Titel: Ueber die Verseifung der Fette durch die wasserfreien Basen; von Professor J. Pelouze.
Fundstelle: Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXXII., S. 135
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XXXII. Ueber die Verseifung der Fette durch die wasserfreien Basen; von Professor J. Pelouze. Aus den Comptes rendus, Juni 1856, Nr. 23. Pelouze, über die Verseifung der Fette durch die wasserfreien Basen. Man nimmt allgemein an, daß die Verseifung der Fette nur bei Gegenwart des Wassers erfolgt. Nachstehende Versuche beweisen, daß diese Annahme nicht streng genau ist, indem die wasserfreien Metalloxyde eben so gut Seifen bilden können, als dieselben Basen im Hydratzustande oder bloß mit Wasser gemischt. Meine Resultate betreffen nicht nur den Talg, sondern auch die Oele, sie gelten für die verschiedenen Classen der neutralen Fette. Wasserfreier Kalk, dem Talg beigemischt, bewirkt dessen vollständige Verseifung gegen 250° C. Die Kalkseife, durch eine Säure zersetzt, gibt eine Quantität Fettsäure, welche 95 bis 96 Proc. vom Gewicht des angewandten Talgs repräsentirt. Diese Fettsäuren erwiesen sich in jeder Hinsicht identisch mit denjenigen, welche Hr. Chevreul aus dem Talg erhielt. Dieselbe Seife gibt an Wasser Glycerin ab, welches mit einer sehr kleinen Menge eines Kalksalzes gemischt ist, dessen Säure in Wasser löslich ist, deren Natur ich aber nicht bestimmt habe. Während der Reaction entwickelt sich aus dem Gemisch von Fett und wasserfreiem Kalk ein weißer Rauch, welcher den Geruch des angebrannten Zuckers und nebenbei denjenigen des Acetons besitzt. Diese Dämpfe, deren Gewicht in der Regel höchstens 2 bis 3 Procent von demjenigen des Talgs beträgt, wurden verdichtet. Man fand darin Wasser, Aceton und Glycerin. 10 Theile wasserfreier Kalk sind hinreichend um 100 Theile Talg vollständig zu verseifen; mit 12 bis 14 Theilen Kalk erfolgt die Verseifung viel leichter. – Bei Anwendung einer beträchtlichen Quantität des Gemisches ist es sehr schwierig (selbst wenn man die Masse vom Feuer nimmt sobald das als Rührer dienende Thermometer 250 oder 260° C. anzeigt) zu verhindern, daß die Wirkung sehr stürmisch wird. Das Gemisch schwellt auf, verbreitet außerordentlich dicke Dämpfe, die Temperatur steigt rasch, und die Zersetzung nimmt den Charakter einer gewöhnlichen Zerstörung durch das Feuer an. Es verbleibt nur eine schwarze, verkohlte Masse. Wasserfreier Baryt und Strontian bewirken die Verseifung des Talgs und der Oele, wie der Kalk. Auch das Bleioxyd bewirkt diese Zersetzung der Fette in gleicher Weise; indem man die Temperatur des Gemisches von Bleiglätte und Talg stufenweise erhöht, ist es sehr leicht eine Bleiseife zu erzeugen, aus welcher schwache Salpetersäure gewöhnliche Margarin-, Stearin- und Oleinsäure auszieht, deren Gewicht, wie bei Anwendung von Kalk, 95 bis 96 Proc. vom Gewicht des Talgs beträgt. Die Bildung der Fettsäuren mit Talg und wasserfreien Metalloxyden ist eine neue und interessante Thatsache, welche aber an Chevreul's Theorie der Verseifung nichts ändert. Bei der Verseifung des Talgs durch Calciumoxyd erhält man nämlich die wasserfreien Fettsäuren, welche man als ganz gebildet in dem Fett annehmen kann, unverändert und ohne Verlust; anders ist es aber mit dem Glycerin, denn der Talg verliert wenigstens 2 Proc. seines Gewichts, und man kann diesen Verlust nur einer Zersetzung des Glycerins zuschreiben. Die wasserfreien Säuren verseifen die neutralen Fette ebenfalls bei hoher Temperatur, aber ihre Wirkung ist langsam, schwierig und unvollständig. Ich glaubte anfangs, daß man die Verseifung des Talgs mit wasserfreiem Kalk bei der Stearinsäurekerzen-Fabrication benutzen könnte, weil diese Verseifung viel rascher erfolgt als bei dem gewöhnlichen Verfahren, überdieß weniger Kalk erfordert, daher man später weniger Schwefelsäure zur Zersetzung der Seife aufzuwenden hat; ich fand aber bald, daß der pulverförmige gelöschte Kalk, das Kalkhydrat, zur Abänderung des gewöhnlichen Verfahrens dem wasserfreien Kalk weit vorzuziehen ist. Wenn man den durch Brennen des Kalksteins erhaltenen Kalk in gewöhnlicher Weise löscht und 10 bis 12 Theile des zarten Pulvers 100 Theilen Talg beimischt, so erfolgt dessen Verseifung zwischen 210 und 225° C. vollständig. Das Glycerin bleibt der Kalkseife innig beigemischt. Letztere ist weiß, amorph, halbdurchsichtig, fast farblos; sie gibt Glycerin an Wasser ab. Schwache Salzsäure und Schwefelsäure scheiden, daraus Fettsäuren ab, welche noch 96 Proc. vom Gewicht des angewandten Talgs repräsentiren. Bei Anwendung von 1 Kilogr. Talg und 120 Grammen gelöschtem Kalk als zartes Pulver, und indem man das Gemisch auf einer Temperatur von 215 bis 220° C. erhält, ist die Verseifung in weniger als einer Stunde beendigt; sie erfordert nur einige Minuten, wenn man die Temperatur rasch auf 250° C. steigert. Wenn man das Verhältniß des gelöschten Kalks etwas erhöht, nämlich von demselben 150 Gramme auf 1 Kilogr. Talg nimmt, so erfolgt die Verseifung noch viel leichter. Letztere Seife ist härter, weißer und leichter zu pulverisiren als die mit weniger Kalk erzeugte. Die Säuren scheiden daraus sehr weiße und reine Fettsäuren ab. Auf gewöhnliche Weise ausgeführt, nämlich mit Kalkmilch bei der Temperatur des Kochens der Mischung, erfordert die Verseifung einer solchen Quantität wenigstens 20 bis 30 Stunden, und sie würde in diesem Falle nur bei Anwendung eines größern Verhältnisses von Kalk vollständig bewirkt werden. In den Fabriken dauert die Verseifung mit Kalkmilch gewöhnlich einen ganzen Tag.