Titel: Ueber Bestimmung des Säuregehalts der Essige; von E. Ch. Nicholson und Dr. David Price.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. CIV., S. 441
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CIV. Ueber Bestimmung des Säuregehalts der Essige; von E. Ch. Nicholson und Dr. David Price. Aus der Chemical Gazette, 1856, Nr. 318. Nicholson, über Bestimmung des Säuregehalts der Essige. Die allgemein gebräuchliche Methode, den Betrag der freien Säure in einer Flüssigkeit mittelst einer Normallösung von caustischem oder kohlensaurem Alkali zu ermitteln, liefert bekanntlich keine richtigen Resultate, wenn man sie zur Bestimmung von Essigsäure anwendet. Man hat dieß zweierlei Ursachen zugeschrieben, nämlich erstens der Schwierigkeit mittelst der Pflanzenpigmente den Sättigungspunkt der Säure genau zu bestimmen, und zweitens der Flüchtigkeit der Essigsäure; wir haben gefunden, daß der eigentliche Grund die alkalische Reaction des erzeugten essigsauren Salzes ist, indem die neutralen essigsauren Salze von Kali und Natron, sowie auch diejenigen der Erden, eine sehr deutliche alkalische Reaction auf Reagenspapier zeigen. Es ist daher einleuchtend, daß der Sättigungspunkt, mittelst obigen volumetrischen Verfahrens ermittelt, denjenigen repräsentiren wird, wobei die alkalische Reaction des essigsauren Salzes die Reaction der zurückbleibenden freien Säure überwiegt, daher er nicht die absolute Menge der vorhandenen Säure ergibt. Um sich davon augenscheinlich zu überzeugen, braucht man nur Essigsäure von verschiedenen Stärkegraden nach verschiedenen Methoden zu titriren und die erhaltenen Resultate zu vergleichen; wir theilen in dieser Hinsicht folgende Versuche mit: Textabbildung Bd. 139, S. 441 Procente von Essigsäurehydrat, gefunden durch; Essigsäure; Normallösung von kohlensaur. Natron; kohlensauren Kalk; kohlensauren Baryt; Fresenius' und Will's Methode; Eisessig; verdünnte; noch mehr verdünnte Bei obigen Versuchen wurden beiläufig 100 Gran Säure für jede Bestimmung verwendet. Die angewandte Normallösung enthielt 12,5 Gran kohlensaures Natron in 100 Gran-Maaßen Wasser, und von ihr wurde der, mit ihrem 30 bis Machen Volum Wasser verdünnten Säure zugesetzt, bis man auf Reagenspapier eine alkalische Reaction erhielt, indem man die Flüssigkeit gegen das Ende der Operation erwärmte, um die Kohlensäure auszutreiben. Die Bestimmungen mittelst kohlensauren Baryts und Kalks wurden folgendermaßen ausgeführt. Die mit 15 bis 20 Theilen Wasser verdünnte Essigsaure wurde mit einer gewogenen Menge reinen gefällten kohlensauren Kalks oder Baryts versetzt und zuerst in der Kälte digerirt, dann erhitzt, um alle Kohlensäure auszutreiben; das unaufgelöst zurückbleibende kohlensaure Salz wurde auf einem Filter gesammelt, getrocknet, gewogen und der Betrag von der ursprünglich genommenen Quantität abgezogen. Die Bestimmung nach der Methode von Fresenius und Will wurde mit reinem Kali-Bicarbonat gemacht. Die nach den drei letzten Methoden erhaltenen Resultate zeigen, wie wir glauben, den wirklichen Procentgehalt der Essigsäure an. Die Meinung von Williams Pharmaceutical Journal, t. XIII p. 594., daß eine Lösung von essigsaurem Kali, welche mit Alkali versetzt worden ist, beim Abdampfen Essigsäure entbindet, und daß deßhalb geschmolzenes essigsaures Kali eine alkalische Reaction besitzt, ist nicht richtig. Wir fanden, daß wenn man der Essigsäure kohlensaures Kali zusetzt, bis sich eine alkalische Reaction zeigt, das Product beim Abdampfen Essigsäure entbindet; dieß geschieht aber nicht in Folge einer Zersetzung des essigsauren Salzes, sondern es wird bloß derjenige Säureantheil ausgeschieden, welcher nicht neutralisirt wurde, weil seine Gegenwart durch die alkalische Reaction des gebildeten essigsauren Salzes maskirt worden war; um sich davon zu überzeugen, braucht man nur den durch Abdampfen erhaltenen Rückstand zu schmelzen, ihn dann in Wasser aufzulösen und ihn wieder der Destillation zu unterziehen, wo man dann das Destillat neutral finden wird. Um für die Richtigkeit dieser Ansicht weitere Beweise zu liefern, machten wir folgende Versuche. 2 Unzenmaaße Essigsaure (welche 80 Procent wasserfreie Säure enthielt), mit Wasser verdünnt, wurden mit der nach der Theorie erforderlichen Menge von kohlensaurem Kali neutralisirt, die Auflösung in einer Retorte zur Trockne destillirt und der Rückstand vollständig geschmolzen. Das so erhaltene Destillat war gegen Reagenspapier vollkommen neutral, und erwies sich als reines Wasser. Die in der Retorte zurückgebliebene geschmolzene Masse, in Wasser aufgelöst, lieferte eine Lösung welche stark alkalisch reagirte, aber dennoch weder Kalihydrat noch kohlensaures Kali enthielt; denn sie gab mit Barytwasser oder einer ammoniakalischen Lösung von Chlorcalcium keinen Niederschlag, weder direct noch nach vorläufigem Kochen mit kohlensaurem Ammoniak, welches zugesetzt wurde um vorhandenes freies Alkali in kohlensaures Salz umzuwandeln. Ein ähnliches Resultat erhielten wir mit essigsaurem Natron, welches, um seiner Reinheit sicher zu seyn, viermal umkrystallisirt worden war; die Lösung dieses Salzes verhielt sich stark alkalisch gegen Reagenspapier. Diese Versuche beweisen, daß neutrales essigsaures Kali und Natron, wenn sie sorgfältig geschmolzen werden, keine Zersetzung erleiden; ferner daß sich der Gehalt der Essigsäure mittelst einer Normallösung von ätzendem oder kohlensaurem Alkali nicht richtig bestimmen läßt, wegen der alkalischen Reaction des gebildeten essigsauren Salzes, also aus demselben Grunde, weßhalb dieses Verfahren zur Bestimmung freier Phosphorsäure nicht anwendbar ist, deren neutrale Alkalisalze sich gegen Reagenspapier ebenfalls alkalisch verhalten.