Titel: Notizen aus dem Laboratorium des polytechnischen Bureau's von Dr. H. Schwarz in Breslau.
Autor: H. Schwarz
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXIII., S. 229
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LXIII. Notizen aus dem Laboratorium des polytechnischen Bureau's von Dr. H. Schwarz in Breslau. Schwarz, über die Destillation des Steinkohlentheers. Von einem Fabrikanten von Dachpappe, der circa 30,000 Centner Steinkohlentheer jährlich verarbeitet, wurde mir eine schwärzlich gefärbte blätterige Masse übergeben, die sich bei dem zum Verjagen des Wassers aus dem Theer nöthigen Abdampfen desselben in offenen Pfannen, in fußhohen Lagen auf dem Boden der Arbeitslocale absetzte. Ich ermittelte bald, daß diese Substanz ziemlich reines Naphthalin war, welches sich durch mehrfache Destillation mit Wasser vollkommen farblos erhalten ließ. Hierdurch wurde ich auf die probeweise Destillation des Theers in Blasen geführt, indem mir aus früheren größeren Versuchen in der Breslauer Gasanstalt bekannt war, daß bei der trocknen Destillation circa 30 Proc. des Theers an flüchtigen Oelen gewonnen wurden, die sich als Benzol, Photogen, Kreosotöl verwerthen ließen. Eine Probe Berliner Theer gab bei der Destillation mit im Dampfe befindlichem Thermometer: Oel bis 160º C 0,46 Proc. Oel bis 160–220º C.   0,65    „ Dieses ganz unerwartete Resultat schien sich dadurch zu erklären, daß dieser bei gelinder Kälte schon sehr dickflüssige Theer nach näher eingezogener Erkundigung schon in Berlin einer vorläufigen Erhitzung unterzogen worden war, um ihn von dem überschüssigen Wasser zu befreien. Es wurde daher roher Theer von der Breslauer Gasanstalt von Neuem destillirt. Dieser lieferte zuerst ein sehr ammoniakalisches Wasser, mit dem bis zu 100º C. ein sehr flüchtiges, leicht bewegliches Oel überging. Sobald das Wasser entfernt war, stieg die Temperatur sehr rasch auf 180º C., alsdann langsamer auf 200º C. Als nun die Vorlage gewechselt wurde, fing bei 210–230º C. eine solche Masse Naphthalin überzugehen an, daß das ganze Destillat bei Stubenwärme butterartig erstarrte. 7 Pfd. Theer (3269 Grm.) ergaben:      107 Kub. Cent. Wasser = 3,5 Proc. von 70–100º C.       60 Kub. Cent. Oel von 0,750 sp. Gew.   = 45 Grm. = 1,3    „       97,0     „         Oel von 0,820 sp. Gew. = 79,5 Grm. = 2,4    „ Nach diesen Resultaten bleibt nur die Annahme übrig, daß durch die früher angewendeten eisernen Retorten und die dadurch bedingte niedrigere Temperatur die flüchtigen Oele nicht so sehr zersetzt worden sind, als bei den jetzt angewendeten Charmotte-Retorten. Bei der Destillation von Braunkohlen, bei ganz niedrigen Temperaturen, erhält man bekanntlich einen Theer, der fast ganz aus flüchtigen Producten besteht, kein Naphthalin enthält, und bei seiner Rectification nur höchstens 10 Procent kohligen Rückstand hinterläßt. Ob das in ganz enormer Menge auftretende Naphthalin ein Zersetzungsproduct der flüchtigen Oele in Naphthalin und Leuchtgas nach dem Schema: Benzol Naphthalin Leuchtgas 2 C¹² H⁶ = C²⁰ H⁸ +    C⁴ H⁴, oder ob es nach Magnus' Versuchen ein Zersetzungsproduct des Leuchtgases selbst ist, wage ich nicht zu entscheiden. Für die erstere Ansicht spricht indessen das fast vollständige Zurücktreten der flüchtigen Oele. Von dem erwähnten rohen Naphthalin können beliebige Mengen per Pfund 1 Rthlr. durch das polytechnische Bureau des Unterzeichneten bezogen werden. Dr. H. Schwarz.