Titel: Ueber die heliographische Gravirung auf Marmor und auf lithographischen Stein; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XXVII., S. 124
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XXVII. Ueber die heliographische Gravirung auf Marmor und auf lithographischen Stein; von Hrn. Niepce aus Saint-Victor. Aus den Comptes rendus, Novbr. 1856, Nr. 18 und 19. Niepce, über die heliographische Gravirung auf Marmor und auf lithographischen Stein. I. Gravirung auf Marmor und auf lithographischen Stein, als Verzierung. Bei Versuchen, meinen heliographischen (photographischen) Firniß auf Marmor aufzutragen, um eine vertiefte oder erhabene Gravirung hervorzubringen, erhielt ich Resultate, welche eine sehr vortheilhafte Anwendung zur Verzierung des Marmors für Pendeluhren, Briefbeschwerer, selbst Kaminöfen etc. gestatten. Es eignet sich nicht jeder Marmor für diese Art Gravirung, denn er muß hart seyn, dabei ein sehr feines Korn und nur einerlei Farbe, folglich weder Flecken noch Adern haben; es sind also z.B. der feine schwarze Marmor, sowie die gelben und blauen lithographischen Kalksteine ausgeschlossen. Der weiße Marmor von Carrara eignet sich für diese Gravirung ebenfalls nicht gut, denn er ist zwar sehr hart, aber dabei zu grobkörnig; er läßt sich jedoch für Mosaik verwenden, indem man darauf Verzierungen mit groben Strichen und mit flachen Tinten gravirt. Diese neue Anwendung des heliographischen Firnisses veranlaßte mich, die als Judenpech bekannten Erdharze zu studiren, und ich kann jetzt eine Anleitung geben, wie sich mit Sicherheit ein vortrefflicher heliographischer Firniß bereiten läßt. Bei meinem Verfahren zur heliographischen Gravirung bestand bisher die Schwierigkeit darin, einen Firniß darzustellen, welcher beim Copiren eines Lichtbildes oder Kupferstichs alle Halbtinten gibt und zugleich der Wirkung des Scheidewassers widersteht; jetzt bin ich aber im Stande, leicht das Erdharz zu erkennen, welches diesen beiden Bedingungen des Firnisses entspricht. Ich unterscheide drei Sorten von Erdharz: erstens dasjenige welches unzweifelhaft von Judäa kommt. Dasselbe hat einen glasigen, wie Gagath glänzenden Bruch, und besitzt fast keinen Geruch, wenigstens wenn es nicht erwärmt wird; in letzterm Falle riecht es schwach wie die sogenannte mineralische Mumie. Pulverisirt ist es dunkel kastanienbraun. Dieses Erdharz ist unter allen Sorten für die Einwirkung der Luft und des Lichts das empfindlichste; für Operationen in der camera obscura eignet es sich sehr gut, vorausgesetzt daß es nicht zu empfindlich ist, weil es in diesem Falle zu verschleierte Bilder erzeugt. Im Pariser Handel kommen zwei Sorten Erzharz vor, welche sich durch eigenthümliche Eigenschaften und eine verschiedene Empfindlichkeit unterscheiden; die eine ist für die Wirkung der Luft und des Lichts sehr empfindlich, und die andere ist es sehr wenig. Zwischen diesen zwei Varietäten gibt es Erdharze von verschiedenen Empfindlichkeitsgraden. Charakteristische Eigenschaften der zwei Hauptvarietäten von Erdharz.         Die empfindlichste.     Die weniger empfindliche. Röthlichschwarz. Gelblich rothschwarz. Muschliger Bruch; sehr glänzend, sehr   trocken Matter Bruch, harzig, schwach pichend. Rothbraunes Pulver. Gelbbraunes Pulver. Hat den Geruch des Asphalts. Riecht sehr stark nach Asphalt und ein   wenig Harz. Dichtigkeit 1,11. Dichtigkeit 1,10. Schmilzt von 170 bis 175° Cels. Schmilzt bei 90° Cels. Bei der Destillation gibt es fast keine   ölige Substanz. Bei der Destillation liefert es über die Hälfte   seines Gewichts eines klaren, auf dem   Papier Flecken hervorbringenden Oels. Löst sich in Benzin vollständig auf. Löst sich im Benzin vollständig auf. Löst sich, jedoch langsam, in Terpenthinöl   auf; nach einer Stunde ist die Flüssigkeit   noch farblos. Löst sich im Terpenthinöl vollständig auf,   welches es sogleich braun färbt. Es ist im Handel am seltensten, und kommt       gewöhnlich in kleinen Stücken vor. Es ist im Handel das verbreitetste, und   kommt gewöhnl. in großen Stücken vor. II. Firniß zum Verzieren des Marmors und für alle Operationen durch Contact. Ich wähle hierzu dasjenige Erdharz, auf welches die Luft und das Licht am langsamsten einwirken; um den Firniß darzustellen, löse ich 4 Gramme Erdharz in 80 Grm. Benzin und 10 Grm. Citronenöl auf, wie ich es in meinem Traité de gravure héliographique sur acier (im Verlag von Victor Masson zu Paris) angegeben habeWir verweisen auf Niepce's Abhandlungen über den heliographischen Stahlstich im Polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 371, Bd. CXXX S. 275, Bd. CXXXIV S. 302; Bd. CXXXVI S. 120 unduud Bd. CXXXIX S. 37. A. d. Red., auf welchen ich mich hinsichtlich aller Details der Operationen beziehe. Dieser mit einem für das Licht sehr wenig empfindlichen Erdharz bereitete Firniß hat den Vortheil alle Halbtinten zu geben; er würde aber der Wirkung des Scheidewassers nicht widerstehen, wenn man ihn vor seiner Anwendung nicht eine Viertelstunde oder halbe Stunde lang der Einwirkung des Lichts aussetzen würde, und selbst länger, je nach der Stärke des Lichts, was ihm Widerstand und zugleich ein wenig Empfindlichkeit ertheilt; man darf ihn jedoch nicht zu empfindlich machen, weil er sonst keine Halbtinten mehr geben würde. Man kann dem Firniß auch auf die Art Widerstand gegen das Aetzwasser ertheilen, daß man ihn wenigstens einen Monat lang im schwachen zerstreuten Licht aufbewahrt, und dieses Mittel ist vielleicht vorzuziehen, weil es dem Firniß Undurchdringlichkeit ertheilt, ohne ihm eine zu große Empfindlichkeit zu verleihen. Wenn ein Firniß zu empfindlich wird, und daher nur noch verschleierte Bilder gibt, so kann man ihm ein wenig neues Erdharz zusetzen, und gleichzeitig eine gewisse Menge Benzin und Citronenöl, um ihn auf den frühern Grad von Flüssigkeit zurückzubringen; man erhält so einen guten Firniß. Die für das Licht empfindlichsten Erdharze sind diejenigen, welche ursprünglich dem Scheidewasser den größten Widerstand darbieten; da sie aber stets verschleierte Bilder geben, so eignen sie sich nur für die Operationen in der camera obscura, und hierzu muß man das Erdharz bei der Darstellung des Firnisses auf die Hälfte des angewendeten Gewichts (2 Grm.) vermindern. Derselbe Firniß läßt sich mit Vortheil anwenden, um Verzierungsdessins mit flachen Tinten durch Contact zu copiren. Ich setze nun voraus, man wolle auf einer kleinen Platte von Marmor oder lithographischem Stein operiren. Nachdem der Stein vollkommen polirt, dann mit Benzin und zuletzt mit Alkohol gereinigt worden ist, überziehe ich ihn mit einer Schicht heliographischen Firnisses, und wenn diese trocken ist, lege ich auf sie entweder ein Verzierungsdessin, oder ein positives Lichtbild, welches auf einem Glase mit Eiweißüberzug oder auf dünnem Papier dargestellt wurde. Die Verzierungsdessins müssen auf chinesisches Papier gedruckt seyn, oder auf sehr dünnes Papier, wie es die Photographen anwenden; letzteres ist dem stärkeren chinesischen Papier vorzuziehen, weil man dieses stets entleimen und überdieß durch Eintauchen in Javellische Lauge entfärben muß, damit das Licht frei auf den Firniß wirkt, welcher den Grund der zu copirenden Zeichnung schützen muß. Ich bemerke im voraus, daß man längere Zeit dem Licht exponiren muß, als wenn man auf Metall operirt, besonders für die Bilder auf schwarzem Marmor, denn unter gleichen Umständen wirkt das Licht langsamer auf Stein als auf Metall. Das Auftragen des Lösungsmittels und das Waschen geschehen wie beim Verfahren auf Metall; ich empfehle aber das Lösungsmittel ja niemals anzuwenden, bevor der Stein erkaltet ist, denn wenn dieser lange Zeit den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde, so hat er sich oft sehr stark erwärmt, wo sich dann der Firniß ablösen würde, wenn man das Wasser aufgießt um dessen Wirkung aufzuhalten, man müßte denn Wasser von der Temperatur des Steins anwenden. Das Aetzen des Marmors geschieht folgendermaßen: man nimmt Wasser welches mit Salpetersäure gesäuert wurde, die mit Wasser stark verdünnt war; denn es ist vorzuziehen, eine schwache Säure anzuwenden und dieselbe längere Zeit wirken zu lassen. Soll z.B. ein Lichtbild gravirt werden, so macht man nur eine schwache Aetzung, um alle Feinheiten und die Halbtinten des Bildes zu erhalten. In diesem Falle genügt eine schwache Vertiefung um dem Stein den Glanz zu nehmen, so daß er durch Reflexion des Lichts ein Bild wie die Daguerreschen Platten gibt. Gravirt man ein Verzierungsdessin, welches nur flache Tinten hat, so ätzt man tiefer, damit die vertieften Theile die fremden Körper (Vergoldung oder fette Tinten von verschiedenen Farben) gehörig zurückhalten können, welche man später hineinbringt, um das Dessin hervorzuheben. Um ein Verzierungsdessin, welches nur flache Tinten hat, sehr tief zu ätzen, kann, man den Stein ein zweites Mal mit der Walze firnissen; man ätzt dann neuerdings und kann, indem man diese Operation wiederholt, die Aetzung sehr tief machen. Ich habe zu diesem Zweck ein neues Verfahren entdeckt, welches mir stets gelang, wenn es unter günstigen Umständen angewendet wurde; es besteht darin, das Bild mit einer zweiten Schicht von heliographischem Firniß zu überziehen und es neuerdings dem Licht lange genug auszusetzen, um dem Firniß Widerstand zu ertheilen, dann das Lösungsmittel aufzugießen, welches den Firniß an allen durch die erste Aetzung entstandenen Vertiefungen wegnimmt. Beim Aetzen eines Lichtbildes auf Marmor beurtheilt man die Wirkung des Scheidewassers auf folgende Weise: wenn das gesäuerte Wasser den Kalkstein angreift, bildet die sich entwickelnde Kohlensäure eine Menge Bläschen; dieses Aufbrausen muß sehr schwach seyn, denn ein starkes beweist, daß das Wasser zu sehr angesäuert wurde, in welchem Falle das Aetzen zu schnell erfolgt; manche Zeichnungen erfordern nur ein schwaches Aetzen, daher man mit einer Loupe die Wirkung des Scheidewassers beobachten muß, um es rechtzeitig unterbrechen zu können. Bezüglich des Widerstandes des Firnisses habe ich die Mittel angegeben um denselben zu erzielen, und um sich desselben zu versichern, ist es gut, einige Proben mit dem Firniß zu machen, weil man sonst nicht mit Sicherheit arbeiten könnte, auch ist ein geübter Blick nothwendig, um einerseits zu beurtheilen ob die Zeit, während welcher man dem Licht exponirte, in jeder Hinsicht genügt, anderseits ob das Bild alle Bedingungen einer guten Aetzung vereinigt; denn auf Marmor muß man vollständige Resultate erhalten, ohne daß die geringste Ausbesserung erforderlich ist. Ich komme nun auf meinen Gegenstand zurück. Indem man eine kleine Platte von Marmor oder lithographischem Stein in die camera obscura bringt, erhält man eine Zeichnung nach der Natur, und wenn man in diesem Falle eine flache Arbeit oder ein Medaillon copirt, so erhält man einen auffallenden Reliefeffect, besonders bei einer nur schwachen Aetzung. Dieß beweist meine Copie des Medaillons J. Maj. der Kaiserin. Ich glaube daß dieses Gravirverfahren auf Marmor in der Industrie zahlreiche Anwendungen finden wird, weil man die Effecte in der mannichfaltigsten Weise abändern kann. Nach meiner Meinung dürfte eine schwache Gravirung auf Marmor, welche man nicht ausfüllt, vorzuziehen seyn; sie verbindet Einfachheit mit Unveränderlichkeit. III. Lithographischer Druck mit gravirtem Stein. Ich habe jetzt eine zweite Anwendung dieses neuen Gravirverfahrens auf Stein zu besprechen, nämlich das lithographische Abdrucken einer vertieft oder erhaben gravirten Zeichnung. Die Schwierigkeit bestand darin, diese Gravirung auf einem polirten und so feinkörnigen Stein, als ich anwende, zu schwärzen; ich bemerke noch, daß man gute Resultate erhält, wenn man diejenigen lithographischen Steine auswählt, welche das feinste Korn haben und sie vollkommen poliren läßt. Man verfährt mit den Steinen, wie ich es zum Graviren eines Lichtbildes auf Marmor angegeben habe, nur darf man das Aetzen nicht zu weit treiben, um alle Halbtinten des Bildes zu erhalten; eine schwache Vertiefung ist zum Druck hinreichend. Der gravirte Stein wird folgendermaßen behandelt. Nach Beseitigung des Firnisses reinige ich die Gravirung vollkommen mit Alkohol und weichem Linnen, dann lasse ich ammoniakalisches Wasser darüber fließen, hierauf fülle ich die Vertiefungen mit fetter lithographischer Schwärze aus, wische den Stein ab und reinige ihn neuerdings, damit nur in den Vertiefungen der Gravirung Schwärze zurückbleibt.Um mehr Schwärze in den vertieften Stellen anzubringen, kann man die erste Schicht einige Tage lang trocknen lassen und hernach eine zweite anbringen, welche ein intensiveres Schwarz geben wird; die vertieften Stellen bieten alsdann dem gesäuerten Wasser auch mehr Widerstand dar. Nun überfährt man die ganze Oberfläche des Steins mit einem mit Aetzwasser getränkten Pinsel, um die glatten Flächen matt zu machen; dann überfährt man sie mit einem Schwamm der mit Gummiwasser getränkt ist, welches sich auf dem matten Stein fixirt. Die Striche der Gravirung bleiben durch die in denselben enthaltene fette Tinte stets geschützt; beim Auftragen lithographischer Drucktinte mittelst der Walze schwärzen sich daher bloß die Striche der Gravirung, und man kann drucken. Um die erhabene Gravirung zu schwärzen, verfährt man folgendermaßen: nachdem der Stein geätzt worden ist, beseitigt man den Firniß und reinigt den Stein mit Alkohol, dann überzieht man ihn mit Gummiwasser, welches sich auf dem matten Grund des Steins fixirt, hernach wischt man die erhabenen Stellen mit einem mit Alkohol getränkten Linnen ab, und kann hernach diese Stellen mittelst der Walze schwärzen.Es versteht sich, daß man für die erhabene Gravirung ein negatives Lichtbild anwenden muß. IV. Heliographische Damascirung. Man kann jede ebene Stahlfläche auf zweierlei Art damasciren. Die erste besteht darin, mittelst der Batterie eine polirte Stahlplatte zu verkupfern; dieselbe wird dann mit einer Schicht heliographischen Firnisses überzogen, um entweder durch Contact oder in der camera obscura eine Zeichnung darauf zu copiren, hauptsächlich aber ein Verzierungsdessin. Nach beendigter Einwirkung des Lichts beseitigt man den vom Licht nicht modificirten Firniß mittelst einer Mischung von Benzin und Aether. Der Theil des Kupfers welcher entblößt worden ist, wird mit Chromsäure aufgelöst; alsdann vergoldet man das Kupfer durch Eintauchen, und hat nun eine Stahlzeichnung auf Goldgrund. Das Abziehen des auf Stahl angebrachten Kupfers mittelst Chromsäure hat vor mir schon Hr. Dufresne vorgenommen, welcher sich dieses Damascirungsverfahren in Frankreich patentiren ließ. Die zweite Methode der heliographischen Damascirung besteht darin, den nicht verkupferten polirten Stahl direct mit dem empfindlichen Firniß zu überziehen. Man copirt das Bild durch Contact oder in der camera obscura, dann vergoldet man mittelst der Batterie alle Stahltheile die derjenige Firniß bedeckte, welcher von dem Licht nicht modificirt worden ist. Man kann zur Damascirung auch eine Silberplatte anwenden, um Zeichnungen in Gold und Silber herzustellen, wie man auch Zink verkupfern kann. Mittelst der beschriebenen Verfahrungsarten erhält man eine Damascirung ohne Beihülfe eines Künstlers. Jedesmal, wenn man durch Contact ein Verzierungsdessin mit flachen Tinten copiren will, benutzt man einen mit dem empfindlichsten Erdharz bereiteten Firniß, weil dieser der Wirkung der Batterie mehr widersteht.