, beide entgegengesetzte Ströme gegenseitig aufgehoben, oder sind beide daselbst noch vorhanden und gehen ungehindert durch oder nebeneinander vorbei, und ist ihre Anwesenheit nur deßhalb durch die bekannten galvanoskopischen Mittel nicht wahrzunehmen, weil beide gleich stark, aber im entgegengesetzten Sinne auf dieselben einwirken?“ Letzteres wird von mehreren Gelehrten angenommen, von den meisten aber bestritten; und mit der Verwerfung dieser Annahme schien auch über die Möglichkeit einer gleichzeitigen Korrespondenz auf demselben Drahte in beiden Richtungen das Urtheil gesprochen. Daher mag es auch zu erklären seyn, daß die ersten Versuche der Doppelcorrespondenz in entgegengesetzten Richtungen im Allgemeinen so wenig Beachtung gefunden haben. Allein in Wahrheit liegt die Entscheidung über die Möglichkeit unserer Aufgabe, so paradox dieß auch klingen mag, nicht in der oben formulirten Frage. In der That läßt sich die Wirksamkeit der verschiedenen zur Doppelcorrespondenz getroffenen Vorrichtungen, wie wir unten sehen werden, auch ohne die Annahme des gleichzeitigen Vorhandenseyns der entgegengesetzten Ströme im gemeinsamen Leiter, ungezwungen erklären. Wir werden daher diese rein theoretische Frage hier vor der Hand nicht weiter verfolgen. In technischer Hinsicht ist die Möglichkeit der gleichzeitigen Doppelcorrespondenz dadurch bedingt, daß der Apparat jederzeit, auch bei geschlossenem Schlüssel (wir haben es hier nur mit dem Morse- oder mit dem elektro-chemischen Schreibapparate zu thun) Schrift empfangen könne, was bei der gewöhnlichen Apparatverbindung bekanntlich nicht der Fall ist, indem hier beim Niederdrücken des Schlüssels das Relais aus der Kette ausgeschaltet wird – und daß ferner der Apparat nur die von der entfernten Station herkommende, nicht aber die von der eigenen Station abgesendete Schrift aufzeichnet. Die Aufgabe war also: „solche Einrichtungen zu treffen, daß das Relais, respective der elektrochemische Schreibapparat, stets in der Leitung eingeschaltet bleibt, gleichwohl aber durch den von der eigenen Station ausgehenden Strom nicht afficirt wird.“ Das Verdienst, sich zuerst mit dieser Aufgabe beschäftigt und eine Lösung derselben gegeben zu haben, gebührt ohne Frage dem k. k. österreichischen Telegraphen-Director Dr. W. Gintl in Wien. Eine kurze Notiz in der zweiten Ausgabe von Moigno's Traité de télégraphie électrique über ähnliche, schon im Jahre 1847 angestellte Versuche der HHrn. Gounelle und Bréguet, ist vom Abbé Moigno selbst später als irrig bezeichnet worden. Die Einrichtung zur Doppelcorrespondenz, mit der Hr. Gintl im Junius 1853 auftrat, basirte sich auf den Morse-Apparat; die Hauptschwierigkeit: das Relais gegen den abgehenden Strom passiv zu machen, wird bei derselben in sehr geistreicher Weise durch Anwendung einer eigenen Ausgleichungsbatterie gelöst, deren Strom stets gleichzeitig mit dem Linienstrome durch das Relais geleitet wird, aber in entgegengesetztem Sinne wie dieser auf den Elektromagnet einwirkt. Das Relais Besitzt zu dem Ende zwei von einander vollkommen unabhängige Drahtumwickelungen, von denen die innere wie gewöhnlich in die Linienleitung, die darüber gewickelte, aus stärkerem Drahte bestehende, zweite in die Kette der Ausgleichungsbatterie eingeschaltet ist. Um die Linien- und die Ausgleichungsbatterie stets gleichzeitig zu schließen und zu öffnen, wird ein Doppeltaster angewendet, bestehend aus zwei gewöhnlichen auf demselben Fußgestell stehenden Tastern, deren Hebel isolirend, aber fest mit einander verbunden sind, so daß sie gleichzeitig ihre respectiven, ebenfalls von einander isolirten Ambosse und Ruhecontacte berühren. Fig. 7 gibt eine Skizze der Anordnung auf zwei mit einander correspondirenden Stationen. In den Grundrissen der Doppeltaster führen b und b' zu den Körpern der beiden Tasterhebel, a und a' sind deren Ambosse, und c, c' deren Ruhelager; die übrigen Gegenstände werden für sich verständlich seyn. Wird jetzt nur auf einer von beiden Stationen, z.B. in A der Doppeltaster niedergedrückt, so werden die Linien und die Ausgleichungsbatterie gleichzeitig geschlossen. Der Strom der Linienbatterie geht durch den Amboß a' und den Tasterkörper b', durch die innere Umwindung des eigenen Relais in die Leitung, dann auf der entfernten Station B durch die inneren Umwindungen des dortigen Relais, den Tasterkörper b und dessen Ruhelager c, zur Erde, und endlich zur Erdplatte der Station A zurück. Da aber auf der Station A gleichzeitig der Strom der Ausgleichungsbatterie in entgegengesetzter Richtung durch die äußere Umwindung des Relais geleitet wird, so kann in dessen Elektromagnet, wenn beide Ströme gehörig gegen einander ausgeglichen sind, kein Magnetismus erregt werden, und sein Anker bleibt in Ruhe. Auf der entfernten Station B dagegen findet der ankommende Linienstrom beim Durchgange durch das dortige Relais keine derartige Compensation, und setzt dasselbe in ganz gewöhnlicher Weise in Thätigkeit. Wenn aber auch in B der Taster niedergedrückt wird, während der in A ebenfalls geschlossen bleibt, so hat man nach der einen, namentlich auch vom Hrn. Dr. Gintl vertretenen Ansicht anzunehmen, daß in der Linienleitung und den in dieselbe eingeschalteten Apparaten zwei Ströme in entgegengesetzter Richtung circuliren, jeder der Relais-Elektromagnete also von drei verschiedenen Strömen umkreist wird. Und zwar wird bei jedem Relais der abgehende Strom der eigenen Linienbatterie in oben angedeuteter Weise von dem Ausgleichungsstrome compensirt, so daß der ankommende Fernstrom frei zur Wirksamkeit gelangen kann. Man erhält also auf beiden Apparaten Schrift. Somit wird immer, mag nun von beiden oder nur von einer Seite her gesprochen werden, das Relais nur von dem von der anderen Station kommenden, nicht aber von dem abgehenden Strome der eigenen Linienbatterie in Thätigkeit gesetzt. Wer jener Ansicht des gleichzeitigen Vorhandenseyns oder der Uebereinanderlegung (superposition, wie die französischen Physiker sich ausdrücken), zweier entgegengesetzten Ströme in demselben Drahte nicht beipflichtet, hat sich den Vorgang so zu erklären, daß beim gleichzeitigen Niederdrücken der Taster auf beiden Stationen, in der Linienleitung überhaupt kein Strom entsteht, da durch sie die gleichnamigen Pole der Batterien verbunden, letztere also nicht geschlossen sind; so daß nun auf beiden Stationen die jetzt nicht mehr compensirten Ausgleichungsströme das Relais in Thätigkeit setzen. Es erscheint also auf beiden Stationen Schrift; aber dieselbe wird nicht durch zwei gleichzeitig durch die Leitung fließende entgegengesetzte Linienströme hervorgebracht, sondern dadurch, daß durch Schließung des Schlüssels in B der correspondirenden Station der Linienstrom abgeschnitten und so der dortige wie auch der eigene Ausgleichungsstrom gezwungen werden zu schreiben, so lange an beiden Stationen die Schlüssel niedergedrückt bleiben. Oeffnet A seinen Schlüssel, während der in B noch geschlossen ist, macht also etwa A Punkte, B aber Striche, so tritt nun sofort der ersterwähnte Fall ein: von B geht ein Strom nach A, der in dem Relais der Station B durch den dazugehörigen Ausgleichungsstrom compensirt wird, in dem Relais der Station A aber bewirkt, daß der Anker angezogen bleibt, der also das von dem dortigen Ausgleichungsstrome begonnene Zeichen fortsetzt. Es erscheint also in A stets das Zeichen, welches mit dem Taster in B angegeben worden, und umgekehrt. Man hätte auch die Anordnung so treffen können, daß in beiden Stationen verschiedene Pole der Linienbatterien – etwa in A der positive, in B der negative – zur Erdplatte gehen; dann würde bei einseitigem Sprechen der Vorgang ganz wie oben seyn, beim gleichzeitigen Niederdrücken der Schlüssel auf beiden Stationen aber würden allerdings zwei Ströme in die Leitung treten, aber dieselben wirken dann in gleichem Sinne, summiren sich, und setzen beide Relais in Thätigkeit, weil sie, so verstärkt, durch die Gegenwirkung der Ausgleichungsströme auf den Elektromagnet nicht mehr compensirt werden. Wie man sich also auch den Vorgang erklären will, der Erfolg bleibt derselbe: jede Station empfangt die vom Schlüssel der anderen Station gegebenen Zeichen, nicht aber die von dem eigenen Schlüssel herrührenden. Somit war durch diese Einrichtung das Problem des Gegensprechens (wie man sich jetzt in der Regel ausdrückt) thatsächlich gelöst. Die Versuche, welche Hr. Dr. Gintl mit dieser Einrichtung im Julius 1853 auf der österreichischen Staats Telegraphen-Linie zwischen Prag und Wien anstellte – nachdem er bereits am 9. Junius dieses Jahres der mathematisch-physikalischen Classe der Wiener Akademie der Wissenschaften eine Mittheilung über diesen Gegenstand gemacht hatte – fielen in sofern durchaus befriedigend aus, als sie die Richtigkeit der Idee außer allen Zweifel setzten, obwohl sie auf der anderen Seite auch lehrten, daß die Sache noch nicht reif zur Einführung in den praktischen Dienst sey. Namentlich erwies sich bei den häufigen starken Schwankungen des Linienstromes die Regulirung des Ausgleichungsstromes auf die jedesmal zur (Kompensation nöthige Stärke sehr schwierig. Eine Beschreibung dieser ersten Gintl'schen Doppelcorrespondenzmethode durch einen ungenannten Verfasser findet sich im polytechnischen Centralblatte für 1833 S. 1473 (daraus im polytechn. Journal Bd. CXXXI. S. 191). Die oben berührte Schwierigkeit hat Hrn. Dr. Gintl bewogen bei seinen weiteren Versuchen einen anderen Weg einzuschlagen, indem er statt des Morse'schen seinen elektro-chemischen Schreibapparat anwendete; und er ist so schließlich zu der in vorstehender Abhandlung beschriebenen Einrichtung gelangt. Mit dieser wurden im October des vorigen Jahres auf der Linie zwischen Wien und Linz Versuche angestellt, über deren günstigen Ausfall die Zeitungen und technischen Journale zu jener Zeit mehrfach berichteten. Im Julius des vergangenen Jahres wurde uns mündlich mitgetheilt, daß der Telegraphen-Ingenieur Hr. Frischen in Hannover mit einer neuen von ihm erfundenen Einrichtung zum Gegensprechen, welche er indeß geheim halte, gelungene Versuche angestellt habe. Nach einer in der Zeitschrift des Architekten- und Ingenieur-VereinsIngenier-Vereins für das Königreich Hannover Bd. I S. 142 (polytechn. Journal Bd. CXXXVI S. 151) enthaltenen Notiz, welche jedoch nur die Thatsache constatirt, ohne über deren Wesen etwas mitzutheilen, hat Hr. Frischen seine Erfindung im März 1854 gemacht, und deren Brauchbarkeit am 26. Mai durch Versuche auf der Linie zwischen Hannover und Göttingen nachgewiesen. Ebenso befriedigend sollen Versuche ausgefallen seyn, welche Hr. Frischen im Januar des gegenwärtigen Jahres in Sunderland in England mit seiner Vorrichtung, deren Ausbeutung er im October vorigen Jahres einem englischen Unternehmer überlassen hatte, anstellte. Dem Vernehmen nach hat derselbe seine Erfindung auch den Regierungen des deutsch-österreichischen Telegraphen-Vereins zur Verfügung gestellt, lieber die Einrichtung seines Apparates ist unseres Wissens auf directem Wege nichts zur Oeffentlichkeit gelangt; doch wird von verschiedenen Seiten in verläßlicher Weise mitgetheilt, daß dieselbe nur in weniger wesentlichen Punkten von derjenigen verschieden ist, welche die HHrn. Siemens und Halske mehrere Monate später selbstständig erfunden haben, und daß deßhalb diese drei Herren dem Vernehmen nach ihre Interessen in dieser Angelegenheit verschmolzen haben. Die HHrn. Siemens und Halske wurden, wenn wir recht berichtet sind, durch die Zeitungsberichte über die von Dr. Gintl zwischen Linz und Wien am 15. October 1854 angestellten Versuche veranlaßt, sich mit der Aufsuchung einer brauchbaren Doppelcorrespondenz-Vorrichtung für den Morse-Apparat zu beschäftigen. Sie, so wie auch Hr. Frischen, hatten die glückliche Idee, zur Kompensation des abgehenden Linienstromes im eigenen Relais statt der besonderen Ausgleichungsbatterie einen Zweig des Linienstromes selbst anzuwenden, so daß die Schwierigkeit der Regulirung beider Ströme von selbst fortfiel, und sie setzten diese Idee bei der von ihnen schon länger angewendeten Construction des Relais in sinnreicher und einfacher Weise durch bloße Abänderung der Drahtverbindung und Einschaltung eines Widerstandes ins Werk. Im November vorigen Jahres sahen wir ihren Doppelcorrespondenz-Apparat im Zimmer in Thätigkeit; und am 15. December erläuterte Hr. Lieut. Siemens denselben in einem in der Berliner physikalischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage. Seitdem ist eine Beschreibung dieses Apparates auch in dem kürzlich erschienenen „Katechismus der elektrischen Telegraphie“ von Galle veröffentlicht worden. Das Relais der gedachten Herren ist so construirt, daß der Anker durch einen zweiten, um eine Welle leicht beweglichen Elektromagneten ersetzt ist, dessen Schenkel denen des festen Elektromagnets nahe gegenüberstehen. Der ankommende Strom durchläuft nach einander die Drahtumwindungen beider Elektromagnete, ertheilt ihnen aber entgegengesetzte Pole, so daß die gegenüberstehenden Schenkel beider sich anziehen. Für die Doppelcorrespondenz wird nun aus der Mitte der Drahtwindungen der Elektromagnete, also zwischen den beiden Elektromagneten, die wir der Kürze wegen die Schenkel des Relais nennen wollen, eine Zweigleitung zur Erde oder zur Batterie abgezweigt, so daß einer der Schenkel in diese Zweigkette, der andere aber in die Kette des abgehenden Linienstromes eingeschaltet ist; in jene Zweigkette ist endlich noch ein Widerstand eingeschaltet, welcher dem der Linienleitung ungefähr gleich ist. Fig. 8 zeigt eine solche Einrichtung. Hier ist wie gewöhnlich der Amboß des Schlüssels mit der Batterie, die Ruhelage mit der Erde verbunden; von dem Schlüsselkörper geht ein Draht ab, welcher sich an den Umwindungsdraht des Relais in dessen Mitte, zwischen beiden Schenkeln, anschließt, und die freien Enden des Relaisdrahtes endlich sind auf der einen Seite mit der Linie, auf der andern Seite mit der Erdplatte verbunden, und in letzterer Verbindung ist ein Widerstand eingeschaltet, der dem der Linienleitung, wie schon erwähnt, ungefähr gleich ist. Der Vorgang beim Telegraphiren ist leicht zu übersehen. Wird auf der einen Station, etwa in A, der Schlüssel niedergedrückt, so tritt ein Strom aus der Batterie durch den Schlüsselkörper bei m in das Relais. Hier theilt er sich in zwei wegen des eingeschalteten Widerstandes gleiche Zweige; der eine Zweig geht durch den linken Schenkel des Relais zur Erde und zum anderen Pole der Batterie; der andere geht durch den rechten Schenkel des Relais in die Leitung an deren Ende durch das dortige Relais zur Erde, und endlich zum anderen Pole der Batterie. Da diese beiden Zweigströme die Umwindungen der Relaiselektromagnete in A von der Mitte aus in entgegengesetzten Richtungen durchlaufen, so ertheilen sie diesen jetzt einen gleichartigen und nahe gleich starken Magnetismus, die einander gegenüberstehenden Arme derselben ziehen sich also nicht an, sondern streben im Gegentheil sich abzustoßen; das Relais bleibt hier somit in Ruhe. Auf der Station B dagegen geht der dorthin gelangende Zweigstrom zunächst durch den an die Linienleitung sich schließenden Schenkel des Relais, theilt sich dann bei m und geht zum größeren Theile durch den Schlüssel, zum geringeren Theile durch den anderen Schenkel des Relais und den eingeschalteten Widerstand zur Erde; er wirkt also hier zwar ungleich stark, aber in demselben Sinne auf beide Relaisschenkel und setzt dieselben also in gewöhnlicher Weise in Thätigkeit. Werden aber beide Schlüssel gleichzeitig niedergedrückt, so entsteht in der Leitung und in den an dieselbe gränzenden Schenkeln der beiden Relais kein Strom; um so stärkere Ströme circuliren aber in den beiden Localzweigen; diese wirken auf die in diesen Zweigen liegenden Relaisschenkel und setzen dadurch auf beiden Stationen die Relais in Thätigkeit. Auf eine absolute Gleichheit zwischen dem eingeschalteten Widerstande und dem Widerstande der Leitung kommt es hiebei nicht an; ebenso ist es gleichgültig, wo dieser Widerstand eingeschaltet wird; Bedingung ist nur, daß dieser Widerstand und der eine Relaisschenkel in der Kette des Localzweiges; der andere Schenkel des Relais und die Linienleitung aber in der Kette des anderen Zweigstromes liegen. In Fig. 9 ist beispielsweise eine andere Anordnung dargestellt, welche ebenfalls mit Erfolg zur Anwendung gekommen ist; der Widerstand ist hier zwischen dem Relais und der Leitung, und die Batterie zwischen dem Ambos und der Relaismitte eingeschaltet; die Wirkungsweise wird man nach dem Vorhergehenden leicht erklären. Die Erfinder wenden ferner zur größeren Sicherheit jetzt auch eine doppelte Relaisumwindung an, obwohl dieselbe nicht absolut nothwendig ist; sie ist nach dem Schema Fig. 10 ausgeführt. Wie man sieht, umkreist hier der aus der Ferne kommende Strom auf dem Wege zur Erde, von l nach e, jeden Relaisschenkel immer in derselben Richtung; der durch s eintretende abgehende Strom aber theilt sich bei m in zwei gleiche Zweige, welche die Relaisschenkel stets in entgegengesetzten Richtungen umkreisen, sich also in der Einwirkung auf die Eisenkerne gegenseitig compensiren, so daß in diesen überhaupt kein Magnetismus zur Entstehung kommen kann. Diese Einrichtung ist, wie man sieht, auch bei der gewöhnlichen Construction des Relais anwendbar. In englischen Zeitschriften (die übrigens von den oben besprochenen Versuchen seither keine Notiz genommen haben) findet sich endlich eine kurze Notiz, daß der schwedische Professor Edlund eine Vorrichtung zum gleichzeitigen Telegraphiren in entgegengesetzten Richtungen auf demselben Drahte erfunden habe, doch ist über seine Methode noch nichts Näheres bekannt geworden. Mit Rücksicht auf das Vorstehende können wir wohl behaupten, daß das Problem der Doppelcorrespondenz auf demselben Drahte in theoretischer Hinsicht vollständig gelöst, daß seine Möglichkeit und Ausführbarkeit außer Zweifel gesetzt ist. Ueber die Tragweite dieser Erfindung für die Telegraphie, und über die praktische Brauchbarkeit der einen oder der anderen Methode können wir uns füglich eines Urtheiles enthalten, da dieselben an mehreren Orten bereits in Anwendung stehen, die Erfahrung also bald selbst sprechen wird. Allzu sanguinische Hoffnungen hegen wir, offen gestanden, nicht; es ist ein nicht zu übersehender Uebelstand, daß der die Depesche abnehmende Beamte seinen Correspondenten nicht unterbrechen kann um Zwischenbemerkungen zu machen, Correcturen zu erlangen etc., ohne gleichzeitig auch die eigene abgehende Depesche seiner Station zu unterbrechen; ein Uebelstand, der nicht in der Art der Ausführung, sondern in dem Wesen der Doppelcorrespondenz selbst begründet ist. Möchten nur nicht die durch diese Erfindung angeregten Hoffnungen die Vermehrung der Zahl der Leitungen auf den Linien verzögern; denn selbstredend muß die Unterbrechung einer Leitung eine um so empfindlichere Störung des Verkehrs herbeiführen, je größer die Zahl der Depeschen war, welche für gewöhnlich auf derselben befördert wurden.

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