Titel: Nähmaschine von W. F. Platt.
Autor: W. Hauff
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXXII., S. 334
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LXXII. Nähmaschine von W. F. Platt. Mit Abbildungen auf Tab. VI. Platt's Nähmaschine. In einer frühern Mittheilung (Bd. CXLVII S. 406 dieses Journals) wurde eine Nähmaschine von Watson beschrieben, welche mit einem Faden arbeitet. Der Gegenstand dieser Mittheilung ist eine mit zwei Fäden arbeitende Maschine, deren Erfinder W. F. Platt ist. Die Nähmaschinen mit zwei Fäden haben entweder zwei Nadeln, welche beide zu verschiedenen Zeiten und in verschiedener Richtung durch den Zeug stechen, wobei die eine Nadel immer durch die Schleife (Schlinge) der andern Nadel durchgeht und so die Stiche alle befestigt werden; oder sie haben bloß eine Nadel, welche durch den Zeug durchsticht, ähnlich wie bei den Maschinen mit einem Faden, durch die unterhalb des Zeuges gebildete Schleife wird aber, ehe die Nadel zurückgeht, ein zweiter Faden durchgeführt, so daß die Naht auf beiden Seiten einem „Steppstich“ gleicht, in Wahrheit aber bloß oberhalb einen Steppstich bildet, während unterhalb ein Faden der ganzen Naht entlang von dem von der Nadel herabgeführten Faden umschlungen ist. Das Durchführen des zweiten Fadens durch die Schleife des ersten Fadens geschieht auf verschiedene Weiie, am sichersten und zweckmäßigsten jedoch von den Maschinen, bei welchen der nächstvorhergehende Stich während des Actes, durch welchen der folgende Stich gebildet wird, immer fest angezogen wird. Bei den bekanntesten Maschinen von Singer Beschrieben im polytechn. Journal Bd. CXXXIII S. 92. geschieht das Durchführen des zweiten Fadens mittelst eines kleinen vorne scharf zulaufenden Schiffchens, welches eine Spule mit Faden enthält und unterhalb des Tisches in einer Bahn so geführt wird, daß die Spitze des Schiffchens immer in die von der Nadel dargebotene Schleife tritt, dieselbe mit dem dickern Theil des Schiffskörpers ausdehnt, dabei den vorhergehenden Stich fest anzieht und den zweiten Faden durch den ersten durchführt. Bei der in unseren Abbildungen gegebenen Maschine jedoch geschieht das Durchführen des zweiten Fadens dadurch, daß die Schleife des ersten Fadens durch einen nach hinten zu dicker werdenden, kreisförmig gebogenen und bewegten Haken soweit ausgedehnt wird, daß sie über eine in der innern Rundung des Hakens liegende Hülse weggeführt wird, worin sich eine kleine, den zweiten Faden enthaltende Spule befindet. Fig. 19 stellt eine Seitenansicht der Maschine, theilweise im Durchschnitt, vor. Fig. 20 ist eine vordere Ansicht der Maschine, theilweise im Durchschnitt. Fig. 21 ist eine Seitenansicht des Hakens und der den zweiten Faden enthaltenden Hülse. Fig. 22 ist eine vordere Ansicht desselben mit der Hülse. Fig. 23 ist eine vordere Ansicht des Hakens in einer andern Stellung. Fig. 24 ist ein Durchschnitt des Hakens und der Hülse. Fig. 25 ist eine perspectivische Ansicht des Hakens. Fig. 26 ist der die Hülse haltende Rahmen. Die gleichen Buchstaben in den verschiedenen Figuren bezeichnen dieselben Theile der Maschine. Auf dem Tische A ist ein Ständer B angebracht, welcher auf der hintern Seite für die Achse C als Lager dient, und sich nach vorne zu erstreckt und in einen Kopf ausläuft, welcher dem Schlitten D zur Führung dient, und zugleich eine Oeffnung hat, in welcher sich der Fuß E auf und ab bewegt. Der Fuß E dient zum Festhalten des Zeuges auf dem Tische und wird durch eine Spiralfeder niedergehalten. Das Vorwärtsschieben des Zeuges (das Speisen) geschieht durch einen von unten durch den Tisch sich erstreckenden Arm F, dessen Oberfläche gezackt ist, und der obere Faden ist auf der Rolle G aufgewickelt. Der Haken H ist auf einer unterhalb des Tisches gelegenen Achse I angebracht, welche ihre Lage in zwei von dem Tische abwärts sich erstreckenden Armen a hat. Ein Zahnrad b ist auf der Achse I fest und greift in ein auf dem Zapfen d' befestigtes Segment c ein. Das Segment c hat jedoch ein solches Verhältniß zu dem Rade b, daß dieses keine ganze Umdrehung macht. Auf der Achse C ist eine Scheibe J befestigt welche mittelst eines Krummzapfens g einem, um den Zapfen f drehbaren Hebel e eine oscillirende Bewegung mittheilt, welche durch eine Lenkstange d auf das Segment c übergetragen und von dort durch das Zahnrad b der Achse I mitgetheilt wird. Da jedoch der Zapfen g in einem langen Schlitze f sich bewegt, so ist die Bewegung des Hebels e unterbrochen; eine ebenfalls unterbrochene geradlinige Bewegung theilt der Krummzapfen g einem Schieber P mit, welcher zu diesem Zweck hinten einen den Zapfen g umspannenden, ebenfalls länglichen Schlitz x hat, und sich in den Lagern w, w schiebt. Das vordere Ende des Schiebers P ist aufwärts gebogen und mit einem länglichen Schlitze y versehen, welcher einen auf dem Schlitten D festsitzenden Zapfen z umspannt und auf diese Weise wird der Schlitten D, welcher die Nadel n trägt, auf und abwärts gezogen, während der Schieber P sich horizontal hin und her bewegt. Der Haken H hängt durch einen Streifen i mit der massiven Scheibe H' zusammen, und die Hülse L liegt lose im Innern desselben, indem sie bei v, v durch den von i bis j (Fig. 24) reichenden Rand gehalten wird. Der hintere Theil der Hülse L ist mit einem dreieckigen Theile q versehen, welcher in eine Oeffnung r in dem durch die Schraube s am Tische A befestigten Winkel M paßt, so daß die Hülse L keine drehende Bewegung annehmen kann. Die Ecken des Theiles q sind jedoch abgerundet, so daß ein Faden zwischen demselben und dem Winkel M leicht durchgezogen werden kann. Im Innern der Hülse L befindet sich eine zweite Fadenrolle t. Der Vordertheil m des Hakens H ist zugespitzt und hat eine solche Lage, daß seine Spitze in die von der Nadel gebildete Schleife eindringen kann. In Fig. 21 und 22 ist dargestellt, wie das Vordertheil m des Hakens in die frisch gebildete Schleife einzudringen im Begriff ist, von wo sich derselbe dann in der Richtung des Pfeils dreht, bis der Faden in die unter h gebildete Ecke p fällt. Ist der Faden dort angekommen, so dreht sich der Haken H zurück, in der Richtung des Pfeils Fig. 23, und der Faden wird vermöge einer schraubenförmig auslaufenden Kerbe k nach dem Rande l des Hackens hingeleitet und fällt von dort über die schiefe Fläche der Hülse L. Unterdessen ist die Nadel n zu einem zweiten Stiche herabgekommen, der Haken H greift in die frisch gebildete Schleife und zieht das über die Hülse L hängende Stück über die Hülse weg, wobei der Faden zwischen dem Ende q der Hülse und der Oeffnung r durchgleitet. Wird nun das Ende des zweiten Fadens von der Fadenrolle t durch die Oeffnungen u in der Hülse L gezogen und unter dem Tische mit der Hand gehalten, so wird er von dem über die Hülse gleitenden ersten Faden umspannt und bis unter den Zeug mit hinaufgezogen, wobei er den ersten Faden hindert wieder durch den Zeug durchgezogen zu werden und sich im Verlauf der Arbeit in der Linie der Naht unter dem Zeug anlegt. Mit einem ähnlichen Haken arbeitende Maschinen von Wheeler und Wilson werden schon seit mehreren Jahren mit Erfolg hergestellt und benutzt, dabei hat der Haken jedoch eine vollkommen rotirende Bewegung und ist selbst schraubenförmig gebogen, so daß er den Faden über die den zweiten Faden enthaltene Hülse wegleitet. Die hier beschriebene Maschine ist eine ganz neue Erfindung und unterscheidet sich so wesentlich von Wheeler's und Wilson's, daß ein Patentgesuch ohne Zweifel mit Erfolg gekrönt werden wird, und da seit einiger Zeit fertige Nähmaschinen von hier nach Europa und auch nach Deutschland ausgeführt werden, so ist es gewiß nicht ohne Interesse für die deutschen Gewerbsleute, mit der Construction und den neuen Verbesserungen dieser Maschinen bekannt zu werden. New-York, im April 1858. W. Hauff.

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