Titel: Ueber die Darstellung des Wasserglases auf nassem Wege; von Prof. Justus v. Liebig.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LII., S. 210
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LII. Ueber die Darstellung des Wasserglases auf nassem Wege; von Prof. Justus v. Liebig. Aus dem bayer. Kunst- und Gewerbeblatt, 1857, S. 4. Liebig, über die Darstellung des Wasserglases auf nassem Wege. Ein höchst schätzenswerthes Material zur Darstellung von Wasserglas bietet sich in der von Ehrenberg (Verhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1836 bis 1839, 1842 bis 1845) und von Dr. W. Wicke (in den Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XCV S. 292) beschriebenen Infusorien-Erde von Oberohe im Königreich Hannover. Die Darstellung des Wasserglases aus dieser Erde zeichnet sich aus durch die Leichtigkeit ihrer Ausführung und die ungemein wohlfeile Gewinnung des Rohmaterials. Die Erde enthält organische Reste, nach der von Wicke angeführten Analyse 2,279 Procent. Man thut wohl, diese vor der Anwendung durch Glühen zu zerstören. Beim Glühen geht die Farbe der weißgrauen Erde ins Hellroth über. Diese Operation ist übrigens nicht unumgänglich nöthig, wenn es nicht auf die Farbe des zu erzielenden Wasserglases ankommt. Zur Entfernung kleiner Knöllchen in der Erde siebt man sie durch ein feines Sieb und reibt den Rückstand im Mörser fein. Unterläßt man dieses Abreiben, so lösen sich die Knöllchen nicht in der Lauge auf. Die so vorbereitete Erde wird portionenweise in siedende Kali- oder Natron-Lauge eingetragen. Sie löst sich zum größten Theile mit Leichtigkeit auf. Ungelöst bleibt eine geringe Menge von Sand und ein Absatz von Thonerde, Eisen und Kalk. Nachdem man etwa 3/4 der Kieselerde in die Lauge eingetragen, verdickt sich die Masse durch einen sich ausscheidenden flockigen voluminösen Niederschlag. Man setzt deßhalb, bis zur Dünnflüssigkeit Wasser zu und trägt dann den Rest der Infusorien-Erde ein. Die Flüssigkeit wird, wenn nach fortgesetztem Kochen sich nichts mehr anflockt, von dem Absatz getrennt, der Rückstand ausgewaschen. Man hat alsdann eine Wasserglaslösung von rothbrauner Farbe, die zu vielen technischen Anwendungen, z.B. zum Anstrich von Wänden, schon fertig ist. Zur Anfertigung solchen rohen Wasserglases kann man auch die Infusorien-Erde mit concentrirter Lauge zusammenstampfen und bei sehr gelinder Wärme einige Zeit stehen lassen, bis sie nach dem Erkalten fest wird. Beim Auflösen dieser Masse bleibt dann derselbe Rückstand wie beim Kochen der Erde mit Lauge. Zur weiteren Reinigung versetzt man die rohe Lösung, die vom groben Niederschlag abgegossen wurde, kalt mit Kalkwasser und erhitzt langsam zum Sieden. Es scheidet sich ein flockiger hellbrauner Niederschlag aus, der beim Sieden der concentrirten Flüssigkeit sich zu Kugeln zusammenballt und leicht durch Abseihen oder Abgießen von der Lösung getrennt werden kann. Waschwasser und Lösung werden alsdann bis zum Syrup eingedampft, wo sie dann beim Erkalten zu einer klaren schwach gelblich gefärbten Gallerte erstarren, die sich trocken nicht schmierig anfühlt, an der Luft eintrocknet, sich aber nicht zersetzt und sich leicht in kochendem, schwerer in kaltem Wasser löst. Zur Darstellung der Lauge löse man 74,5 Theile rohe calcinirte Soda in der fünffachen Menge kochenden Wassers auf und koche sie mit 56 Theilen trockenen gelöschten Kalks oder mit 42,5 Theilen gebrannten Kalks, den man mit Wasser zu dickem Brei vor dem Zusatz löscht. Zu der erhaltenen und auf etwa 1,5 spec. Gewicht eingedampften Lauge füge man 120 Theile Infusorien-Erde. Eine geringere Menge von Erde liefert ein sehr stark alkalisches, an der Luft zerfließliches Wasserglas. Eine größere Menge gibt allerdings ein kieselsäurereicheres Wasserglas, die Kieselsäure scheidet sich aber theilweise aus der Gallerte beim Stehen an der Luft wieder aus. Die Menge von Kalkwasser oder Kalk, welche man zur Klärung und Reinigung der rohen Wasserglaslösung nöthig hat, ist gering; in der Regel reicht man mit 3 Liter Kalkwasser auf die Lösung des mit 120 Unzen Infusorien-Erde dargestellten Wasserglases aus; der Zusatz von Kalkmilch anstatt des Kalkwassers ist schädlich, insofern durch den überschüssigen Kalk eine große Menge Kieselsäure niedergeschlagen wird. Auf 120 Theile Infusorienerde und 74,5 Soda erhält man in der Regel 240 bis 245 Theile Wasserglas-Gallerte von folgender Zusammensetzung. Proben von zwei verschiedenen Darstellungen enthielten in 100 Theilen:      I.      II. trockenes Wasserglas       46,5   47,74 Wasser   53,5   52,26 ––––––––––––– 100,0   100,00 Das trockene Natronwasserglas von zwei Darstellungen lieferte in der Analyse:      I.     II. Kieselsäure       72,9 74,39 Natron   27,1 24,65 –––––––––––– 100,0   99,04 Zwölf Unzen Infusorien-Erde mit 36,3 Unzen Kalilauge von 1,135 spec. Gewicht, ganz in derselben Weise wie bei der Darstellung des Natronwasserglases behandelt, lieferten 23 Unzen Gallerte von derselben Beschaffenheit. Diese Kaliwasserglasgallerte bestand aus trockenem Kaliwasserglas       58,5 Wasser   41,5 ––––– 100,0 Im Mittel enthält das trockene Kaliwasserglas 66 Proc. Kieselsäure. Zwei Proben von verschiedener Darstellung lieferten in der Analyse:      I.      II. Kieselsäure       64,1   68,98 Kali   35,9Aus dem Verlust.   32,07Direct bestimmt. –––––––––––––––– 100,0   101,05 Der durch Kochen der rohen Wasserglaslösung mit Kalkwasser erzeugte Niederschlag besteht aus Kieselsäure, Kalk, Magnesia, Thonerde, Eisenoxyd, Kali, resp. Natron und Phosphorsäure.