Titel: Ueber die Zusammensetzung des aus Wasser mittelst glühender Kohle erzeugten Gases und über die Wirkung desselben auf den thierischen Organismus; von Hrn. Langlois.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXXIII., S. 445
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CXXIII. Ueber die Zusammensetzung des aus Wasser mittelst glühender Kohle erzeugten Gases und über die Wirkung desselben auf den thierischen Organismus; von Hrn. Langlois. Aus den Annales de Chimie er Physique, t. LI p. 322, durch das polytechn. Centralblatt, 1858 S. 119. Langlois, über die Zusammensetzung des Gases welches die Zersetzung des Wassers durch Kohle liefert. Die in der letzteren Zeit unternommenen Versuche, das aus Wasser erzeugte Gas zur Beleuchtung und Heizung anzuwenden, geben dem Studium desselben ein gewisses praktisches Interesse. Man hat sich bisher viel mit der Bereitung dieses Gases, aber weniger mit seiner Zusammensetzung beschäftigt. Es sind jetzt verschiedene Apparate bekannt, um es leicht und in großer Menge darzustellen, und jeder derselben führt den Namen seines Erfinders. Unter denselben befindet sich auch ein Apparat von dem englischen Ingenieur Kirkham, welcher erst seit einiger Zeit in Frankreich bekannt ist und dessen Anwendung man neulich in einem der großen Militär-Etablissements in Paris versuchen wollte. Dieser Apparat weicht nur in der Zahl und der Anordnung seiner Theile von den übrigen ab, wie denn überhaupt das Verfahren zur Erzeugung des Wassergases im Wesentlichen bei allen Apparaten dasselbe ist, nämlich darin besteht, daß man Wasserdampf durch eiserne oder thönerne Retorten strömen läßt, die mit glühender Holzkohle oder glühenden Kohks gefüllt sind. Das Wasser zersetzt sich in Berührung mit der glühenden Kohle und liefert ein Gasgemisch, welches aus Wasserstoffgas, Kohlenoxydgas, Kohlensäure und einer geringeren Menge Sumpfgas besteht. Man hat geglaubt, in diesem Gasgemisch, nachdem es von Kohlensäure befreit ist, eine Hülfssubstanz für das Steinkohlengas gefunden zu haben, und sogar unter gewissen Umständen es mit Vortheil dem Steinkohlenges substituiren zu können, indem man es für Beleuchtungszwecke vorher mit einem kohlenstoffreichen Dampf imprägniren, für Heizung aber es ohne Weiteres verbrennen wollte. Vielleicht wäre man dahin gelangt, das Wassergas in Paris diese doppelte Rolle spielen zu lassen, wenn nicht zwei Chemiker, welche dem Stadtrath zu Paris als Mitglieder angehören, auf die Gefahren aufmerksam gemacht hätten, denen bei Anwendung dieses Gases die öffentliche Gesundheit ausgesetzt seyn würde. In der That hätte man zu befürchten, daß es, wenn es etwa durch Undichtheiten der Leitung ausströmen sollte, wegen seines großen Gehaltes an Kohlenoxydgas tödtlich wirken könne. In dem mittelst des Kirkham'schen Apparates erzeugten Wassergas sind wenigstens 30 und oft sogar 40 Proc. Kohlenoxydgas enthalten. Man hat allerdings behauptet, daß man durch Beobachtung gewisser Bedingungen dahin gelangen könne, die Erzeugung von Kohlenoxydgas sehr zu vermindern. Diese Idee stützt sich darauf, daß man voraussetzte, bei der Erzeugung des Gases könne man die Reduction der zuerst entstandenen Kohlensäure zu Kohlenoxydgas möglichst unterdrücken, indem man das Gas nicht durch eine lange glühende Kohlenschicht gehen ließe. Die in diesem Sinne ausgeführten Versuche haben indeß die Voraussetzung nicht bestätigt, es ist vielmehr in dem Gase immer viel Kohlenoxydgas vorhanden; die verhältnißmäßigen Mengen dieses Gases und der Kohlensäure sind übrigens bedeutenden Schwankungen unterworfen. Die reichliche Bildung des Kohlenoxydgases scheint eben so sehr, wenn nicht mehr, von dem Hitzgrade der Kohle als von der Masse derselben abzuhängen. Der Verfasser hat, um hierüber bestimmtere Auskunft zu erhalten, einige Versuche angestellt, die wir nachstehend mittheilen. Man brachte in eine Porzellanröhre calcinirte Holzkohle, legte sie in einen Ofen, verband sie an dem einem Ende mit einer kleinen gläsernen Retorte, die destillirtes Wasser enthielt, und am anderen Ende mit einer Glasröhre, die in eine Quecksilberwanne führte. Nach einstündigem lebhaften Feuern war die Röhre rothglühend geworden; erst jetzt brachte man das in der Retorte enthaltene Wasser ins Kochen und ließ den dadurch gebildeten Dampf durch die Röhre strömen. Das entstandene Gas ließ man im Anfange längere Zeit entweichen und fing es erst dann in einer mit Quecksilber gefüllten Glocke auf, als die in dem Apparat enthaltene Luft vollständig ausgetrieben war. Es wurden sieben Glocken, jede von 1/2 Liter Inhalt, mit dem Gas gefüllt. Das Gas jeder Glocke wurde für sich analysirt, damit man erkennen konnte, ob und inwiefern etwa im Laufe der Operation ein Gas von anderer Zusammensetzung erhalten werde. Für diese erste Untersuchung wurde die einfachste Methode der Analyse gewählt; man ließ nämlich die Kohlensäure durch caustisches Kali und das Kohlenoxydgas durch ammoniakalisches Kupferchlorür absorbiren. Die Ergebnisse waren folgende: Wasserstoff.   Kohlenoxyd.   Kohlensäure 1. Glocke       59,11     21,89     19,00 2.     „     58,64     26,07     15,29 3.     „     60,55     20,00     19,45 4.     „     60,48     20,83     18,69 5.     „     60,18     21,42     18,40 6.     „     60,37     19,31     20,32 7.     „     58,86     20,76     19,38 Aus diesen Analysen ergibt sich, daß das Gas während der ganzen Zeit seiner Erzeugung immer fast dieselbe Zusammensetzung hatte. Der Gehalt an Kohlensäure wurde hier viel größer gefunden, als er gewöhnlich im Wassergas zu seyn pflegt. Da dieß davon herrühren konnte, daß zu geringe Hitze angewendet wurde, so wiederholte der Verf. den Versuch, indem er dießmal darauf bedacht war, die Porzellanröhre bis zum Weißglühen zu erhitzen und sie während der ganzen Operation in dieser Hitze zu erhalten. Das bei dieser zweiten Operation gewonnene Gas wurde vergleichsweise durch ammoniakalisches Kupferchlorür und durch Verbrennung im Eudiometer analysirt. Die Analyse nach ersterer Methode ergab folgende Zahlen: Wasserstoff   52,64 Kohlenoxyd   41,36 Kohlensäure       6,00 –––––– 100,00 Die Analyse nach der zweiten Methode führte dagegen zu folgender Zusammensetzung: Wasserstoff   49,62 Kohlenoxyd   42,21 Kohlensäure       6,00 Sumpfgas     2,17 –––––– 100,00 Der Gehalt an Kohlenoxyd ist hier viel größer wie der an Kohlensäure. Die Analyse durch Verbrennung gibt, wie man auch schon wußte, viel genauere Resultate als die mit ammoniakalischem Kupferchlorür, obschon letztere doch immerhin für diese Art Analysen als ausreichend erscheint. Bei einer dritten Operation ersetzte man die Holzkohle durch Kohks, die man vorher in einem Platintiegel, mit einer Schicht Sand bedeckt, geglüht hatte, um sie von den flüchtigen Stoffen, welche sie immer enthalten, gänzlich zu befreien. Das Gas, welches der Wasserdampf beim Hindurchgehen durch die glühenden Kohks lieferte, wurde mittelst des Eudiometers analysirt und ergab folgende Zusammensetzung: Wasserstoff   54,52 Kohlenoxyd   31,86 Kohlensäure     12,00 Sumpfgas     1,62 –––––– 100,00 Es war noch die Frage zu beantworten, ob die Menge der in die Porzellanröhre gebrachten Kohle auf die Quantität des erzeugten Kohlenoxydgases von entschiedenem Einfluß sey. Für diesen Zweck wurde ein vierter Versuch ausgeführt, bei welchem man Wasserdampf auf ein einziges Stück calcinirter Kohle, dessen Länge nach jeder Richtung hin nicht mehr als 2 Centimeter betrug, wirken ließ. Man erhielt dabei ein Gas von folgender Zusammensetzung: Wasserstoff   54,25 Kohlenoxyd   35,37 Kohlensäure       8,64 Sumpfgas     1,74 –––––– 100,00 Dieser Versuch, welcher mehrere Male mit demselben Ergebniß wiederholt wurde, scheint zu beweisen, daß die Umwandlung der Kohlensäure in Kohlenoxydgas sofort stattfindet, und daß das Kohlenoxydgas, um sich zu bilden, nicht immer das Vorhandenseyn einer langen Schicht glühender Kohle erfordert. Man hat auf eine Analyse von Bunsen sich stützend, die Meinung ausgesprochen, daß bei der Zersetzung des Wassers durch glühende Kohle der Sauerstoff sich in zwei gleiche Portionen theile, von denen die eine Kohlensäure, und die andere Kohlenoxyd bilde; das Ergebniß kann unter Umständen dieser Voraussetzung entsprechen, dieß ist aber offenbar rein zufällig, da, wie die vorstehenden Analysen nachweisen, die besagte Theilung des Sauerstoffes keineswegs regelmäßig stattfindet. Der Verfasser hat auch über die Wirkung des Wassergases auf Thiere Versuche angestellt. Diese Wirkung kann nach der großen Menge von Kohlenoxyd, welche dasselbe enthält, gewissermaßen vorhergesagt werden. Die schädlichen Wirkungen dieses Körpers sind durch Versuche von Leblanc (Ann. de chim. et de phys., t. V. p. 239) genau bekannt geworden. Der Verfasser hat einige dieser Versuche wiederholt, um die dabei erhaltenen Resultate mit denjenigen, welche die Prüfung des Wassergases ergeben würde, zu vergleichen. Er operirte zunächst mit einem Sperling, den er unter eine mit reiner Luft gefüllte, vier Liter große Glasglocke brachte. Diese war durch Quecksilber abgesperrt und der Sperling befand sich auf einer Korkscheibe, welche innerhalb der Glocke auf dem Quecksilber schwamm. Der Verfasser fügte, nachdem der Sperling in der Glocke eingeschlossen war, der in derselben enthaltenen Luft 1 Proc. Kohlenoxydgas hinzu, wie es auch Leblanc gethan hatte. In Folge dessen wurde der Sperling alsbald unruhig, schwankte, beugte sich, streckte die Flügel aus und fiel um. Man muß ihn bald aus dieser Atmosphäre wieder herausnehmen, denn sonst unterliegt er der Einwirkung derselben, was schon innerhalb einer Minute erfolgen kann. Beim zweiten Versuch, der unter denselben Umständen ausgeführt wurde, fügte der Verfasser der in der Glocke enthaltenen Luft 2 1/2 Proc. Wassergas (vorher von Kohlensäure befreit) hinzu. Die Wirkung davon auf einen kräftigen Sperling war nicht weniger rasch, als die des Kohlenoxydgases gewesen war, und sie mußte so seyn, weil das angewendete Wassergas wenigstens 35 Proc. Kohlenoxyd enthielt. Der Versuch mit dem Wassergas wurde wiederholt, indem man statt des Sperlings ein Meerschweinchen nahm und der Luft in der Glocke statt 2 1/2 Proc. jetzt 5 Proc. Wassergas beimischte. Nach Verlauf von höchstens 1 Minute fing das kleine Thier an zu leiden, seine Respiration wurde lebhaft, es hörte auf sich zu bewegen, taumelte und fiel um. Hätte man sich nicht beeilt es wieder unter der Glocke wegzunehmen, so würde es bald gestorben seyn. Dieselben Thiere zeigten keinerlei Uebelbefinden, als man der Luft der Glocke statt des Wassergases ein gleiches Volum Wasserstoffgas, Kohlensäure oder Sumpfgas beimischte. Diese Versuche beweisen aufs Neue die energische schädliche Wirkung des Kohlenoxydgases auf den thierischen Organismus, und lassen auch die Gefahren ersehen, welche man zu befürchten hätte, wenn man die neuerlich ausgesprochene Idee, das Kohlenoxyd als anästhesisches Mittel bei chirurgischen Operationen zu benutzen, ausführen wollte.