Titel: Ueber Acclimatisirung der Fische; von Hrn. Coste.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. CX., S. 457
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CX. Ueber Acclimatisirung der Fische; von Hrn. Coste. Aus den Comptes rendus, Novbr. 1855. Nr. 22. Coste, über Acclimatisirung der Fische. Die Fischarten aus der Familie der Salme, welche aus den Schweizer Seen und von den Ufern des Rheins, im Zustande künstlich befruchteter Eier zu Paris anlangten, in meinen Apparaten im Collège de France auskrochen, und hernach in dem, zu meinen Versuchen bestimmten, schmalen Fischteich aufgezogen wurden, beginnen nun sich fortzupflanzen. Eine Seeforelle (Salmo lemanus Cuv.) 2 1/2 Jahre alt, 35 Centimeter lang, von 750 Grammen Gewicht, legte am 12 Nov. ihre Eier auf ein Bett von Kieselsteinen, welches ich zu diesem Behuf an einer Stelle des Bassins vorgerichtet hatte. Ihre Eier, welche ich nach jedem Legen mittelst einer großen Pipette wegnehmen und in meinen Auskriech-Apparat bringen ließ, betrugen an Zahl 1(165 und wurden von einem nur 19 Monate alten Männchen der gemeinen Forelle (Salmo fario Lin.) befruchtet. Die Kreuzung ging hier freiwillig vor sich. Die Sterblichkeit dieser Eier betrug seit 12 Tagen, der Zeit wo sie sich in der Bebrütung befinden, nur 17 auf 1000, und bei den meisten anderen ist der Embryo vollkommen sichtbar. Wäre diese Thatsache eine vereinzelte, so könnte ihre Wichtigkeit vielleicht verkannt und sie als ein Ausnahmsfall betrachtet werden, der zu keinen allgemeinen Folgerungen berechtigt. Sie steht aber nicht allein. Es befindet sich in jenem Bassin jetzt noch eine Lachsforelle (Salmo trutta Lin.), eine gemeine Forelle und eine zweite Seeforelle, wovon die beiden ersten im Februar 1853 ausgekrochen sind, die dritte nur 1 1/2 Jahre alt ist und erst 200 Gram. wiegt, welche sämmtlich auf dem Punkt sind sich fortzupflanzen. Die übermäßige Ausdehnung ihrer Bauchwand und die eigenthümliche Färbung ihrer Haut sind sichere Zeichen der Reife ihrer Eier, folglich des nahe bevorstehenden Eierlegens. Sie haben den Laichplatz schon erkannt und beginnen daselbst ihr Bett herzurichten. Sechs Männchen, worunter zwei gemeine Lachse (Salmo salar Lin.), sehen schon lange der Begattung entgegen und sind voll Milch. Zwei von ihnen, welche nach heftigen Kämpfen im Besitz des Weibchens geblieben sind, deren Eier sie befruchten sollen, verfolgen dieses Weibchen überall und verjagen die sich nähernden Nebenbuhler. Hiernach ist in Bälde neuen Verlegungen entgegenzusehen. Dieses merkwürdige Resultat bestätigt meine Vorhersagungen über die Zukunft des neuen Industriezweigs, welcher jetzt im Besitze erprobter Verfahrungsweisen ist, mittelst welcher die Acclimatisirung und Heimischmachung der Fische eben so leicht erreicht werden kann, als es einerseits mit den meisten Thieren durch die Stallfütterung gelungen ist, andererseits mit den Nährpflanzen, welche sich gegenwärtig auf fremdem Boden und in fremdem Klima fortpflanzen. Das Acclimatisiren und Heimischmachen der Fische ist daher nicht mit so vielen Schwierigkeiten verbunden, als man bisher glaubte. Ich will damit nicht sagen, daß es in allen Wässern ebenso gelingen werde, daß alle Wässer ohne Unterschied für alle Fischarten taugen, und daß man überall ihre natürliche Fortpflanzung bewerkstelligen kann. Soviel steht aber bereits unwiderruflich fest, daß Fische, von welchen man bis jetzt glaubte, daß sie nur in laufendem Wasser leben und fortkommen können, sich selbst in geschlossenen Bassins, worin das Wasser bloß erneuert wird, fortpflanzen und daselbst in eben so kurzer Zeit, wie im freien Zustande eine Größe erreichen, wobei sie vollkommen eßbar und verkäuflich sind, ohne an den Eigenschaften, weßhalb sie geschätzt werden, einzubüßen. Ich ließ vor einigen Monaten auf Verlangen des Handelsministers ungefähr 50,000 Junge der gemeinen Forelle, der Lachsforelle (Salmo trutta Lin.), der Seeforelle, des Röthlings (Ombre-chevalier), Salmo umbla Lin), des gemeinen Lachses, des Huchens (S. hucho Lin.), welche im Collège de France ausgekrochen waren, in denselben See des Bois de Boulogne bringen, und schon haben die meisten derselben eine Länge von 12–13 Centimeter erreicht. Ihr schnelles Heranwachsen mittelst der natürlichen Nahrung, welche diese Fische in dem Bassin vorfanden, die sie sich wohl zu nutze machten, obgleich sie künstlich als Brut eingesetzt worden waren, verbürgt den guten Erfolg, sofern nur Maßregeln getroffen werden, daß die Winterfröste den Versuch nicht vereiteln. Wahrscheinlich werden im nächsten Jahre mehrere dieser Species sich fortpflanzen können. Ich werde alsdann die Behörde um die Erlaubniß angehen, Laichplätze so herstellen zu lassen, wie bei meinem Apparat im Collège de France.Man sehe über diese Vorrichtung polytechn. Journal, 1852, Bd. CXXV S. 310. Ob nun die Producte der unter meinen Augen vorgegangenen Kreuzung an Größe und Güte ihre Eltern übertreffen werden, oder ob diese Kreuzung unfruchtbare Bastarde liefern wird, wie man sie bisweilen unter den Fischen aus der Familie der Salme antrifft, oder fortpflanzungsfähige Geschlechter, deren charakteristische Vorzüge oder Mängel auf ihre Abkömmlinge übergehen, das sind Fragen, welche ich in der nächsten Zukunft zu beantworten im Stande seyn werde.