Titel: Ueber den hydraulischen Mörtel bezüglich seiner Anwendung im Meerwasser; von Rivot und Chatoney. Nach einem Berichte von Marschall Vaillant.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. LXXXVIII., S. 352
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LXXXVIII. Ueber den hydraulischen Mörtel bezüglich seiner Anwendung im Meerwasser; von Rivot und Chatoney. Nach einem Berichte von Marschall Vaillant. Aus den Comptes rendus t. XLIII p. 302 et 785, durch polytechn. Centralblatt 1856, S. 1247 und 1857, S. III. Rivot, über den hydraulischen Mörtel bezüglich seiner Anwendung im Meerwasser. Erster Theil. Rivot und Chatoney haben aus Anlaß des Umstandes, daß in den französischen Häfen, namentlich in Havre und la Rochelle, häufig Beschädigungen der Meeresbauten durch Zerstörung des Mörtels vorkommen, seit sieben Jahren Untersuchungen über die geeignetste Anfertigung des dabei anzuwendenden Mörtels ausgeführt und das Ergebniß derselben der Pariser Akademie vorgelegt. Das Nachstehende ist einem Berichte entnommen, welchen Marschall Vaillant über ihre Abhandlung an die Akademie erstattet hat; der erste Theil ihrer Abhandlung rührt von Rivot her und hat die mit mannichfachen hydraulischen Materialien ausgeführten Analysen und die aus denselben abzuleitenden Schlüsse zum Gegenstande, während der zweite von Chatoney herrührende Theil das Praktische der Anwendung des Wassermörtels behandelt. Die Verfasser heben besonders hervor, daß es für die Dauerhaftigkeit der Constructionen unerläßlich sey, einen Mörtel von ganz homogener Beschaffenheit anzuwenden. Dieß ist oft schwer und nicht ohne erhebliche Kosten zu erreichen, weil die Lager von kieseligem oder thonigem Kalkstein, welcher zur Bereitung des Mörtels dient, in ihrer Masse ungleichmäßig sind und in diesem Falle oft ein doppeltes Brennen und Zertheilung der Masse durch Mahlen u.s.w. erforderlich ist. Wenn die Kalksteine Kieselsäure in Form von feinem Quarzsand ohne Beimengung von Thon enthalten, so bewirkt das Brennen, wenn es gut ausgeführt wird, die Verbindung fast des ganzen Sandes mit einem Theile des Kalks und die vollständige Austreibung der Kohlensäure. Der so erhaltene hydraulische Kalk ist ein Gemenge von kieselsaurem Kalk von bestimmter Zusammensetzung mit im freien Zustande verbliebenen caustischen Kalk und mit Sand, welcher unverbunden blieb, weil wegen der Größe seiner Körner der Kalk nicht gehörig auf ihn wirken konnte. Die hydraulische Eigenschaft beruht lediglich auf dem Gehalte an kieselsaurem Kalk, für welchen die Analysen des aus dem Kalk von Theil gefertigten Mörtels die Zusammensetzung 3 CaO, SiO₃ ergeben haben und welcher beim Erhärten des Mörtels 6 Atome Wasser bindet, so daß ein wasserhaltiger kieselsaurer Kalk von der Zusammensetzung 3 CaO, SiO₃ + 6HO entsteht. Ist die Kieselsäure in dem Kalksteine mit Thon gemengt, so sind die beim Brennen eintretenden Reactionen verschieden, je nach dem Mengenverhältniß des Thons und dem beim Brennen angewendeten Hitzegrade. Wenn, vorausgesetzt daß der Kalk im Ueberschuß ist, die Hitze beim Brennen nicht höher gesteigert wird, als nöthig ist, um die Kohlensäure auszutreiben, so verbindet der Kalk sich abgesondert mit Kieselsäure und mit Thonerde, und bildet kieselsauren Kalk und Thonerdekalk, welche die Zusammensetzung 3 CaO, SiO₃ und 3 CaO, Al₂O₃ haben. Jede dieser Verbindungen nimmt bei Gegenwart von Wasser 6 Atome desselben auf. Das Kalkaluminat ist aber weniger beständig als das Silicat und kann langsam durch Wasser zersetzt werden. Wird, den Kalk wiederum im Ueberschuß angenommen, das Brennen bei sehr starker Hitze ausgeführt, so ist das Product ungleichmäßig. Die am wenigsten der Hitze ausgesetzt gewesenen Theile enthalten noch Kalkaluminat und Kalksilicat im nicht mit einander verbundenem Zustande, die stark erhitzten Theile dagegen enthalten die Kieselsäure, die Thonerde und den Kalk mit einander verbunden. Oft, wenn der Kalk Eisenoxyd enthält, wird die Masse vollständig verglast. Bei Gegenwart von Wasser zersetzt das Silicat von Thonerde und Kalk sich ziemlich rasch in Kalkaluminat und Kalksilicat, welche zur Erhärtung beitragen können, gleich als ob sie nicht vorher verbunden gewesen wären. Diese beiden Körper scheinen aber, wenn sie stark erhitzt worden sind, nur 3 At. Wasser aufzunehmen. Wenn andererseits der Thon im Verhältniß zum Kalk im Ueberschuß ist, wie beim Mergel von Vitry-le-Français, so entsteht bei mäßigem Brennen bloß kieselsaurer Kalk, und die Thonerde, durch den Kalk aus ihrer Verbindung mit Kieselsäure ausgetrieben, bleibt großentheils im freien Zustande beigemengt. Die Erhärtung des so erhaltenen Cements beruht auf der Wasseraufnahme des kieselsauren Kalks, welcher, wie die Analysen der Cemente von Vitry-le-Français nachweisen, ebenfalls die Zusammensetzung 3 CaO, SiO₃ + 6 HO hat. Das Brennen eines Kalksteins, der überschüssigen Thon enthält, bei sehr starker Hitze, bedingt die partielle Verbindung der Thonerde mit der Kieselsäure und dem Kalk. Die so dargestellten Cemente geben daher im Wasser zu complicirten Reactionen Veranlassung. Bei denjenigen Mörteln, welche aus einem Gemenge von fettem Kalk und natürlichen oder künstlichen Cementen (pouzzolanes) gemacht sind, beruht das Erhärten ebenfalls auf der Bildung von wasserhaltigem Kalksilicat und Kalkaluminat; diese Verbindungen entstehen allmählich und langsam durch die Wirkung des Kalks auf das Silicat, welches das Cement bildet. Man kann daher befürchten, daß diese Wirkung im Moment des Festwerdens noch nicht beendet sey, was in gewissen Fällen zu schädlichen Molecularbewegungen Anlaß geben könnte. Man kann aber diese Ursache der Zersetzung immer beseitigen, indem man das Gemenge von gelöschtem Kalk und Cement vor der Anbringung als Mörtel im Wasser mehr oder weniger lange stehen läßt, so daß die chemischen Wirkungen schon vorher bis zu einem gewissen Grade eintreten. Im Allgemeinen eignen sich die hydraulischen Kalke viel weniger als die fetten Kalke zur Bereitung von Mörtel mit Cement, weil sie die Kieselsäure und Thonerde des Cements nur durch den Ueberschuß von Kalk, den sie enthalten, angreifen können, und vorzüglich, weil sie nur schwierig gestatten, die gleichzeitige Wasseraufnahme der verschiedenen Verbindungen von Kalk mit Kieselsäure und Thonerde, die theils beim Brennen bereits entstanden sind, theils erst auf nassem Wege in dem Mörtel sich bilden, zu erlangen. Die Talkerde, welche meist nur in ziemlich geringer Menge in den Kalksteinen vorkommt, verhält sich mit Kieselsäure und Thonerde ähnlich wie der Kalk, bildet nämlich damit ebenfalls Verbindungen, die fähig sind, durch Wasseraufnahme zu erhärten, und sogar noch besser als die Kalkverbindungen der Wirkung des Meerwassers zu widerstehen vermögen. Man könnte es hiernach für nützlich halten, den Kalk durch Talkerde zu ersetzen. Letztere kommt aber nicht häufig genug vor, um sie allein anwenden zu können, und ein Gemenge beider Erden, nämlich talkerdereiche Kalksteine, anzuwenden, ist durchaus nicht rathsam, weil das Talkerdesilicat und das Talkerdealuminat das Wasser nicht so schnell aufnehmen, wie die entsprechenden Kalkverbindungen, und sie außerdem nach dem Einbringen als Mörtel in das Wasser zum Theil durch den in Ueberschuß verbliebenen Kalk zersetzt werden könnten, wenn das Gemenge nicht vorher, mit etwas Wasser angemacht, lange genug gestanden hat. Die meisten Kalksteine enthalten eine geringe Menge Eisen; dasselbe befindet sich meist als Oxyd darin und in diesem Falle kann es als wirkungslos betrachtet werden, indem nur ein kleiner Theil desselben sich mit Kalk verbinden und diese Verbindung zwar Wasser aufnehmen kann, aber unbeständig ist und keinen merklichen Einfluß auf die Dauerhaftigkeit des Mörtels hat. In den bituminösen thonigen Kalksteinen findet das Eisen sich ziemlich häufig in Form von Schwefelkies, der in sehr feinen Theilen durch die Masse zerstreut ist, und in diesem Falle entsteht beim Brennen schwefelsaurer Kalk. Dieses Salz, welches man auch zuweilen in den Kalkbrüchen schon fertig gebildet antrifft, übt einen nachtheiligen Einfluß auf den Mörtel aus, namentlich auf den rasch erhärtenden. Der schwefelsaure Kalk, welcher stark geglüht war, verbindet sich nämlich nur sehr langsam mit Wasser und geht erst nach dem Festwerden des Mörtels durch Aufnahme von 2 At. Wasser in Gyps über, welcher, indem er beim Krystallisiren einen größeren Raum einnimmt, mehr oder weniger den Zusammenhang des Mörtels aufhebt. Sollte auch die Krystallisation des Gypses gleichzeitig mit der Hydratation oder Erhärtung der Verbindung von Kalk, Kieselsäure und Thonerde stattfinden, so würde doch seine Löslichkeit im Wasser noch eine Ursache der Zersetzung des Mörtels bilden, weil dessen Porosität durch allmähliche Auflösung des Gypses vermehrt würde. Es sind daher diejenigen Kalksteine, welche eine erhebliche Menge schwefelsauren Kalk enthalten, nicht anwendbar. Was den dem Wassermörtel gewöhnlich in beträchtlicher Menge beigefügten Sand anbetrifft, so kann derselbe, sofern er keine Körper enthält, mit welchen der Kalk auf nassem Wege sich verbinden kann, nur mechanisch wirken. Er übt aber außerdem auch eine chemische Wirkung aus, wenn er Thon oder Feuerstein (Silex) enthält, welche sich gegen freien Kalk wie ein Cement verhalten. Diese Wirkung kann unter Umständen sowohl vortheilhaft als nachtheilig seyn. Die mechanische Wirkung des Sandes besteht darin, daß er die Anhaftepunkte der übrigen Theile bildet und dem Mörtel vielleicht eine größere Widerstandsfähigkeit gegen mechanische Einwirkungen gibt, hauptsächlich aber der Contraction, welche beim Festwerden einzutreten strebt, entgegenwirkt. In dieser Beziehung ist er sehr nützlich; wenn man aber die Structur der Mörtel, welche viel Sand enthalten, untersucht, so findet man sie mit kleinen Höhlungen gefüllt, also sehr porös, woraus folgt, daß das Wasser sie leicht durchdringen kann, was wohl fast gewiß eine Ursache von Zersetzung ist. Außer den chemischen Wirkungen, welche die Bestandtheile des Mörtels unter einander ausüben, haben die Verfasser auch die Wirkung der in dem Meerwasser enthaltenen Gase und Salze auf den Mörtel, welcher Wirkung sie großentheils die häufige Beschädigung der Meeresbauten zuschreiben, speciell studirt. Diese Wirkung wird besonders begünstigt durch die Porosität des Mörtels, in Folge deren das Wasser ihn leicht durchdringen kann. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, muß man sowohl dem Mörtel eine angemessene Zusammensetzung geben, als auch durch an jedem Orte anzustellende specielle Versuche ermitteln, welche Vorsichtsmaßregeln bei der Anwendung des Mörtels zu nehmen sind. In verschiedenen Häfen entstehen an der Oberfläche der Bauten Absätze von Muscheln, Meerpflanzen oder Schlamm, welche einen schützenden Ueberzug bilden und dem Eindringen des Wassers sich widersetzen. Die meisten Materialien, welche unter dieser undurchdringlichen Decke sich gut halten, zersetzen sich mehr oder weniger rasch, wenn man dieselbe wegnimmt. Dieselben günstigen Umstände muß man durch eine gute chemische Zusammensetzung der Mörtel zu realisiren suchen, was nach den Verfassern dadurch erreicht werden kann, daß man in den Mörtel etwas überschüssigen, nicht mit Kieselsäure oder Thonerde verbundenen Kalk bringt. Den Nutzen desselben erklären sie in folgender Art: Bezüglich der Wirkung des Meerwassers auf den Mörtel lassen sich zwei Perioden unterscheiden, von denen die erste die Zeit bis zum Erhärten des Mörtels, die zweite die Zeit nach dem Erhärten desselben umfaßt. Während der ersten Periode, welche im Meerwasser weit länger dauert als im süßen Wasser, weil das in demselben enthaltene Kochsalz das Erhärten verzögert, löst der freie Kalk sich zum Theil auf, unterliegt aber den Wirkungen der Kohlensäure, des Schwefelwasserstoffes und der Talkerdesalze, welche im Meerwasser enthalten sind. Diese Stoffe können somit nicht auf die eigentlichen Mörtelbestandtheile wirken, letztere werden vielmehr durch Kalk vor ihnen geschützt; es muß daher auch um so mehr Kalk in dem Mörtel seyn, je langsamer derselbe erhärtet und je mehr Kohlensäure und Schwefelwasserstoff das Meerwasser enthält. Während der zweiten Periode ist der Ueberschuß an Kalk nicht weniger nützlich. Das Festwerden des Mörtels bedingt fast immer eine Zusammenziehung, die man mit dem Ausdrücken eines Schwammes vergleichen könnte; das Kalkhydrat wird dabei theils nach außen gepreßt, theils in alle die kleinen Höhlungen, welche der Mörtel darbietet, hineingetrieben. Es wird sodann durch die Kohlensäure und zuweilen auch durch den Schwefelwasserstoff in unlösliche Verbindungen verwandelt, wodurch sowohl auf der äußeren Fläche des Mörtels, als inwendig in den Höhlungen desselben ein undurchdringlicher schützender Ueberzug entsteht. Damit aber der durch den Kalk gewährte Schutz vollständig und dauerhaft sey, darf der Ueberschuß an Kalk im Verhältniß zur Kohlensäure und zum Schwefelwasserstoff, welche im Meerwasser sind, weder zu gering, noch zu reichlich seyn. Im ersteren Falle würde der Ueberzug von kohlensaurem Kalk unvollständig oder zu dünn seyn, im zweiten Falle würde der frei gebliebene Kalk sich auflösen und dadurch auf die Porosität des Mörtels hinwirken. Man muß daher das angemessene Verhältniß an freiem Kalk für jede Art Mörtel durch besondere Versuche, welche unter denselben Umständen, unter denen der Mörtel angewendet werden soll, anzustellen sind, bestimmen, und es ist nöthig diese Versuche in jedem Hafen zu wiederholen, weil der Gehalt des Meerwassers an Kohlensäure und Schwefelwasserstoff von einem Hafen zum anderen variirt. Die Verfasser schreiben diesem veränderlichen Gehalte des Meerwassers an Gasen hauptsächlich die Schwierigkeiten zu, mit denen man bisher bei den Constructionen im Meerwasser zu kämpfen hatte. Sie geben in ihrer Abhandlung an, unter welchen Verhältnissen der Schwefelwasserstoff in dem Mörtel entweder basisches Schwefelcalcium, eine fast unlösliche Verbindung, oder schwefelsauren Kalk bilden kann, dessen Krystallisation und Auflösung die mehr oder weniger schnelle Zersetzung des Mörtels bedingt. Sie empfehlen namentlich, nur Mörtel von solcher Zusammensetzung im Meerwasser anzuwenden, daß die Verbindungen von Kalk mit Kieselsäure und Thonerde in ihm schon gebildet vorhanden und fähig sind, rasch durch die Aufnahme von Wasser die Erhärtung des Mörtels zu bedingen. Sie geben zuletzt an, in welcher Weise man mehrere der zur Bereitung von Wassermörtel gegenwärtig benutzten Materialien modificiren müsse, um bessere Resultate damit zu erhalten. Zweiter Theil. Brennen und Löschen des Kalkes. Das Brennen der hydraulischen Kalksteine hat den Zweck, die Kohlensäure daraus auszutreiben und die Kieselsäure, die Thonerde und den Kalk, welche sie enthalten, auf trocknem Wege zu verbinden. Diese Verbindung ist um so vollkommener, je homogener der Kalkstein ist und je inniger die verschiedenen Stoffe darin mit einander gemengt sind. Die Wichtigkeit der homogenen Beschaffenheit wurde u.a. durch folgenden Versuch in auffallender Weise nachgewiesen. Kalkstein von Fécamp wurde gebrannt, und das Product, da es sich durch Eintauchen in Wasser nicht löschte, pulverisirt und gesiebt; die so erhaltene Masse mit Wasser angemacht, erhärtete selbst nach dreizehn Monaten nur in ganz unvollkommener Weise. Eine andere Portion desselben Kalksteines wurde gemahlen, das Pulver innig gemischt und zu Kuchen geformt, welche dann gebrannt wurden. Das so dargestellte Product erhärtete mit Wasser nach kurzer Zeit in ganz befriedigender Weise. Manche hydraulische Kalksteine, welche man mager nennt, wozu auch der Kalkstein von Fécamp gehört, enthalten alle zur Bildung eines guten hydraulischen Kalkes erforderlichen Stoffe und brauchen nur vor dem Brennen gemahlen und gemischt zu werden, um als solcher angewendet zu werden. Da die Verbindungen des Kalks mit Kieselsäure und mit Thonerde um so weniger leicht Wasser aufnehmen, je stärker sie erhitzt worden sind, so ist es wichtig, daß alle Theile des Kalksteines möglichst gleichmäßig gebrannt werden, damit ihre Hydratation oder Wasseraufnahme ebenso wie ihre Erhärtung in allen Theilen möglichst gleichzeitig erfolge, und es ist gut das Brennen so weit zu treiben, daß alle Kohlensäure ausgetrieben wird. Das Löschen der hydraulischen Kalke geschieht durch Einbringen in Wasser oder durch Besprengen damit. In einem wie im andern Falle, mag der Kalk thonig oder kieselig seyn, dient das Wasser, welches gebunden wird, nur zur Umwandlung des freien Kalks in Hydrat, während die Verbindungen von Kieselsäure, Thonerde und Kalk wasserfrei bleiben. Diese Thatsache, welche Rivot und Chatoney durch chemische Analysen nachgewiesen haben, führte dieselben zu dem Schlüsse, daß es nützlich und oft nothwendig sey, den gelöschten Kalk vor der Anwendung erst längere Zeit aufzubewahren. Im ersten Theile ihrer Abhandlung haben sie theoretisch nachgewiesen, daß eine vorausgehende Digestion der hydraulischen Stoffe unter dem Einfluß der Feuchtigkeit die chemischen Wirkungen vorbereitet und bei allen hydraulischen Mörteln in wirksamer Weise zum guten Gelingen der Arbeit beiträgt. Sie zeigen hier, daß man nicht zu fürchten braucht, daß während dieser Digestion das Kalksilicat und Aluminat sich hydratisiren, d.h. daß die Masse fest wird, und bemerken, daß die vorherige Digestion auch kein neues Verfahren sey, man sie aber oft weggelassen habe, weil man ihre Wichtigkeit nicht kannte. Man müsse wieder dazu zurückkehren und dem Beispiele der Fabrikanten von Portland-Cement folgen, welche ihre Producte erst kürzere oder längere Zeit in Magazinen aufbewahren, bevor sie dieselben dem Verbrauch übergeben. Zubereitung und Anwendung des Mörtels. Die Verfasser theilen die hydraulischen Mörtel in zwei Classen: 1) Mörtel aus magerem hydraulischem Kalk und Sand und solcher aus eigentlichem hydraulischem Kalk (sogenanntem Cement)Die Verfasser nennen mit Vicat „hydraulischen Kalk“ solchen Kalk, der im ungebrannten Zustande 11 bis 23 Proc. Thon enthält; wir nennen denselben mit Fehling (s. dessen deutsche Bearbeitung von Payen's Gewerbschemie S. 277) mageren hydraulischen Kalk. Die Producte aus Kalksteinen mit größerem Thongehalt nennen die Verfasser Cement; wir nennen sie eigentlichen hydraulischen Kalk oder sogenanntes Cement, und gebrauchen den Namen Cement oder „eigentliches Cement“ nur für die Massen, welche als Zuschläge zum Kalk angewendet werden, und welche die Verfasser pouzzolanes nennen. mit oder ohne Sand; 2) Mörtel aus Kalk und eigentlichem Cement mit oder ohne Sand. Mörtel aus magerem hydraulischen Kalk. Die verhältnißmäßige Menge des zur Bildung der Mörtel angewendeten Sandes hat einen großen Einfluß auf die Dichtigkeit derselben. Nach den Verfassern ist es, um die Porosität zu vermeiden, angemessen, daß die Menge des Kalkes in Pulverform (ohne Zusammendrücken gemessen) nicht weniger als 0,65 des Ganzen dem Volum nach betrage. Was die Menge des Wassers anbetrifft, so muß man vorzüglich einen Ueberschuß desselben vermeiden, weil er wegen des verschiedenen specifischen Gewichts von Kalk und Sand darauf hinwirken würde, diese beiden Stoffe von einander zu sondern und ihre gleichmäßige Vermischung zu stören. Aus den von den Verfassern mit verschiedenen theils kieseligen, theils thonigen hydraulischen Kalken angestellten Versuchen hat sich constant ergeben, daß die Hydrate, wenn man sie erst nach dem Austrocknen an der Luft in Wasser bringt, sich rasch zersetzen, während dieselben Hydrate, unmittelbar nach der Fabrication, oder nachdem sie unter dem Einfluß der Feuchtigkeit erhärtet sind, in Wasser gesenkt, sich lange Zeit unversehrt erhalten. Eine andere von den Verf. beobachtete Thatsache, welcher sie große Wichtigkeit beilegen, ist die, daß überall an der Oberfläche der Mörtel eine Schicht von kohlensaurem Kalk sich zu bilden strebt, und daß ruhige und stark mit Kohlensäure beladene Wasser diese Schicht in solchem Maaße sich ausbilden lassen, daß sie ganz erweichten Mörtel zu schützen vermag. Im ersten Theile ihrer Arbeit haben die Verfasser gezeigt, daß ein Ueberschuß an freiem Kalk in den Mörteln nöthig ist, um durch Verbindung mit der Kohlensäure des Wassers die schützende Hülle von kohlensaurem Kalk zu erzeugen. Beobachtungen, welche sie an alten mit hydraulischem Mörtel ausgeführten Bauten anstellten, haben ihnen übrigens gezeigt, daß die Mörtel immer zuerst an ihrer Oberfläche angegriffen werden, welche sich erweicht und zuletzt oft ganz kothig wird; dieser letztere Umstand, wenn er eintritt, verzögert den Fortgang der Zersetzung oder verhindert ihn auch zuweilen geradezu, indem die Reibung des Wassers an dem noch harten Theile des Mörtels verhindert wird. Es wird hierdurch in ähnlicher Weise ein Schutz ausgeübt, wie durch Schlamm. Indem die Verfasser die Mörtel aus kieseligem und aus thonigem Kalk mit einander vergleichen, bemerken sie daß, wenn die thonigen Kalksteine, viel verbreiteter in der Natur als die kieseligen, besser bindende und fettere Kalke liefern als diese, sie dagegen auch beim Erhärten der Hydrate zu complicirteren Reactionen Anlaß geben, bezüglich der Stabilität nur unsichern Erfolg gewähren und bei der Anwendung besondere Vorsichtsmaßregeln erheischen, welche bei dem kieseligen Kalk nicht nöthig sind. Sie schlagen auch vor, durch Vermischen von fettem Kalk mit pulverisirtem Feuerstein künstlich hydraulischen Kalk zu fabriciren, und erwähnen daß Versuche darüber, welche sie zu Havre anstellten, ausgezeichnete Resultate ergeben haben. Hydrate, welche in verschiedenen Verhältnissen, und zwar so, daß auf 1 Thl. Feuerstein 0,5 bis 4 Thle. Kalk in Pulverform kamen, fabricirt wurden, erhärteten in 3 bis 20 Tagen, und halten sich, seit 22 Monaten in Wasser eingetaucht, vollkommen gut. Sie haben eine Härte erlangt, ähnlich der von Portland-Cement, welches seit zwei Monaten in Wasser ist. Es wäre daher angemessen, die Erzeugung von künstlichem hydraulischen Kalk für die Meeresbauten in größerem Maaßstabe zu versuchen, um so mehr, als der einzige Kalk, welcher bis letzt im Meerwasser gut gestanden hat, ein rein kieseliger Kalk ist. Mörtel aus eigentlichem hydraulischen Kalk. Die natürlichen oder künstlichen eigentlichen hydraulischen Kalke werden nicht mit Wasser gelöscht, sondern gemahlen und entweder für sich oder zugleich mit Sand und Wasser angerührt. Der Sand verringert die Zusammenziehung, welche im Moment des Erhärtens eintritt, er macht aber den Mörtel poröser. Rührt man die eigentlichen hydraulischen Kalke mit Meerwasser an, so erhärten sie weniger rasch, als wenn man sie mit süßem Wasser anrührt, erlangen aber doch, nur langsamer, dieselbe Festigkeit. Läßt man sie nach dem Erhärten der Luft ausgesetzt, so zeigen sie anfangs eine größere Festigkeit, als wenn sie sich im Wasser befunden hätten, aber zuletzt wird die Festigkeit geringer. Senkt man sie nach dem Erhärten an der Luft in Wasser, so wird ihre Festigkeit anfangs geringer, nachher aber immer größer. Es ist rathsam, die eigentlichen hydraulischen Kalke in Breiform, d.h. mit einem großen Ueberschuß von Wasser, anzuwenden, indem sie bei dieser Manier dichter werden. Die Verf. beschreiben in ihrer Abhandlung die Verfahrungsarten der Fabrication von künstlichem sogenannten Cement, namentlich der unter dem Namen Portland-Cement bekannten englischen Cemente, welche eine größere Härte erlangen, als die Mehrzahl der natürlichen sogenannten Cemente, während sie doch weniger schnell fest werden, was ein großer Vortheil für manche Arbeiten im Meere ist. Sie empfehlen, auf frappante Beispiele gestützt, künstliches sogenanntes Cement nur nach einer langen Digestion mit einem großen Ueberschuß von Wasser anzuwenden. Es ist gut, dasselbe durch ein feines Sieb gehen zu lassen, um die darin enthaltenen groben Theile und verglasten Körner zurückzuhalten. Diese Rückstände, zerrieben und wieder durchgesiebt, werden langsamer fest, als die Cemente selbst, scheinen aber eine Härte zu erlangen. Mörtel aus Kalk und eigentlichem Cement. Die natürlichen eigentlichen Cemente wurden von den Römern zu Meeresbauten angewendet, welche noch jetzt in vollkommen gutem Zustande sind, und die Holländer haben dieselben mit Erfolg für ihre Schleußenbauten benutzt. Aber alle in der letzten Zeit mit natürlichem oder künstlichem eigentlichen Cement ausgeführten Arbeiten sind schlecht gelungen. Nach Rivot und Chatoney würde man einen bessern Erfolg erzielen, wenn man, wie die Alten es machten, den mit Cement bereiteten Mörtel vorher lange Zeit macerirte. Diese Behauptung stützt sich zwar nicht auf positive Versuche, sie erscheint aber als wahrscheinlich, denn, wenn eine vorausgehende Digestion schon bei den Mörteln aus hydraulischem Kalk nützlich ist, so dürfte sie bei den aus Kalk und eigentlichem Cement gemachten Mörteln nothwendig seyn, da bei ersteren die Verbindungen von Kalk mit Kieselsäure und Thonerde schon vorhanden sind und nur Wasser auszunehmen brauchen, während bei den letzteren die Kieselsäure und Thonerde die Verbindungen, in denen sie sich im Cement befinden, erst aufgeben und mit dem Kalk auf nassem Wege die Verbindungen bilden müssen, welche nachher durch Wasseraufnahme die Erhärtung veranlassen. Eigentliches Cement mischt man besser mit fettem Kalk als mit hydraulischem Kalk, weil bei Anwendung des letzteren die in demselben beim Brennen entstandenen Verbindungen früher erhärten, als die auf nassem Wege durch die Einwirkung des Kalkes auf das Cement entstehenden, und das nachherige Erhärten der letzteren ein Zerbröckeln des Mörtels veranlassen kann. Die künstlichen eigentlichen Cemente sind pulverisirte gebrannte Thone. Die Mehrzahl derselben enthält Kalk. Es folgt daraus, daß in ihnen dieselben Ursachen der Zerstörung vorhanden sind, wie bei den Mörteln aus natürlichem eigentlichem Cement und hydraulischem Kalk; ihre Anwendung im Meerwasser ist noch nicht gelungen und wird immer schwierig seyn. Ausführung des Mauerwerks. Man wende die Materialien nicht bloß befeuchtet, sondern ganz und gar naß an, um dem Mörtel nicht Wasser zu entziehen und damit das Erhärten vollständig unter dem Einfluß der Feuchtigkeit geschehe, was eine unerläßliche Bedingung für die Dauerhaftigkeit der Arbeit ist. Man führe die Arbeiten lieber in Wasser als im Trocknen aus. Bei Mauerwerk aus behauenen Bruchsteinen lege man diese ganz in Mörtel nach vollständiger Durchtränkung, und vermeide das Einrammen; so viel als möglich lege man die Steine sogar in breiförmigen Mörtel. Die Anwendung undurchdringlicher Steine beschränke man auf diejenigen Partien, bei denen sie nothwendig ist, an allen übrigen Stellen ersetze man sie durch Ziegelsteine oder durch kreidige Bruchsteine, welche gut genäßt sich innig mit dem Mörtel verbinden. Die Abhandlung der Verf. bezieht sich zwar zunächst auf die Anwendung des hydraulischen Mörtels in Meerwasser, dieselben glauben aber, daß die meisten von ihnen gemachten Beobachtungen auch für die Anwendung in süßem Wasser gültig sind. Die durch das Meerwasser bewirkten Zerstörungen der Mörtel hat man erst seit 10 Jahren beobachtet, nämlich seit der Zeit, wo ein zu großes Vertrauen auf die hydraulischen Mörtel dazu führte, Mauerwerke aus Béton in unmittelbarer Berührung mit Wasser ohne Bekleidung mit Steinen oder Zimmerwerk, überhaupt ohne die Vorsichtsmaßregeln, welche die Alten anwendeten, auszuführen. Man hat auch erst seit kurzem Bétonmauerwerk in fließendem süßem Wasser ausgeführt, und obschon man bis jetzt noch keine Beschädigung daran constatirt hat, so muß man doch fürchten, daß eine solche allmählich durch zersetzende Wirkung der im Wasser enthaltenen Gase und Salze veranlaßt wird. Es ist übrigens einleuchtend, daß diese Wirkung nicht so energisch seyn kann, wie die von salzigem Wasser, und daß sie mit der Zusammensetzung des Wassers variiren muß, gleichwie die Wirkung des Meerwassers, je nach dem Gehalte desselben an Kohlensäure, der Temperatur und dem Spiele der Ebbe und Fluth verschieden ist.Die Abhandlung von Rivot und Chatoney wird nach Beschluß der Pariser Akademie in dem Recueil des Savants etrangers abgedruckt.