Titel: Ueber die von den HHrn. Martin Stein und Comp. in Mülhausen fabricirten Drahtseile zur Bewegungsübertragung; von Hrn. Emil Dollfuß.
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XXXIX., S. 177
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XXXIX. Ueber die von den HHrn. Martin Stein und Comp. in Mülhausen fabricirten Drahtseile zur Bewegungsübertragung; von Hrn. Emil Dollfuß. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, 1858, Nr. 142. Dollfuß, über Drahtseile zur Bewegungsübertragung. In der Sitzung der Mülhauser Industriegesellschaft am 27. Juni 1854 theilte Hr. H. G. N. Hirn von Colmar eine Notiz mit über die Benutzung von Drahtseilen zur Bewegungsübertragung, statt der Wellen oder Laufriemen.Polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S. 435. Seitdem kam diese Methode in vielen Etablissements des Oberrhein-Departements und in anderen Gegenden in Anwendung. Die HHrn. Martin Stein und Comp., Seilfabrikanten zu Mülhausen, haben die Anwendung dieser neuen Bewegungsübertragung sehr erleichtert, indem sie in ihrer Fabrik neben den Hanfseilen, auch die Anfertigung von Drahtseilen einführten. Unsere Fabrikanten erlangten dadurch den Vortheil sich die letzteren am Platze selbst verschaffen zu können, während sie dieselben früher aus England beziehen mußten. Die Benutzung solcher Seile scheint, so weit wir es jetzt beurtheilen können, in sehr vielen Fällen unbestreitbare Vortheile zu gewähren; daher wird die unten folgende Notiz über den Gegenstand von Hrn. Stein Sohn nicht ohne Interesse seyn. Sie enthält die hauptsächlichsten Data und Erfahrungsresultate, welche bisher bei Anwendung der Drahtseile erlangt worden sind. Die Landwirthschaft kann von dieser Bewegungsübertragung denselben Vortheil ziehen wie die Fabriken, da deren Herstellung stets sehr einfach und verhältnißmäßig wenig kostbar ist. Bei den HHrn. Stein u. Comp. sind kürzlich ganz bedeutende Bestellungen auf Drahtseile zur Uebertragung der Bewegung auf Dreschmaschinen gemacht worden. Die jetzt am häufigsten angewendeten Drahtseile sind solche von 4, 6, 9 und 12 Millimeter Durchmesser; sie bestehen stets aus 36 Drähten, die in 6 Litzen zu 6 Drähten zerfallen, und welche in der Mitte eine Seele von Hanf haben. Die Nummer oder die Stärke der Drähte ist natürlich nach dem Durchmesser des Seiles verschieden. Das Gewicht und die Preise für die erwähnten Dimensionen sind die folgenden: Die Seile von 4 Millimeter Durchmesser (welche zu den Dreschmaschinen gebraucht werden) wiegen 0,10 Kilogr. per Meter und kosten 65 Centimes der Meter. Die von 6 Millim. wiegen 0,17 Kilogr. per Meter und kosten 75 Centimes der Meter. Die von 9 Millimeter wiegen 0,31 Kilogr. per Meter und kostet der Meter 1 Franc. Endlich die von 12 Millimeter Stärke wiegen 0,45 Kilogr. per Meter und kosten 1,25 Fr. der Meter. Die HHrn. Stein u. Comp. fabriciren seit einiger Zeit auch Bandseile von Eisendraht, welche durch Vereinigung zweier oder mehrerer Rundseile entstehen, die mit Eisendraht zusammengenäht werden. Das Zusammennähen der Litzen wird mit Hülfe einer sehr sinnreichen Maschine bewirkt. Bemerkungen des Hrn. Stein Sohn, über die in seiner Fabrik dargestellten Drahtseile. Die HHrn. Haußmann, Jordan, Hirn u. Comp. zu Logelbach zeigten der Industriegesellschaft am 28. Juni 1854 an, daß sie ein Drahtseil als Uebertragungsmittel benutzten. Man hat seitdem wiederholt, jedoch mit Unrecht behauptet, daß die Bewegungsmittheilung durch Drahtseile in England sehr verbreitet sey. Hr. Hirn hat zwar sein erstes Seil aus England bezogen, es existirte aber zu damaliger Zeit weder in England noch anderwärts eine Bewegungsübertragung mittelst Drahtseilen. Daß in dieser Hinsicht das Verdienst der ersten Idee einem französischen Fabrikanten angehört, kann als Thatsache angenommen werden. Die HHrn. Haußmann u. Comp. haben seitdem mehrere solche Transmissionen montirt und alle mit gleich gutem Erfolg, worauf wir zurückkommen. Der Erfolg der Drahtseile hängt von drei Bedingungen ab, welche wir einzeln untersuchen wollen. Es sind folgende: 1) die Entfernung zwischen den Rollen; 2) die dem Seil ertheilte Geschwindigkeit; 3) der Durchmesser und die Form der Rolle. Wir halten uns streng an die Mittheilung von Erfahrungsresultaten, da es nicht unsere Absicht seyn kann, Formeln oder eine Theorie über diesen Gegenstand aufzustellen. Entfernungen. – Kaum sind vier Jahre seit Herstellung der ersten Drahtseil-Bewegungsmittheilung verflossen, und schon hat die Praxis ein Minimum der Entfernung ergeben, unter welchem diese Art der Transmission keinen Vortheil mehr gewährt; dieses Minimum beträgt 30 Meter. Man kann sagen, daß die Drahtseile erst dann nützlich werden, wenn die Wellen in Beziehung auf Anlage- und Unterhaltungskosten lästig werden. Die Seile wirken erst bei Entfernungen gut, wo die Wellen keine vollkommen regelmäßige Bewegung mehr gewähren. Bei kurzen Entfernungen müssen die Seile wegen des Gleitens stark gespannt werden, wodurch eine harte und stoßweise Bewegung veranlaßt wird. Lange Seile hingegen bilden einen Sack, welcher die Bewegung regulirt und sanft macht, und überdieß den großen Vortheil gewährt, geringe Längenveränderungen, welche durch plötzliche Temperaturveränderungen veranlaßt werden, unbemerkbar zu machen. Die bis jetzt erreichte größte Entfernung zwischen den Rollen beträgt 240 Meter und wird zu Logelbach angewendet. Auf diese Entfernung wird eine Wasserkraft von 42 Pferden, mittelst eines Seils von 12 Millimeter Durchmesser, von den Motoren aufwärts, fortgepflanzt; auf diesem langen Laufe ist das Seil nur durch eine einzige Tragrolle unterstützt. Ein Seil von 9 1/2 Millimeter Durchmesser, welches bei den HHrn. Dolfuß, Mieg u. Comp. auf 60 Meter Entfernung wirkt, und ein Seil von 5 Millim. von derselben Entwickelung, welches die Ackergeräthschaften-Werkstatt des Hrn. Schlumberger zu Staffelfelde in Betrieb setzt, hängen frei in der Luft. Man kann daher annehmen, daß Tragrollen erst für 120 Meier Lauflänge nothwendig werden. Ist es möglich, Drahtseile von mehr als 240 Met. Länge anzuwenden? Obgleich eine Erfahrung darüber noch nicht vorliegt, so zögern wir doch nicht zu sagen: ja! Die Gränze des Möglichen scheint uns nur in der Länge des Seils zu liegen, bei welcher die zu zahlreichen Tragrollen durch Reibung einen zu großen Kraftverlust veranlassen würden. Von der Geschwindigkeit, oder von der übertragenen Kraft. – Bis jetzt sind unseres Wissens noch keine Berechnungen über die absolute Festigkeit (oder mit anderen Worten über den Querschnitt) gemacht worden, welche ein Seil besitzen muß, um eine gegebene Kraft übertragen zu können. Der Widerstand des Seiles, an und für sich, diente nicht als Basis bei Herstellung der bisherigen Transmissionen. Einer ahmte den andern nach, indem er die Kraftfrage auf eine bloße Geschwindigkeitsfrage reducirte. Der schwedische Eisendraht, welchen wir jetzt für unsere Seile anwenden, und der bessere Resultate als der französische Draht gegeben hat, leistet gegen den Zug keinen größern Widerstand, als der letztere. Das bessere Verhalten des nordischen Drahtes kann nicht seiner Festigkeit, sondern muß seiner Weichheit zugeschrieben werden, weßhalb er sich besser um die Rollen biegt. Ich will jedoch das Resultat der Versuche mittheilen, welche wir zur Bestimmung der Festigkeit der Drahtseile gemacht haben. Es wurden Seile von 9 Millim. Durchmesser probirt, deren 36 Drähte einen Gesammt-Querschnitt von 34 Quadratmillimeter darbieten. Die Hanfseelen kommen bei Bestimmung der Festigkeit nicht in Rechnung. Diese Seile aus schwedischem Draht, von 9 Millim., zerrissen unter einer Belastung von 1,812 Kilogr., diejenigen aus französischem Draht, der aus Holzkohleneisen dargestellt wird, bei 1,854 Kilogr. Die Festigkeit per Quadratmillim. beträgt daher bei schwedischem Draht 55,06 Kil. und bei französischem 54,53 Kil. Diese Data könnten vielleicht zur Vergleichung bei herzustellenden Transmissionen dienen; bisher hat man aber, wir wiederholen es, nur die Geschwindigkeit bei den Berechnungen als Anhaltspunkt gewählt. Diese Geschwindigkeiten sind bei den uns bekannten Anwendungen sehr verschieden. Die HHrn. Haußmann, Jordan, Hirn u. Comp. ertheilen den Seilen eine Geschwindigkeit von 15 bis 16 Met. in der Secunde. Ihre erwähnte Transmission von 42 Pferdekräften, mit einem Seil von 12 Millimeter Durchmesser, geschieht mittelst Rollen oder Scheiben von 3 Meter Durchmesser, welche etwa 105 Umgänge in der Minute machen. Ein anderes Beispiel ist die Drahtseil-Transmission bei den HHrn. Dollfuß, Mieg u. Comp., wofür die Zahlen folgende sind: 10 Pferdekräfte, Stärke des Seiles 9 Millim., Rollen 2 Met. Durchmesser, Geschwindigkeit 55 Umgänge in der Minute. Wir könnten noch viele andere Beispiele mit Geschwindigkeiten zwischen diesen beiden Zahlen anführen, wollen uns aber auf ein Beispiel von veränderlicher Geschwindigkeit beschränken. Die HHrn. Gebrüder Goudareau zu Avignon übertragen eine Kraft von 5 bis 6 Pferden vom Erzeugungspunkte auf 38 Meter Entfernung, um hydraulische Pressen und Pumpen in Betrieb zu setzen. Die Rollen haben 1,5 Met., das Seil 9 Mill. Durchmesser. Die ganze Kraft ist absorbirt, sobald der Druck sein Maximum erreicht hat; die Rotationsbewegung der Rollen sinkt alsdann auf 69 Umläufe in der Minute herab. Wenn hingegen der Widerstand verschwindet, steigt die Rotationsgeschwindigkeit auf 85 und sogar auf 90 Umläufe in der Minute. Die größte Geschwindigkeit des Seiles beträgt also 7,06 Met. und die geringste 4,71 Meter in der Secunde. Diese Geschwindigkeitsbeschleunigung veranlaßt ein Schwanken, welchem man durch eine Spannrolle mit Gegengewicht abgeholfen hat. Dieses Schwanken wäre minder fühlbar, wenn das Transmissionsseil länger wäre; sein eigenes Gewicht und besonders der Sack, welchen es dann bilden würde, müßten das Schwanken verhindern. Bei den Seilen mit ununterbrochener Geschwindigkeit ist das Schwanken nicht bemerkbar. Gestatten die erwähnten Transmissionen nicht die Behauptung, daß man mit Hülfe eines Seiles von 12 Millim. Durchmesser, das über Rollen von 3 Meter Durchmesser läuft, welche die Geschwindigkeit der Turbinenwellen, nämlich von 300 bis 800 Umgängen in der Minute haben, eine ungeheure Kraft auf 1 Kilometer Entfernung und selbst noch weiter zu übertragen im Stande wäre, wenn das Schwanken des Seils bei solchen Geschwindigkeiten nicht zu stark würde? Von den Rollen. – Die Steifigkeit der Seile, sowohl der aus Hanf als der aus Draht bestehenden, veranlaßt einerseits Kraftverlust und andererseits Abnutzung der Seile. Die Durchmesser der Hanfseile und der Trommeln um welche sie gewickelt werden, müssen mindestens im Verhältniß von 1 zu 10 stehen. Für Eisendrahtseile steigt dieses Verhältniß bedeutend und beträgt ohngefähr 1 zu 200. Bei den oben angeführten Beispielen findet dieses Verhältniß und selbst noch ein höheres statt. Wir haben Transmissionsseile in Werkstätten angelegt, wo die Oertlichkeit keinen größeren Durchmesser der Rollen als den 100- oder nur den 70fachen des Seiles gestattete. Aber in diesem Falle vermindert sich die Dauer des Drahtseils auf das Viertel oder Drittel; es dauert dann selten 10 Monate lang. Bringt man die Rollen außerhalb der Gebäude an, so kann man ihnen dann leicht einen Durchmesser geben, welcher im gehörigen Verhältniß zu dem des Seils steht. Hinsichtlich der Construction der Rollen, beschränken wir uns auf die Bemerkung, daß man sie vorzugsweise mit hölzernen Kränzen und gußeisernen Armen und Naben macht: öfters machte man die Welle von Schmiedeisen und goß die Nabe darüber. Die Kehlen müssen breit und tief seyn. Man bringt in der Kehle einen Streifen von Leder oder Gutta-percha von 3 bis 5 Millimeter Dicke an, dessen beide Enden in einen Falz in dem Kranze eingelassen sind. Dieser Streifen verhindert nicht nur das Gleiten des Seils, sondern auch dessen Abnutzung. Man wechselt ihn alle 3 bis höchstens 4 Monate aus. Dieser Streifen bildet fast die einzigen Unterhaltungskosten bei Eisendrahtseil-Transmissionen. Das Schmieren des Seils während seines Ganges ist unnöthig; es genügt das Seil, wenn es nicht benutzt wird, mit irgend einer fettigen oder öligen Substanz zu überziehen. Verbindung der Enden des Seils. – Die Käufer von Drahtseilen haben stets die Frage an uns gestellt: „wie bewerkstelligen wir die Verbindung der beiden Enden?“ Wir empfehlen in dieser Hinsicht jede Art der Verbindung außer dem Zusammenflechten zu vermeiden. Die Muffe mit Haken und die Ringe müssen verworfen werden, weil durch dieselben beim Uebergang über die Rollen Stöße veranlaßt werden. Die Haken können nur während der ersten Betriebstage angewendet werden, wo sich das Seil verlängert, wornach eine Verkürzung desselben nothwendig ist. Ist das Drahtseil einmal verlängert, so kann es behufs der Verbindung seiner Enden auf 1 bis 2 Meter Länge zusammengeflochten werden, in derselben Weise wie es bei den Bergwerksförderseilen, bei den Seilen der Winden und bei dem Tauwerk der Schiffe ausgeführt wird. Unsere Fabrik beschäftigt sich jetzt mit Bandseilen, welche zur Bewegungsmittheilung statt Laufriemen benutzt werden sollen; darüber, sowie über ein Messingdrahtseil, welches auf einer unterirdischen Strecke einer Saline im Meurthe-Departement im Gebrauch ist, werde ich demnächst berichten. Die Vergleichung desselben mit den Eisendrahtseilen dürfte nicht ohne Interesse seyn. Eisendrahtseile werden jetzt in sehr vielen Industriezweigen angewendet; wir erwähnen die Spinnereien, Webereien, Bleichereien, die Zeugdruckereien, die Hohöfen, Stabeisenwerke, Papierfabriken, Salinen, Krappfabriken, Zuckerraffinerien, Schneidmühlen, die Förderung und Wasserhaltung bei Bergwerken, endlich die Landwirthschaft, wo sie zur Bewegungsmittheilung bei Dresch- und anderen Maschinen benutzt werden.