Titel: Zum Verständnisse des Bessemer'schen Verfahrens geschmolzenes Roheisen mittelst eines Stroms von atmosphärischer Luft zu frischen; von C. Schinz in Philadelphia.
Autor: Conrad Schinz
Fundstelle: Band 142, Jahrgang 1856, Nr. XLVII., S. 207
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XLVII. Zum Verständnisse des Bessemer'schen Verfahrens geschmolzenes Roheisen mittelst eines Stroms von atmosphärischer Luft zu frischen; von C. Schinz in Philadelphia. Schinz, über Bessemer's Verfahren geschmolzenes Roheisen mittelst eines Stroms atmosphärischer Luft zu frischen. Mehrere Hüttenmänner bemerkten mir hinsichtlich des von Bessemer veröffentlichten Verfahrens flüssiges Roheisen zu frischen, es sey nicht abzusehen, wie so wenig Kohlenstoff, der zu verbrennen ist, hinlänglich Wärme erzeugen könne, um das entstehende gefrischte Eisen im Flusse zu erhalten, ja im Gegentheil müsse ein solcher Luftüberschuß zur Anwendung kommen, daß das Roheisen selbst zum Erstarren kommen werde; ferner kenne man kein Gebläse das kräftig genug sey, um einen Druck von 8 bis 10 Pfd. auf den Quadratzoll hervorzubringen. Das letztere Bedenken ist leicht zu beseitigen durch eine einfache Vorrichtung, indem der Luftbedarf verhältnißmäßig sehr gering, daher kein fortdauernd wirkendes Gebläse erforderlich ist, und die ersteren Einwürfe erweisen sich durch eine einfache Rechnung als unbegründet. Ein Druck von 8 Pfd. auf 1 Quadratzoll entspricht einer geschmolzenen Eisensäule von circa 27'' englisch. Nehmen wir den Durchmesser des cylindrischen Eisenbehälters zu 8'' englisch an, so wird dessen circa 27'' hoher Inhalt von geschmolzenem Roheisen circa 360 Pfd. englisch betragen. Diese 360 Pfd. enthalten à 2 1/2 Proc. – 7,38 Pfd. Kohlenstoff. Diese erfordern, um zu Kohlenoxyd zu verbrennen: Sauerstoff     9,84 Pfd.     um zu Kohlensäure zu verbrennen      „   19,68   „     und nehmen wir an, die Hälfte verbrenne zu Kohlenoxyd,die andere zu Kohlensäure, so ist der Bedarf an Sauerstoff                              (9,84 + 19,68)/2 =   14,76 Pfd.     Es werden nun ferner 10 Procent des Eisens zu Oxyd         verbrannt, was   15,43 Pfd. Sauerstoff erfordert, und der ganze Bedarf an Sauerstoff ist:   30,19 Pfd. Mit diesem gehen Stickstoff 101,07   „ ––––––––––         der ganze Luftbedarf für eine Operation ist dann 131,26   „ was dem Volumen nach 1618 Kubikfuß engl. ausmacht. Um diese Luftmenge mit der nöthigen Pressung zu liefern, ist nur ein offenes und ein luftdicht geschlossenes Bassin erforderlich; das offene Bassin hat 1618 Kubikfuß Inhalt und ist 16 bis 20 Fuß über dem unteren geschlossenen Bassin angebracht; geht nun aus dem offenen Bassin eine Röhre auf den Boden des geschlossenen, so wird durch das Abfließen des Wassers aus dem oberen Bassin im unteren die Luft durch einen Druck von 16 bis 20 Fuß Wassersäule verdrängt werden, und nach vollendeter Operation ist das herunter geflossene Wasser wieder in die Höhe zu pumpen. Bessemer gibt an, daß in dem cylindrischen Eisenbehälter drei Düsen von 3/8'' Durchmesser angebracht seyn sollen: diese haben zusammen einen Querschnitt von 0,9 Quadratzoll = 0,00625 Quadratfuß. Dividiren wir diesen Querschnitt in die in 20 Minuten durchströmende Luftmenge, so wird diese Luft in dieser Zeit einen Weg von 258888 Fuß zurücklegen, was auf eine Secunde eine Geschwindigkeit von 258888/20,60 = 216 Fuß ausmacht; eine solche Geschwindigkeit läßt wohl eine heftige Bewegung und ein Durcheinanderarbeiten der flüssigen Eisenmasse erwarten. –––––––––– Durch die Verbrennung von 3,67 Pfd. Kohlenstoff zu Kohlenoxyd werden à 1386 W. E. erzeugt:   3114 W. E. 3,67 Pfd. Kohlenstoff zu Kohlensäure à 7170 26457    „    36 Pfd. Eisen zu Eisenoxyd à 1270 43344    „ ––––––––––– Zusammen: Wärmeeinheiten 72915. Nun ist die specifische Wärme der Verbrennungsproducte: 101,07 Pfd. Stickstoff à 0,2754 W. E. 27,8 W. E.     8,61   „   Kohlenoxyd à 0,2884    „   2,5    „   13,53   „   Kohlensäure à 0,2210    „   3,0    „   51,43   „   Zinnoxyd à 0,0375    „   2,0    „ und die spec. Wärme von dem übrig bleibenden Eisen   324 Pfd. à 0,13379 W. E. 43,3    „ ––––––––– Totale specifische Wärme 78,6    „ Dividiren wir nun diese Zahl in die producirten Wärmeeinheiten, so ergibt das Resultat, daß die gasförmigen und festen Verbrennungsproducte sammt dem Eisen eine Temperatur-Erhöhung erfahren haben müssen von 72915/78,6 = 953° Celsius. Der Schmelzpunkt des Roheisens liegt zwar nicht höher als 1050 bis 1200° C., aber die Temperatur im Hohofen beträgt 1600 bis 1700° C., so daß das geschmolzene Roheisen weit über seinen Schmelzpunkt erhitzt ist und daher wird durch das Hinzufügen von 953° C. unbezweifelt der Schmelzpunkt des Stabeisens = 1600° C. merklich überschritten worden.Bessemer's Eisenfrischmethode ist im polytechn. Journal Bd. CXLI S. 423 beschrieben. Ebendaselbst sind die Versuche mitgetheilt, welche im k. Arsenal zu Woolwich mit einem vom Erfinder eingesendeten Stabeisenstück angestellt wurden; dasselbe war krystallinisch und porös; zu Stangen ausgehämmert und gewalzt, bekam es keine sehnige Textur. – Der Scientific American vom 18. October enthält eine Notiz über die Versuche welche in Amerika mit Bessemer's Frischmethode gemacht wurden; bei der sorgfältigsten Ausführung dieses Verfahrens gelang es durchaus nicht, sehniges Eisen zu erzielen, und die aus England als sehniges Eisen erhaltenen Proben besaßen, wie die Untersuchung ergab, diesen Charakter nicht.A. d. Red.