Titel: Ueber das Verhalten des Zinks in der Atmosphäre; von Dr. Max Pettenkofer in München.
Fundstelle: Band 145, Jahrgang 1857, Nr. LXVII., S. 296
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LXVII. Ueber das Verhalten des Zinks in der Atmosphäre; von Dr. Max Pettenkofer in München. Aus den Abhandlungen der naturwissenschaftlich-technischen Commission bei der k. bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. I S. 149. Pettenkofer, über das Verhalten des Zinks in der Atmosphäre. Der Vorstand der k. bayerischen Eisenbahnbau-Commission, Director von Pauli, sah sich vor längerer Zeit veranlaßt, an mich die Frage zu stellen, „bis zu welcher Stärke eine Zinkdecke dem Eisen aufzulegen wäre, um letzteres Metall nachhaltig gegen Oxydation zu schützen?“ Als Grundlage für Lösung dieser Frage verlangte ich ein Stück von einem Zinkdache, welches bereits möglichst lange der freien Luft ausgesetzt gewesen war. Ich erhielt eine etwa 1 1/2 Quadratfuß betragende Zinktafel von einem Dache in München, welches volle 27 Jahre alle wechselnden Einflüsse der Atmosphäre erduldet hatte. Beide Flächen der Tafel waren mit einer Oxyddecke überzogen, die eine obere mit einer dicken weißen, die andere untere mit einer dünnen grauen. Ich glaubte vorzüglich nur die obere berücksichtigen zu müssen, als diejenige, welche den Einflüssen der Atmosphäre am meisten ausgesetzt war. Auf der unteren Fläche war die Oxydation unbedeutend, überdieß war da während 27 Jahren keine Gelegenheit gegeben, daß gebildetes Oxyd fortgeführt worden seyn konnte, so daß ich um so mehr Ursache zu haben glaubte, die Untersuchung auf die obere Fläche zu beschränken. Die Oxyddecke auf der obern Fläche zeigt an verschiedenen Stellen etwas verschiedene Dicke, ja selbst hie und da verschiedene Färbung (zwischen weißlich und gelblich). Sie haftet sehr fest an der Oberfläche des Zinks. Es gelingt nicht, mit dem Fingernagel so viel abzureiben, daß blankes Metall bloß gelegt würde. Die Oxyddecke löst sich in erwärmter Kalilauge, welche aus 1 Theil Kalihydrat und 6 Theilen Wasser bereitet wird, schnell auf. Nimmt man die Lauge concentrirter, oder erhöht man die Temperatur bis zum Siedepunkt, so tritt Wasserstoffgas-Entwicklung ein, welche anzeigt, daß sich auch nicht oxydirtes Zink in der Kalilauge auflöst. Ist die Oxyddecke auf diese Weise entfernt, so erblickt man darunter eine sehr krystallinisch aussehende Metallfläche (Moiré metallique) – ein Zeichen, daß das Zink nicht gleichmäßig von der Oberfläche aus oxydirt wird, sondern nach den Krystallflächen, und daß es deßhalb nicht gleichgültig seyn kann, ob eine Zinkfläche ein Aggregat größerer oder kleinerer Krystalle ist, weil sich dadurch die Erhöhungen und Vertiefungen, in denen die Oxydation fortschreitet, vergrößern oder verkleinern werden, und ein grobkrystallinisches Blech wird vom Rost eher durchlöchert werden, als ein feinkrystallinisches. Den gelblichen Färbungen und Streifen auf der Oberfläche der Oxyddecke entsprechen dunklere Streifen auf der Metallfläche. Sie scheinen von der Einwirkung entweder der Blechwalzen oder sonst eines Eisens herzurühren. Die näheren Bestandtheile der Oxyddecke sind Zinkoxyd, Kohlensäure und Wasser neben sehr geringen Mengen anderer Metalloxyde Eisen- und Bleioxyd); sie kann, wie die Analyse zeigen wird, als ein Zinkoxydhydrocarbonat betrachtet werden. Außerdem findet man wechselnde Mengen Straßenstaub in den zahlreichen Poren sitzend, welcher sich als ein in Kalilösung unlöslicher Schlamm zu erkennen gibt. Um das Gewicht der Oxyddecke auf einer bestimmten Fläche zu bestimmen, wurden Blechstreifen in der Form von Rechtecken geschnitten, deren untere wenig oxydirte Seite sodann mittelst der Feile vom Oxyd gereinigt, etwas polirt, gewogen und in eine etwa bis 60° C. erwärmte Lösung von 1 Theil Kalihydrat in 6 Theilen Wasser gebracht. Nachdem sich binnen 3 bis 4 Minuten die obere Oxyddecke aufgelöst hatte, wurden die Streifen in destillirtes Wasser gelegt, mit einem Pinsel von dem, was schlammartig daran haftete, befreit, abgespült, bei 100° C. getrocknet und gewogen. Der Gewichtsverlust war gleich der Oxyddecke. Um zu erfahren, wie viel Zink in dieser Oxyddecke enthalten sey, wurde dasselbe mit Schwefelammonium aus der kalischen, filtrirten Lösung gefällt, das von etwas Schwefelblei bräunliche Schwefelzink in verdünnter Schwefelsäure gelöst, und mit kohlensaurem Kali kochend gefällt, ausgewaschen, geglüht und als Zinkoxyd gewogen. Ein solcher Blechstreifen I von 31 bayer. Decimallinien Länge, 5,75 Linien Breite (= 2,4025 Quadrat-Decimalzoll Fläche) wog 7,939 Gramme und verlor durch die Behandlung mit Kali 0,2255 Gramme; die kalische Lösung gab 0,130 Gramme Zinkoxyd, welches 0,1043 Grammen Zink entspricht. Ein zweiter Blechstreifen II, von einer andern Stelle der Blechtafel, von 31 Linien Länge und 6,8 Linien Breite (= 2,108 Quadratzoll Fläche) wog 7,354 Gramme, verlor 0,221 Gramme, und lieferte 0,101 Gramme Zinkoxyd, was 0,0811 Grammen Zink entspricht. Berechnet man aus dem Versuche I die Quantität regulinisches Zink auf 1 Quadratfuß Oxydschichte, so ergibt sie sich zu 4,341 Grammen, während der Versuch II eine Menge von 3,847 Grammen beziffert. Es ist nicht ganz genau, aus diesen Zahlen auf das Gewicht oxydirten Bleches zu schließen, weil ich nur das chemisch reine Zink berücksichtiget habe, während das käufliche Metall, woraus das Blech gemacht wird, stets einige Antheile fremder Metalle, wenn auch nur in geringer Menge, enthält. Rechnet man 4 Procent Verunreinigungen4 Procent Verunreinigungen enthält das gegenwärtig producirte Zinkblech allerdings bei weitem nicht mehr. Ich habe jedoch diesen Gehalt der ältern Zinksorten beibehalten, um vor einer zu günstigen Annahme gesichert zu seyn. hinzu, so erhält man auf 1 Quadratfuß bei Versuch I   4,521 Gramme rohes Metall   „       „     II   4,007        „         „        „ Die weitere Zusammensetzung dieses Zinkrostes zu untersuchen, war nur auf einem Umwege möglich. Da die qualitative Untersuchung des Zinkrostes neben Zinkoxyd wesentlich nur Kohlensäure und Wasser erkennen ließ, so glaubte ich die ganze chemische Zusammensetzung zu erfahren, wenn ich den auf einer gemessenen Fläche sitzenden Rost, dessen Zinkoxydgehalt ich aus dem Mittel der beiden vorigen quantitativen Bestimmungen berechnete, so weit erhitzte, daß Kohlensäure und Wasser ausgetrieben wurden, und wenn die Kohlensäure und das Wasser einzeln gesammelt und gewogen werden konnten. Dieses konnte leicht bezweckt werden, wenn ein genau gemessenes Stück Zinkblech, dessen untere Oxydschichte entfernt worden war, in Streifen geschnitten in eine Verbrennungsröhre gebracht, und diese bis zur Temperatur erhitzt wurde, daß Kohlensäure und Wasser sich vom Zinkoxyde trennten, während ein Strom von kohlensäure- und wasserfreier atmosphärischer Luft mittelst eines Aspirators durch die Röhre geführt wurde, welcher das Wasser und die Kohlensäure aus dem Zinkroste zuletzt in die bei der organischen Analyse üblichen Apparate leitete, wo sie absorbirt und gewogen werden konnten. – Auf diese Weise wurden von 8,95 Quadratzoll Rostfläche erhalten 0,200 Gramme Kohlensäure und 0,169 Gramme Wasser, woraus sich auf 1 Quadratfuß Zinkblech berechnen 2,2346 Gramme Kohlensäure und 1,8883 Gramme Wasser. Wir wissen aus vorhergehenden Bestimmungen, daß wir die Menge Zinkoxyd auf 1 Quadratfuß im Mittel zu 5,1175 Grammen annehmen können, und wir haben somit alle Elemente, um uns ein Bild von der stöchiometrischen Zusammensetzung des Rostes auf unsern Zinkdächern zu entwerfen. Die gefundene Kohlensäuremenge als 1 Aequivalent angenommen, repräsentirt die Wassermenge 2,05 Aequivalente und die Zinkoxydmenge 1,25 Aequivalente. – In einem geraden Verhältnisse ausgedrückt sind im Zinkroste     5 Aequivalente Zinkoxyd,     4         „ Kohlensäure,     8         „ Wasser zu einer chemischen Verbindung vereinigt. Es ist auffallend, daß der einfachste Ausdruck für das basisch-kohlensaure Zinkoxyd, welches man durch Fällung von Zinksalzlösungen durch kohlensaures Kali oder Natron erhält, gleichfalls 5 Aequivalente Zinkoxyd enthält 2 (ZnO . CO₂) + 3 (ZnO . HO). – Wollte man das Resultat meiner Analyse in einer Formel ausdrücken, so müßte man wohl schreiben 4 (ZnO . CO₂) + ZnO . HO + 7 aq., wornach wir eine Verbindung von 4 Aequivalenten kohlensaurem Zinkoxyd und 1 Aequivalent Zinkoxydhydrat mit 7 Aequivalenten Wasser hätten. Wir besitzen von Heinrich Rose Poggendorf's Annalen, Bd. LXXXIV S. 107. eine sehr ausführliche Untersuchung über die zahlreichen Verhältnisse, in denen sich Zinkoxyd, Kohlensäure und Wasser miteinander verbinden, wenn gleiche Aequivalente von einfach kohlensaurem Natron und schwefelsaurem Zinkoxyd mit einander vermischt werden. Die lufttrockene Verbindung, welche aus dem Vermischen kalter concentrirter Auflösungen erhalten wird, ergibt     5 Aequivalente Zinkoxyd,     2         „ Kohlensäure,     4         „ Wasser, so daß der Zinkrost auf die nämliche Anzahl von Zinkoxyd-Aequivalenten gerade die doppelte Anzahl von Wasser- und Kohlensäure-Aequivalenten enthält, als die von H. Rose untersuchte, auf nassem Wege dargestellte Verbindung. Ich betrachte übrigens die Formel des Zinkrostes noch nicht als festgestellt, da die von mir gegebene Formel sich nur auf eine einzige Sorte von bestimmtem Alter stützt. Es wäre irrig zu glauben, daß die Menge Zinkoxyd, welche wir im Roste gefunden haben, auch die Menge Metall repräsentire, welche innerhalb einer bestimmten Zeit an der Luft oxydirt worden ist. Es war von vorne herein zu erwarten, daß ein großer Theil des Oxyds durch das Regenwasser aufgelöst und fortgeführt würde. Um hierüber ein Urtheil zu gewinnen, wurde ein Theil der alten Zinkblechtafel in der Art vorgerichtet, daß über eine Fläche von 123 Quadratzoll binnen 45 Minuten 3 Kilogramme (nicht ganz 3 bayerische Maaß) Wasser gleichmäßig ausgebreitet flossen. Durch einige Reihen von Hanfschnüren, welche am obern Theile der in einem Winkel von etwa 45 Grad aufgestellten Blechtafel quer und etwas schräg angebracht waren, konnte ein kleiner Wasserstrahl leicht gleichmäßig über die ganze Fläche ausgebreitet werden. Durch mehr oder minderes Neigen der Tafel, so daß das Gefäll des Wassers in der Richtung der Hanfschnüre verändert wurde, ließ sich das gleichmäßige Ueberrieseln leicht regeln. Das hiezu verwendete Wasser war destillirtes Wasser, welches so lange in einem flachen Gefäße der freien Luft ausgesetzt war, bis es Bleiessig stark trübte. Diese 3 Kilogramme Wasser liefen unter jeweiliger Ergänzung des verdampften zehnmal über die so vorgerichtete Fläche in eine untergesetzte Porzellanschüssel. Zuletzt wurde das Wasser nach Zusatz von einigen Tropfen Schwefelsäure verdampft, aus dem Rückstande das Zinkoxyd geschieden und gewogen. Diese zehnmal über das Zink geführten 3 Kilogramme Wasser enthielten 0,114 Gramme Zinkoxyd = 0,0886 Zink. Dieses Zink war theils in Wasser gelöst, theils mechanisch fortgespült und weggeführt worden. Ich habe angenommen, daß die zehnmalige Einwirkung von 3 Kilogrammen Wasser gleich zu achten sey einer Einwirkung von 30 Kilogrammen. Die mittlere jährliche Regenhöhe unserer Gegenden nimmt man durchaus nicht zu hoch, wenn man sie für die im Winkel gerichteten Dächer auf 2 bayer. Fuß Höhe per Quadratfuß Dachfläche annimmt.Die mittlere Menge der Niederschläge in der Gegend von München beträgt nach Kuhn (Klima von München 1854) jährlich 379,81 Pariser Linien Höhe auf 1 Quadratfläche. Auf 123 Quadratzoll kämen demnach 2,46 Kubikfuß Wasser. Ein bayerischer Kubikfuß Wasser wiegt 24861,29 Gramme, mithin entsprechen 2,46 Kubikfuß 61 Kilogrammen, welche 0,1801 Gramme Zink fortgeführt hätten. Hienach käme jährlicher Verlust durch Regen auf 1 Quadratfuß Dachfläche 0,1464 Gramme. Da im vorliegenden Falle bei dem 27 Jahre alten Dache dieser Verlust 27 mal statt gehabt hat, so ergeben sich 3,9528 Gramme Gesammtverlust an reinem Zink durch atmosphärisches Wasser; nimmt man wie oben an, daß dem reinen Zink noch 4 Procent fremde Metalle zugesellt sind, so erhält man 4,1175 Gramme Verlust auf 1 Quadratfuß Zinkblech in 27 Jahren. Addirt man hiezu die mittlere Menge, welche in einer 1 Quadratfuß großen Oxyddecke gefunden worden ist, so ergibt sich der ganze Verlust des Bleches a) im Roste noch vorhanden 4,264 Gramme b) durch Regenwasser etc. fortgeführt      4,117      „ ––––––––––––                                         im Ganzen 8,381 Gramme. Man kann somit behaupten, daß von einem Zinkdache binnen 27 Jahren 8,381 Gramme per Quadratfuß oxydirt werden, wovon nahezu die Hälfte durch das atmosphärische Condensationswasser fortgeführt wird. Die Frage, ob eine Oxydschichte das weitere Fortschreiten des oxydirenden Processes im darunter liegenden Metalle je völlig verhindern könne, beantwortet sich hienach von selbst und zwar verneinend. Der Untergang der Zinkdächer ist gewiß und unausbleiblich. Jedoch darf man deßhalb nicht im mindesten Anstand nehmen, sich der Zinkdächer auch fernerhin zu bedienen, denn die Zerstörung schreitet äußerst langsam vorwärts, und wird wahrscheinlich immer um das etwas langsamer, um was die Oxyddecke höher wird. Denkt man sich 8,3815 Gramme Zink (dessen specifisches Gewicht nach Karsten zu 6,2 genommen) auf einer Fläche von 1 Quadratfuß ausgebreitet, so ergibt sich eine Höhe dieser Schichte von 0,00543 Linien. Eine Schichte, welche nur den fünftausendsten Theil einer Linie hoch ist, braucht bereits 27 Jahre, bis sie gänzlich verzehrt wird, und hienach läßt sich die Dauer eines Zinkdaches, dessen Blech z.B. 0,25 Linien dick ist, auf 46,04 × 27 = 243 Jahre berechnen, wenn man die Oxydation der unteren Fläche, die nicht mit Wasser in Berührung kommt, sowie die Verlangsamung der Oxydation durch das Wachsen der obern Oxydschichte, als zwei sich vielleicht nahezu compensirende Größen unberücksichtigt läßt. Nach 243 Jahren würde alles metallische Zink von der Atmosphäre verzehrt seyn. Daß das Dach aber schon vor dieser Zeit unbrauchbar und zerlöchert seyn wird, hat darin seinen Grund, daß dieses Metall bei seiner krystallinischen Structur nach den Krystallflächen angegriffen wird, daß der Rost stellenweise tiefer eindringt. Hr. Professor Dr. Lamont hatte die Güte, einige Beobachtungen über die Größe der Erhebungen und Senkungen der krystallinisch aussehenden Oberfläche des vom Zinkroste durch Behandeln mit Kalilauge befreiten Bleches mit dem Mikroskope anzustellen; die größten Vertiefungen betrugen etwa 0,028 Linien, oder 1/10 der ursprünglichen Dicke des Zinkbleches. (Unserer Quelle sind Figuren beigegeben, welche das Ansehen solcher Oberflächen bei 40maliger Vergrößerung darstellen. Die Redact.)